Filmtagebuch: deBohli
Moderator: SFI
Re: Filmtagebuch: deBohli
"Drop Dead Gorgeous" könnte ich mir auch mal wieder ansehen...
- deBohli
- Palmenkicker
- Beiträge: 10928
- Registriert: 15.10.2005, 10:32
- Wohnort: Zofingen, Schweiz
- Kontaktdaten:
Re: Filmtagebuch: deBohli
Unterhaltsam ist der Film auf jeden Fall.
- deBohli
- Palmenkicker
- Beiträge: 10928
- Registriert: 15.10.2005, 10:32
- Wohnort: Zofingen, Schweiz
- Kontaktdaten:
Re: Filmtagebuch: deBohli
Weird Science
DVD / Regie: John Hughes
Welch Baukasten der männlichen Fantasie: Aus dem jungfräulichen Dasein entspringt die perfekte Frau, als folgewillige Hexe mit unendlich Sexappeal. Das lässt sich heute nur noch schwer ertragen, auch wenn Bill Paxton und Robert Downey Jr. mit dabei sein, sowie Kelly LeBrock scheinbar Spass an ihrer Rolle hat.
Viele andere Elemente von «Weird Science» sorgen aber für Fremdscham und der Kult um John Hughes lässt sich immer weniger nachvollziehen. Dafür spielen sich Oingo Boingo mit dem Titelstück die Seele aus dem Leib.
Hustlers
DVD / Regie: Lorene Scafaria
Die ganze Welt ist ein Stripclub – welch wunderbare Aussage zum Schluss von «Hustlers». Aus dem Munde von JLo gesprochen ist dieses Zitat zwar nicht sehr tiefsinnig oder philosophisch, der Film von Lorene Scafaria will das aber gar nicht sein.
Gut gefilmt und von Schauspielerinnen wie Constance Wu, Julia Stiles, Keke Palmer und Lili Reinhart passend gespielt, wird das Stripper-Dasein geschickt beleuchtet und muss sich nie auf den Male Gaze stützen. Das resultiert in echt wirkenden Figuren und emotionalen Momenten.
Körhinta (Merry-go-round)
BD / Regie: Zoltán Fábri
Die Liebe, sie lässt unsere Gedanken im Kreise drehen, uns schwindlig werden und Schmerzen verspüren. Besonders, wenn sich Familie und Gesellschaft gegen die wahren Gefühle stellen und eine Ehebindung aus wirtschaftlichen Gründen beschliessen.
Geschickt konnte Zoltán Fábri mit seinem wunderbaren Film «Körhinta» die damalig herrschende Umbruchsstimmung in Ungarn in seine Geschichte einbinden, die Kamera folgt den Figuren überallhin und der Schnitt zaubert. Bis zum Ende bleibt die Erzählung realistisch und trotzdem hoffnungsvoll, Kitsch gibt es hier nicht.
Land des Schweigens und der Dunkelheit
BD / Regie: Werner Herzog
Was bin ich glücklich, die Welt mit meinen Ohren und Augen erfassen und erforschen zu können. Welch Schrecken in der Dunkelheit lauern. Deswegen nimmt die Dokumentation «Land des Schweigens und der Dunkelheit» von Werner Herzog stark mit, zeigt er in den Aufnahmen Menschen, die man in unserer Gesellschaft an den Rand drängt und vergisst.
Alltag, Wahrnehmung, Sprache, Austausch – nirgends gibt es eine Selbstverständlichkeit. Das sollte man nie vergessen.
Sweet Charity
BD / Regie: Bob Fosse
Tanz, Farben, Choreografie und Schmiss – doch die eigentliche Geschichte von «Sweet Charity» ist weit entfernt vom zuckersüssen Glück sonstiger Musical-Figuren. Bob Fosse adaptierte bei seiner ersten Regiearbeit sein eigenes Broadway-Stück mit Shirley Maclaine in der Hauptrolle und betrachtete die Liebe und das Leben ohne Angst vor düsteren Passagen.
Im Verbund mit der ausdrucksstarken Kameraarbeit und dem opulenten Design bedeutet dies ein Resultat voller Spass, Nachdenklichkeit und Unterhaltung.
Sodrásban (Current)
BD / Regie: István Gaál
Weggeschwemmt wird sie, die Unschuld der Jugend. Mit dem Tod von Gabi wird der Freundeskreis im Film «Sodrásban» durchgerüttelt. Die Fragen nach Schuld, Erinnerung, Wahrheit und Zukunft tauchen auf, bestehende Beziehungen werden auf die Probe gestellt.
Der Film von István Gaál ist distanziert und mitreissend zugleich, ohne melodramatisch zu werden. Besonders die Kameraarbeit ist famos (allein die Aufnahme in der Allee) und vom anfänglichen Übermut bleibt am Ende nur ein kleiner Funke.
A Movie
Streaming, Internet Archive / Regie: Bruce Conner
The past was meant to last. Aber was genau, und was bedeutet dies? Mit «A Movie» zeigt Bruce Conner auf experimentelle Weise unterschiedliche Archivaufnahmen und fügte diese Ende der Fünfzigerjahre zu einem Kurzfilm zusammen.
Die Collage lässt Zusammenhänge und Aussagen in unseren Köpfen entstehen, was Intention und Manipulation zugleich ist. Wahrheit ohne Kontext? Vorstellung ohne Halt? Faszinierende Einstellungen aus einer Zeit, die so nicht mehr existiert und trotzdem vorhanden ist.
- deBohli
- Palmenkicker
- Beiträge: 10928
- Registriert: 15.10.2005, 10:32
- Wohnort: Zofingen, Schweiz
- Kontaktdaten:
Re: Filmtagebuch: deBohli
Longing
Streaming, Filmingo / Regie: Savi Gabizon
Kann man sich nach etwas sehnen, das man nie hatte und dann sofort wieder verlor? Savi Gabizon geht dieser Frage in seinem Film «Longing» nach und lässt seine Figuren dabei immer wieder in satirisch überzeichnete Situationen treten.
Liebe, Verlust, Trauer und verpasste Chancen – vermischt in einem Film, der laut und leise sein kann, sowie mit fantasievollen Momenten glänzt, aber auch etwas zäh wirkt.
Les magnétiques
Kino / Regie: Vincent Maël Cardona
Der Zauber der Jugend, die Unbeschwertheit der Achtzigerjahre – und natürlich die grossartige Musik aus dem Bereich Punk und New Wave. «Les magnétiques» lässt die nostalgischen Muskeln spielen und zeigt eine Coming-Of-Age-Geschichte, die am Mischpult der Untergrund-Radiostationen ihre Magie entfaltet.
Von Vincent Maël Cardona stilsicher und mit wunderbaren Aufnahmen inszeniert, will der Funken zwar nicht immer überspringen, dafür belohnen gewisse Szenen mit grosser Emotionalität.
Party Monster
DVD / Regie: Fenton Bailey, Randy Barbato
Wie wurde man im New York der frühen Neunzigerjahre zum Partykönig? Mit Dreistigkeit, übertriebenen Kostümen, viel Drogenkonsum und einem Mord. «Party Monster» erzählt die wahre Geschichte von James St. James und Michael Alig (verausgabend von Seth Green und Macaulay Culkin gespielt), ohne etwas schönzureden.
Das gelingt vor allem durch die direkte und kostengünstige Inszenierung, bei der Fenton Bailey und Randy Barbato ihre digitalen Aufnahmen scheinbar im Guerilla-Stil durchgeführt haben. Gerne aber hätte ich mehr Szenen mit Chloë Sevigny erlebt.
Égi bárány (Agnus Dei)
BD / Regie: Miklós Jancsó
«Égi bárány» ist weniger ein Film als eine abstrakte Inszenierung theoretischer Gedanken. Wie funktioniert Faschismus, wie wird eine Gesellschaft davon bekehrt? Wie hat sich der erste Weltkrieg in Ungarn verhalten? Miklós Jancsó nimmt diese Fragen in seinem Werk auf und untersucht dabei den Mikrokosmus eines Dorfes.
Durch die sich stets bewegende Kamera, welche die Figuren und Szenen ewig umkreist, erhält man beeindruckende Aufnahmen, die alles zugleich echter und theatralischer wirken lassen. Ohne geschichtliches Vorwissen bleiben viele Inhalte und Handlungen aber zu kryptisch.
Aguirre, der Zorn Gottes
BD / Regie: Werner Herzog
Zusammen mit Klaus Kinski machte sich Werner Herzog auf die Suche nach El Dorado und liess die gemachten Erfahrungen der spanischen Eroberer aus dem 16. Jahrhundert in dokumentarischem Stil neu aufleben. «Aguirre, der Zorn Gottes» ist eine meditative und betörende Arbeit, die sich Zeit für lange Einstellungen der Natur, der Gesichter und der Verzweiflung nimmt.
Begleitet von den musikalischen Klängen von Popul Vuh wird die damalige Mystik der Umgebung heraufbeschworen und den unterdrückenden Grössenwahn der Invasoren gnadenlos dargestellt. Gold gibt es am Ende keins, nur Verderben und Wahn.
- deBohli
- Palmenkicker
- Beiträge: 10928
- Registriert: 15.10.2005, 10:32
- Wohnort: Zofingen, Schweiz
- Kontaktdaten:
Re: Filmtagebuch: deBohli
Am Sonntag war bei uns "Tag des Kinos" (alle Eintritte kosteten nur 5 CHF), also liess ich den Sonnenschein links liegen und besuchte diverse Vorführungen, inklusiver einer Vorpremiere.
Drii Winter
Kino / Regie: Michael Koch
Wie eine griechische Tragödie geht Michael Koch seine Geschichte über die Liebe in den hohen Bergen des Kantons Uri an. Mit dem engen und perfekt fotografierten 4:3-Format, mit Laiendarsteller:innen, die sehr gut agieren (Michèle Brand und Simon Wisler), mit der schroffen Natur, mit dem kargen Naturell der dortigen Bewohner:innen.
Ohne die üblichen Wendungen servieren zu müssen, ist die traurige Erzählung in ihrer ruhigen Weise packend und emotional aufwühlend. Ein Schweizer Film, der lange nachhallt, mit Einstellungen, die sich im Kopf einbrennen.
Zusätzlich: Nach «Beau travail» ein weiteres Beispiel für die perfekte Verwendung eines Eurodance-Hits.
Freibad
Kino / Regie: Doris Dörrie
Fremdenhass, sexuelle Unterdrückung, Ausgrenzung, Patriarchat, Gender und Körperform; bei «Freibad» wird kein heisses Thema ausgelassen und mit erstaunlich entspannter Grundstimmung und grellbunten Aufnahmen in den Pool geworfen.
Der Film von Doris Dörrie lässt klischierte Figuren aufeinanderprallen und im Leben zu oft vernommene Aussagen Baden gehen. Das wirkt manchmal erfrischen und unterhaltsam, dann wieder zu übertrieben und wenig originell. Haften bleibt für sehr kurze Zeit die arme Steffi aus der Schweiz, ins nichts führende Wortgefechte und die gewärmte Haut. Dann vergisst man den Badebesuch bereits wieder.
La Colline où rugissent les lionnes
Kino / Regie: Luàna Bajrami
Nach ihren überzeugenden Auftritten in Filmen wie «L'Événement» und «Portrait de la jeune fille en feu» hat Luàna Bajrami ins Regiefach gewechselt und liefert mit «La Colline où rugissent les lionnes» gleich ein starkes Debüt ab.
Treffsicher, toll fotografiert, flirrend und real wirkend. Die Geschichte um die jungen Frauen in einem Dorf im Kosovo nährt sich zwar von diversen Klischees, legt aber das Gewicht auf die Emotionen und Stimmungen. Und das gelingt wunderbar.
Three Thousand Years of Longing
Kino / Regie: George Miller
Tilda Swinton und Idris Elba zuzusehen, wie sie sich gegenseitig Geschichten erzählen, ist wundervoll. Leider allerdings will die visuelle Unterstützung, die George Miller zu den Worten aufbietet, nicht mithalten. «Three Thousand Years of Longing» wirkt uneben und besonders in den Fantasy-Sequenzen zu bunt, zu künstlich. Das bremst Fluss und Genuss aus.
Dass der «verrückte» Miller aber auf beeindruckende Bilder steht, drückt immer wieder durch und der Film weiss magische Sequenzen zu erzeugen. Wie sagten es schon die Simple Minds? «Love will conquer anything.»
Drii Winter
Kino / Regie: Michael Koch
Wie eine griechische Tragödie geht Michael Koch seine Geschichte über die Liebe in den hohen Bergen des Kantons Uri an. Mit dem engen und perfekt fotografierten 4:3-Format, mit Laiendarsteller:innen, die sehr gut agieren (Michèle Brand und Simon Wisler), mit der schroffen Natur, mit dem kargen Naturell der dortigen Bewohner:innen.
Ohne die üblichen Wendungen servieren zu müssen, ist die traurige Erzählung in ihrer ruhigen Weise packend und emotional aufwühlend. Ein Schweizer Film, der lange nachhallt, mit Einstellungen, die sich im Kopf einbrennen.
Zusätzlich: Nach «Beau travail» ein weiteres Beispiel für die perfekte Verwendung eines Eurodance-Hits.
Freibad
Kino / Regie: Doris Dörrie
Fremdenhass, sexuelle Unterdrückung, Ausgrenzung, Patriarchat, Gender und Körperform; bei «Freibad» wird kein heisses Thema ausgelassen und mit erstaunlich entspannter Grundstimmung und grellbunten Aufnahmen in den Pool geworfen.
Der Film von Doris Dörrie lässt klischierte Figuren aufeinanderprallen und im Leben zu oft vernommene Aussagen Baden gehen. Das wirkt manchmal erfrischen und unterhaltsam, dann wieder zu übertrieben und wenig originell. Haften bleibt für sehr kurze Zeit die arme Steffi aus der Schweiz, ins nichts führende Wortgefechte und die gewärmte Haut. Dann vergisst man den Badebesuch bereits wieder.
La Colline où rugissent les lionnes
Kino / Regie: Luàna Bajrami
Nach ihren überzeugenden Auftritten in Filmen wie «L'Événement» und «Portrait de la jeune fille en feu» hat Luàna Bajrami ins Regiefach gewechselt und liefert mit «La Colline où rugissent les lionnes» gleich ein starkes Debüt ab.
Treffsicher, toll fotografiert, flirrend und real wirkend. Die Geschichte um die jungen Frauen in einem Dorf im Kosovo nährt sich zwar von diversen Klischees, legt aber das Gewicht auf die Emotionen und Stimmungen. Und das gelingt wunderbar.
Three Thousand Years of Longing
Kino / Regie: George Miller
Tilda Swinton und Idris Elba zuzusehen, wie sie sich gegenseitig Geschichten erzählen, ist wundervoll. Leider allerdings will die visuelle Unterstützung, die George Miller zu den Worten aufbietet, nicht mithalten. «Three Thousand Years of Longing» wirkt uneben und besonders in den Fantasy-Sequenzen zu bunt, zu künstlich. Das bremst Fluss und Genuss aus.
Dass der «verrückte» Miller aber auf beeindruckende Bilder steht, drückt immer wieder durch und der Film weiss magische Sequenzen zu erzeugen. Wie sagten es schon die Simple Minds? «Love will conquer anything.»
- deBohli
- Palmenkicker
- Beiträge: 10928
- Registriert: 15.10.2005, 10:32
- Wohnort: Zofingen, Schweiz
- Kontaktdaten:
Re: Filmtagebuch: deBohli
Fabian oder der Gang vor die Hunde
DVD / Regie: Dominik Graf
Drei Stunden lang bietet Dominik Graf mit seiner Verfilmung des Romans von Erich Kästner ein überbordendes Bild der Dreissigerjahre. Rasante Schnitte, wechselndes Filmmaterial (sogar Super 8 kommt zum Einsatz) und überlagernde Dialoge machen aus «Fabian oder der Gang vor die Hunde» ein fiebriges Vergnügen, das zuerst anstrengt, dann nicht mehr loslässt.
Tom Schilling und Saskia Rosendahl spielen wunderbar in den Hauptrollen, die gesellschaftskritischen Themen sind passend ausgearbeitet. Somit ergibt sich kein einfaches, aber ein nachhaltiges Vergnügen.
Wiener-Dog
DVD / Regie: Todd Solondz
Ha! Satire! Gesellschaftskritik! Alles aus der Perspektive eines Hundes. Wie clever. Oder auch nicht, «Wiener-Dog» von Todd Solondz ist ein nicht sehr geschickt konstruierter Film über die Macken der Menschheit in der heutigen Zeit.
Schlechte Schnitte und unlustige Situationen überwiegen, die Auftritte von Greta Gerwig und Danny DeVito helfen nicht. Schade auch, wechseln die Szenerien unmotiviert, was aus den nicht sehr spannenden Episoden jegliches Gewicht entfernt.
Die Welt wird eine andere sein - Copilot
Streaming, Filmingo / Regie: Anne Zohra Berrached
Während die Radikalisierung einzelner Menschen geschieht, bleibt dies für nahestehende Personen manchmal unbemerkt. Die Liebe blendet zu stark, die Hoffnungen überstrahlen die Vernunft. Das zeigt Anne Zohra Berrached mit ihrem Spielfilm «Die Welt wird eine andere sein».
Aus weiblicher Perspektive erzählt, bleibt der Film ruhig und nahe bei den Figuren, schafft es aber nie ganz, gewisse Klischees abzustreifen und sich mit ganzem Herz in die Geschichte zu stürzen.
- deBohli
- Palmenkicker
- Beiträge: 10928
- Registriert: 15.10.2005, 10:32
- Wohnort: Zofingen, Schweiz
- Kontaktdaten:
Re: Filmtagebuch: deBohli
Nach dem Fantoche Festival geht es mit dem gewohnten Konsum weiter.
Harald Naegeli - Der Sprayer von Zürich
DVD / Regie: Nathalie David
Versprayter Beton, versprayte Gebäude: Harald Naegeli ist der wohl bekannteste Graffitikünstler in der Schweiz, der seit Jahrzehnten illegal seine Werke in der Welt verteilt. Mit dem Dokumentarfilm «Harald Naegeli - Der Sprayer von Zürich» untersucht Nathalie David die aktuelle Situation um den Mann und sein Vermächtnis.
Diskussionen mit der Stadtverwaltung, ein Blick auf seine Zeit im Gefängnis und unverblümte Kommentare von Naegeli selbst, diese Doku ist kurzweilig und spricht die wichtigen Punkte im Dasein des Künstlers an, ohne zäh zu wirken.
Nymphomaniac: Vol. I
BD / Regie: Lars von Trier
(Director’s Cut) Nach langen Einstellungen einer urbanen Umgebung mit leisen Geräuschen haut «Führe mich» von Rammstein brutal rein – nein, subtil geht Lars von Trier beim ersten Teil von «Nymphomaniac» nicht vor. Die lange Schnittfassung zeigt nackte Haut und Penetration, merkwürdige Dialoge und viele Stellen, die langweilig und zäh wirken.
Zwar spielen Stacy Martin, Shia LaBeouf, Charlotte Gainsbourg und Stellan Skarsgård gut, der krude Mix aus männlicher Welterklärung, Egotherapie und Einbindung von Wissen will aber nicht funktionieren. Ganz so extrem wie bei «The House That Jack Built» ist das Gebaren noch nicht, vor allem aber führt der Film die Wirrungen in von Triers Kopf vor.
Oslo, 31. August
Streaming, Filmingo / Regie: Joachim Trier
Anfang Dreissig, das Leben hat keine Perspektive. Nicht wenige Menschen fühlen sich heute so, mit dem Drama «Oslo, 31. August» thematisiert Joachim Trier diesen Zustand. Ohne Überzeichnungen und mit düsteren Momenten ist der Film mitreissend und emotional. Dank Hauptdarsteller Anders Danielsen Lie wirken alle Szenen echt und das Leid fassbar.
Kamera, Musikauswahl und Struktur sind sehr gelungen, Sucht und Abhängigkeit werden ohne Klischees dargestellt. Dieses Portrait der Gegenwart ist sehr zu empfehlen.
Harald Naegeli - Der Sprayer von Zürich
DVD / Regie: Nathalie David
Versprayter Beton, versprayte Gebäude: Harald Naegeli ist der wohl bekannteste Graffitikünstler in der Schweiz, der seit Jahrzehnten illegal seine Werke in der Welt verteilt. Mit dem Dokumentarfilm «Harald Naegeli - Der Sprayer von Zürich» untersucht Nathalie David die aktuelle Situation um den Mann und sein Vermächtnis.
Diskussionen mit der Stadtverwaltung, ein Blick auf seine Zeit im Gefängnis und unverblümte Kommentare von Naegeli selbst, diese Doku ist kurzweilig und spricht die wichtigen Punkte im Dasein des Künstlers an, ohne zäh zu wirken.
Nymphomaniac: Vol. I
BD / Regie: Lars von Trier
(Director’s Cut) Nach langen Einstellungen einer urbanen Umgebung mit leisen Geräuschen haut «Führe mich» von Rammstein brutal rein – nein, subtil geht Lars von Trier beim ersten Teil von «Nymphomaniac» nicht vor. Die lange Schnittfassung zeigt nackte Haut und Penetration, merkwürdige Dialoge und viele Stellen, die langweilig und zäh wirken.
Zwar spielen Stacy Martin, Shia LaBeouf, Charlotte Gainsbourg und Stellan Skarsgård gut, der krude Mix aus männlicher Welterklärung, Egotherapie und Einbindung von Wissen will aber nicht funktionieren. Ganz so extrem wie bei «The House That Jack Built» ist das Gebaren noch nicht, vor allem aber führt der Film die Wirrungen in von Triers Kopf vor.
Oslo, 31. August
Streaming, Filmingo / Regie: Joachim Trier
Anfang Dreissig, das Leben hat keine Perspektive. Nicht wenige Menschen fühlen sich heute so, mit dem Drama «Oslo, 31. August» thematisiert Joachim Trier diesen Zustand. Ohne Überzeichnungen und mit düsteren Momenten ist der Film mitreissend und emotional. Dank Hauptdarsteller Anders Danielsen Lie wirken alle Szenen echt und das Leid fassbar.
Kamera, Musikauswahl und Struktur sind sehr gelungen, Sucht und Abhängigkeit werden ohne Klischees dargestellt. Dieses Portrait der Gegenwart ist sehr zu empfehlen.
- deBohli
- Palmenkicker
- Beiträge: 10928
- Registriert: 15.10.2005, 10:32
- Wohnort: Zofingen, Schweiz
- Kontaktdaten:
Re: Filmtagebuch: deBohli
Grosse Freiheit
DVD / Regie: Sebastian Meise
Die freie Liebe, weit ist sie in «Grosse Freiheit» entfernt. Franz Rogowski und Georg Friedrich spielen eindringlich in diesem Gefängnisdrama um verurteilte, homosexuelle Männer, die ihr Leben zwischen steter Beobachtung und Verurteilung führen.
Sebastian Meise lässt die Erzählung mehrere Jahrzehnte umspannen und holt optisch das Beste aus der Einengung, der Film berührt und lässt über die aktuelle Rechtslage Europas zum Thema nachdenken.
[REC]³ Genesis
BD / Regie: Paco Plaza
Die Zombies sind los, an einer Hochzeit. Das geht nicht gut und gleich zu Beginn wirft Paco Plaza das Found-Footage-Konzept der Vorgängerfilme über Board, zusammen mit dem Handwerk und dem Spass. «[REC]³ Genesis» ist ein sinnloser und hirnloser Film, der selten unterhält und nicht einmal mit den blutigen Momenten zu gefallen weiss.
Dass gewisse Personen an einer Stelle sogar LARP-mässig durch die Szenerie rennen, ist die Zuckerkirsche auf der Hochzeitstorte.
Nymphomaniac: Vol. II
BD / Regie: Lars von Trier
(Director’s Cut) Da sind wir nun, nach insgesamt 5.5 Stunden Film, nach acht Kapiteln und vielen Sexszenen. Lars von Trier beendet seine Erzählung über die Nymphomanin mit einem zähen und wirren zweiten Teil, der nicht einmal mit dem Ende schockiert, oder einen Sinn offenbart.
«Nymphomaniac: Vol. II» verliert sich in langen Szenen, in denen die Geschichte stehenbleibt und in Erklärungen und Kausalitäten, die wohl nur im Kopf des Regisseurs eine Gesamtheit ergeben.
Moonage Daydream
Kino / Regie: Brett Morgen
Wie eine Explosion fühlt sich «Moonage Daydream» an, zwei Stunden lang prasseln optische und klangliche Eindrücke auf das Gehirn ein. Gewissermassen chronologisch und in das Zeitgeschehen eingebettet, erzählt Brett Morgen vom kreativen Leben David Bowies.
Archivaufnahmen, aufgearbeitete Aufzeichnungen von Konzerten, Ausschnitte aus TV, Kino und Fotografien – ein Strudel aus Farben, Gedanken und Melodien. Ohne den Menschen hinter der Kunst zu erklären, ist dieser Dokumentarfilm ein überforderndes und inspirierendes Werk, ein Gedicht der Möglichkeit und ein Fest für Fans von Bowie.
The Changeling
BD / Regie: Peter Medak
Ein Horrorfilm, in dem die Geister das Rampenlicht mit Thrillerelementen und Nachforschungen teilen müssen, wie wunderbar. Peter Medak (dessen Neo Noir «Romeo Is Bleeding» ich sehr mochte) hat bei «The Changeling» gute Arbeit geleistet und lässt das Rätselraten auf den Grusel prallen.
Gut gespielt, mit Bildern, die das Genre für immer geprägt haben und tolle Studiosets – diese Geschichte um tote Kinder, Heimsuchung und ein viel zu grosses Haus für einen Einpersonenhaushalt gefällt.
Boxcar Bertha
DVD / Regie: Martin Scorsese
Roger Corman als Produzent bei einem Film von Martin Scorsese? Filmwelt, du bist voller Überraschungen. Leider wird «Boxcar Bertha» diesen Vorzeichen nicht gerecht und ist ein schmutzig wirkendes Werk um die Unterschicht in den Südstaaten. Gewalt, Sex, Raubüberfalle und wenig Budget, alles wirkt wie eine lose Kette von Szenen.
Handwerklich ansehnlich und mit Barbara Hershey und David Carradine passend besetzt, reizt wenig anderes und die Schicksale der Figuren berühren nicht. Gelungen sind dafür die Szenen mit dem Zug, von seinen Grosstaten ist Scorsese aber noch ein Stück entfernt.
Isle Of Dogs
Kino / Regie: Wes Anderson
Ein animiertes Wunder, voller Einfällen, Details und Feinheiten. Wes Anderson verzaubert mit «Isle Of Dogs», obwohl ich Hunde nicht wirklich mag. Doch diesen süssen Gesellen kann man nicht widerstehen und begibt sich auf das Abenteuer auf der Müllinsel.
Das japanische Setting, die Kommentare auf Gesellschaft und Politik und gewisse intensive Szenen machen den Film zu jeder Sekunde reizvoll. Natürlich fehlen auch die Eigenheiten des Regisseurs in der Gestaltung und Inszenierung nicht, inklusive Kapitelunterteilung und Rückblenden.
[REC]⁴ Apocalypse
BD / Regie: Jaume Balaguero
Nach dem schrecklichen dritten Teil übernahm Jaume Balaguero für ein weiteres Mal die Leitung dieser spanischen Horrorfilmreihe und führte immerhin wieder etwas Spass hinzu. Trotz des Titels ist «[REC]⁴ Apocalypse» aber keinesfalls der Endkampf um die Menschheit, sondern ein Mehrkammerspiel auf einem Schiff.
Söldner gegen Zivilisten, Infizierte gegen Besatzung, welche sich mit diversen Utensilien zur Wehr setzt. Figuren aus den ersten beiden Filmen kehren zurück, die Handlung knüpft an die stupide Mythologie mit dem Parasiten an, am Ende geht alles in Flammen auf. Macht nichts, dafür ist diese Sache nun abgeschlossen.
Re: Filmtagebuch: deBohli
Den 3. Teil von "[Rec]" hab ich bis heute noch immer nicht gesehen.
Teil 4 dagegen schon. Sehe ich minimal besser als Du - aber nicht viel
"Isle of Dogs" hatte ich damals schon im Kino gemocht...
Teil 4 dagegen schon. Sehe ich minimal besser als Du - aber nicht viel
"Isle of Dogs" hatte ich damals schon im Kino gemocht...
- deBohli
- Palmenkicker
- Beiträge: 10928
- Registriert: 15.10.2005, 10:32
- Wohnort: Zofingen, Schweiz
- Kontaktdaten:
Re: Filmtagebuch: deBohli
Den kannst du echt für immer auslassen, was für ein schlechter Film. Dagegen wirkt die 4 wie ein kompetentes Meisterwerk.
Obwohl ich weiterhin nicht verstehe, wieso sie den "Found Footage"-Aspekt komplett geknickt haben. Theoretisch könnte man auch gleich einen losgelösten Zombiefilm drehen. Oder war die Reihe in Spanien so erfolgreich?
Obwohl ich weiterhin nicht verstehe, wieso sie den "Found Footage"-Aspekt komplett geknickt haben. Theoretisch könnte man auch gleich einen losgelösten Zombiefilm drehen. Oder war die Reihe in Spanien so erfolgreich?
Re: Filmtagebuch: deBohli
Ich galube, die lief ganz gut - und ist ja auch international bekannt.
Die FF-Welle war irgendwann wieder abgeflacht - daher wohl der Wechsel.
Zumindest haben sie die Reporterin zurückgebracht. Daher passt 1,2 und 4 bei mir im Regal.
Von Teil 3 habe ich eigentlich noch nie Gutes gehört - daher fehlt der bei mir
Die FF-Welle war irgendwann wieder abgeflacht - daher wohl der Wechsel.
Zumindest haben sie die Reporterin zurückgebracht. Daher passt 1,2 und 4 bei mir im Regal.
Von Teil 3 habe ich eigentlich noch nie Gutes gehört - daher fehlt der bei mir
- deBohli
- Palmenkicker
- Beiträge: 10928
- Registriert: 15.10.2005, 10:32
- Wohnort: Zofingen, Schweiz
- Kontaktdaten:
Re: Filmtagebuch: deBohli
Das Dumme ist halt, dass der Witz der Reihe in der Inszenierung lag, sogar durch den Titel vorgegeben wurde. Das alles über den Haufen zu werfen ist reichlich doof.
- deBohli
- Palmenkicker
- Beiträge: 10928
- Registriert: 15.10.2005, 10:32
- Wohnort: Zofingen, Schweiz
- Kontaktdaten:
Re: Filmtagebuch: deBohli
Alphaville, une étrange aventure de Lemmy Caution
BD / Regie: Jean-Luc Godard
Der surrealistische Schweizer Agentenfilm «L'Inconnu de Shandigor» wurde sehr wahrscheinlich von «Alphaville» inspiriert, das wird einem schnell bewusst. Was Jean-Luc Godard 1965 produziert hat, ist ein spitzbübischer Kunstfilm, der sich zwar in Richtung Science-Fiction lehnt, aber niemals die Konventionen einhält.
Eine Geschichte ohne Basis, Voice-Over, schnelle Schnitte und die Freude am Medium Film im Zentrum: Hier wird aufgebaut und demontiert, mit dem Licht und den Gesichtern gespielt und Sehgewohnheiten über Bord geworfen. Obwohl sich Godard nie den Regeln beugte, wirkt «Alphaville» noch wilder als seine vorhergehenden Werke.
Johnny Mnemonic
BD / Regie: Robert Longo
Das gefährliche Internet, eine Megacity aus schlechten Grafiken und wilden Farben. «Johnny Mnemonic» stellt unsere Gegenwart als Cyperpunk-Waterworld-Kostümfest dar, mit Ice-T und Udo Kier als Bandenoberhäupter. Verrückt? Ja, doch leider auch doof mit zu wenig Budget.
Von Keanu Reeves getragen, ist der Actionfilm von Robert Longo eine verrückte Mischung, in der sogar Dolph Lundgren als christlicher Attentäter seinen Platz findet. Das unterhält, ist aber so gehaltvoll wie die Dialoge voller technisch klingendem Buchstabensalat.
- deBohli
- Palmenkicker
- Beiträge: 10928
- Registriert: 15.10.2005, 10:32
- Wohnort: Zofingen, Schweiz
- Kontaktdaten:
Re: Filmtagebuch: deBohli
Day Is Done
Streaming, PlaySuisse / Regie: Thomas Imbach
Wenn der Prime Tower und Sohn gemeinsam gross werden, wenn sich Nachrichten auf dem Anrufbeantworter mit dem Alltagsgeschehen vor dem Fenster vereinen – dann ist Thomas Imbach am Werk. Der Regisseur hat während vielen Jahren die Kamera von seinem Atelier aus auf Zürich West gerichtet und das Leben zu «Day Is Done» zusammengeschnitten.
Als Vorgänger zu «Nemesis» zeigt der Film die schleichenden Veränderungen und abrupten Störungen in Stadt- und Personenentwicklung, nicht ohne Humor und politischen Kommentar. Faszinierend, dass dies alles so gut zusammenkommt.
- deBohli
- Palmenkicker
- Beiträge: 10928
- Registriert: 15.10.2005, 10:32
- Wohnort: Zofingen, Schweiz
- Kontaktdaten:
Re: Filmtagebuch: deBohli
Small Axe: Mangrove
DVD / Regie: Steve McQueen
Was für eine grossartige Leistung «Magrove» doch ist. Welch eindringliches Portrait der Gesellschaft Londons in den Sechziger- und Siebzigerjahren, ein riesiges Manifest gegen den Rassismus. Steve McQueen bringt die wahre Geschichte der «Mangrove Nine» mit emotionaler Wucht auf den Bildschirm und stellt die Gerichtszenen fesselnd dar.
Eindringlich gespielt (Letitia Wright ist top), wunderbar gefilmt und mit Anspruch produziert, ist der Auftakt zur «Small Axe»-Anthologie ein modernes Meisterwerk.
Une Femme est une femme
BD / Regie: Jean-Luc Godard
Die Farben, die Gesichter, die Buch-Szene, die Kameraführung, die Texteinblendungen, die jugendliche Energie. Die Liebeskomödie «Une Femme est une femme» von Jean-Luc Godard bricht mit Gewohnheiten und kitschigen Konventionen, Jean-Claude Brialy, Anna Karina und Jean-Paul Belmondo betören mit ihrem Spiel.
Musicalnummern, das Spiel mit der vierten Wand und die Jonglage mit der Metaebene: Ein Vergnügen, das weiterhin mitreisst und sehr unterhält. In allen Möglichkeiten.
Small Axe: Lovers Rock
DVD / Regie: Steve McQueen
Eine Nacht, eine Party. Körper nähern sich, die Musik durchdringt die Geister, alles ist in warme Farbtöne getaucht. Mit dem zweiten Film der «Small Axe»-Reihe bringt Steve McQueen die nötige Leichtigkeit ins Spiel.
«Lovers Rock» ist ein Gedicht (die Gesangseinlage!), das für kurze Zeit Kultur und Gefühl ins Zentrum stellt und den damals (und heute) vorherrschenden Rassismus gegenüber der Bevölkerung aus karibischen Gebieten keine Plattform bietet. «I’ve Got No Time To Play Your Silly Games!»
Small Axe: Red, White And Blue
DVD / Regie: Steve McQueen
Als Teil der geächteten Minderheit der Gesellschaft Polizist zu werden, ist ein Spiel mit dem Feuer. «Red, White And Blue» erzählt mit einem gut spielenden John Boyega in der Hauptrolle die wahre Geschichte von Leroy Logan. Von seinem Kampf für Gerechtigkeit und die vielen Hürden.
Steve McQueen hat diese Erzählung routiniert inszeniert und findet immer wieder intime und gefühlvolle Momente, alles wirkt greifbar und realistisch. Antonia Thomas zu sehen ist natürlich ebenfalls stets eine Freude.
Small Axe: Alex Wheatle
DVD / Regie: Steve McQueen
Die fünf Filme von «Small Axe» sind allesamt super, doch bei «Alex Wheatle» wirkt alles etwas weniger eindringlich. Steve McQueen zeichnet die wahre Geschichte des Autors nach, seine Lebensgeschichte zwischen Pflegeheim, Gefängnis und Leidenschaft.
Schön gefilmte Bilder, ein wichtiges Portrait der damaligen Zeit – und trotzdem etwas zu luftig.
Zombeavers
Kino / Regie: Jordan Rubin
Ein Wochenende in der Hütte am See, beste Freundinnen und ihre idiotischen Stecher. Das kann nicht gut gehen, schliesslich handelt es sich bei «Zombeavers» um einen Horrorfilm über mutierte Biber.
Die Inszenierung von Jordan Rubin folgt den typischen Handlungsmomenten solcher Filme, zieht aber alles mit viel Selbstironie ins Lachhafte. Das bietet viel Spass, süsse Biber-Puppen mit Blutdurst und Charaktere, die selten doof agieren. Ein Bierfilm, der Jubel und Lacher garantiert.
Piranha 3D
Kino / Regie: Alexandra Aja
Während das Vergnügen bei der ersten Sichtung noch von pubertären Gedanken bestimmt wurde (Kelly Brook im Zentrum), lässt sich beim Film heutzutage das extrem sexistische Gehabe und die katastrophale Darstellung von Frauen nicht mehr wegdiskutieren, besonders durch die Beteiligung von Harvey Weinstein.
Das Finale ist herrlich blutig durchgeknallt, die Nebenrollen mit Christopher Lloyd, Ving Rhames und Jessica Szohr sympathisch besetzt, doch der ungute Geschmack im Mund bleibt. Immerhin war die Vorführung im Kino in 2D.
Small Axe: Education
DVD / Regie: Steve McQueen
Rassismus durchdringt alle Aspekte einer Gesellschaft, tief verwurzelt sind solche Muster in der Bildung. Mit «Education», der als kürzester Film die «Small Axe»-Reihe abschliesst, widmet sich Steve McQueen diesem Umstand. Herzergreifend, treffend und mit schönen 16mm-Aufnahmen bebildert, ist der Film die Suche nach Gerechtigkeit und Zuneigung.
Dass diese grossartige Anthologie an der Stelle abgeschlossen ist, macht zusätzlich traurig.
- deBohli
- Palmenkicker
- Beiträge: 10928
- Registriert: 15.10.2005, 10:32
- Wohnort: Zofingen, Schweiz
- Kontaktdaten:
Re: Filmtagebuch: deBohli
Do Revenge
Streaming, Netflix / Regie: Jennifer Kaytin Robinson
«Do Revenge» versucht den Bogen zwischen den Neunzigerjahren und dem Heute zu spannen, was dem Film von Jennifer Kaytin Robinson in einigen Belangen gut gelingt. Die überzeichnete Geschichte um Intrigen und Rache an einer High School ist so bunt und absurd wie etwa «Clueless» oder «Heathers», die Schauspielerinnen Camila Mendes und Maya Hawke sind mit Elan dabei.
Doch der Film ist zu lang, die Geschichte mit Wendungen und Diskussionen überladen, die heutige Sensibilität unstimmig eingesetzt. Die Details sitzen (Songauswahl, Design; sogar der rosa Plüschkulli ist dabei), das Ganze wackelt. Und Sophie Turners Rolle ist viel zu klein.
The Bad Lieutenant: Port of Call - New Orleans
BD / Regie: Werner Herzog
Man könnte meinen, Werner Herzog hat sich bei der Regie von «The Bad Lieutenant: Port of Call - New Orleans» dem Gehabe von Nicolas Cage angepasst. Warum sonst sollte dieser umständlich betitelte Thriller immer wieder in Richtung Wahnsinn abbiegen, überzeichnete Figuren als Wahrheit betrachten und die Perspektive eines Krokodils einnehmen?
Frischer Wind im Polizei-Gangster-Metier ist es auf jeden Fall und besonders die Leistung Cages in der Hauptrolle macht aus vielen Szenen ein Highlight. Nicht zu vergessen die Auftritte von Val Klimer, Shea Whigham, Michael Shannon und Brad Dourif.
Kelly’s Heroes
DVD / Regie: Brian G. Hutton
Sonntags auf dem Sofa, im TV die alten Recken auf einer tollkühnen Mission. «Kelly’s Heroes» lässt Clint Eastwood unter der Regie von Brian G. Hutton einen Raubüberfall im Zweiten Weltkrieg durchführen. Das macht den Vätern Freude, das verwandelt die realen Schrecken in Sandkastenspiele.
Dank der famosen Leistung von Donald Sutherland, den beeindruckenden Setpieces und dem Finale mit viel Westernflair bleibt man stets gut unterhalten, ohne wirklich Neues geboten zu bekommen.
Pierrot Le Fou
BD / Regie: Jean-Luc Godard
Wenn man bei «Pierrot Le Fou» angekommen ist merkt man, dass es keine Rolle spielte, in welchem Genre sich Jean-Luc Godard bewegte. Auf unvergleichliche Weise verband er alle Grundlagen mit frischer Energie, frecher Direktheit und wagemutiger Kunst. Gangsterkomödie? Roadtrip? Gesellschaftskritik der damaligen Gegenwart?
Jean-Paul Belmondo und Anna Karina spielen sich durch all diese Strömungen, mal in konstruiert-genialen Umgebungen, dann wieder in komödiantischen Sequenzen. Bis ins letzte Detail clever durchdacht, immer wieder überraschend – in einen solchen Film kann man sich nur verlieben.
Stürm – Bis wir tot sind oder frei
DVD / Regie: Oliver Rihs
Zwar nimmt man Joel Basman die Rolle des Schweizer Ausbrecherkönigs Walter Stürm nicht immer ab, aber Marie Leuenberger reisst «Bis wir tot sind oder frei» eh an sich. Im Film von Oliver Rihs portraitiert sie die Anwältin Hug mit viel Eindringlichkeit, was einige Mängel überdeckt.
Glücklicherweise verzichtet die Darstellung der wahren Gegebenheiten auf eine klassische Heldenzeichnung und gibt den weiterhin fragwürdigen Zustände im Rechts- und Gefängnissystem genügend Raum.
Battleship Potemkin
DVD / Regie: Sergei Eisenstein
Ein Meilenstein, ein Klassiker, eines der meistzitierten Werke der Stummfilmära. «Panzerkreuzer Potemkin» von Sergei Eisenstein wirkt heute noch packend und spannend, die Inszenierung mit den vielen Schnitten und Einstellungen modern. Dazu kommen legendäre Momente wie das Massaker auf der Treppe von Odessa, diese Produktion ist sehr beeindruckend und in der Kernaussage leider noch lange nicht überholt.
- deBohli
- Palmenkicker
- Beiträge: 10928
- Registriert: 15.10.2005, 10:32
- Wohnort: Zofingen, Schweiz
- Kontaktdaten:
Re: Filmtagebuch: deBohli
Das Fräulein
Streaming, PlaySuisse / Regie: Andrea Štaka
Im Debütfilm von Andrea Štaka sind alle auf der Suche, rastlos. Fern von der Heimat, immer in Gedanken an eine sorgenlose und ruhige Zukunft. Doch das Leben in Zürich ist kein einfaches, was «Das Fräulein» in alltäglichen Situationen aufzeigt.
Unaufgeregt, emotional und menschlich ist der Film, mit einem herzlichen und zugleich gruselig wirkenden Andrea Zogg, und Marija Škaričić welche später in Štakas «Mare» in der Hauptrolle glänzen wird. Ein sehr gelungenes Erstlingswerk.
Don’t Worry Darling
Kino / Regie: Olivia Wilde
Zwischen all den hübsch gemachten Aufnahmen, den tollen Kostümen und einer stets überzeugend agierenden Florence Pugh versinkt «Don’t Worry Darling» in einem Sumpf aus Anleihen an ähnliche und bessere Mystery-Werke. Eine Prise «Get Out», viel von «The Prisoner» und die plumpe Kritik am Patriarchat wollen zusammen nicht aufgehen.
Olivia Wilde kann ihren Grosswurf «Booksmart» mit diesem Thriller nicht wiederholen und hat einen Film gedreht, der mich während der gesamten Laufzeit nie packen konnte, bei dem Harry Styles fehlbesetzt wurde und gewisse Dinge wirklich keinen Sinn gemacht haben.
Il gatto a nove code
BD / Regie: Dario Argento
Dass Dario Argento mit seinen Giallo-Filmen mein Herz laut pochen lässt, verhinderte nicht, dass ich bei «Il gatto a nove code» eher enttäuscht zurückblieb. Weniger ein Fest an schreienden Frauen, brutalen Morden und psychedelisch wirkenden Montagen, sondern ein stellenweise sehr konventioneller Krimi wird hier geboten.
Handwerklich überzeugt die Produktion, nur wollte die Geschichte selten zünden oder spannend werden. Eventuell liegt es auch daran, dass viel zu wenige Katzen vorkamen.
La Bête
BD / Regie: Walerian Borowczyk
Eine absurde Kritik an der Oberschicht, ein humoristischer Blick auf eitles Gehabe und die pure Geilheit als Kontrast. Walerian Borowczyk schockte mit «La Bête» die Zuschauer:innen und Zensurbehörden und warf in der Rezeption Horrormärchen, Porno und Luis Buñuel in einen Topf.
Was für Provokation und Erregung sorgen sollte, löste bei mir keine Empfindungen aus; obwohl ich noch selten ein solches Seherlebnis hatte, liess mich der Film kalt. Eine Faszination bleibt trotzdem, besonders in den Tagen nach der Sichtung.
L'Immortelle
BD / Regie: Alain Robbe-Grillet
Als Autor war Alain Robbe-Grillet für den fantastischen Film «L'Année dernière à Marienbad» von Alain Resnais verantwortlich, als Regisseur legt er mit «L'Immortelle» eine Erzählung nach, die gleichermassen rätselhaft, schön und faszinierend ist. Betörende Aufnahmen werden in der Montage zu einer genial verschachtelten Geschichte, die Such nach der Liebe an fremden Orten wird zum Tanz am Abgrund.
Wie eine Hypnose wirkt der Film, Ton, Bild und Dialoge greifen ineinander, überlagern sich, werden in Repetitionen gesteigert. Ein wunderbarer Film, der im Umfeld der Nouvelle Vague zu selten beachtet wird.
La Pointe-Courte
DVD / Regie: Agnes Varda
Hat Anges Varda die Nouvelle Vague etwa vorgegriffen? Ihr Debütfilm «La Pointe-Courte» legt dies nahe, bricht die Erzählung um ein Liebespaar in der titelgebenden Ortschaft mit Konventionen. Dokumentarisch anmutend, systemkritisch und das Leben in seiner ungeschönten Wahrheit aufzeigend, wirkt alles frisch und menschlich.
Die Ebenen der Geschichte greifen ineinander, der Schnitt von Alain Resnais spielt mit statischen und lebendigen Aufnahmen. Kunstvoll, herzlich; ein sehr überzeugender Start in die Karriere Vardas.
Zola
Streaming, Netflix / Regie: Janicza Bravo
Twitter – ein digitaler Tummelplatz, dem ich mich zu gerne fernhalte. «Zola» von Janicza Bravo zeigte wieso, wird hier weder auf die Sprache geachtet, noch differenziert argumentiert. Die Geschichte um die Stripperin, welche im Sumpf von Verbrechen und Prostitution Floridas landet, ist dafür als Film unterhaltsam.
Vor allem dank Taylour Paige und Riley Keough in den Hauptrollen, welche nicht nur die Dialoge überzeugend abliefern, sondern sehr mutig spielen. Das Drehbuch kann nicht ganz mithalten, vieles wirkt zu plump oder flach. Dafür überzeugen Design, Inszenierung und Choreografie.
Re: Filmtagebuch: deBohli
Shia hätte "Don’t Worry Darling" an sich gerissen... nicht so wie Weißbrot Harry!
- deBohli
- Palmenkicker
- Beiträge: 10928
- Registriert: 15.10.2005, 10:32
- Wohnort: Zofingen, Schweiz
- Kontaktdaten:
Re: Filmtagebuch: deBohli
Das hätte gewisse Szenen auf jeden Fall aufgewertet - die Geschichte an sich wäre aber weiterhin langweilig.
Re: Filmtagebuch: deBohli
Du scheinst irgendwie voll deine ausgedehnten Arthouse-Phasen zu haben, oder?
Unser neuestes Projekt: https://open.spotify.com/show/35s3iDdkQ12ikEFT9hOoTP - Talk rund um Filme und Serien
Re: Filmtagebuch: deBohli
Phase? DeBohli IST Arthaus.
Bei "The Beast" stimme ich dir übrigens zu, der ließ mich ähnlich kalt, da hatte ich irgendwie mehr erwartet. Deinen Eindrücken zur Neusichtung von "Piranha" kann ich hingegen gar nicht zustimmen, im Gegenteil, es gibt heute viel zu wenige solcher Filme, die einfach mal auf die Etikette pfeifen.
Bei "The Beast" stimme ich dir übrigens zu, der ließ mich ähnlich kalt, da hatte ich irgendwie mehr erwartet. Deinen Eindrücken zur Neusichtung von "Piranha" kann ich hingegen gar nicht zustimmen, im Gegenteil, es gibt heute viel zu wenige solcher Filme, die einfach mal auf die Etikette pfeifen.
- deBohli
- Palmenkicker
- Beiträge: 10928
- Registriert: 15.10.2005, 10:32
- Wohnort: Zofingen, Schweiz
- Kontaktdaten:
Re: Filmtagebuch: deBohli
Mir zu unterstellen, dass dies eine Phase ist, wäre gleichwertig, wie die Grosszahl der Mitglieder hier einer Action-Phase zu unterstellen.
Tja, würde mir Misogynie nicht sauer aufstossen, könnte ich wohl darüber hinwegsehen. Dies lässt sich allerdings nicht mehr mit meinem Leben verbinden, da kann ich auch bei Filmen keine Ausnahme machen. Zum Glück gibt es aber genügend aktuelle Horrorfilme, die neue Wege zur Unterhaltung gefunden haben und diese Darstellungsweisen nicht mehr nötig haben.
Tja, würde mir Misogynie nicht sauer aufstossen, könnte ich wohl darüber hinwegsehen. Dies lässt sich allerdings nicht mehr mit meinem Leben verbinden, da kann ich auch bei Filmen keine Ausnahme machen. Zum Glück gibt es aber genügend aktuelle Horrorfilme, die neue Wege zur Unterhaltung gefunden haben und diese Darstellungsweisen nicht mehr nötig haben.
Re: Filmtagebuch: deBohli
Da frag ich mich dann aber schon, inwiefern die Misogynie, die dir in deinem realen Leben begegnet, etwas mit einem Film über Killer-Piranhas zu tun hat, der vor Selbstironie nur so trieft. Aber ok, ich will da jetzt auch gar keine Grundsatzdiskusssion anzetteln.
- deBohli
- Palmenkicker
- Beiträge: 10928
- Registriert: 15.10.2005, 10:32
- Wohnort: Zofingen, Schweiz
- Kontaktdaten:
Re: Filmtagebuch: deBohli
Keine Angst, in diesem Forum diskutiere ich über gewisse Themen nicht mehr, die Ansichten sind mir zu festgefahren maskulin.
- deBohli
- Palmenkicker
- Beiträge: 10928
- Registriert: 15.10.2005, 10:32
- Wohnort: Zofingen, Schweiz
- Kontaktdaten:
Re: Filmtagebuch: deBohli
Nightmares
BD / Regie: Joseph Sargent
(Shocktober 22-01) Was bei “Nightmares” am meisten schmerzt, ist der moralische Zeigefinger, der sich während allen vier Episoden in den Körper bohrt – Grusel gibt es bei dieser Anthologie von Joseph Sargent selten. Dafür schwankt der Anteil der Achtziger-Stilistik zwischen süss («The Bishop Of Battle» mit Emilio Estevez) und schmerzhaft («The Benediction» mit Lance Henriksen).
Mit Richard Masur, Veronica Cartwright und William Sanderson auch sonst gut besetzt, mit schrecklichen Computereffekten versehen (letzte Erzählung) und Sucht in jeder Form anprangernd, ist diese kleine Geschichtensammlung kurios aber nicht ohne Reiz.
Wake in Fright
BD / Regie: Ted Kotcheff
(Shocktober 22-02) Da wird es einen mehrmals schlecht, wenn jegliche Moral und Zukunftshoffnung in maskuliner Gewalt, in Alkohol und der Hitze des Outbacks untergeht. «Wake in Fright» von Ted Kotcheff ist ein Horrorfilm, der sich als Drama tarnt. Ein Psychothriller mit albtraumähnlichen Elementen, eine Literaturverfilmung ohne Gnade.
Die brütende Sonne taucht alle Aufnahmen in einen orangen Schimmer, der gezeigte Realismus entfernt jegliche Menschlichkeit und lässt die Grausamkeit nicht nur bei Donald Pleasence an die Oberfläche treten.
Wer ist online?
Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 13 Gäste