Filmtagebuch: deBohli

Besucht die Filmtagebücher unserer Männer, eröffnet Euer eigenes Tagebuch oder diskutiert einfach mit.

Moderator: SFI

Benutzeravatar
deBohli
Palmenkicker
Palmenkicker
Beiträge: 10928
Registriert: 15.10.2005, 10:32
Wohnort: Zofingen, Schweiz
Kontaktdaten:

Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von deBohli » 28.04.2023, 10:16

BRUGGGORE 2023: Mittwoch

Bild
Sisu
Kino / Regie: Jalmari Helander
(Brugggore 23-01) Dreckige und kernige Gesichter, der unabrückbare Wille: «Sisu» ist ein geradliniger, brutaler Film über einen alten Goldgräber, der sich in Finnland den Nazis entgegenstellt. Ohne viele Worte, mit brutalen Sequenzen und beeindruckenden Aufnahmen.
Während die Optik und der Cast gut passen, wollte für mich die Mischung aus Exploitation-Elementen (Frauen-Gang, Kapitelunterteilung), ernsthafter, brutaler Stimmung und absurd überzeichneten, unrealistischen Momenten nicht aufgehen. Aber hey, scheinbar reicht ein fester Wille dazu aus, um zwei Flugzeugabstürze und vieles weitere zu überleben.
:liquid5:

Bild
Boneless
Kino / Regie: Dario Bagatin
(Brugggore 23-02) Viel Liebe ist in den Low-Budget-Trash von Dario Bagatin geflossen. Es ist eine Hommage an das Drive-In-Genre, an Filmemacher wie Bill Rebane; beinhaltet tolle Kreaturen, Kostüme und sogar Stop-Motion-Sequenzen.
Doch leider ist die Geschichte verwirrend doof, die Optik viel zu dunkel und die nachträglich synchronisierten Dialoge meist nicht zu verstehen. Ein Partyfilm für «Worst Movie Nights», für alles andere unbrauchbar.
:liquid2:

Bild
Feed Me
Kino / Regie: Richard Oakes, Adam Leader
(Brugggore 23-03) «Feed Me» hat ein grosses Problem: Die Atmosphäre des Filmes schwankt unentschlossen zwischen brutalen, düsteren und slapstikartigen Momenten. Nicht nur verwirrt dies am Anfang, auch beginnt das übertriebene Spiel von Neal Ward zu nerven.
Handwerklich beweisen Richard Oakes und Adam Leader Können, die erzählte Geschichte hingegen gibt zu wenig her, um packend zu sein. Besonders im letzten Drittel geht dem Film die Luft und Logik aus.
:liquid4:

Bild
Evil Dead Rise
Kino / Regie: Lee Cronin
(Brugggore 23-04) Alle werden es schreiben und es stimmt: Der Shot mit der Title-Card ist genial und echt geil. «Evil Dead Rise» startet mit viel Wucht und kann die Energie fast über die gesamte Laufzeit aufrechterhalten. Der neuste Teil der altbekannten Franchise ist sehr, sehr blutig, optisch genial und stark gespielt.
Zwar gibt es nichts Neues, dafür sind die Verweise auf vorherige Teile nett, die Kills gnadenlos und der rote Saft fliesst literweise. Mit Lee Cronin wurde der richtige Regisseur für das Projekt gefunden.
:liquid7:
Currently Hot: Best Of Cinema 2023Japanuary 2024

Das brandneue Kulturmagazin: Phosphor Kultur

Benutzeravatar
deBohli
Palmenkicker
Palmenkicker
Beiträge: 10928
Registriert: 15.10.2005, 10:32
Wohnort: Zofingen, Schweiz
Kontaktdaten:

Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von deBohli » 28.04.2023, 11:38

BRUGGGORE 2023: Donnerstag

Bild
Megalomaniac
Kino / Regie: Karim Ouelhaj
(Brugggore 23-05) Langsam schürfen die depressiven und schrecklichen Geschehnisse von «Megalomania» deine Haut und Seele auf. Der Film von Karim Ouelhaj ist nicht nur optisch grau und zermürbend, sondern auch inhaltlich.
Das zieht sich etwas lange hin und tarnt die Wendungen zu wenig gut in der Geschichte, dafür bietet der Film einige interessante Ansätze und Momente. Dass nicht alles funktioniert, liegt nicht an den technischen Aspekten.
:liquid4:

Bild
Razzennest
Kino / Regie: Johannes Grenzfurthner
(Brugggore 23-06) Horror als Hörspiel, im Kino? Bei Johannes Grenzfurthner werden nach dem schwierigen, aber überzeugenden Film «Masking Threshold» von 2021 die Konventionen erneut gesprengt. Das ist erfrischend anders, bringt die optische Ebene mit der Subjektivität zusammen und zeigt experimentell, was Kino alles sein kann.
Zwar ist die Geschichte selbst etwas unspektakulär und die Aufnahmen geben nicht sehr viel her, die Meta-Kommentare auf das Filmschaffen, der Humor und die Lust am Neuen überzeugen aber.
:liquid6:

Bild
Pig Killer
Kino / Regie: Chad Ferrin
(Brugggore 23-07) Mögt ihr die kitschige Pop-Rock-Scheibe «No Looking Back» von Gerard McMahon aus dem Jahre 1982? Perfekt, dann werdet ihr «Pig Killer» von Chad Ferrin lieben. Der Film scheint nur aus Needledrops von diesen Songs zu bestehen, die unpassend, abrupt und überlagernd in die Szenen eingebunden wurden.
Der katastrophale Soundmix, die frauenverachtenden Momente, der infantile Humor und die viel zu lange Laufzeit machen aus der idiotischen Geschichte eine Tortur. Da helfen weder Kate Patel, Jake Busey noch der Kurzauftritt von Bai Ling.
:liquid1:

Bild
Swallowed
Kino / Regie: Carter Smith
(Brugggore 23-08) Da ich Jena Malone jederzeit ein Herz-Emoji senden würde, fand «Swallowed» sehr schnell Platz in meinem Herzen. Der Film von Carter Smith wusste zusätzlich durch seine kleine, nette Geschichte, die gute Inszenierung und die Abkehr von bekannten Gender-Klischees des Genres zu gefallen.
Mit Cooper Koch und Jose Colon in den Hauptrollen sympathisch besetzt, endlich mal nicht mit viel weiblicher, sondern männlicher nackter Haut und stimmungsvollen Horror-Details: Eine Indie-Produktion mit Herz.
:liquid7:

Bild
She Came From The Woods
Kino / Regie: Erik Bloomquist
(Brugggore 23-09) Aus dem Walde kommt sie, die Hommage an Sommercamp- und Slasherfilme der Achtzigerjahre. Coming Of Age, Comedy und blutiger Horror: Erik Bloomquist bringt in «She Came From The Woods» positive Schwingungen und Adrenalin zusammen.
Das unterhält sehr gut, ist schön gefilmt und lässt die Sehnsucht nach den unbeschwerten Zeiten spürbar werden. Im Gegensatz zu den Filmen der damaligen Zeit nimmt sich die Produktion nicht ernst und spielt mit plumpen Metaverweisen auf das Genre an.
:liquid6:
Currently Hot: Best Of Cinema 2023Japanuary 2024

Das brandneue Kulturmagazin: Phosphor Kultur

Benutzeravatar
deBohli
Palmenkicker
Palmenkicker
Beiträge: 10928
Registriert: 15.10.2005, 10:32
Wohnort: Zofingen, Schweiz
Kontaktdaten:

Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von deBohli » 01.05.2023, 11:49

BRUGGGORE 2023: Freitag

Bild
Curse of Crom: The Legend of Halloween
Kino / Regie: Rob York
(Brugggore 23-10) Darf ich bitte in die Welt dieses Filmes transportiert werden, um mit Mary (die bezaubernde Chelsea Jurkiewicz) und ihren Freund:innen den Alltag zu bestreiten und Abenteuer zu erleben? Das würde all die nostalgischen Sehnsüchte und Coming-Of-Age-Gedanken erfüllen.
«Curse of Crom: The Legend of Halloween» ist ein kleiner und mit viel Liebe gemachter Streifen, der das Herz berührt und durchwegs unterhält. Ohne Blut oder Brutalität, sondern mit einer netten Geschichte, sympathischem Schauspiel und positiven Schwingungen.
Rob York hat gute Arbeit geleistet, das Ensemble spielt die Rollen abseits der üblichen Klischees perfekt. Wie genial etwa ist Monica Moore Smith als Stephanie in ihrem Rehkostüm? «Oh no, my antlers!»
:liquid8:

Bild
The Once And Future Smash
Kino / Regie: Sophia Cacciola, Michael J. Epstein
(Brugggore 23-11) Ein fiktiver Slasher-Film aus den Siebzigerjahren, den niemand gesehen hat, eine Mockumentary über die beiden Männer, die scheinbar die Hauptfigur gespielt haben: «The Once And Future Smash» von Sophia Cacciola und Michael J. Epstein ist ein überdrehter Klamauk für Horrorfilm-Fans.
Bekannte Namen aus dem Business stehen vor der Kamera, die Eigenheiten von Fantum und Conventions werden satirisch überzeichnet, Michael St. Michaels («The Greasy Strangler», Jim Hosking 2016) holpert griesgrämig durch die Szenen. Ein grosser Spass, der ab der Mitte aber viel von der Energie und der Wucht verliert.
:liquid6:

Bild
Cult Hero
Kino / Regie: Jesse Thomas Cook
(Brugggore 23-12) Humor in Filmen ist ein schwieriges Thema, da sehr individuell. Leider sagte mir die nordamerikanisch überzeichnete Komik von «Cult Hero» gar nicht zu. Vielmehr nervte mich das Gehabe der Charaktere und die Persiflage auf Reality-TV-Exzesse war nach dem Einstieg bereits ausgelutscht.
Jesse Thomas Cook macht mit seinem Film einiges richtig und bietet eine humorvolle Herangehensweise an das Thema Sekten und Kult. Das Gefühl danach erinnert aber an Konsum von Fast Food.
:liquid4:

Bild
Mal de ojo
Kino / Regie: Isaac Ezban
(Brugggore 23-13) Getragen von den zwei beeindruckend spielenden Mädchen ist der Gruselfilm «Mal de ojo» ein schöner Genrevertreter aus Mexico. Isaac Ezban beweist eine sichere Hand bei der Regie, die Bilder sind gelungen, Ausstattung und Soundtrack passend.
Leider aber zeigte sich erneut, dass Geschichte über Hexen meinen persönlichen Geschmack selten treffen und auf mich sofort ausgelutscht wirken.
:liquid6:

Bild
Project Wolf Hunting
Kino / Regie: Hongsun Kim
(Brugggore 23-14) Alles Blut der Welt, versammelt auf einem Frachtschiff. So wirkte «Project Wolf Hunting», die neuste Gewaltorgie aus Südkorea. Jeder Messerstich verursacht eine meterhohe Fontäne, jeder Mensch träg scheinbar hektoliterweise roten Lebenssaft in sich.
Der Film von Hongsun Kim ist ein unterhaltsames Actionvehikel mit supernatürlichen Elementen, Gewaltexzessen nahe an Animes wie «Fist Of The North Star» und rasantem Tempo. Bloss hinterfragen sollte man die Handlung zu keiner Sekunde.
:liquid6:

Bild
Riki-Oh: The Story of Ricky
Kino / Regie: Ngai Choi Lam
(Brugggore 23-15) Ricki landet im Gefängnis und muss sich dort gegen die bösen Machenschaften von Wachpersonal und Insassen behaupten. Kein Problem, kann er seine «Yin und Yang»-Kräfte bündeln und ist scheinbar unbesiegbar.
Das bedeutet: Gore, sinnfreie Handlung, Gore, überdrehte Synchro in Deutsch, Gore und viele Lacher. «Riki-Oh: The Story of Ricky» ist eine gelungene Manga-Verfilmung und von Ngai Choi Lam ohne Ernsthaftigkeit inszeniert.
:liquid6:
Currently Hot: Best Of Cinema 2023Japanuary 2024

Das brandneue Kulturmagazin: Phosphor Kultur

Benutzeravatar
Vince
Actioncrew
Actioncrew
Beiträge: 20482
Registriert: 30.09.2005, 18:00
Wohnort: Aachen

Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von Vince » 01.05.2023, 13:48

Story of Ricky geistert ja seit dem goldenen DVD-Zeitalter als Kultfilm umher, den hab ich aber erst ziemlich spät kennengelernt mit der britischen Blu-ray von Mediumrare. Fand den ebenfalls ziemlich unterhaltsam, der rutscht einfach gut, auch wenn nicht viel dahintersteckt.
Curse of Crom sieht auch nicht uninteressant aus...

Benutzeravatar
deBohli
Palmenkicker
Palmenkicker
Beiträge: 10928
Registriert: 15.10.2005, 10:32
Wohnort: Zofingen, Schweiz
Kontaktdaten:

Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von deBohli » 01.05.2023, 16:10

Kultig ist der Film auf jeden Fall, dazu passte die Screeningzeit von 01:00 Uhr nachts perfekt.
"Curse Of Crom" kam am Festival bei fast niemandem gut weg, ausser mir. Na, ich empfehle dir den Film trotzdem. :lol:
Currently Hot: Best Of Cinema 2023Japanuary 2024

Das brandneue Kulturmagazin: Phosphor Kultur

Benutzeravatar
deBohli
Palmenkicker
Palmenkicker
Beiträge: 10928
Registriert: 15.10.2005, 10:32
Wohnort: Zofingen, Schweiz
Kontaktdaten:

Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von deBohli » 01.05.2023, 16:11

BRUGGGORE: Samstag

Bild
Good Boy
Kino / Regie: Viljar Bøe
(Brugggore 23-16) Sauber, durchdacht und kleingehalten ist «Good Boy» von Viljar Bøe. Der Film nähert sich Inhalten wie Fetische, sexuelle Unterdrückung und Psychosen auf ungewohnte Art und zeigt einen Menschen als Haustier.
Hätte das Drehbuch mehr Mut bewiesen und die eigentliche Grundlage bis zum Ende durchgezogen, wäre es ein grossartiger Film. Durch gewisse Wendungen allerdings wirkt die Produktion aus Norwegen aber zu durchschnittlich und bekannt.
:liquid7:

Bild
L’orafo
Kino / Regie: Vincenzo Ricchiuto
(Brugggore 23-17) Wenn alles an der Geschichte sinnlos und idiotisch ist, dann sollte ein Film zumindest auf andere Weise unterhalten. Mit «L’orafo» ist dies Vincenzo Ricchiuto allerdings nur bedingt gelungen, ist vieles am Home-Invasion-Thriller holprig.
Sei es etwa die Charakterzeichnung, das Schauspiel oder die Action-Momente – nichts wirkt gekonnt. Dass der Inhalt am Ende zu einem absurden, unmotivierten OP-Wahn verkommt, hilft sowieso nicht.
:liquid4:

Bild
Beau Is Afraid
Kino / Regie: Ari Aster
(Brugggore 23-18) Ja, «Beau Is Afraid» ist lang. Und nein, der neuste Film von Ari Aster ist nicht dem Horror-Gebiet zuzuordnen. Erschlagend ist die Reise, welche der grossartige Joaquin Phoenix erleben muss, aber mit jeder Sekunde. Bereits das erste Drittel ist voller überraschender Einfälle, merkwürdigen Handlungen und unerwarteten Wendungen.
Zum Entziffern benötigt der Film viel Raum und Zeit, eine Zweitsichtung ist klar zu empfehlen. Trotz einigen Längen und etwas viel Selbstverliebtheit ist die Geschichte um mütterliche Unterdrückung, Missbrauch, PTSD, Medizinsucht und die verletzte Seele der USA berauschend. Man lacht, weint, denkt nach, ist erschöpft und wird durchgerüttelt.
:liquid8:

Bild
Mother Superior
Kino / Regie: Marie Alice Wolfszahn
(Brugggore 23-19) Wenn die eigentlichen Grundlagen interessanter sind als das filmische Resultat, könnte man das als negativen Aspekt werten. Bei «Mother Superior» von Marie Alice Wolfszahn störte mich dies aber nicht, weiss die österreichische Produktion mit stilsicherer Inszenierung zu glänzen.
Wunderbare Bilder, toller Score und die sympathische Besetzung trösten darüber hinweg, dass die 70 Minuten Laufzeit leider nicht ausreichen, um die Aspekte der feministischen Gruppierungen in den völkischen Strömungen und der Nazi-Zeit ausreichend zu behandeln.
:liquid7:
Currently Hot: Best Of Cinema 2023Japanuary 2024

Das brandneue Kulturmagazin: Phosphor Kultur

Benutzeravatar
deBohli
Palmenkicker
Palmenkicker
Beiträge: 10928
Registriert: 15.10.2005, 10:32
Wohnort: Zofingen, Schweiz
Kontaktdaten:

Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von deBohli » 04.05.2023, 11:44

Bild
Domicile conjugal
BD / Regie: François Truffaut
Dass Antoine Doinel seine Ehe nicht lange am Laufen halten kann, war klar. Zu nervös und unentschlossen stolpert die Figur durch seinen vierten Film, erneut mit viel Elan und Witz von François Truffaut inszeniert.
Jean-Pierre Léaud und Claude Jade sind in «Domicile conjugal» erneut grossartig, Hiroko Berghauer betört in ihren kurzen Auftritten. Eine herzerwärmende Weiterentwicklung der Geschichte, welche mit «Les Quatre Cents Coups» ihren Anfang nahm.
:liquid8:

Bild
The Virgin Queen
DVD / Regie: Henry Koster
Wäre alles an «The Virgin Queen» so unterhaltsam wie Bette Davis als Königin Elizabeth I., dann wäre der Film ein wahres Juwel. Während grossen Teilen der Laufzeit wirkt die Geschichte aber zum Gähnen und kann nebst einigen Kampfszenen und vielen, opulenten Kostümen wenig Nervenkitzel vorweisen. Auch die Regie von Henry Koster und viele Kameraeinstellungen wirken flach.
:liquid5:

Bild
L'Amour en fuite
BD / Regie: François Truffaut
Ein letztes Mal mit Antoine durch Paris streifen, ein letztes Mal die Wirrungen der doinel’schen Liebe erleben. «L'Amour en fuite» war der finale Film, den François Truffaut über diese Figur gedreht hat und brachte dafür sogar Marie-France Pisier zurück.
Die eigentliche Geschichte sucht für diverse Charaktere ein gutes Ende, weiss aber wenig Neues zu erzählen. Die eingeflochtenen Rückblenden auf die bisherigen vier Filme strecken die Laufzeit, stimmten mich aber tatsächlich wehmütig und nostalgisch.
:liquid7:

Bild
Electric Dragon 80.000 V
BD / Regie: Gakuryu Ishii
Ein Typ, der elektrische Ladungen aus seinem Körper mit einer Gitarre kontrolliert und ein Buddha-Mensch-Hybrid kämpfen gegeneinander. So verrückt, so sinnbefreit. «Electric Dragon 80.000 V» will in den 50 Minuten gar nicht mehr, als mit optischen und inhaltlichen Verrücktheiten zu unterhalten.
Der kurze Film von Gakuryu Ishii ist ein lebendig gewordener Manga, ein Feuerwerk an schwarzweissen Aufnahmen und Rock’n’Roll pur. Dass in der ersten Hälfte eigentlich nichts passiert; egal.
:liquid6:

Bild
Bratsch – Ein Dorf macht Schule
Stream, Filmingo / Regie: Norbert Wiedmer
Wirklich gerne ging ich nie zur Schule, die Leistungszwänge, sozialen Ungenauigkeiten und kollektiven Massnahmen wollten mir nie behagen. Hätte ich meine Jahre in einer Schule verbringen können, wie sie im Dokumentarfilm «Bratsch – Ein Dorf macht Schule» portraitiert wird, sähe mein Leben heute wohl anders aus.
Norbert Wiedmer hat während sechs Jahren das Bildungsprojekt von Damian Gsponer begleitet, ein Unterfangen abseits von Lehrplan, Frontalunterricht und Noten. Dafür mit interdisziplinären Aufgaben, praktischem Bezug und viel Sozialkompetenz. Eine nicht wertende Darstellung, eine faszinierend menschliche Möglichkeit.
:liquid8:
Currently Hot: Best Of Cinema 2023Japanuary 2024

Das brandneue Kulturmagazin: Phosphor Kultur

Benutzeravatar
deBohli
Palmenkicker
Palmenkicker
Beiträge: 10928
Registriert: 15.10.2005, 10:32
Wohnort: Zofingen, Schweiz
Kontaktdaten:

Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von deBohli » 07.05.2023, 20:03

Bild
Something In The Dirt
BD / Regie: Justin Benson, Aaron Moorhead
Nach einigen Filmen, in denen die Magie etwas verloren gegangen war, sind Justin Benson und Aaron Moorhead wieder in höheren Sphären angelangt. «Something In The Dirt» bringt die Faszination der frühen Arbeiten zurück und kombiniert Rätsel, unerklärbare Phänomene, urbane Legenden und Indie-Filmkunst.
Ohne Erklärungen oder grosse Schauwerte ist der Film packend und menschlich. Er bringt die Vergangenheit von Los Angeles mit Science-Fiction zusammen und nutzt die Zeit als Spielball. Faszinierend.
:liquid8:

Bild
Die bleierne Zeit
BD / Regie: Margarethe von Trotta
Als Kinder direkt nach dem zweiten Weltkrieg in Deutschland aufzuwachsen, brachte einige Schwierigkeiten mit sich. Margarethe von Trotta untersucht diese Probleme anhand zweier Schwestern, die unterschiedliche Wege der Auflehnung einschlugen.
«Die bleierne Zeit» ist ein interessantes Drama über zwischenmenschliche Beziehungen, Vergebung, Auflehnung und der Suche nach Gerechtigkeit.
:liquid8:

Bild
Columbus
Stream, Sooner / Regie: Kogonada
Architektur und Gebäude schön in Filmen ist darzustellen, ist nicht immer einfach. Mit seinem Regiedebüt «Columbus» erschuf Kogonada ein visuell betörender Film, der den titelgebenden Ort voller Reize eingefangen hat. Eine ruhige und langsame Erzählung, eine Meditation über Aufopferung, Familie und Beziehungen.
Stark gespielt, ohne melodramatisch zu werden und das Herz berührend – diese Figuren und Umgebungen lassen nicht kalt.
:liquid9:

Bild
Corri uomo corri
BD / Regie: Sergio Sollima
Tomas Milian stolpert als doofer Messerwerfer durch die heisse Landstriche Mexicos, immer auf der Suche nach Vermögen und Gold. Doch Sergio Sollima lässt in «Corri uomo corri» niemanden zur Ruhe kommen und die Ereignisse überschlagen sich teilweise.
Ein Western, der dreckig und brutal ist, aber zugleich auch mit Humor und Überraschungen aufwartet. Das Abenteuer wirkt dadurch nicht immer rund, hält trotz der langen Laufzeit aber bei Laune.
:liquid7:

Bild
Animals
BD / Regie: Sophie Hyde
Holliday Grainger und Alia Shawkat geben alles, mit ihnen würde man zu gerne durch Nächte in Dublin ziehen und eine Bar nach der anderen unsicher machen. Der darauffolgende Kater liefert «Animals» gleich mit, im Film von Sophie Hyde gibt es viele Streitereien und Probleme durchzumachen.
Das Drama zeigt die Konflikte und Sorgen als junge Erwachsene sehr gut auf und sucht gemeinsam mit den Figuren einen richtigen Weg zwischen Verpflichtungen und Selbstermächtigung. Der tolle Soundtrack unterstützt die nicht klischeefreie Reise.
:liquid7:

Bild
The 7th Voyage of Sinbad
BD / Regie: Nathan Juran
Eine Kindheitserinnerung, wobei mir nur noch der Zyklop vor Augen war (ha!). «The 7th Voyage of Sinbad» ist ein gelungener Abenteuerfilm, der weniger mit den Weissen Schauspieler:innen als irakische Personen überzeugt, sondern durch die Trickarbeit von Meister Ray Harryhausen.
Da flattern riesige Vögel herbei, es muss ein Skelett im Schwertkampf besiegt werden und der Zyklop ringt mit einem Drachen. Was für ein charmant handgemachtes Vergnügen, dessen Geschichte etwas holprig ist.
:liquid6:

Bild
L'une Chante, L'autre Pas
DVD / Regie: Agnes Varda
Der feministische Kampf um das Recht auf Abtreibung und die Selbstbestimmung über den Körper ist noch lange nicht beendet, in den Siebzigerjahren war die Situation in Frankreich allerdings noch prekärer. Anges Varda hat der Problematik mit «L'une Chante, L'autre Pas» einen fantastischen Spielfilm gewidmet, der die Schwere des Themas mit Witz und Musical-Einlagen kombiniert.
Dieser Kunstgriff zaubert leichte Momente herbei, bringt Farbe in den Film und zeugt von Vardas Genialität. Die pointierten Songtexte, die real wirkenden Situationen und die geniale Kameraführung sorgen für viele Highlights.
:liquid8:

Bild
Jeder für sich und Gott gegen alle
BD / Regie: Werner Herzog
Die Erfahrungen und Lehren, welche Werner Herzog aus seinen dokumentarischen Arbeiten ziehen konnte, finden im Spielfilm «Jeder für sich und Gott gegen alle» zusammen. Die Geschichte um den rätselhaften Kaspar Hauser analysiert die menschlichen Verhaltensweisen und hinterfragt unsere moralischen Gesetze.
Gewisse Szenen wirken leicht hölzern und die Geschichte hätte gestraft werden können; als Beobachtung auf unsere gesellschaftlichen Strukturen funktioniert der Film aber weiterhin sehr gut.
:liquid7:
Currently Hot: Best Of Cinema 2023Japanuary 2024

Das brandneue Kulturmagazin: Phosphor Kultur

Benutzeravatar
deBohli
Palmenkicker
Palmenkicker
Beiträge: 10928
Registriert: 15.10.2005, 10:32
Wohnort: Zofingen, Schweiz
Kontaktdaten:

Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von deBohli » 12.05.2023, 10:10

Bild
A River Called Titas
DVD / Regie: Ritwik Kumar Ghatak
Je weniger Wasser den Fluss hinunterfliesst, desto grösser wird das Leiden der ländlichen Bevölkerung. «A River Called Titas» zeigt in epischer Grösse den Alltag und die Probleme von Menschen aus Bangladesch und Indien. Ritwik Kumar Ghatak umspannt mit seinem Werk mehrere Generationen, Familien und Dörfer – und vergisst nie den emotionalen Kern.
Die schwarzweissen Aufnahmen sind kontrastreich und wie oft im indischen Kino besonders die weiblichen Figuren packend. Eine Erzählung mit weitreichender Geste, deren Inhalt sehr gut zu den heutigen Klimaproblemen passt.
:liquid8:

Bild
All the Beauty and the Bloodshed
Kino / Regie: Laura Poitras
Obwohl Laura Poitras mit «All the Beauty and the Bloodshed» zwei dokumentarische Geschichten zusammenbringt, funktioniert das Portrait der Fotografin Nan Goldin und ihrer aktivistischen Tätigkeiten sehr gut. Das Private ist politisch, wieder einmal wird uns das mit diesem Film vor Augen gehalten.
Der Kampf gegen die eigene Sucht, die familiären Trauma und die erdrückende Macht von wohlhabenden Familien und Firmen (in dem Fall die Sackler-Dynastie) wird mit Archivaufnahmen, neuen Interviews und Projektionen von fotografischen Arbeiten verdichtet. Eine Wellenwirkung der Gefühle entsteht, der Wunsch nach Gleichberechtigung und Seelenfriede immer grösser. Diese Produktion hat mich stark berührt.
:liquid9:

Bild
The Golden Voyage of Sinbad
BD / Regie: Gordon Hessler
Was würde Sinbad bloss machen, wenn er nicht einen Schatz voller Gold suchen könnte und sich dabei gegen einen bösen Magier verteidigen müsste? Die Geschichte von «The Golden Voyage of Sinbad» ist ziemlich irrelevant und benötigt zu viel Zeit, um in die Gänge zu kommen.
Dafür gibt es ab der Hälfte nicht nur die knapp geschnittenen Outfits von Caroline Munro zu bestaunen, sondern wundervolle Stop-Motion-Figuren, Monster und Schwertkämpfe. Tricktechnisch ist der Film bezaubernd.
:liquid6:

Bild
Rock ’n’ Roll High School
BD / Regie: Allan Arkush
Nieder mit der Schule! Hinfort mit den gesellschaftlichen Zwängen! «Rock ’n’ Roll High School» ist aufmüpfiger Jugendfilm, Liebeserklärung an die Ramones und Trash zugleich. Von Allan Arkush inszeniert, werden selbstironische Überdrehtheiten mit den High-School-Filmen der damaligen Zeit gemischt.
P.J. Soles und Dey Young in den Hauptrollen sind die sympathischen Leitfiguren, denen man sehr gerne durch das Chaos folgt. Liebe, Unterdrückung und Freiheit – am Ende brennt alles nieder und ich weiss; die Musik von The Ramones wird nie mein Herz erobern.
:liquid6:

Bild
Nezouh
Kino / Regie: Soudade Kaadan
Für ein Drama um Familie und Hoffnung inmitten des Krieges in Syrien, weiss der Film von Soudade Kaadan erstaunlich wenig auszusagen. In der Geschichte werden die herrschenden Zustände in Damaskus mit träumerischen Momenten und jugendlicher Liebe gemischt, Gesellschaftskritik und Humor in offensichtlichen Metaphern verbunden.
Diese Mixtur wirkt unausgegoren, dafür strahlt Hala Zein in der Hauptrolle und zu gerne begleitet man sie durch den gefährlichen Alltag. Eventuell sollte der Film nie mehr sein als eine kurze Pause vom Kriegstreiben, ein oft fehlendes Durchatmen. Das erreicht Kaadan auf jeden Fall.
:liquid6:
Currently Hot: Best Of Cinema 2023Japanuary 2024

Das brandneue Kulturmagazin: Phosphor Kultur

Benutzeravatar
Vince
Actioncrew
Actioncrew
Beiträge: 20482
Registriert: 30.09.2005, 18:00
Wohnort: Aachen

Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von Vince » 12.05.2023, 17:14

Die Ramones-Nummern in dem Streifen sind schon Fremdscham pur, aber auch unheimlich unterhaltsam. Ich hätte ja mal gerne die "Disco High School"-Version von Corman gesehen. :lol:

Benutzeravatar
deBohli
Palmenkicker
Palmenkicker
Beiträge: 10928
Registriert: 15.10.2005, 10:32
Wohnort: Zofingen, Schweiz
Kontaktdaten:

Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von deBohli » 13.05.2023, 09:20

Witzig sind die Momente wirklich, auch, weil die Herren so wunderbar doof aussehen. :lol:
Ui, das klingt nach einer Version, die mir persönlich wohl stärker zugesagt hätte.
Currently Hot: Best Of Cinema 2023Japanuary 2024

Das brandneue Kulturmagazin: Phosphor Kultur

Benutzeravatar
deBohli
Palmenkicker
Palmenkicker
Beiträge: 10928
Registriert: 15.10.2005, 10:32
Wohnort: Zofingen, Schweiz
Kontaktdaten:

Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von deBohli » 14.05.2023, 17:59

Bild
Ultra Pulpe
Stream, Mubi / Regie: Bertrand Mandico
Der Kurzfilm «Ultra Pulpe» nimmt vorneweg, was Bertrand Mandico mit dem Langfilm «After Blue» ausformulieren würde. Von Zwängen gelöste Sexualität, bunt schimmernde Fantasiewelten, Lust und Hoffnung, Träume und weibliche Stärke.
Pauline Jacquard, Elina Löwensohn und Anne Lise Maulin werden zu Figuren der Vorstellung, ihre eigenen Wünsche zu einer Meta-Ebene, das Filmemachen wird mit faszinierender Kreativität und vielen Emotionen gekoppelt. Ein Bildersturm, Synthie-Pop und viel Erregung – man verliert sich schwebend.
:liquid8:

Bild
Durchs Höllentor ins Paradies
Kino / Regie: Peter Reichenbach, Sibylle Cazajus
Die Geschichte des Kunsthaus Zürich, komprimiert in 60 Minuten. Die Dokumentation von Peter Reichenbach und Sibylle Cazajus wirkt didaktisch, packt zu viele Aspekte und Betrachtungsweisen in den Film (Geschichte, Politik, Geschlechterfragen, Architektur, Zukunft) und liefert nicht mehr als einen einleitenden Überblick.
Besonders im Bezug zum Thema der Aufarbeitung der Bührle-Sammlung bleibt «Durchs Höllentor ins Paradies» zu zurückhaltend und wirkt dadurch, als hätte die Stadt Zürich einen wogenglättenden Werbefilm für den Neubau bestellt.
:liquid5:

Bild
Das Lehrerzimmer
Kino / Regie: İlker Çatak
Unser Schulsystem ist leistungsfixiert und unmenschlich – das musste ich in meiner Bildungszeit selbst erfahren. Mit dem auf Thriller getrimmten Spielfilm «Das Lehrerzimmer» wird die fehlende Menschlichkeit von Regisseur İlker Çatak aufreibend unterstrichen.
In der Hauptrolle brilliert Leonie Benesch, der Film verlässt nie das Schulgelände und lässt Zuschauer:innen immer tiefer in die Spirale von psychologischem Druck, Gewalt und Verzweiflung fallen. Eine packende Erzählung, die mich emotional aufgewühlt zurückliess.
:liquid8:

Bild
Roter Himmel
Kino / Regie: Christian Petzold
Das immer schneller werdende Verbrennen unserer Welt, das persönliche Fehlverhalten und die verpassten Chancen im Leben: «Roter Himmel» bringt die Intimität mit der kollektiven Ebene zusammen und Christian Petzold hat ein Drama geschaffen, das mit den eigens erlebten Versäumnissen im Leben spielt.
Thomas Schubert und Paula Beer spielen perfekt, die Szenerie wurde genial eingefangen und der Song «In My Mind» von der Gruppe Wallners untermalt das Geschehen auf sehnsüchtige Weise. Eine starke Erzählung, die nicht einmal vom versöhnlichen Schluss getrübt wird.
:liquid8:

Bild
Flashdance
Kino / Regie: Adrian Lyne
Adrian Lyne, der einige Jahre später mit «Jacob’s Ladder» eine dichte Erzählung verfilmte, lieferte unter der Produktion von Scott und Bruckheimer mit «Flashdance» einen Film ab, der auf Inhalt pfeift. Hauptsache, die Tanzszenen sind flott inszeniert, jede Aufnahme in eine akzentuierte Beleuchtung getaucht und die Songs reissen mit.
Das klappt alles wunderbar, besonders im Kinosaal. Man himmelt Jennifer Beals an, singt mit den Hits mit und ergötzt sich an den Bewegungen. Seit 1994 kenne und liebe ich den Soundtrack (dank einer Musikkassette, zusammengestellt von meiner Grossmutter), nun endlich durfte ich die dazugehörigen Bilder erleben. Macht Laune.
:liquid6:

Bild
Trash Humpers
Stream, Mubi / Regie: Harmony Korine
Die Gesellschaft ist verkommen, das Leben in den Vorstädten ist am Boden. «Trash Humpers» zeigt dies an einem überzogenen Beispiel von aufmüpfigen Rentnern. Sex, Gewalt und Willkür; alles mit einer Videokamera aufgezeichnet und ohne Geschichte aneinandergereiht.
Der Film von Harmony Korine ist Experiment und Trash zugleich, wirkt wie eine Mischung aus «Idioterne» (Lars von Trier, 1998) und «Jackass» (Jeff Tremaine, 2002), und schaut ironisch auf die moralisierenden Filmerzeugnisse zum Thema der Verrohung der Jugend.
:liquid6:
Currently Hot: Best Of Cinema 2023Japanuary 2024

Das brandneue Kulturmagazin: Phosphor Kultur

Benutzeravatar
deBohli
Palmenkicker
Palmenkicker
Beiträge: 10928
Registriert: 15.10.2005, 10:32
Wohnort: Zofingen, Schweiz
Kontaktdaten:

Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von deBohli » 20.05.2023, 16:00

Bild
She Dies Tomorrow
BD / Regie: Amy Seimetz
Wenn als Produzenten Aaron Moorhead und Justin Benson genannt werden, verwundert es nicht, dass der Film mit unserer Wahrnehmung von Leben, Zeit und Tod spielt. «She Dies Tomorrow» ist zugleich eine Studie über Depression, eine stellenweise zähe und nie offensichtliche Erzählung.
Amy Seimetz hat nicht nur eigene Erfahrungen verarbeitet, sondern offeriert einen direkten Einblick in das Innenleben ihrer Figuren. Welches sind die zentralen Werte des Lebens? Erst das scheinbare Ende lässt uns den Kern entdecken.
:liquid7:

Bild
Computer Chess
BD / Regie: Andrew Bujalski
2013 gedreht, sieht «Computer Chess» wie eine Dokumentation aus den Achtzigjahren aus. Flimmernde Aufnahmen in Schwarzweiss, halbgare Texteinblendungen aus dem PC und eine mit Humor gespickte Annäherung ans Thema der KI.
Während sich Nerds an ihren Kisten abmühen, Schachspiele zu gewinnen, sucht der Film die Menschlichkeit und wahren Werte des Daseins. Faszinierend Lo-Fi und Indie.
:liquid8:

Bild
Forbrydelsens element
DVD / Regie: Lars von Trier
Ein Film Noir-Versuch, eine Geschichte über ein Verbrechen, inszeniert als Reihe von Diebstählen an den eigenen Vorbildern. «The Element Of Crime» zeigt als Debüt in erster Linie, welche Namen Lars von Trier dazu bewogen haben, Filme zu drehen. Einflüsse aus Frankreich, der Sowjetunion und Amerika kommen in dieser Produktion zusammen, alles wird in einen orangen Farbton getaucht.
Inhaltlich ist der Film starr und der Film zeigt bereits viel von der zukünftigen Egomanie des Regisseurs, ist zugleich als Spurensuche und Zitatenreigen interessant.
6

Bild
Le frisson des vampires
BD / Regie: Jean Rollin
Wie kann es sein, dass mich «Le frisson des vampires» nach der Sichtung stärker gepackt hat als währenddessen? Liegt darin der Zauber von Jean Rollin? Denn die einzelnen Aspekte und Elemente des Filmes sind lose betrachtet überholt, mittelmässig gemacht und sexistisch.
Nackte Haut, Vampire, ein bunt beleuchtetes Schloss und schludriges Spiel gibt es zu bestaunen; Jacques Robiolles aus den «Antoine Doinel»-Filmen von François Truffaut tritt als Blutsauger auf. Dank den überraschenden Momenten, der psychedelischen Rockmusik als Soundtrack und dem Flair lässt sich die Faszination aber nicht leugnen.
6

Bild
The Whaler Boy
Stream, Filmingo / Regie: Philipp Yuryev
Der Traum von Freiheit, Liebe und Glück: In «The Whaler Boy» versucht ein junger Fischer aus einem Dorf in Russland seine Zukunft neu auszurichten. Das Ziel ist das Leben in den USA, in den Armen einer schönen Blondine.
Tragisch und trist die Situation, mitfühlend der Film von Philipp Yuryev. Zurückhaltend und langsam kommt die Erzählung daher, in traumähnlich gefilmten Sequenzen und mit ausdrucksreichen Gesichtern.
:liquid7:

Bild
Espíritu sagrado
BD / Regie: Chema García Ibarra
Wenn der Kult um göttliche Mächte und Ausserirdische auf trockene und realistische Weise gezeigt wird, schwankt man als Zuschauer zwischen dem Glauben um Fantastik und der geistigen Gesundheit der Protagonist:innen.
«Espíritu sagrado» von Chema García Ibarra ist Drama, absurdes Krimi-Abenteuer und auf dem Boden gebliebene Betrachtung solcher Handlungen. Die Aufnahmen, die Musik und das Spiel der Laien-Darsteller:innen verbindet sich geschickt mit der Prise Science-Fiction.
:liquid7:

Bild
Hiruko The Goblin
BD / Regie: Shinya Tsukamoto
Nach dem Metall gewordenen Menschen liess Shinya Tsukamoto Dämonen auf die Erde los. Der Film «Hiruko The Goblin» bringt alte Legenden mit vielen, verrückten Einfällen zusammen. Hyperaktive Sequenzen und Stop-Motion-Monster gibt es zu bestaunen, die klein gehaltene Geschichte lässt nie Langeweile aufkommen.
Der Film überzeugt vor allem optisch und die liebevoll gemachten Effekte sind ein Schmankerl.
:liquid7:

Bild
Transit
Stream, Filmbulletin / Regie: Christian Petzold
Ein Film über den zweiten Weltkrieg, angesiedelt im 21. Jahrhundert? Was ungewohnt klingt, funktioniert bei «Transit» hervorragend. Christian Petzold hat mit der freien Romanverfilmung (Anna Seghers, 1944) einen weiten Bogen gespannt und lässt die immer brillant spielenden Franz Rogowski und Paula Beer die Geschichte um Flucht im heutigen Marseille durchleben.
Viele Szenen wirken frei, man lässt sich durch die Stadt treiben und sucht die Rettung in der Stille. Die warmen Aufnahmen und die zurückhaltende Tonspur lassen trotz der schwierigen, politisch weiterhin relevanten Thematik eine entspannte Grundstimmung entstehen, die Vermengung der zwei Zeitebenen ist sehr gelungen.
Dass die Entscheidungen der Figuren gegen Schluss wirr werden und die Realität flüchtig, funktioniert ebenfalls. «Transit» wird aus der Perspektive eines ausstehenden Erzählers an die Zuschauer:innen gebracht und relativiert die anachronistischen Elemente durch die persönliche Vorstellungskraft.
:liquid8:

Bild
Joyland
Kino / Regie: Saim Sadiq
Transpersonen und queere Liebe in Pakistan? Das kann nicht gut gehen, was auch «Joyland», trotz des positiv konnotierten Titels zeigt. Der Film von Saim Sadiq untersucht Existenzen abseits der heteronormativen Gewohnheiten und hat eine packende Geschichte geschaffen, die das Patriarchat verurteilt.
Die wunderbare Kameraarbeit (Licht, Farben, Format), die tolle Musik und das sehr gut spielende Ensemble lassen die Erzählung berührend nachwirken, die herrschenden Strukturen werden demontiert.
:liquid8:
Currently Hot: Best Of Cinema 2023Japanuary 2024

Das brandneue Kulturmagazin: Phosphor Kultur

Benutzeravatar
deBohli
Palmenkicker
Palmenkicker
Beiträge: 10928
Registriert: 15.10.2005, 10:32
Wohnort: Zofingen, Schweiz
Kontaktdaten:

Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von deBohli » 26.05.2023, 17:37

Bild
Uranes
BD / Regie: Chema García Ibarra
Merkwürdige Artefakte, verschollene Eltern und ein Lo-Fi-Video: «Uranes» ist ein kleiner Film mit übernatürlichen Elementen, die reale Gewalt sichtbar machen. Von Chema García Ibarra geschickt inszeniert, fügen sich die einzelnen Szenen und Momente am Schluss zu einer Gesamtheit mit viel Tiefe zusammen.
:liquid7:

Bild
Be Kind Rewind
Stream, Mubi / Regie: Michel Gondry
«Eternal Sunshine of the Spotless Mind» von Michel Gondry zähle ich zu meinen Lieblingsfilmen, doch von der Genialität dieser Produktion ist bei «Be Kind Rewind» wenig zu spüren. Als Hommage auf die Leidenschaft von Filmemacher:innen funktionieren viele Momente, der Rest ist zu weichgespült.
Jack Black ist überdreht wie meist, Mos Def funktioniert als Gegenpol, die überzeichneten Charaktere und Handlungen wirken selten nachvollziehbar. Da wäre eine freiere Indie-Herangehensweise besser gewesen.
:liquid6:

Bild
Raging Bull
DVD / Regie: Martin Scorsese
Harte Schnitte, noch härtere Schläge. «Raging Bull» lässt in den Aufnahmen und Szenenfolgen die Wut der Hauptfigur spürbar werden, die Kameraarbeit ist nicht nur während den Kampfszenen grossartig.
Was Martin Scorsese mit dem Film abgeliefert hat, ist eine wuchtige Studie eines kaputten Mannes. Von Robert De Niro, Joe Pesci und Cathy Moriarty mit viel Leidenschaft gespielt, zu jeder Sekunde packend und laut – ein mitreissendes Erlebnis.
:liquid9:

Bild
Beach Rats
Stream, Mubi / Regie: Eliza Hittman
Was passiert, wenn ein «Bro» seine homoerotischen Neigungen entdeckt? Verzweiflung, Ablehnung und Sinnsuche – dargestellt im Film «Beach Rats» mit viel Realitätsnähe und Leerstellen.
Der Film von Eliza Hittman ist stimmungsvoll, kommt aber nicht ohne Klischees aus. Dafür überzeugen Harris Dickinson und Madeline Weinstein in ihren Rollen sehr und das Setting von Brooklyn wurde optisch ansprechend eingefangen.
:liquid6:

Bild
Indagine su un cittadino al di sopra di ogni sospetto
BD / Regie: Elio Petri
Bevor er ein Jahr später mit «La classe operaia va in paradiso» die Arbeiterklasse thematisierte, zerlegte Elio Petri 1970 mit dem schwindelerregenden Thriller «Indagine su un cittadino al di sopra di ogni sospetto» die herrschenden Mächte des Gesetzes.
Der ungezähmte Gian Maria Volonté als überheblicher Kommissar, die Geschichte voller absurden Szenen und lauter Kritik. Ein fulminanter Film.
:liquid9:

Bild
Sinbad and the Eye of the Tiger
BD / Regie: Sam Wanamaker
Der Abschluss der Trilogie um den wagemutigen Seefahrer Sinbad wirkt wie ein lauer Wind gegenüber den vorherigen Filmen, weiss die Geschichte selten etwas Neues oder Aufregendes zu erzählen. Sam Wanamaker bringt die gewohnten Elemente ins Spiel und vergisst die Spannung.
Die Monster und Kreaturen sind wunderbar animiert, «Sinbad and the Eye of the Tiger» wirkt aber trotzdem nur halbgar. Auch die Laufzeit von fast zwei Stunden ist zu lang.
:liquid5:
Currently Hot: Best Of Cinema 2023Japanuary 2024

Das brandneue Kulturmagazin: Phosphor Kultur

Benutzeravatar
deBohli
Palmenkicker
Palmenkicker
Beiträge: 10928
Registriert: 15.10.2005, 10:32
Wohnort: Zofingen, Schweiz
Kontaktdaten:

Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von deBohli » 29.05.2023, 16:00

Bild
Wicked World
Kino / Regie: Barry J. Gillis
Nein, einfach nicht. Das ist kein Film, das ist Folter. Die Tonspur, die Schnitte, die Bildqualität, der Inhalt, alles grottenschlecht. «Wicked World» zeigt das misanthropische Gebaren von Regisseur Barry J. Gillis, lässt ihn minutenlang halbnackte Frauen befummeln und will moralische Botschaften verbreiten.
Als Vorstellung im Rahmen der «Worst Night» der KultMovieGang konnte man zumindest im Kollektiv lachen. Die psychischen Schäden bleiben.
:liquid0:


Senses
Kino / Regie: Brian Pinkus, Chris Völkle
Bern ist um ein No-Budget-Film reicher: «Senses» von Brian Pinkus und Chris Völkle ist ein Spassprojekt einer Gruppe von Freund:innen, die ihre Geschichte in den «USA» spielen lassen und wilde Ideen mit schlechten technischen Aspekten mischen.
Inhaltlich doof, schlecht gespielt und wackelig gefilmt, ist der Actionfilm für bierselige Abende unterhaltsam, mehr nicht.
:liquid2:

Bild
Nekromantik
BD / Regie: Jörg Buttgereit
Mit seinem frühen Film «Nekromantik» wollte Jörg Buttgereit wohl in erster Linie schocken, und das gelingt. Leichen werden begattet, Körperteile herumgeschmissen und das alles in langen Sequenzen gezeigt. Viel Inhalt bietet die Geschichte allerdings nicht.
Gewisse Szenen lassen die kreative Vision, welche mit Filmen wie «Der Todesking» aufblühen wird, bereits erahnen, über weite Strecken generierte diese Produktion aber bloss Langeweile.
:liquid3:

Bild
Heller Wahn
BD / Regie: Margarethe von Trotta
Die Stellung der Frau in der Gesellschaft, im Patriarchat: Margarethe von Trotta zeigt die erdrückenden Umstände und Situationen emotional vielschichtig in diesem Drama auf. Hanna Schygulla und Angela Winkler sind in den Hauptrollen perfekt besetzt, mit jeder Szene vertieft sich die Geschichte von «Heller Wahn».
Optisch bleibt der Film zwar durchschnittlich, die dreidimensionalen Charaktere und die Verdichtung in der zweiten Hälfte wirken umso nachhaltiger.
:liquid8:

Bild
Yakuza Graveyard
BD / Regie: Kinji Fukasaku
Wenn sich Kinji Fukasaku dem japanischen Verbrechen widmete, war das stets eine wilde, brutale und nervöse Angelegenheit. Mit «Yakuza Graveyard» beleuchtete er nicht nur die Korruption der Polizei und die immer präsente Gewalt, sondern den Stand des koreanischen Bevölkerungsteils.
Alles wurde atemlos eingefangen, wirkt wie ein Wirbelsturm auf der Leinwand und bietet ausreichend Tiefe.
:liquid8:

Bild
A Forgotten Man
Kino / Regie: Laurent Nègre
Die Rolle der Schweiz im zweiten Weltkrieg wurde noch lange nicht genügend aufgearbeitet, die Märchen der Neutralität und des guten Willens beherrschend weiterhin den Konsens. Gut also, versuchte Laurent Nègre mit seinem Spielfilm «A Forgotten Man» dies aufzubrechen.
Die betörenden Aufnahmen in Schwarzweiss, das ansprechende Spiel und die vielen bissigen Kommentare zu Schweizer Politik machen viel wett, leider aber wird die Geschichte mit Plattitüden ergänzt und der Fokus liegt zu stark auf dem persönlichen Schicksal gewisser Figuren.
:liquid6:

Bild
I Go Gaga: Welcome Home, Mom
Kino / Regie: Naoko Nobutomo
(Ginmaku Film Festival) Herzzerreissend, erquickend und glücklich machend: Die Dokumentation «I Go Gaga: Welcome Home, Mom» von Naoko Nobutomo über ihre Eltern, die im hohen Alter den Altag in Fukushima bestreiten, ist eine emotionale Achterbahnfahrt.
Nah und intim die gezeigten Momente, ein frisch wirkender Blick auf Demenz und das Lebensende. Mutter und Vater schliesst man sofort ins Herz und verbringt mehr als gerne die Zeit mit diesen Menschen.
:liquid8:
Currently Hot: Best Of Cinema 2023Japanuary 2024

Das brandneue Kulturmagazin: Phosphor Kultur

Benutzeravatar
deBohli
Palmenkicker
Palmenkicker
Beiträge: 10928
Registriert: 15.10.2005, 10:32
Wohnort: Zofingen, Schweiz
Kontaktdaten:

Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von deBohli » 03.06.2023, 12:47

Bild
Laurence Anyways
Stream, Mubi / Regie: Xavier Dolan
Leute; diese Bilder, diese Bildkompositionen, Farben und Lichter. «Laurence Anyways» betört nicht nur durch die intensive Geschichte über Liebe, Geschlecht und Gender, dargeboten in einer langen Laufzeit, sondern mit der fantastischen Kameraarbeit.
Der Film von Xavier Dolan ist laut, wild, emotional überbordend, bunt und mitreissend. Gewisse Momente sind filmische Perfektion, andere mischen die harte Realität von Transpersonen mit märchenhaften Elementen. Wow.
:liquid9:

Bild
Voice from the Stone
DVD / Regie: Eric D. Howell
Zum Glück ist Emilia Clarke bezaubernd, denn sonst fehlt es dem Film «Voice From The Stone» an vielem. Anstelle von Grusel verspürte ich Langeweile, statt hübsch ausgeleuchteten Bildern von unheimlichen Umgebungen gab es flache Aufnahmen dröger Innenräume.
Eric D. Howell schafft es leider nicht, aus der Vorlage viel zu machen und die Geschichte will nie Fahrt aufnehmen.
:liquid4:

Bild
Pariah
BD / Regie: Dee Rees
Als junger Mensch ausserhalb der normierten Gesellschaft zu leben, ist die Hölle. Das zeigt der feinfühlige und emotional packende Film «Pariah» von Dee Rees sehr gut. Die Regisseurin hat ihren Kurzfilm zu einem modernen Portrait junger POC-Frauen in den USA geformt, optisch wunderbar eingefangen.
Gut gespielt, mit toller Musik hinterlegt und die üblichen Klischees auslassend, geht die Geschichte ans Herz.
:liquid8:

Bild
Die goldenen Jahre
Kino / Regie: Barbara Kulcsar
Wohlstandprobleme, erzählt aus der Perspektive der wohlhabenden Oberschicht in der Schweiz. «Die goldenen Jahre» funktionierte für mich als Komödie selten, da nicht nur alte Plattitüden durchgekaut wurden (Haha, Veganismus!), sondern das Bünzlitum unreflektiert durchdrückte.
Die Charaktere im Film von Barbara Kulcsar hätten viel Zeit und Geld sparen können, wenn sie zu Beginn des Filmes den Figuren das Buch «Trennt euch!» von Thomas Meyer erhalten hätten.
:liquid4:

Bild
Mannen på taket
BD / Regie: Bo Widerberg
«Mannen på taket» ist zuerst ein Krimi, eine ruhige Betrachtung der Polizeiarbeit in Schweden und wird dann zu einem brachialen Thriller mit viel Blut und Gewalt. Die Buchverfilmung von Bo Widerberg ist Hochspannung und Überraschung, zugleich ein treffender Kommentar auf die übermächtige Position der Ordnungshüter und Polizeigewalt.
Ein Film, der in den Siebzigjahren den schwedischen Film brennen liess und bis heute mit viel Spannung packt.
:liquid8:
Currently Hot: Best Of Cinema 2023Japanuary 2024

Das brandneue Kulturmagazin: Phosphor Kultur

Benutzeravatar
deBohli
Palmenkicker
Palmenkicker
Beiträge: 10928
Registriert: 15.10.2005, 10:32
Wohnort: Zofingen, Schweiz
Kontaktdaten:

Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von deBohli » 07.06.2023, 14:06

Bildrausch Filmfest Basel

Bild
Kristina
Kino / Regie: Nikola Spasić
(Bildrausch 23-01) Geschickt bringt Nikola Spasić in seinem ersten Spielfilm «Kristina» die fiktiven und realen Ebenen zusammen. Kristina Milosavljević spielt sich selbst, die impressionistisch gehaltenen Bilder sind wunderbar anzusehen.
Sexarbeit und Transpersonen gegen gesellschaftliche Normen und Religion: Alles kumuliert sich im improvisierten Gespräch auf der Parkbank.
:liquid8:

Bild
Samsara
Kino / Regie: Lois Patiño
(Bildrausch 23-02) I’ve died in the cinema tonight. «Samsara» ist ein unbeschreibliches Erlebnis, eine Reise durch Leben und Tod, eine Reinkarnation mit geschlossenen Augen und Stroboskoplichtern.
Die Unendlichkeit drängt sich durch die Ritzen und ich wurde mir bewusst, dass ich noch nicht bereit bin zu gehen. Danke Lois Patiño.
:liquid10:

Bild
Etilaaz Rot
Kino / Regie: Abbas Rezaie
(Bildrausch 23-03) Abbas Rezaie filmte seine Freund:innen bei der Zeitung Etilaaz Rot, als die Taliban Kabul übernahmen. Eine traurige, intensive und starke Dokumentation voller Anspannung. Ein Film, der die klischierte Darstellung des Konflikts umgeht und intime Momente offenbart.
:liquid8:

Bild
Blix Not Bombs
Kino / Regie: Greta Stocklassa
(Bildrausch 23-04) Was kann eine Person ausrichten? Wie diplomatisch sollte man sich ausdrücken? Wieso war Hans Blix damals bei uns im Unterricht oder bei Gesprächen kein Thema?
«Blix Not Bombs» von Greta Stocklassa ist eine wichtige Dokumentation und beleuchtet zusätzlich die Zusammenhänge von 9/11 zur heutigen Flüchtlingskrise.
:liquid7:

Bild
Mitsuki / Sekai
Kino / Regie: Marina Tsukada
(Bildrausch 23-05 + 23-06) Zwei Kurzfilme über das wahre Leben, nah, warm und intim. Die 16mm-Kameraarbeit mit langsamen Zooms ist wundervoll, das Portrait der zwei jungen Frauen in Japan berühren.
Marina Tsukada zeigt sich als feinfühlige Regisseurin und die Filme machen Lust auf das zehn Jahre andauernde Projekt «Toki».
:liquid8:

Bild
5 Seasons of Revolution
Kino / Regie: LINA
(Bildrausch 23-07) Der Beginn der Revolution in Syrien aus weiblicher Perspektive, ein roher Dokumentarfilm mit privaten Geschichten. LINA zeigt in «5 Seasons of Revolution» die grosse Tragik der Entwicklungen und den Verlust vom Glauben in die Medien und an das Festhalten der Ereignisse – die Welt wusste alles, es war allen trotzdem egal.
:liquid6:

Bild
Orlando, ma biographie politique
Kino / Regie: Paul B. Preciado
(Bildrausch 23-08) Die Dokumentation «Orlando, ma biographie politique» ist eklektisch und jede Art von Binärität umgehend; etwa beim Thema, der Erzählweise und Struktur. Paul B. Preciado hat einen wichtigen Film zum Thema Trans und eine sehr clevere Neubetrachtung des Romans von Virginia Woolf geschaffen. Sehr unterhaltsam.
:liquid8:
Currently Hot: Best Of Cinema 2023Japanuary 2024

Das brandneue Kulturmagazin: Phosphor Kultur

Benutzeravatar
SFI
Expendable
Expendable
Beiträge: 103353
Registriert: 09.08.2004, 07:58
Wohnort: Suraya Bay
Kontaktdaten:

Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von SFI » 07.06.2023, 17:08

Bei Samsara musste ich zuerst an die Doku von 2011 denken, aber es gibt wohl ein gleichlautendes anderes Werk.
PFALZBOTE | DVD-Profiler

„Fate: Protects fools, little children and ships named Enterprise.“

Benutzeravatar
deBohli
Palmenkicker
Palmenkicker
Beiträge: 10928
Registriert: 15.10.2005, 10:32
Wohnort: Zofingen, Schweiz
Kontaktdaten:

Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von deBohli » 07.06.2023, 17:44

Es gibt sogar drei Filme mit dem Namen, laut Letterboxd. Am Bildrausch war es der Film von 2023, hier ein kleiner Auschnitt:

Currently Hot: Best Of Cinema 2023Japanuary 2024

Das brandneue Kulturmagazin: Phosphor Kultur

Benutzeravatar
deBohli
Palmenkicker
Palmenkicker
Beiträge: 10928
Registriert: 15.10.2005, 10:32
Wohnort: Zofingen, Schweiz
Kontaktdaten:

Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von deBohli » 14.06.2023, 16:27

Bild
Nil By Mouth
BD / Regie: Gary Oldman
Die Misere des Unterschichtenlebens: Die einzige Regiearbeit von Gary Oldman ist ein real wirkendes, bedrückendes und emotional wuchtiges Drama. Der Inszenierungsstil, Ray Winstone und Kathy Burke in den Hauptrollen und die Nähe machen «Nil By Mouth» zu einem grossartigen, wenn auch depressiven Film.
:liquid9:

Bild
Plan 75
Kino / Regie: Chie Hayakawa
Japan hat eine Lösung für die Überalterung der Gesellschaft: Staatlich subventionierter Suizid. Aber nein, trotz dieser Grundlage ist «Plan 75» ein ruhiger und intimer Film. Chie Hayakawa beleuchtet die mögliche Zukunft mit viel Menschlichkeit und sucht stetig neue Argumente.
Die schönen Aufnahmen, die Eigenschaften des Slow Cinema und die passende Musik gestalten das Drama fast meditativ, ohne jemals in einer reisserischen Form zu enden.
:liquid7:

Bild
Nine Muses of Star Empire
Stream, Mubi / Regie: Lee Hark-joon
Die Industrie hinter den K-Pop-Stars und -Idols ist männlich, unterdrückend und misogyn. Die Dokumentation «Nine Muses of Star Empire» zeigt dies anhand der titelgebenden Gruppe auf, weiss aber nicht viel mit den Umständen anzufangen.
Der von Lee Hark-joon ermöglichte Einblick hinter die Kulissen ist zwar ungeschönt, klare Aussagen oder einordnende Gedanken gibt es aber keine. Der Mut bleibt aus, der «Hit» von den Nine Muses bleibt für immer im Kopf. Leider.
:liquid6:

Bild
La mariée était en noir
BD / Regie: François Truffaut
Jeanne Moreau nimmt Rache und wechselt vom weissen Brautkleid zu elegant schwarzen Outfits. Viel mehr Tiefe gibt es bei «La mariée était en noir» nicht, dafür eine gelungene Inspiration zu diversen Actionfilmen, die man heute kennt.
François Truffaut inszeniert routiniert, das Zuschauen macht Spass, das Ende ist gnadenlos.
:liquid7:

Bild
La Syndicaliste
Kino / Regie: Jean-Paul Salomé
Ein weiteres Mal beweist uns ein Spielfilm, dass man per sofort alle Männer aus Führungs- und Machtpositionen entfernen sollte. Basierend auf einer wahren Geschichte, zeigt Jean-Paul Salomé mit «La Syndicaliste» den Kampf einer Gewerkschaftlerin gegen den damaligen Riesenkonzert Averna.
Isabelle Huppert gibt in der Hauptrolle alles und spielt gegen ihr Alter, die Geschichte aber ist zu reisserisch und unkonzentriert erzählt. Nebst bereits bekannten Grundsätzen (siehe erster Satz) bleibt ein Mehrwert aus.
:liquid6:

Bild
Lynn + Lucy
BD / Regie: Fyzal Boulifa
Die langjährige Freundschaft zwischen zwei Frauen wird auf eine harte Probe gestellt, Roxanne Scrimshaw und Nichola Burley spielen ihre Rollen emotional treffend. Die lauernde Gewalt des Vorort- und Arbeiterklasselebens in England zeigt Fyzal Boulifa mit «Lynn + Lucy» auf bedrückende Weise, der Film geht unter die Haut.
:liquid8:

Bild
The Old Dark House
BD / Regie: James Whale
Eine stürmische Nacht im alten Haus voller unheimlichen Bewohner:innen. Die Grundlage des Filmes von James Whale ist klassisch, die Ausführung wunderbar stimmungsvoll. «The Old Dark House» lebt von den überraschenden Kniffen (eine Frau in einer männlichen Rolle, ein menschliches Monster) und dem guten Ensemble, geleitet von einem grunzenden Boris Karloff.
:liquid7:

Bild
Stroszek
BD / Regie: Werner Herzog
Bruno S. war ein Juwel. Nach «Jeder für sich und Gott gegen alle» (1974) ist er auch in der zweiten Zusammenarbeit mit Werner Herzog genial. Die unfreiwillige Komik seiner Figur vermischt sich in «Stroszek» perfekt mit dem desolaten Zustand des amerikanischen Traums.
Wie gewohnt anders und doch immer treffend zeigt uns Herzog die gebrochene Seele der USA und das scheinbar irrationale, repetitive Dasein als Menschen.
:liquid8:
Currently Hot: Best Of Cinema 2023Japanuary 2024

Das brandneue Kulturmagazin: Phosphor Kultur

Benutzeravatar
deBohli
Palmenkicker
Palmenkicker
Beiträge: 10928
Registriert: 15.10.2005, 10:32
Wohnort: Zofingen, Schweiz
Kontaktdaten:

Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von deBohli » 15.06.2023, 08:47

Bild
Sarah joue un loup-garou
Stream, Filmingo / Regie: Katharina Wyss
Theater als Ventil, als genutzte Projektionsfläche: In «Sarah joue un loup-garou» wird sexueller Missbrauch auf neue Weise thematisiert und die emotionale Ausweglosigkeit von Teenagern spürbar gemacht.
Der Film von Katharina Wyss bleibt stellenweise rätselhaft und spielt mit mehreren Ebenen, was am Ende sehr gut funktioniert. Die Inszenierung und die Besetzung mit gern gesehenen Personen wie Annina Walt und Sabine Timoteo sind gleichermassen gelungen.
:liquid8:

Bild
Les deux orphelines vampires
BD / Regie: Jean Rollin
Obwohl «Les deux orphelines vampires» Ende der Neunzigerjahre gedreht wurde, sieht der Film wie ein Werk der Siebzigerjahre aus. Weichgezeichnete Bilder, verwaschene Farben und ein märchenhaftes Gefühl, ohne zu ausbeuterisch zu werden.
Alexandra Pic und Isabelle Teboul sind als junge Vampirinnen bezaubernd und man wird von Jean Rollin in ihre magische Welt entführt. Nächtliche Spaziergänge, Fabelwesen und ein neuer Blickwinkel auf den Zustand genannt Leben – dieser Film funktioniert trotz des tiefen Budgets sehr gut.
:liquid7:

Bild
Nekromantik 2
BD / Regie: Jörg Buttgereit
Der alte Spruch, dass Genie und Wahn nahe beieinanderliegen, passt sehr gut zu «Nekromantik 2». Die Fortsetzung zum Schockfilm von Jörg Buttgereit ist langsam, erstaunlich inhaltsleer, ekelerregend, unaushaltbar (Tiere) und faszinierend.
Liebe und Tod in unheimlicher Verbindung, künstlerischer Anspruch und infantile Grausamkeiten während 100 Minuten: Ein Film der zwischen grossartigen Einfällen (Kinobesuch) und stupiden Momenten schwankt.
:liquid5:
Currently Hot: Best Of Cinema 2023Japanuary 2024

Das brandneue Kulturmagazin: Phosphor Kultur

Benutzeravatar
Vince
Actioncrew
Actioncrew
Beiträge: 20482
Registriert: 30.09.2005, 18:00
Wohnort: Aachen

Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von Vince » 17.06.2023, 07:57

Auf die Waisenvampire freu ich mich sehr, aber da warte ich auf den hoffentlich baldigen Ausbau der deutschen Rollin-VÖ-Reihe.

Was diesen Punkt angeht:
Ende der Neunzigerjahre gedreht wurde, sieht der Film wie ein Werk der Siebzigerjahre aus
habe ich tatsächlich auch das Gefühl: wenn Rollin heute noch leben würde, würde er immer noch die gleichen Filme mit dem gleichen Flair drehen wie vor 50 Jahren.

Benutzeravatar
deBohli
Palmenkicker
Palmenkicker
Beiträge: 10928
Registriert: 15.10.2005, 10:32
Wohnort: Zofingen, Schweiz
Kontaktdaten:

Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von deBohli » 17.06.2023, 09:54

Das stimmt wohl, allerdings auch gut so. Seine Art des Erzählens würde sich mit der modernen Optik nur schlecht verbinden lassen, nach meinem Empfinden zumindest.
Currently Hot: Best Of Cinema 2023Japanuary 2024

Das brandneue Kulturmagazin: Phosphor Kultur

Benutzeravatar
deBohli
Palmenkicker
Palmenkicker
Beiträge: 10928
Registriert: 15.10.2005, 10:32
Wohnort: Zofingen, Schweiz
Kontaktdaten:

Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von deBohli » 22.06.2023, 16:31

Bild
Epidemic
DVD / Regie: Lars von Trier
Die Gegenwart Europas der Achtzigerjahre: Gedreht ohne viel Geld und ohne Crew, ist «Epidemic» ein experimenteller Film, der gewisse Dogme 95-Wirkungen vornewegnimmt. Lars von Trier agiert in dieser Geschichte um Drehbuchautoren und Pandemien auch vor der Kamera, die formalen Aspekte bleiben bis zum Schluss aber aufregender als der Inhalt.
:liquid5:

Bild
Assassin
BD / Regie: Peter Crane
Die kurzlebige Produktionsfirma The Pemini Organisation brachte mit «Assassin» einen Agententhriller hervor, der mit den Konventionen des Genres bricht. Peter Crane zeigt die Geschichte um einen Auftragskiller als ruhige, stellenweise bürokratische Angelegenheit. Das ist nicht ohne Faszination und gefällt besonders beim Schnitt.
:liquid6:

Bild
La Nuit du 12
DVD / Regie: Dominik Moll
Am Anfang von «La Nuit du 12» steht zwar, dass es sich um die Erzählung eines wahren, ungelösten Mordfalls handelt, trotzdem hofft man bis zur letzten Szene, die Polizei vermag diesen doch aufzuklären. Ein Krimi ohne brachiale Momente, ohne klischierte Szenenfolgen.
Der Film von Dominik Moll ist immer dann am besten, wenn er sich Themen wie Misogynie und patriarchaler Unterdrückung widmet – und schockt mit der Willkür der Tat.
:liquid8:

Bild
Tout le monde aime Jeanne
Kino / Regie: Céline Devaux
Es sind die kleinen Details, wie etwa der bewegte Mauszeiger beim Facetime-Anruf, oder der Song über Tomatensaft im Flugzeug, welche «Tout le monde aime Jeanne» nebst Hauptdarstellerin Blanche Gardin liebenswürdig machen.
Die düstere gehaltene Komödie von Céline Devaux weiss inhaltlich nach dem gelungenen Anfang leider wenig zu erzählen; dank den Animationen, der Musik und dem starken Schnitt lohnt sich die Sichtung trotzdem.
:liquid6:

Bild
Asteroid City
Kino / Regie: Wes Anderson
Seit einigen Filmen langweilt mich die Art der Inszenierung von Wes Anderson nur noch, mit «Asteroid City» konnte er mich wieder stärker begeistern als mit den letzten Werken. Zwar sind die strikten Kamera- und Ausstattungsschemen weiterhin ermüdend, mit dem Verbund aus Hommage und Kritik am alten Hollywood gibt es einiges zu erleben.
Anderson funktioniert für mich nicht als politisch kritischer Regisseur, seine Art, Missstände der damaligen Zeit darzustellen, finde ich in diesem Film schwierig. Die Szenen in der titelgebenden Siedlung und die vielen Seitenhiebe auf den «American Way of Life» sind allerdings vergnüglich, der Cast wie immer überbordend und die vielen Details knuffig.
:liquid6:

Bild
Bullet Train
DVD / Regie: David Leitch
«Bullet Train» ist für mich eines der besten Beispiele, das aufzeigt, was mit dem aktuellen Blockbusterkino alles falsch läuft. Nebst dem, dass alle Charaktere eindimensional erscheinen und man als Zuschauer:in keine emotionale Bindung aufbauen kann, ist die Geschichte bloss Aufhänger für eine Kette von Szenen.
Das Pacing des Filmes versagt komplett, der Schnitt ist ungenau, viele Anschlussfehler sind zu finden und gelangweiltes Spiel (besonders von Brad Pitt) findet vor schlecht gerenderten Effekten statt. Was überdreht und selbstreferenziell wirken soll, ist nur langweilig. Immerhin ist Joey King cool, wie immer.
:liquid3:

Bild
Koyaanisqatsi
DVD / Regie: Godfrey Reggio
80 Minuten unkommentierte Aufnahmen der menschlichen Zivilisation, die deprimierend und bedrückend wirken. Godfrey Reggio meditierte mit seinem essayartigen Film «Koyaanisqatsi» über den Zustand der Welt und die Rolle der Menschheit.
Dank der Musik von Philip Glass und den genialen Aufnahmen ist das ein betörendes Erlebnis, inhaltlich wirkt das Ganze heutzutage aber etwas flach.
:liquid8:

Bild
Europa
DVD / Regie: Lars von Trier
Anhand der Vergangenheit das Konstrukt Europa begreifen: Lars von Trier schliesst seine Trilogie mit einer Film-Noir-Hommage ab, die, wie die vorangegangenen Filme, besonders im formalen zu überzeugen weiss. Die genial angewandten Rückprojektionen, die Kameraführung und die farbigen Momente machen «Europa» aufregend. Die Geschichte greift zwar viele moralische Themen der Nachkriegszeit auf, geht aber nicht allzu tief.
:liquid7:

Bild
Le scomunicate di San Valentino
Stream, Mubi / Regie: Sergio Grieco
So voller Sünde sind die Nonnen gar nicht, denn wie immer gehen die grössten Probleme von der patriarchalen Struktur aus. Die Obrigkeit will den eigenen Willen durchsetzen, die erotische Lust von Frauen muss unterdrückt werden. Her mit den Peitschen!
«Le scomunicate di San Valentino» von Sergio Grieco ist kein grossartiger Film, sondern durchschnittliche Unterhaltung mit nackter Haut vor billigen Kulissen. Amüsant anders hingegen der Soundtrack aus dem Synthesizer.
:liquid5:

Bild
The Land Of Sasha
Stream, Filmingo / Regie: Julia Trofimova
Oft wurde das Heranwachsen auf überzeichnete Weise auf die Leinwand gebracht, Julia Trofimova geht mit ihrem Debüt einen anderen Weg. «The Land Of Sasha» ist Coming Of Age ohne klischierte Figurenzeichnung und schematischem Drehbuch. Alle Charaktere haben Tiefe und sympathische Seiten, die Entscheidungen wirken echt.
Gefühle, Liebe und die unsichere Zukunft - mit gutem Spiel und schönen Bildern wird das Leben auf nachvollziehbare Art nachgezeichnet.
:liquid7:

Bild
Tom à la ferme
Stream, Mubi / Regie: Xavier Dolan
Aus einem Theaterstück wird ein aufgeladener Psycho-Thriller – Xavier Dolan bleibt unberechenbar. Nicht nur spielt er die Hauptrolle in «Tom à la ferme» selbst, er lässt Homophobie, Lust und Unterdrückung im Film zu einem explosiven Cocktail aufkochen.
Packend mit einer sicheren Hand für Tempo und Bild inszeniert, ist der Film zwar nicht so gut wie etwa «Laurence Anyways», aber ein weiterer Beweis für Dolans Talent.
:liquid8:
Currently Hot: Best Of Cinema 2023Japanuary 2024

Das brandneue Kulturmagazin: Phosphor Kultur

Benutzeravatar
deBohli
Palmenkicker
Palmenkicker
Beiträge: 10928
Registriert: 15.10.2005, 10:32
Wohnort: Zofingen, Schweiz
Kontaktdaten:

Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von deBohli » 29.06.2023, 07:20

Bild
The Beta Test
BD / Regie: Jim Cummings, PJ McCabe
He’s rotten from the core: Wenn Jim Cummings etwas kann, dann ist es Männer mitten im Zusammenbruch zu spielen. Bei «Thunder Road» funktionierte dies für mich auf der emotionalen Ebene perfekt, bei «The Beta Test» überzeugt er gleichermassen.
Der Film ist inhaltlich überbordend und verfehlt mit der Kritik am ausbeuterischen System stellenweise das Ziel, die stark geschichtete Struktur ist aber reizvoll.
:liquid8:

Bild
Enys Men
BD / Regie: Mark Jenkin
Folk-Horror, Siebzigerjahre-Hommage, Experimentalfilm und formales Meisterwerk: «Enys Men» ist nicht bloss der zweite Film von Mark Jenkin, sondern ein berauschendes Erlebnis, das die Zeit biegt und unser Verständnis von der Form Spielfilm in Frage stellt.
Die grobkörnigen Aufnahmen, der nachträglich aufgenommene Ton und die Schlaufen und Ebenen in der Geschichte – alles will erarbeitet werden und belohnt auf beeindruckende Weise.
:liquid8:

Bild
El Agua
Kino / Regie: Elena López Riera
Wasser: Die Quelle des Lebens wird in «El Agua» zur Unheilbringerin, zur destruktiven Kraft von Körper und Geist. Elena López Riera lässt mit ihrem Spielfilm die Natur zum Sprachrohr der aktuellen Generation werden und platziert ihre Coming-Of-Age-Geschichte mitten im spanischen Nirgendwo.
Von Luna Pamiés in der Hauptrolle getragen, schön gefilmt (Detailaufnahmen, Landschaft, Interviews) und mit gutem Sound unterlegt, ist das Drama zugleich eine Betrachtung der Frauen in solchen Gebieten und der gesellschaftlichen Struktur. Berührend.
:liquid8:

Bild
Das melancholische Mädchen
Stream, Mubi / Regie: Susanne Heinrich
Essay, Komik und überzeichnete Kritik in einem: «Das melancholische Mädchen» ist weniger ein Spielfilm, sondern eine Auseinandersetzung mit der Rolle der Frau in der heutigen Gesellschaft, die Liebe im Fokus der einzelnen Episoden.
Das Debütwerk von Susanne Heinrich überzeugt durch die präzise gestaltete Ausstattung, die bissigen Kommentare und den Mut, Konventionen der Filmschule aufzubrechen. Dazu ist Marie Rathscheck in der Hauptrolle perfekt besetzt und die animierten Momente sorgen für Abwechslung.
:liquid8:

Bild
The Death of Stalin
DVD / Regie: Armando Iannucci
Der englische Humor prallt auf die Brutalität der Stalin-Ära, Armando Iannucci inszeniert das hinterhältige Seilziehen in der Sowjetregierung als unterhaltsames Lustspiel. Das gelingt wunderbar, danke der Sprache, den Absurditäten der Geschichte und dem perfekten Timing.
Das Ensemble von «The Death of Stalin» spielt sehr gelungen, die Sinnlosigkeit der Handlungen werden hervorgehoben, die damalig im Land herrschenden Ängste unterstrichen.
:liquid8:
Currently Hot: Best Of Cinema 2023Japanuary 2024

Das brandneue Kulturmagazin: Phosphor Kultur

Benutzeravatar
deBohli
Palmenkicker
Palmenkicker
Beiträge: 10928
Registriert: 15.10.2005, 10:32
Wohnort: Zofingen, Schweiz
Kontaktdaten:

Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von deBohli » 05.07.2023, 19:49

Bild
Ugetsu monogatari
Stream, Filmingo / Regie: Kenji Mizoguchi
Kenji Mizoguchi hat mit «Ugetsu monogatari» in den Fünfzigerjahren einen Film geschaffen, der Liebesdrama, Samurai-Erzählung und Geistermärchen auf geniale Weise kombiniert. Die Stimmung ist dicht wie der Nebel, die Musik fesselt und lässt genügend Leerräume.
Die Frage nach der Menschlichkeit wird in der Erzählung mit Träumen, Visionen, Fehlentscheidungen und Gier erörtert, jede neue Szene bringt weitere Komplexität und Faszination. Ein betörendes Erlebnis.
:liquid9:

Bild
Figlia mia
DVD / Regie: Laura Bispuri
Mutterschaft und familiäre Bindungen sind die thematischen Grundlagen für «Figlia mia» von Laura Bispuri. Die Regisseurin behandelt all dies allerdings fernab der klischierten Sichtweisen, die uns Hollywood immer aufzwängt.
Das Dreieck zwischen zwei Frauen und einer Tochter wird emotional tiefgründig dargestellt, der Film verzaubert mit wunderbaren Bildern und einem angenehmen Rhythmus. Zugleich wird die binäre Vorstellung von Zuneigung und Zugehörigkeit auf berührende Weise aufgesprengt.
:liquid8:

Bild
Nana
Stream, Mubi / Regie: Valérie Massadian
Aus Kindersicht betrachtet, ist vieles an unserer Welt magisch und verzaubernd. Sogar ein familiäres Trauma kann mit Spiel und Vorstellungskraft überwunden werden. «Nana» erzählt von einem solchen Schicksal, feinfühlig von Valérie Massadian inszeniert.
Die Kamera bleibt auf Augenhöhe, die Einstellungen sind beobachtend, die Perspektive des Mädchens wird fassbar. Ein kleiner Film, der unseren Blick neu ausrichtet und eine Stimme zulässt, die oft übergangen wird.
:liquid7:
Currently Hot: Best Of Cinema 2023Japanuary 2024

Das brandneue Kulturmagazin: Phosphor Kultur

Antworten

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 19 Gäste