Filmtagebuch: Hannibal
Moderator: SFI
- daemonicus
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Der Zwang seine Freizeit nach dem TV Programm zu richten ist zum Glück aus der Mode und dank DVDs auch nicht mehr nötig. Da lobe ich mir wirklich die DVD, wo man an einem weekend einfach mal eine Staffel weggucken kann ohne sich Woche für Woche durch das Programm schlingeln zu müssen. Wenn ich mir überlege, wieviele Jahre ich Star Trek im TV verfolgt habe, was man heutzutage in ein paar Wochen am Stück gucken könnte, dann hätte ich weniger Ex Freundinnen.
- daemonicus
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Das ist der springende Punkt imo. In den USA haben die Leute kein Problem mit aufeinander aufbauenden Serien. Bei uns erfüllt Fernsehen/Filme/etc. imo viel zu sehr den Job der Einschlafhilfe oder Nebenbei-Berieselung.....so simpel wie möglich, ohne Zusammenhänge, reine Fast-Food-Nahrung ohne Substanz.freeman hat geschrieben:Weil das auch mitdenken und so mit sich bringen würde. Und das können leider viele nicht mehr ...das ist für die breite Masse einfach zu durch
Wanted
"Oh mein beschissener Gott!"...ab dem Spruch musste ich einfach in den O-Ton schalten, das ging ja mal gar nicht. Film unterhält nach wie vor sehr gut mit allerlei derben Einfällen, zahlreichen Optik-Spielereien und bombastischer Action, zumindest wenn man sich nicht an dem Webstuhl des Schicksals stört...
,5
Passagier 57 (cut)
Nunja, ich hatte ihn schon nicht besonders in Erinnerung, aber nach all den Jahren kam vorgestern gleich nochmal die doppelte Ernüchterung. Unendlich dämliche Dialoge in einer löchrigen, gelangweilten Story mit weitgehenst enorm unspektakulärer Action. Ziemlich schwach...
Get Smart
Immer noch ein immens lustiger Kandidat mit permanentem Zwerchfellbeschuss und wenig Rohrkrepierern. Dazu ein gut gelaunter Cast und überraschend aufwendige Action. Passt noch immer hervorragend....
Walking Tall
Ein 70-Minuten-Snack, der kein Gramm zu viel mit sich herumträgt. Bis auf das unspektakuläre Finale eine verdammt runde Sache...
Spiel auf Bewährung
Ein klassisches US-Sportfilmchen mit allen vorhersehbaren Höhen und Tiefen und ohne größere Schwächen. The Rock gibt einen sympathisch-hartnäckigen Coach, Xzibit kann überraschenderweise als unterstützender Sidekick durchaus überzeugen, dazu viel oberflächlich-kitschige Dramatik, die dem Hanni seine Bay-versauten Tränendrüsen fordern und spannende, fett in Szene gesetzte Matches. Da kriegt man gleich Lust, selbst für The Rock auf's Football-Feld zu marschieren, "Mustangs!" in die Luft zu bellen und sich dem Gegner mit allem was man hat entgegenzustellen...den Moment des unvermeidlichen hoffnungslosen Überrannt-Werdens blende ich bei der heroischen Vorstellung mal lieber aus...
Illuminati
Manchmal muss der Mensch sich einfach entscheiden...zwischen Wissenschaft und Religion, zwischen Buch und Film, zwischen Anspruch und Unterhaltung. Von den letzten beiden Kontrahenten ausgehend, versucht Ron Howard's jüngste Bestsellerverfilmung beides zu erreichen, schafft aber im Endeffekt nichts richtig.
Im Vergleich zur fast schon staubtrockenen Buchkopie "The DaVinci Code" dreht man in "Illuminati" das gesamte Konzept um 180° und liefert eine freiere Interpretation des Stoffs mit massiver Jack Bauer/Indiana Jones-Schlagseite. Fast in Echtzeit wuselt ein - wie schon in "DaVinci Code" - erschreckend blasser, unmotivierter Tom Hanks durch Rom im Kampf gegen insgesamt 5 Ultimaten. An seiner Seite agieren eine noch blassere Ayelet Zurer, ein mittelmäßiger Ewan McGregor und ein wenigstens halbwegs charismatischer Armin Müller-Stahl. Wirkliche Zeit wird sich für keinen der Charaktere genommen, auch der vielversprechende Konflikt zwischen Kirche und Wissenschaft/Robert Langdon wird mit ein paar Sprüchen und Handlungen nach Schema F abgehakt. Gerade hier hätte die Geschichte eine Menge Potenzial gehabt, welches man zugunsten der Jack Jones/Indiana Bauer-Umsetzung aber gekonnt gegen die Wand fährt.
Über die Beweggründe für die Hetzjagd nach den sagenumwobenen Illuminati wird mit einem Affenzahn hinweggeholpert. Das im Schweizer Teilchenbeschleuniger CERN Antimaterie entwendet wurde, bekommt man noch gerade so mit und das diese jetzt als Bombe eingesetzt werden soll. Antimaterie wie wo was?
Im Vatikan scheint der exotische Sprengstoff niemanden ernsthaft zu stören...sucht das Teil halt und gut is! Startsignal für Hanks, der sich fortan durch gefühlt hunderte von Kirchen wurschtelt und an Statuen herumanalysiert von Künstlern, deren Namen nebenbei in den Dialog integriert werden, ohne dass für den Zuschauer ein halbwegs vernünftiger Zusammenhang zur Geschichte erkennbar wäre.
Das Ron Howard keine Drehgenehmigung für den Vatikan bekam, ist angesichts dieses Drehbuchs auch nicht weiter verwunderlich. Ich bin ja nun weit davon entfernt ein gläubiger Christ zu sein, aber dass im Kirchenstaat soviele Idioten rumlaufen, die keinen blassen Schimmer von der Vergangenheit ihrer Institution haben, kann ich mir dann auch als überzeugter Atheist nicht vorstellen.
Wenn dann mal gerade die Luft raus ist, schustert man selbiges Szenario in den Film und lässt Hanks in einem entstehenden Vakuum gegen die Zeit bzw. den abnehmenden Sauerstoffgehalt kämpfen, nur um danach wieder zur nächsten Kirche weiter zu hetzen...wieder eine Statue von irgendwem...wieder zeigt sie irgendwohin....ein Blick auf die Landkarte...und wieder zur nächsten Kirche...
Das Finale wird nach all den Kirchenbesuchen dann wenigstens extralarge ausgewalzt, kann aber dank mehrerer Logikfehler und einem End-Twist, den man schon etwa 60-70 Minuten gegen den Wind riechen konnte, auch nicht so wirklich überzeugen.
Ich hab kein Problem mit schnellen, spannenden Filmen, die über Logiklöcher dank ihres hohen Tempos hinwegholpern. Ich hab auch (meistens ;-)) kein Problem mit anspruchsvollen Filmen. Aber wenn man sich als Filmemacher zu einem Crossover aus einem Jack Jones/Indiana Bauer-Konzept mit einem geschichtlich, theologisch und physikalisch gestützten Unterbau entschließt, verlange ich schon etwas mehr als
(leicht überspitzt)-"Aus unserem Labor wurde Antimaterie entwendet, die jetzt als Bombe benutzt wird."
-"Aja, der alte Konflikt zwischen Wissenschaft und Religion...dann sucht das Ding mal!"
Bei der Inszenierung hat man es mit klassischer moderner Blockbuster-Kost zu tun. Howard wechselt meistens gekonnt zwischen ausufernden, edlen Kameraschwenks und -fahrten und hektischem Schnitt-Salat der "Bourne"-Marke. Dazu überzeugende Effektarbeit, die nur selten als solche zu erkennen ist (erwähnt seien hierbei mehrere relativ lausige Hubschrauber-Sequenzen) und in einem bildgewaltigen Finale gipfelt.
Hans Zimmer zieht dazu noch eine schwer durchschnittliche Soundtrack-Spur über die glitzernden Blockbuster-Bilder und fertig ist der Publikumsmagnet!
Mit anderen Worten ist "Illuminati" ein unsympathischer Mainstream-Film der übelsten Sorte. Er mischt eine Brise aller populären Zutaten in einen Topf, pappt das ganze in die Mikrowelle und tischt einem das Resultat als anspruchsvolles Gourmet-Gericht auf. Dabei ist den Machern das Ganze vollkommen egal, schließlich hat man die Liste publikums-wirksamer Mittel doch fachgerecht abgehakt...ein namhafter Hauptdarsteller, ein Bestseller als Basis, dicke Produktion, ein bisschen historisches Halbwissen, neumodischer Stakkato-Schnitt, ein paar Ekeleffekte...wieso sollte das nicht funktionieren? Die Seele fehlt, die Logik fehlt und man wird noch nicht mal richtig satt. Stattdessen hat man dieses fade, eklige Gefühl im Mund, als hätte die Hälfte die Zutaten schon ihr Haltbarkeitsdatum überschritten gehabt.
Aber wie den Einspielergebnissen zu entnehmen ist, frisst das Massenpublikum eben doch alles und verlässt das Kino noch in dem Glauben, sich nun über eine clevere Literaturverfilmung unterhalten zu können...in Bus, Straßenbahn, Zügen....."Illuminati" ist ein guter Grund in den nächsten 4-5 Wochen erstmal mit dem Auto zum Arbeitsplatz zu fahren...Antimaterie ist eh viel schlimmer als CO2...
Disney's Dinosaurier
Die Sichtung dieses Streifens schiebe ich jetzt seit 10 Jahren vor mir her. Zur Erstausstrahlung (!) gestern war's dann endlich soweit und für sein Alter macht der Animationsstreifen technisch noch eine erstaunlich gute Figur. Gerade die Totalen mit riesigen Dino-Herden in den fantastisch gerenderten Landschaften sehen umwerfend gut aus, während einige Close-Ups ein paar Altersschwächen nicht ganz verbergen können. Inhaltlisch erzählt der Film eine ähnliche Geschichte wie der Trickfilm "In einem Land vor unserer Zeit". Die Geschichte einer Dino-Herde, die nach einer Katastrophe (in diesem Fall ein beängstigend gut gemachter Meteoriteneinschlag) neues Weideland sucht, funktioniert auch hier hervorragend. Dazu gibt's die bösen Fleischfresser, die hier und da für Spannungsmomente sorgen, welche für eine Disney-Produktion erstaunlich düster und brutal ausfallen. Und auch die amerikanischen Werte haben's natürlich in den Film geschafft, wie immer bei Disney eher mit der Brechstange als clever und subtil. Aber bei einem Kinderfilm kann man das noch verschmerzen, zumal man hier auch als Erwachsener sehr gut unterhalten wird, da es keine nennenswerten Albernheiten und auch keine Singszenen gibt.
Ein schöner Streifen für die ganze Familie, optisch über weite Strecken enorm beeindruckend mit einer klassischen Disney-Geschichte.
Memento
Ein Film, der die Krankheit seines Hauptdarstellers greifbar und nachfühlbar macht. Im Fall von Christopher Nolan's "Memento" hat das Vor- und Nachteile, der Protagonist hat ein defektes Kurzzeitgedächtnis und rettet sich mit unzähligen Zetteln, Fotos und komplexen Plänen durch sein Leben, immer auf der Suche nach dem Mörder und Vergewaltiger seiner Frau. Als wäre das nicht schon genug, erzählt Nolan seinen Film rückwärts und versetzt den Zuschauer so in die Lage, wie es ist jeden Morgen aufzuwachen und nichts mehr von den vorherigen Tagen zu wissen. Dementsprechend lange dauert es auch, bis man in dem doppelbödigen Laufrad Fuß gefasst hat. Doch zu 100% landet man nie im Film, weil einem fast im Minutentakt der Boden unter den Füßen weggezogen wird und sich im Figureninterieur auch kein wirklicher Sympathieträger befindet. So wird man in eine ungemein faszinierende Erzählspirale hineingesogen, die jegliche Erzählkonventionen umwirft und den hilflosen Zuschauer permanent wie einen großen Spielball behandelt, der in den glatten Innenseiten der scheinbar endlosen Spirale nirgendwo Halt finden kann. Auch nach 2 hochinteressanten Stunden bleibt Nolan seinen erzählerischen Stilmitteln treu lässt uns mit einem Ende allein, welches nur eine weitere Endlosspirale in Gang setzt und nichtmal ansatzweise zum Punkt kommt. Dieser erzählerischen Konsequenz fehlt letztenendes dann ein wenig der "Aha"-Moment sonstiger Mindfuck-Filme. Bei "Memento" ist zweifelos der Weg das Ziel, denn ein wirklich Ziel - soviel nach dem Abspann klar - hat es nie gegeben und wird es in diesem Kurzzeit-Flash-Universum auch nie geben. Genau daraus zieht der Film seine Faszination, die das Medium Film massiv umkrempelt und innovativ nutzt (der unvorbereitete Zuschauer wird fast schon interaktiv eingespannt), aber den Transfer nicht hundertprozentig zu Ende denkt.
In jedem Fall ein beachtliches, unglaublich mutiges Hollywood-Debüt von einem der besten Regisseure, der zur Zeit in der Traumfabrik aktiv ist.
HOME
Eine der beeindruckensten Dokumentationen, die ich je zu Gesicht bekam. Vor allem im Bereich des Visuellen zieht Regisseur Yann Arthus-Bertrand alle Register, setzt er sein Versuchsobjekt - die Erde - doch nur mit Luftaufnahmen in Szene. Das ist grundsätzlich nix Neues, schließlich fährt heutzutage jede halbwegs anständig produzierte Doku wuchtige Luft-Totalen auf, die angesichts der hier vorliegenden Bilder dennoch fast stümperhaft wirken. "Home" geht viel weiter als die Erde nur zu filmen, hier wird der blaue Planet in einer nie dagewesenen Poesie greifbar. Absolut sensationell wie Arthus-Bertrand selbst auf Müllhalden nach Essen suchende Menschen visuelle Anmut verleiht, um den Kontrast im nächsten Moment mit vor Schönheit beinahe überquellenden Naturbildern die Schock-Wirkung übernehmen zu lassen. Dabei bleibt er nicht nur auf der unpersönlichen Distanz, sondern zoomt sich immer wieder in den wuselnden Mikrokosmos am Boden hinein, der unschuldig vor sich hin schaffend den ihn umgebenden Makrokosmos zerstört.
Zu den fantastischen Bildkompositionen, die hier gar nicht oft genug gelobt werden können, gesellt sich ein ebenfalls sehr gelungener Kommentar, der nichts beschönigt und dem Zuschauer die Fakten nur so um die Ohren schlägt, so dass selbiger sich am Ende nur noch für seine Rasse schämen kann. Das wirkt hier und da durchaus belehrend, muss es aber auch, damit die vorliegende Wirkung erreicht wird.....es ist keine Zeit mehr, für die Botschaft in ein elitär verspieltes Metaphernkostüm zu verpacken, es ist höchste Eisenbahn, dass die Menschheit was ändert, sonst müssen sich später unsere Kinder diesen Film ohne jeden Bezug zum Gezeigten anschauen. Das macht dieser Film unmissverständlich und ungeschönt deutlich und schafft es mit nie dagewesener audiovisueller Komposition, dass beim Zuschauer nachhaltig etwas hängen bleibt. Bei aller Weltuntergangsstimmung endet der Film mit einer positiven Note, die die vielen kleinen Schritte zeigt, die sich in den letzten Jahren dann doch in die richtige Richtung bewegt haben, auch wenn der bittere Beigeschmack bleibt, dass all das bei weitem nicht genug ist. Und darauf kommt das menschliche Gehirn beim Abspann ganz alleine....die Frage ist, was wir aus diesem Wissen machen. Yann Arthus-Bertrand hat zweifellos seinen hochaktuellen, künstlerisch fantastischen und doch angenehm bodenständigen Beitrag zum Thema abgeliefert und mit Bravour bestanden...hoffentlich werden viele seinem Beispiel folgen!
- The Punisher
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Da wurde mir bei YouTube heute morgen etliche Videos als Empfehlung angezeigt. Wohl eine werbemasnahme um die DVD/BR an den mann zu bringen. Wie ist die Doku im direkten Vergleich zu Planet Erde?
"And shepherds we shall be, for Thee, my Lord, for Thee. Power hath descended forth from
Thy hand.That our feet may swiftly carry out Thy command. So we shall flow a river forth
to Thee, and teeming with souls shall it ever be. In nomine Patri Et Filii.Spiritus Sancti"
- daemonicus
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"Planet Erde" kenn ich bisher nur auszugsweise. Das was ich davon gesehen habe, kann man aber nicht mit "Home" vergleichen, da der seinen Fokus klar auf die Umweltzerstörung legt, anstatt Tierarten in ihrer Umwelt zu begleiten. Ist von daher halt ein grundlegener Unterschied, besser oder schlechter is daher schwierig zu sagen. Aber wie daemonicus schon geschrieben hat, auf Youtube gibt's ihn komplett und vollkommen legal!The Punisher hat geschrieben:Da wurde mir bei YouTube heute morgen etliche Videos als Empfehlung angezeigt. Wohl eine werbemasnahme um die DVD/BR an den mann zu bringen. Wie ist die Doku im direkten Vergleich zu Planet Erde?
Ghettogangz aka Banlieu 13
Äußerst kurzweilige Actionproduktion aus Frankreich mit atemberaubenden Parcours- und Martial-Arts-Ideen, die eine unangeahnte, ungeschliffene Dynamik in den Film bringen. Darüberhinaus schafft man es recht schnell, ein ordentlich zusammen funktionierendes Buddy-Gespann im Film zu etablieren. Auch die Gegenseite fährt recht interessante Figuren auf, die natürlich alle maßlos überzeichnet und zweidimensional sind, aber mit allerlei dummen Sprüchen herrlich zum überzogenen Rest passen.
In der Mitte ist leider ein leichtes Action-Loch auszumachen, die wirklich großartigen Parcours-Szenen gibt's nur am Anfang und am Ende. Mit mehr Budget wäre da vermutlich noch mehr drin gewesen, aber auch so handelt es sich um einen hochgradig unterhaltsamen, schnell zu konsumierenden Action-Snack, der den Deutschen mal wieder aufzeigt, wie ordentlich produziertes EU-Genrekino aussehen kann...
Young @ Heart
Nach "Home" die nächste in jeglicher Hinsicht absolut umwerfende Doku! Hier geht's um einen Chor bestehend aus 70- bis 95-jährigen, der ausschließlich Rock- und Punksongs auf individuelle Weise covert. Von The Clash über die Stones bis zu Coldplay...alles vorgetragen von Amateursängern im Seniorenalter, weit entfernt von perfekt, aber gerade deswegen so charmant und authenthisch. In der Doku begleitet Regisseur Stephen Walker den ungewöhnlichen Seniorenchor bei den Proben zu einem großen Auftritt und wird ungewollt Zeuge von der gesamten Bandbreite menschlicher Gefühle. Eben noch voller Lebensfreude, reißt der plötzliche Tod zweier Chormitglieder ein großes Loch in die Chorgemeinschaft. Das Wechselbad der Gefühle ist unglaublich dicht und zu jedem Moment greifbar. Selten war eine Doku trauriger, selten war eine Doku lustiger, selten versprüchte eine Doku mehr Lebensfreude! Eine unglaublich faszinierende Geschichte mit echten Charakteren, echten Gefühlen und echter Musik, die von Herzen kommt und einen Haufen alter Säcke am Leben hält! Sensationell in Szene gesetzt, feinfühlig gefilmt und professionell geschnitten inklusiver kurzer MTV-like Clips...eben nur mit 90-jährigen Hauptdarstellern. Und die rocken mehr, als so mancher Nachwuchsrocker...
Project Peacemaker
Lang ist's her, dass ich den das letzte mal gesehen hab...aber der positive EIndruck hatte sich über all die Jahre gehalten und bestätigte sich gestern auch nochmal. Regisseurin Mimi Leder erfindet das Rad zwar nicht neu, liefert aber einen sorgfältig erzählten Actionthriller mit einem gut abgestimmten Hauptdarsteller-Paar (Kidman/Clooney in jungen Jahren) ab, der vom Anfang bis zum Ende stimmig und relativ realistisch durchkomponiert ist. Dazu gibt's einen memorablen Hans Zimmer-Soundtrack und eine routinierte Regie.
Twilight
Zur Abwechslung fang ich heute mal hinten an und zwar beim Abspann, denn der steht imo exemplarisch für die kalkulierte Zielgruppenausrichtung dieses überall hochgehypten Teenie-Überraschungshits. Statt die düstere Atmosphäre des Films in den Abspann hineingleiten zu lassen, unterbricht man nämlich völlig ungeniert mit einem chart-effektiven R'n'B-Track (der sich im Nachhinein als "Radiohead"-Song herausstellt ;-)), der dann berechnend von einer chart-etablierten Linkin Park-Nummer abgelöst wird, um schlussendlich dann auch noch ins rebellische Nachwuchs-Punk-Lager mit einem Song von "Paramore" zu wechseln. 3 Teenie-Musikrichtungen auf einen Streich abgedeckt...ohne, dass die Musik in irgendeinem Zusammenhang zum vorherigen Film stehen würde selbstverständlich.
Und es wurde ein Hit! Das lag aber natürlich nicht nur am Abspann, sondern auch an der geschickt vermarkteten "Romeo & Julia"-Variante im massiv vergewaltigten oder - positiv ausgedrückt - runderneuerten Vampir-Genre. Exemplarisch für die zahmen Änderungen ist die Sache mit der Sonne......in jedem anderen Film zerfallen/verbrennen die Blutsauger im Angesicht der Sonnenstrahlen.....in "Twilight" fangen sie an süß zu glitzern. Ja ne is klar...dabei ist die Idee von vegetarischen Vampiren, welche sich nur von Tieren ernähren eigentlich sehr interessant. Doch letztendlich läuft man mit Hochhaus-großen Scheuklappen an der perfekten Vorlage vorbei und schießt den Ball mit einer in höchstem Maße konventionellen Love-Story mit Brachialwucht ins Aus. Das Herz-Schmerz-Geturtel zwischen einer recht ordentlich aufspielenden Kristen Stewart und dem schwer überschätzten Robert Pattinson entfacht kein Feuer, sorgt eigentlich noch nicht mal für einen Funkensprung, was in erster Linie daran liegt, dass es sich um eine urkonventionelle Love-Story handelt, die sich der gute Shakespeare schon vor weit über 400 Jahren ausdachte und der man trotz der interessanten Ausgangsidee letztendlich gar nichts Originelles hinzuzufügen weiß. Im Gegenteil sogar, denn der Film vermittelt die Disney-Werte der prüden Amerikaner aggressiver, wie es jeder Disney-Film der letzten 20 Jahren gemacht hat. Kein Sex vor der Ehe, kein körperlicher Kontakt, am besten noch nicht mal ein Kuss....das alles ist für die nichtsahnende Zielgruppe subtil in den Vampir-Mensch-Konflikt gepackt, den aber jeder 18-Jährige als massiven Werte-Holzhammer entlarven kann. Auch das steht im grellen Gegensatz zu allem, was den Vampir-Mythos ausmacht, denn der lebt seit literarischen Entstehung vom ungebremsten Ausleben sexueller Fantasien. Auch sonst weiß man die Blutsauger-Thematik nicht in irgendeiner Weise originell zu nutzen...warum die vegetarischen Vampirfamilien sich vor den Menschen verstecken müssen, wird zu keinem Zeitpunkt ersichtlich. Vielleicht weil sie in der Sonne glitzern? So what? Nur ein Beispiel, dass die zahlreichen Änderungen des Ausgangsgenres einfach ins Leere, bzw. in ziemlich deftige Logiklöcher hinauslaufen. Da bringt's auch nichts, dass ein verfeindetes Werwolfvolk angedeutet wird, welches noch wirkungsloser verpufft, als die gesamte Vampirsippe zusammen. Kommt erst im zweiten Film....jaja, von mir aus, aber was hat's dann im ersten zu suchen? Das Finale ist einigermaßen spannend, aber im Prinzip auch in hohem Maße einfalls- um nicht sogar zu sagen hilflos. Ein böster Hunter-Vampir, der die Spur der Geliebten überall wittern kann und dank ihrem intensiven Geruch auch nie wieder an was anderes denken wird, als die Gute zu beißen...natürlich alles vollkommen ironiefrei und mit Schmerz-verheulten Emo-Phrasen präsentiert. Wie gesagt, weit entfernt von Originalität und irgendwie hilflos im wüst zusammengeklauten Fantasy-Mix...hätte man nicht die Werwölfe dafür nehmen können, wo die doch eh den ganzen FIlm über nix zu tun haben?
Anyway, immerhin ist das vorhersehbare Finale recht spannend anzusehen und man hat sich sogar einige erwähnenswerte Kampfchoreographien aus dem Ärmel geschüttelt bzw. aus vielen anderen Filmen gezogen. Auch hier regiert letztendlich der Ideenklau, von "Matrix" bis hin zu "Blade"...uninspiriert und immer schlechter als im Original, ideenlos reingeschustert wie die Werwölfe. Aber sieht halt cool aus und gefällt sicher den armen Jungs, die von ihren Freundinnen in den FIlm geschleppt wurden und so wenigstens am Ende ein wenig Action zu sehen kriegen. Der Abschluss des ersten Teils einer Quadrilogie (!) sorgt dann nochmal für verträumte Frauengesichter und es grenzt an ein Wunder, dass nicht Kai Pflaume im nächsten Moment ins Bild springt. Nur die Liebe zählt...aber nur die jugendfreie natürlich...wieder was dazu gelernt ;-)
Optisch ist der Teenie-Kracher allerdings das, was er inhaltlich will, aber zu keinem Zeitpunkt schafft, nämlich eine über weite Strecken recht interessante Angelegenheit. Einen Close-up-dominierten Independent-Style im Vampir-Genre einzusetzen wirkt größtenteils äußerst frisch und gibt dem Film einen eigenständigen, memorablen Look. Nur ganz selten wird der Bogen etwas zu selbstzweckhaft überspannt. Auch die beschleunigten Vampir-Bewegungen mit Blur-Effekt wirken eher suboptimal, passen aber dennoch zum Wannabe-Low-Budget-Look.
Musikalisch setzt man auf hübsches Gothic-Geklimper und Teenie-Rock, kalkuliert und leider wieder recht mutlos, was im Abspann dann seine traurige Klimax findet.
Wenn die Chart-Mucke dann verstummt ist, bleibt der Eindruck einen weit über die tatsächliche Größe gehypten Film gesehen zu haben, der viele großartige Ansätze vereint, aber so gut wie gar keinen konsequent umsetzen kann. Was übrig bleibt ist eine 08/15-Love-Story in einem außergewöhnlichen Look, die haufenweise Potenzial verschenkt und am Schluss zur zusammengeschusterten, seelenlosen und vorhersehbaren Actionhatz verkommt, die genauso kalkuliert wirkt, wie der ganze Rest. Dazu gesellt sich die haushohe Moralkeule, welche den faden, mutlosen Gesamteindruck nochmal fett unterstreicht. Ein ordentlicher Film für die Teeniegeneration, dessen wahre Identität aber jeder erwachsene Mensch entlarven dürfte: nämlich die uninspirierte, nichtssagende x-te Auflage einer Liebesgeschichte ohne Höhen und mit gleich mehreren Tiefen...
- Sir Jay
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wow, sehr schön ausgearbeitete Kritik; an deiner stelle würde ich verkrampft nach irgend einem mitglied unserer hall of fame in disem film suchen, um den review gerecht hier unter zu bringen ;)
den muss ich auch noch sehen
Ich glaube auch mädels anfang 20 sind diesem achso romantischen Liebesfilm verfallen, und somit geblendetHannibal hat geschrieben: Kein Sex vor der Ehe, kein körperlicher Kontakt, am besten noch nicht mal ein Kuss....das alles ist für die nichtsahnende Zielgruppe subtil in den Vampir-Mensch-Konflikt gepackt, den aber jeder 18-Jährige als massiven Werte-Holzhammer entlarven kann.
den muss ich auch noch sehen
Ist doch schon im Board im Horror-Bereich ;-)Sir Jay hat geschrieben:wow, sehr schön ausgearbeitete Kritik; an deiner stelle würde ich verkrampft nach irgend einem mitglied unserer hall of fame in disem film suchen, um den review gerecht hier unter zu bringen ;)
Werd den Kommentar (ist imo noch keine Kritik, dafür ist die Formulierung imo zu salopp) aber im Laufe des WEs noch da posten.
Dennoch danke für die lobenden Worte ;-)
Yep, I know...selbst meine Mutter fand den gut (und die is weit über die 20 hinaus ;-)). Ich weiß auch nicht, wie die alle Filme konsumieren...;-)Ich glaube auch mädels anfang 20 sind diesem achso romantischen Liebesfilm verfallen, und somit geblendet
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