Filmtagebuch: deBohli
Moderator: SFI
- deBohli
- Palmenkicker
- Beiträge: 10928
- Registriert: 15.10.2005, 10:32
- Wohnort: Zofingen, Schweiz
- Kontaktdaten:
Re: Filmtagebuch: deBohli
Es gibt sogar drei Filme mit dem Namen, laut Letterboxd. Am Bildrausch war es der Film von 2023, hier ein kleiner Auschnitt:
- deBohli
- Palmenkicker
- Beiträge: 10928
- Registriert: 15.10.2005, 10:32
- Wohnort: Zofingen, Schweiz
- Kontaktdaten:
Re: Filmtagebuch: deBohli
Nil By Mouth
BD / Regie: Gary Oldman
Die Misere des Unterschichtenlebens: Die einzige Regiearbeit von Gary Oldman ist ein real wirkendes, bedrückendes und emotional wuchtiges Drama. Der Inszenierungsstil, Ray Winstone und Kathy Burke in den Hauptrollen und die Nähe machen «Nil By Mouth» zu einem grossartigen, wenn auch depressiven Film.
Plan 75
Kino / Regie: Chie Hayakawa
Japan hat eine Lösung für die Überalterung der Gesellschaft: Staatlich subventionierter Suizid. Aber nein, trotz dieser Grundlage ist «Plan 75» ein ruhiger und intimer Film. Chie Hayakawa beleuchtet die mögliche Zukunft mit viel Menschlichkeit und sucht stetig neue Argumente.
Die schönen Aufnahmen, die Eigenschaften des Slow Cinema und die passende Musik gestalten das Drama fast meditativ, ohne jemals in einer reisserischen Form zu enden.
Nine Muses of Star Empire
Stream, Mubi / Regie: Lee Hark-joon
Die Industrie hinter den K-Pop-Stars und -Idols ist männlich, unterdrückend und misogyn. Die Dokumentation «Nine Muses of Star Empire» zeigt dies anhand der titelgebenden Gruppe auf, weiss aber nicht viel mit den Umständen anzufangen.
Der von Lee Hark-joon ermöglichte Einblick hinter die Kulissen ist zwar ungeschönt, klare Aussagen oder einordnende Gedanken gibt es aber keine. Der Mut bleibt aus, der «Hit» von den Nine Muses bleibt für immer im Kopf. Leider.
La mariée était en noir
BD / Regie: François Truffaut
Jeanne Moreau nimmt Rache und wechselt vom weissen Brautkleid zu elegant schwarzen Outfits. Viel mehr Tiefe gibt es bei «La mariée était en noir» nicht, dafür eine gelungene Inspiration zu diversen Actionfilmen, die man heute kennt.
François Truffaut inszeniert routiniert, das Zuschauen macht Spass, das Ende ist gnadenlos.
La Syndicaliste
Kino / Regie: Jean-Paul Salomé
Ein weiteres Mal beweist uns ein Spielfilm, dass man per sofort alle Männer aus Führungs- und Machtpositionen entfernen sollte. Basierend auf einer wahren Geschichte, zeigt Jean-Paul Salomé mit «La Syndicaliste» den Kampf einer Gewerkschaftlerin gegen den damaligen Riesenkonzert Averna.
Isabelle Huppert gibt in der Hauptrolle alles und spielt gegen ihr Alter, die Geschichte aber ist zu reisserisch und unkonzentriert erzählt. Nebst bereits bekannten Grundsätzen (siehe erster Satz) bleibt ein Mehrwert aus.
Lynn + Lucy
BD / Regie: Fyzal Boulifa
Die langjährige Freundschaft zwischen zwei Frauen wird auf eine harte Probe gestellt, Roxanne Scrimshaw und Nichola Burley spielen ihre Rollen emotional treffend. Die lauernde Gewalt des Vorort- und Arbeiterklasselebens in England zeigt Fyzal Boulifa mit «Lynn + Lucy» auf bedrückende Weise, der Film geht unter die Haut.
The Old Dark House
BD / Regie: James Whale
Eine stürmische Nacht im alten Haus voller unheimlichen Bewohner:innen. Die Grundlage des Filmes von James Whale ist klassisch, die Ausführung wunderbar stimmungsvoll. «The Old Dark House» lebt von den überraschenden Kniffen (eine Frau in einer männlichen Rolle, ein menschliches Monster) und dem guten Ensemble, geleitet von einem grunzenden Boris Karloff.
Stroszek
BD / Regie: Werner Herzog
Bruno S. war ein Juwel. Nach «Jeder für sich und Gott gegen alle» (1974) ist er auch in der zweiten Zusammenarbeit mit Werner Herzog genial. Die unfreiwillige Komik seiner Figur vermischt sich in «Stroszek» perfekt mit dem desolaten Zustand des amerikanischen Traums.
Wie gewohnt anders und doch immer treffend zeigt uns Herzog die gebrochene Seele der USA und das scheinbar irrationale, repetitive Dasein als Menschen.
- deBohli
- Palmenkicker
- Beiträge: 10928
- Registriert: 15.10.2005, 10:32
- Wohnort: Zofingen, Schweiz
- Kontaktdaten:
Re: Filmtagebuch: deBohli
Sarah joue un loup-garou
Stream, Filmingo / Regie: Katharina Wyss
Theater als Ventil, als genutzte Projektionsfläche: In «Sarah joue un loup-garou» wird sexueller Missbrauch auf neue Weise thematisiert und die emotionale Ausweglosigkeit von Teenagern spürbar gemacht.
Der Film von Katharina Wyss bleibt stellenweise rätselhaft und spielt mit mehreren Ebenen, was am Ende sehr gut funktioniert. Die Inszenierung und die Besetzung mit gern gesehenen Personen wie Annina Walt und Sabine Timoteo sind gleichermassen gelungen.
Les deux orphelines vampires
BD / Regie: Jean Rollin
Obwohl «Les deux orphelines vampires» Ende der Neunzigerjahre gedreht wurde, sieht der Film wie ein Werk der Siebzigerjahre aus. Weichgezeichnete Bilder, verwaschene Farben und ein märchenhaftes Gefühl, ohne zu ausbeuterisch zu werden.
Alexandra Pic und Isabelle Teboul sind als junge Vampirinnen bezaubernd und man wird von Jean Rollin in ihre magische Welt entführt. Nächtliche Spaziergänge, Fabelwesen und ein neuer Blickwinkel auf den Zustand genannt Leben – dieser Film funktioniert trotz des tiefen Budgets sehr gut.
Nekromantik 2
BD / Regie: Jörg Buttgereit
Der alte Spruch, dass Genie und Wahn nahe beieinanderliegen, passt sehr gut zu «Nekromantik 2». Die Fortsetzung zum Schockfilm von Jörg Buttgereit ist langsam, erstaunlich inhaltsleer, ekelerregend, unaushaltbar (Tiere) und faszinierend.
Liebe und Tod in unheimlicher Verbindung, künstlerischer Anspruch und infantile Grausamkeiten während 100 Minuten: Ein Film der zwischen grossartigen Einfällen (Kinobesuch) und stupiden Momenten schwankt.
Re: Filmtagebuch: deBohli
Auf die Waisenvampire freu ich mich sehr, aber da warte ich auf den hoffentlich baldigen Ausbau der deutschen Rollin-VÖ-Reihe.
Was diesen Punkt angeht:
Was diesen Punkt angeht:
habe ich tatsächlich auch das Gefühl: wenn Rollin heute noch leben würde, würde er immer noch die gleichen Filme mit dem gleichen Flair drehen wie vor 50 Jahren.Ende der Neunzigerjahre gedreht wurde, sieht der Film wie ein Werk der Siebzigerjahre aus
- deBohli
- Palmenkicker
- Beiträge: 10928
- Registriert: 15.10.2005, 10:32
- Wohnort: Zofingen, Schweiz
- Kontaktdaten:
Re: Filmtagebuch: deBohli
Das stimmt wohl, allerdings auch gut so. Seine Art des Erzählens würde sich mit der modernen Optik nur schlecht verbinden lassen, nach meinem Empfinden zumindest.
- deBohli
- Palmenkicker
- Beiträge: 10928
- Registriert: 15.10.2005, 10:32
- Wohnort: Zofingen, Schweiz
- Kontaktdaten:
Re: Filmtagebuch: deBohli
Epidemic
DVD / Regie: Lars von Trier
Die Gegenwart Europas der Achtzigerjahre: Gedreht ohne viel Geld und ohne Crew, ist «Epidemic» ein experimenteller Film, der gewisse Dogme 95-Wirkungen vornewegnimmt. Lars von Trier agiert in dieser Geschichte um Drehbuchautoren und Pandemien auch vor der Kamera, die formalen Aspekte bleiben bis zum Schluss aber aufregender als der Inhalt.
Assassin
BD / Regie: Peter Crane
Die kurzlebige Produktionsfirma The Pemini Organisation brachte mit «Assassin» einen Agententhriller hervor, der mit den Konventionen des Genres bricht. Peter Crane zeigt die Geschichte um einen Auftragskiller als ruhige, stellenweise bürokratische Angelegenheit. Das ist nicht ohne Faszination und gefällt besonders beim Schnitt.
La Nuit du 12
DVD / Regie: Dominik Moll
Am Anfang von «La Nuit du 12» steht zwar, dass es sich um die Erzählung eines wahren, ungelösten Mordfalls handelt, trotzdem hofft man bis zur letzten Szene, die Polizei vermag diesen doch aufzuklären. Ein Krimi ohne brachiale Momente, ohne klischierte Szenenfolgen.
Der Film von Dominik Moll ist immer dann am besten, wenn er sich Themen wie Misogynie und patriarchaler Unterdrückung widmet – und schockt mit der Willkür der Tat.
Tout le monde aime Jeanne
Kino / Regie: Céline Devaux
Es sind die kleinen Details, wie etwa der bewegte Mauszeiger beim Facetime-Anruf, oder der Song über Tomatensaft im Flugzeug, welche «Tout le monde aime Jeanne» nebst Hauptdarstellerin Blanche Gardin liebenswürdig machen.
Die düstere gehaltene Komödie von Céline Devaux weiss inhaltlich nach dem gelungenen Anfang leider wenig zu erzählen; dank den Animationen, der Musik und dem starken Schnitt lohnt sich die Sichtung trotzdem.
Asteroid City
Kino / Regie: Wes Anderson
Seit einigen Filmen langweilt mich die Art der Inszenierung von Wes Anderson nur noch, mit «Asteroid City» konnte er mich wieder stärker begeistern als mit den letzten Werken. Zwar sind die strikten Kamera- und Ausstattungsschemen weiterhin ermüdend, mit dem Verbund aus Hommage und Kritik am alten Hollywood gibt es einiges zu erleben.
Anderson funktioniert für mich nicht als politisch kritischer Regisseur, seine Art, Missstände der damaligen Zeit darzustellen, finde ich in diesem Film schwierig. Die Szenen in der titelgebenden Siedlung und die vielen Seitenhiebe auf den «American Way of Life» sind allerdings vergnüglich, der Cast wie immer überbordend und die vielen Details knuffig.
Bullet Train
DVD / Regie: David Leitch
«Bullet Train» ist für mich eines der besten Beispiele, das aufzeigt, was mit dem aktuellen Blockbusterkino alles falsch läuft. Nebst dem, dass alle Charaktere eindimensional erscheinen und man als Zuschauer:in keine emotionale Bindung aufbauen kann, ist die Geschichte bloss Aufhänger für eine Kette von Szenen.
Das Pacing des Filmes versagt komplett, der Schnitt ist ungenau, viele Anschlussfehler sind zu finden und gelangweiltes Spiel (besonders von Brad Pitt) findet vor schlecht gerenderten Effekten statt. Was überdreht und selbstreferenziell wirken soll, ist nur langweilig. Immerhin ist Joey King cool, wie immer.
Koyaanisqatsi
DVD / Regie: Godfrey Reggio
80 Minuten unkommentierte Aufnahmen der menschlichen Zivilisation, die deprimierend und bedrückend wirken. Godfrey Reggio meditierte mit seinem essayartigen Film «Koyaanisqatsi» über den Zustand der Welt und die Rolle der Menschheit.
Dank der Musik von Philip Glass und den genialen Aufnahmen ist das ein betörendes Erlebnis, inhaltlich wirkt das Ganze heutzutage aber etwas flach.
Europa
DVD / Regie: Lars von Trier
Anhand der Vergangenheit das Konstrukt Europa begreifen: Lars von Trier schliesst seine Trilogie mit einer Film-Noir-Hommage ab, die, wie die vorangegangenen Filme, besonders im formalen zu überzeugen weiss. Die genial angewandten Rückprojektionen, die Kameraführung und die farbigen Momente machen «Europa» aufregend. Die Geschichte greift zwar viele moralische Themen der Nachkriegszeit auf, geht aber nicht allzu tief.
Le scomunicate di San Valentino
Stream, Mubi / Regie: Sergio Grieco
So voller Sünde sind die Nonnen gar nicht, denn wie immer gehen die grössten Probleme von der patriarchalen Struktur aus. Die Obrigkeit will den eigenen Willen durchsetzen, die erotische Lust von Frauen muss unterdrückt werden. Her mit den Peitschen!
«Le scomunicate di San Valentino» von Sergio Grieco ist kein grossartiger Film, sondern durchschnittliche Unterhaltung mit nackter Haut vor billigen Kulissen. Amüsant anders hingegen der Soundtrack aus dem Synthesizer.
The Land Of Sasha
Stream, Filmingo / Regie: Julia Trofimova
Oft wurde das Heranwachsen auf überzeichnete Weise auf die Leinwand gebracht, Julia Trofimova geht mit ihrem Debüt einen anderen Weg. «The Land Of Sasha» ist Coming Of Age ohne klischierte Figurenzeichnung und schematischem Drehbuch. Alle Charaktere haben Tiefe und sympathische Seiten, die Entscheidungen wirken echt.
Gefühle, Liebe und die unsichere Zukunft - mit gutem Spiel und schönen Bildern wird das Leben auf nachvollziehbare Art nachgezeichnet.
Tom à la ferme
Stream, Mubi / Regie: Xavier Dolan
Aus einem Theaterstück wird ein aufgeladener Psycho-Thriller – Xavier Dolan bleibt unberechenbar. Nicht nur spielt er die Hauptrolle in «Tom à la ferme» selbst, er lässt Homophobie, Lust und Unterdrückung im Film zu einem explosiven Cocktail aufkochen.
Packend mit einer sicheren Hand für Tempo und Bild inszeniert, ist der Film zwar nicht so gut wie etwa «Laurence Anyways», aber ein weiterer Beweis für Dolans Talent.
- deBohli
- Palmenkicker
- Beiträge: 10928
- Registriert: 15.10.2005, 10:32
- Wohnort: Zofingen, Schweiz
- Kontaktdaten:
Re: Filmtagebuch: deBohli
The Beta Test
BD / Regie: Jim Cummings, PJ McCabe
He’s rotten from the core: Wenn Jim Cummings etwas kann, dann ist es Männer mitten im Zusammenbruch zu spielen. Bei «Thunder Road» funktionierte dies für mich auf der emotionalen Ebene perfekt, bei «The Beta Test» überzeugt er gleichermassen.
Der Film ist inhaltlich überbordend und verfehlt mit der Kritik am ausbeuterischen System stellenweise das Ziel, die stark geschichtete Struktur ist aber reizvoll.
Enys Men
BD / Regie: Mark Jenkin
Folk-Horror, Siebzigerjahre-Hommage, Experimentalfilm und formales Meisterwerk: «Enys Men» ist nicht bloss der zweite Film von Mark Jenkin, sondern ein berauschendes Erlebnis, das die Zeit biegt und unser Verständnis von der Form Spielfilm in Frage stellt.
Die grobkörnigen Aufnahmen, der nachträglich aufgenommene Ton und die Schlaufen und Ebenen in der Geschichte – alles will erarbeitet werden und belohnt auf beeindruckende Weise.
El Agua
Kino / Regie: Elena López Riera
Wasser: Die Quelle des Lebens wird in «El Agua» zur Unheilbringerin, zur destruktiven Kraft von Körper und Geist. Elena López Riera lässt mit ihrem Spielfilm die Natur zum Sprachrohr der aktuellen Generation werden und platziert ihre Coming-Of-Age-Geschichte mitten im spanischen Nirgendwo.
Von Luna Pamiés in der Hauptrolle getragen, schön gefilmt (Detailaufnahmen, Landschaft, Interviews) und mit gutem Sound unterlegt, ist das Drama zugleich eine Betrachtung der Frauen in solchen Gebieten und der gesellschaftlichen Struktur. Berührend.
Das melancholische Mädchen
Stream, Mubi / Regie: Susanne Heinrich
Essay, Komik und überzeichnete Kritik in einem: «Das melancholische Mädchen» ist weniger ein Spielfilm, sondern eine Auseinandersetzung mit der Rolle der Frau in der heutigen Gesellschaft, die Liebe im Fokus der einzelnen Episoden.
Das Debütwerk von Susanne Heinrich überzeugt durch die präzise gestaltete Ausstattung, die bissigen Kommentare und den Mut, Konventionen der Filmschule aufzubrechen. Dazu ist Marie Rathscheck in der Hauptrolle perfekt besetzt und die animierten Momente sorgen für Abwechslung.
The Death of Stalin
DVD / Regie: Armando Iannucci
Der englische Humor prallt auf die Brutalität der Stalin-Ära, Armando Iannucci inszeniert das hinterhältige Seilziehen in der Sowjetregierung als unterhaltsames Lustspiel. Das gelingt wunderbar, danke der Sprache, den Absurditäten der Geschichte und dem perfekten Timing.
Das Ensemble von «The Death of Stalin» spielt sehr gelungen, die Sinnlosigkeit der Handlungen werden hervorgehoben, die damalig im Land herrschenden Ängste unterstrichen.
- deBohli
- Palmenkicker
- Beiträge: 10928
- Registriert: 15.10.2005, 10:32
- Wohnort: Zofingen, Schweiz
- Kontaktdaten:
Re: Filmtagebuch: deBohli
Ugetsu monogatari
Stream, Filmingo / Regie: Kenji Mizoguchi
Kenji Mizoguchi hat mit «Ugetsu monogatari» in den Fünfzigerjahren einen Film geschaffen, der Liebesdrama, Samurai-Erzählung und Geistermärchen auf geniale Weise kombiniert. Die Stimmung ist dicht wie der Nebel, die Musik fesselt und lässt genügend Leerräume.
Die Frage nach der Menschlichkeit wird in der Erzählung mit Träumen, Visionen, Fehlentscheidungen und Gier erörtert, jede neue Szene bringt weitere Komplexität und Faszination. Ein betörendes Erlebnis.
Figlia mia
DVD / Regie: Laura Bispuri
Mutterschaft und familiäre Bindungen sind die thematischen Grundlagen für «Figlia mia» von Laura Bispuri. Die Regisseurin behandelt all dies allerdings fernab der klischierten Sichtweisen, die uns Hollywood immer aufzwängt.
Das Dreieck zwischen zwei Frauen und einer Tochter wird emotional tiefgründig dargestellt, der Film verzaubert mit wunderbaren Bildern und einem angenehmen Rhythmus. Zugleich wird die binäre Vorstellung von Zuneigung und Zugehörigkeit auf berührende Weise aufgesprengt.
Nana
Stream, Mubi / Regie: Valérie Massadian
Aus Kindersicht betrachtet, ist vieles an unserer Welt magisch und verzaubernd. Sogar ein familiäres Trauma kann mit Spiel und Vorstellungskraft überwunden werden. «Nana» erzählt von einem solchen Schicksal, feinfühlig von Valérie Massadian inszeniert.
Die Kamera bleibt auf Augenhöhe, die Einstellungen sind beobachtend, die Perspektive des Mädchens wird fassbar. Ein kleiner Film, der unseren Blick neu ausrichtet und eine Stimme zulässt, die oft übergangen wird.
- deBohli
- Palmenkicker
- Beiträge: 10928
- Registriert: 15.10.2005, 10:32
- Wohnort: Zofingen, Schweiz
- Kontaktdaten:
Re: Filmtagebuch: deBohli
Animalia
Kino / Regie: Sofia Alaoui
(NIFFF 23-01) Wie weit bringt dich Glauben? Wie wichtig ist Religion? Sofia Alaoui streift mit ihrem Film «Animalia» wichtige Fragen, ohne zu stark eine Position zu beziehen. Die fantastischen Elemente der Geschichte fügen sich gut im Drama ein, die Kameraarbeit ist sehr gelungen und das Spiel von Oumaïma Barid überträgt die Emotionen perfekt.
Ein stimmungsvolles, leicht psychedelisches Erlebnis, das nachhallt.
Perpetrator
Kino / Regie: Jennifer Reeder
(NIFFF 23-02) Was für ein wildes Ding! Jennifer Reeder zieht ihren eigenen Stil durch und serviert mit «Perpetrator» ein Cocktail aus TV-Serien-Feeling («Riverdale»!), blutigen Szenen, feministischer Anarchie und einem spassig-energetischen Angriff auf das Patriarchat.
Da blieb ich ungläubig zurück und fühlte mich an «Sedmikrásky – Daisies» von Věra Chytilová erinnert. Cool auch, Alicia Silverstone wieder einmal auf der Leinwand zu sehen.
Vincent doit mourir
Kino / Regie: Stéphan Castang
(NIFFF 23-03) «Vincent doit mourir», scheint die ganze Welt zu denken. Oder ist es ein Virus? Der brutale und humorvolle Film von Stéphan Castang startet mit vielen Ideen und einer grossen Energie, das Zusehen macht Spass.
Leider entwickelt sich die Geschichte in der zweiten Hälfte etwas zu gewohnt, die Mischung aus Gesellschaftssatire, Liebesgeschichte und Zombie-Variation gefällt trotzdem.
Consecration
Kino / Regie: Christopher Smith
(NIFFF 23-04) Da hat Christopher Smith Jena Malone als Hauptdarstellerin in seinem neuen Film gecastet und lässt die Bilder mit schrecklicher Weichzeichnung unschön aussehen. Warum bloss?
Die Optik ist nicht die einzige falsche Entscheidung bei «Consecration», ist die Geschichte leer und unlogisch, die Kritik an der Kirche platt und oft vernommen. Da wäre mehr drin gewesen, sein Film «Triangle» gefiel mir damals besser.
Tiger Stripes
Kino / Regie: Amanda Nell Eu
(NIFFF 23-05) Als Frau hat man es in Malaysia nicht einfach, besonders in den Teenager-Jahren. Im Film «Tiger Stripes» von Amanda Nell Eu werden die körperlichen und hormonellen Veränderungen ins Extrem überzeichnet, Sagen und Folklore darin verwoben.
Fantasy und Geistergeschichte als Coming-Of-Age Drama, mit netten Momenten und guten Aufnahmen: Doch die Mischung wollte nicht immer aufgehen und der Film wagte es selten tief zu gehen. Mehr Mystik wäre mir lieber gewesen.
The Cuckoo’s Curse
Kino / Regie: Mar Targarona
(NIFFF 23-06) Ein Häusertausch mit fremden Menschen als Ferienidee? Nein danke! Mar Targarona zeigt im Film «The Cuckoo’s Curse», dass dies eine schlechte Entscheidung ist und bloss zu viel Gewalt und Horror führt.
Dass sich die Geschichte an zu vielen Klischees bedient und sehr vorhersehbar ist, konnte den Spass nicht trüben. Trotzdem werde ich den Film wohl schnell vergessen haben.
Phoenix
DVD / Regie: Christian Petzold
Nach der unsäglichen Zerstörung des Zweiten Weltkriegs will alles wieder auferstehen: Deutschland, die Juden, die Unterhaltungsindustrie und KZ-Überlebende Nelly Lenz (wunderbar emotional von Nina Hoss gespielt). Doch die Gegenwart ist gnadenlos.
«Phoenix» wurde von Christian Petzold auf geschickte und vielseitige Weise inszeniert. Was zuerst eine kollektive Betrachtung des Schmerzes ermöglicht, wird zu einem persönlichen Spiel um Liebe und Vergebung. Alles arbeitet auf die letzte Szene hin, die ihre Wirkung stechend entfaltet.
Carmilla
DVD / Regie: Emily Harris
Was bereits viele Male verfilmt wurde, darf unter der Regie von Emily Harris zu einem Drama mit ganz leichten Spuren von Gothic-Horror werden. Viel von dem Vampir-Mythos ist in «Carmilla» allerdings nicht zu finden und die Geschichte wird zur halbgaren Metapher für Queer-Hass.
Die zwei Hauptdarstellerinnen überzeugen, gleichwohl die ruhige Stimmung und die Belichtung – wenn auch vor allem in der ersten Hälfte, in der die Sehnsüchte von Lara wunderbar zu spüren sind.
Everything Will Change
DVD / Regie: Marten Persiel
Die Intention von Marten Persiel ist eine sehr gute, will er mit seinem Film «Everything Will Change» uns dazu anregen, etwas gegen die drohende Klimakatastrophe zu machen. Doch leider wirkt die Mischung aus Spielfilm und Dokumentation nie überzeugend genug.
Das Gewicht liegt auf den emotionalen Aspekten, die Handlungsebene der Zukunft wird optisch ansprechend dargestellt. Bekannte Fakten und esoterisch wirkende Phrasen gestalten das Erlebnis aber halbgar, trotz den Wahrheiten und depressiven Gewissheiten.
- deBohli
- Palmenkicker
- Beiträge: 10928
- Registriert: 15.10.2005, 10:32
- Wohnort: Zofingen, Schweiz
- Kontaktdaten:
Re: Filmtagebuch: deBohli
Mahatah - Side Stories from Main Stations
Stream, Filmingo / Regie: Sandra Gysi, Ahmed Abdel Mohsen
Ein Film über Bahnhöfe und einer davon ist Zürich HB? Was sich auf Papier wie eine Traumproduktion für mich SBB-Fan anhört, entpuppte sich als schleppende Beobachtung des alltäglichen Lebens diverser Angestellten in Kairo und Zürich.
«Mahatah - Side Stories from Main Stations» hat zwar Musik von Julian Sartorius und am Ende eine nette Montage der Gegenüberstellung, meist allerdings hat man das Gefühl, dass so viel mehr möglich gewesen wäre. Beim Schnitt, bei der Wahl der Portraits, bei den politischen Aspekten und bei den Aufnahmen hinter den Kulissen der Bahnhöfe.
Hope
Stream, Filmingo / Regie: Boris Lojkine
«Die Reise der Hoffnung» liegt lange zurück, die gesellschaftlichen Probleme und Fragen zu Migration und Flucht wurden in den Jahren nicht kleiner. Was trotz menschenverachtender Politik in Europa nie aufgegeben wurde, ist die Hoffnung. Boris Lojkine benannte in seinem Drama die weibliche Hauptfigur danach, und lässt uns alle an ihrem schrecklichen Weg von Nigeria nach Europa teilhaben.
«Hope» ist ein Spielfilm, der ungeschönt den täglichen Überlebenskampf auf der Fluchtroute auf die Leinwand bringt, ohne Klischees oder Weichzeichnung. Brutalität, sexuelle Gewalt und die gnadenlose Haltung der Staaten werden in realistisch wirkenden Szenen gezeigt, einzelne Momente der Zuneigung bringen die Menschlichkeit zurück. Ein eindringlicher, wichtiger Film.
Disco Boy
Kino / Regie: Giacomo Abbruzzese
Von der Titeleinblendung zu den letzten Tanzbewegungen im Club ist «Disco Boy» ein audiovisuell berauschendes Abenteuer. Die Musik von Vitalic, die Kameraarbeit von Hélène Louvart und die wenigen Dialoge machen den ersten Film von Giacomo Abbruzzese sehr stimmungsvoll.
Da die Geschichte etwas ziellos wirkt, bleibt aber nicht viel mehr. Zu oft erinnert das Drama mit dem grossartigen Franz Rogowski in der Hauptrolle an «Beau Travail» von Claire Denis, bleibt aber mystischer und weniger eindringlich.
Moments
BD / Regie: Peter Crane
Mit dem dritten und letzten Film aus der ungestümen Produktionsfirma The Pemini Organization versuchten Peter Crane und seine Freunde das steife Genre des Kitchen Drama mit neuer Energie zu versehen. «Moments» ist in dieser Hinsicht ein Erfolg mit depressivem Ende.
Die Zeitsprünge, das lange Gespräch, welches sich über viele Szenen und Handlungsorte erstreckt, die Fragen zu Leben und Tod – alles verbindet sich zu einer interessanten Erzählung, die zusätzlich mit toller Kameraarbeit überzeugt.
2 ou 3 choses que je sais d'elle
Stream, Mubi / Regie: Jean-Luc Godard
Kapitalismuskritik im Experimentalfilm, philosophisches Essay im genresprengenden Drama: «2 ou 3 choses que je sais d'elle» ist ein Schwellenwerk im Schaffen von Jean-Luc Godard und eine Analyse der Veränderungen, die Paris (und damit Frankreich) Ende der Sechzigerjahre durchmachte.
Mit Texttafeln, einer angedeuteten Geschichte aus der Arbeiterklasse und ins Bild drängenden Baumaschinen wird an den Gewissheiten gerüttelt. Das Resultat ist zu gleichen Teilen interessant wie anstrengend.
- deBohli
- Palmenkicker
- Beiträge: 10928
- Registriert: 15.10.2005, 10:32
- Wohnort: Zofingen, Schweiz
- Kontaktdaten:
Re: Filmtagebuch: deBohli
Adam
Stream, Filmingo / Regie: Maryam Touzani
Mit ihrem Spielfilm «Adam» zeigt uns Maryam Touzani eine neue Sicht auf Marokko, die der Frauen. Getragen von den zwei Hauptdarstellerinnen Lubna Azabal und Nisrin Erradi wird ein intimer Blick auf die Rollen der Frau und deren Platz in der Gesellschaft ermöglich.
Geschickt wechselt die Perspektiven in den Szenen, wunderbar warm sind die Bilder. Leckere Backwaren und ehrliche Emotionen finden zusammen während Mutterschaft und zwischenmenschliche Beziehungen realistisch dargestellt werden. Und das, ohne am Ende die üblichen Klischees bedienen zu müssen.
But I’m A Cheerleader
BD / Regie: Jamie Babbit
Ein queerer Kultfilm, der weiterhin sehr gut unterhält. Besonders dank den Leistungen von Natasha Lyonne und Clea DuVall, der grossartigen Farbgestaltung und der bitterbösen Satire. «But I’m A Cheerleader» nimmt die homophobe Gesellschaft der USA auseinander und entlarvt die vorherrschende Doppelmoral.
Gewisse Szene und Entwicklungen im Film von Jamie Babbit fühlen sich zwar unrund und nach SitCom an, besonders die spritzigen Dialoge wissen dies aber auszugleichen.
Mission: Impossible – Dead Reckoning Part One
Kino / Regie: Christopher McQuarrie
Willkommen zur grossen Ethan MacGuffin Hunt! Ein rasantes Abenteuer, beherrscht von Tom Cruise als Meister der Stunts, überflügelt von realen Schauplätzen und dem tollen Ensemble. «M:I – DR P1» hat hingegen im Titel mehr Gewicht, als in der Geschichte.
Was Christopher McQuarrie abliefert, ist ein bis ins letzte Detail durchgeplanter, riesiger Action-Spass, der inhaltlich absoluter Blödsinn verzapft. Doch egal, mein Gehirn schaltete auf Durchzug und ich liess mich von der Teamchemie, den Setpieces und der Selbstironie überzeugen. «Fallout» fühlt sich nachträglich zwar wie der verpasste, perfekte Abschluss an, ich freu mich gleichwohl auf die kommende Fortsetzung.
Sehr schön auch der Cast mit Namen wie Shea Whigham, Hayley Atwell, Vanessa Kirby und Pom Klementieff, die mitunter vom Drehbuch ziemlich im Regen stehen gelassen werden.
(Übrigens ist es ein grosser Spass bei Letterboxd dazu eine Review zu posten. Es wurde ein nettes Gimmick eingebaut.)
- deBohli
- Palmenkicker
- Beiträge: 10928
- Registriert: 15.10.2005, 10:32
- Wohnort: Zofingen, Schweiz
- Kontaktdaten:
Re: Filmtagebuch: deBohli
La resa dei conti
BD / Regie: Sergio Sollima
Sie hassen und sie lieben sich: Lee Van Cleef und Tomas Milian umkreisen einander als Erzfeinde in «La resa dei conti», ohne in die üblich brutale Masche der italienischen Western zu verfallen. Die Jagd durch Mexico enthält Witz, körperliche Anziehung und die Frage nach Gerechtigkeit.
Der Film von Sergio Sollima bietet viele tolle Szenen, unerwartete Momente und eine interessante Neuausrichtung der damaligen Präsentation von Held und Verbrecher.
Masculin Féminin
Stream, Mubi / Regie: Jean-Luc Godard
Peng; Jean-Luc Godard schiesst scharf. «Masculin Féminin» betrachtet die Jugend in Frankreich in den Sechzigerjahren und bohrt bei Sex, Liebe und politischem Aktivismus tief. Rasant in kleinen Episoden erzählt, mit Regisseur-typischen Texteinblendungen und abrupten Schnittwechsel.
Jean-Pierre Léaud und Chantal Goya sind famos, viele Momente sehr komisch und der Film ein im Gleichgewicht zwischen Experiment, Essay und Drama.
The Scary Of Sixty-First
BD / Regie: Dasha Nekrasova
Dass ich unvorbereitet in die Welt von Dasha Nekrasova eintrat, rächte sich. Ihr Horrorfilm «The Scary Of Sixty-First» wirkte ohne Hintergrundinfos wirr, überbordend und stellenweise lächerlich abstossend. Doch die Giallo-Hommage und Abrechnung mit rechten Gedankenströmungen in Verschwörungstheorien ist zugleich faszinierend und unterhaltsam.
Queerer Sex, die Verflechtung realer Gewalttaten mit dämonischer Besessenheit und eine Ästhetik wie in den Siebzigerjahren – alles vermengt sich zu einem leicht giftigen Cocktail, der berauscht und viele Fragen unbeantwortet lässt.
The Dungeonmaster
BD / Regie: Steven Ford, Charles Band, Ted Nicolaou, John Carl Buechler, Peter Manoogian, Rosemarie Turko, David Allen
Ein Abenteuerfilm aus den Achtzigerjahren, der noch mehr Achtzigerjahre nicht ertragen hätte. Spandexkleidung, Aerobic-Sequenz, Heavy-Metal-Konzert, optische Zaubereffekte, Comupternerd und eine Fantasywelt – «The Dungeonmaster» hat alles.
Was leider fehlt, nebst einem angemessenen Budget und Schauspieler:innen mit guten Fähigkeiten, ist eine packende Geschichte. Die Duelle sind langweilig, der Inhalt mehr als doof. Unterhaltsam ist das Ganze trotzdem.
- deBohli
- Palmenkicker
- Beiträge: 10928
- Registriert: 15.10.2005, 10:32
- Wohnort: Zofingen, Schweiz
- Kontaktdaten:
Re: Filmtagebuch: deBohli
Was ging so im Urlaub?
Level Five
Stream, Mubi / Regie: Chris Marker
Während Chris Marker mit «Level 5» die digitalen Welten zu erkunden begann, ist der Film zugleich eine Brücke zwischen der realen Vergangenheit und fiktiven Charakteren im Heute. Die Schrecken des Zweiten Weltkrieges beeinflussen ein persönliches Schicksal, dokumentarische Aufnahmen landen im Cyberspace.
Ein experimentelles Vergnügen, das fasziniert und nebst den realen Gewalttaten viel Wärme und beruhigende Momente bietet.
Last Sentinel
Kino / Regie: Tanel Toom
Während die ersten Sekunden bei mir Erinnerungen an «Tides» (Tim Fehlbaum, 2021) wachwerden liessen, konnte mich «Last Sentinel» bis zum Schluss nicht gewinnen. Der Endzeitfilm von Tanel Toom wirkt unausgegoren und hantiert bloss mit den üblichen Zutaten solcher Produktionen.
Kate Bosworth reisst wenig raus, Wasser und die graue Farbgebung bestimmen die Laufzeit. Immerhin darf Peter fröhlich auf dem Deck wackeln – was das «überraschende» Ende und die fehlende Logik nicht ausbügelt.
Gesehen an der Sneak Peek des Zeise Open Air Kinos in Hamburg.
Barbie
Kino / Regie: Greta Gerwig
When life gives you patriarchy you paint that shit pink.
Before dismantling it and making the world a better place.
Viel Kritik könnte an «Barbie» geäussert werden, doch seien wir ehrlich: Für ein vom Spielzeughersteller initiiertes Marketingprodukt ist der Film von Greta Gerwig das bestmögliche Ergebnis. Ein bunter, emotionaler und frecher Schlag gegen das herrschende Machtgefüge, ein perfekt besetztes Abenteuer mit erstaunlich gefühlvollen Szenen.
Von netten Gags im Hintergrund bis zur grossen Story, vom zu kleinen Haus bis zur praktisch gedrehten Reise in allen Fahrzeugen ist das pinke Abenteuer vor allem ein Must-See für Männer und Menschen, die weiterhin glauben, Feminismus sei unnötig. Plus: Der Soundtrack besteht nur aus Knallersongs!
Oppenheimer
Kino / Regie: Christopher Nolan
Optisch ist «Oppenheimer» eine Wucht. Verstärkt durch das Erlebnis der 70mm-Projektion, sind alle Aufnahmen betörend – unterstützt von der genialen Ausstattung, den praktischen Effekten und dem sehr gut spielenden Cast mit Namen wie Cillian Murphy, Emily Blunt, Robert Downey Jr. und Florence Pugh.
Doch wie bei Christopher Nolan üblich, verfehlt er es auch mit dieser Nacherzählung wahrer Ereignisse echte Emotionen zu finden und präsentiert die Geschichte um den Bau und Abwurf der ersten Atombombe als überkompliziert geschnittenes, verworrenes Geflecht von Situationen.
Die eigentliche Aussage des Filmes ist zu plump, die Frauenrollen miserabel geschrieben und die Effekthascherei überwiegt. Dafür ist der Soundtrack von Ludwig Göransson so richtig gut.
Windfall
Stream, Netflix / Regie: Charlie McDowell
Da ist man im Urlaub und schaut sich doch gerne an, wie Jason Segel, Lily Collins und Jesse Plemons gemeinsam einige nette Wochen auf einer Orangenfarm verbracht haben. Dass diese drei Schauspieler:innen unter der Leitung von Charlie McDowell eigentlich einen Film gedreht haben, wird fast unwichtig.
Denn «Windfall» ist unspektakulär, führt ins Nichts und ein typischer Vertreter der Pandemie-Produktionen mit Netflix-Aroma. Geschichte und Szenen plätschern dahin, nach dem Abspann vergisst man alles sofort wieder.
Level Five
Stream, Mubi / Regie: Chris Marker
Während Chris Marker mit «Level 5» die digitalen Welten zu erkunden begann, ist der Film zugleich eine Brücke zwischen der realen Vergangenheit und fiktiven Charakteren im Heute. Die Schrecken des Zweiten Weltkrieges beeinflussen ein persönliches Schicksal, dokumentarische Aufnahmen landen im Cyberspace.
Ein experimentelles Vergnügen, das fasziniert und nebst den realen Gewalttaten viel Wärme und beruhigende Momente bietet.
Last Sentinel
Kino / Regie: Tanel Toom
Während die ersten Sekunden bei mir Erinnerungen an «Tides» (Tim Fehlbaum, 2021) wachwerden liessen, konnte mich «Last Sentinel» bis zum Schluss nicht gewinnen. Der Endzeitfilm von Tanel Toom wirkt unausgegoren und hantiert bloss mit den üblichen Zutaten solcher Produktionen.
Kate Bosworth reisst wenig raus, Wasser und die graue Farbgebung bestimmen die Laufzeit. Immerhin darf Peter fröhlich auf dem Deck wackeln – was das «überraschende» Ende und die fehlende Logik nicht ausbügelt.
Gesehen an der Sneak Peek des Zeise Open Air Kinos in Hamburg.
Barbie
Kino / Regie: Greta Gerwig
When life gives you patriarchy you paint that shit pink.
Before dismantling it and making the world a better place.
Viel Kritik könnte an «Barbie» geäussert werden, doch seien wir ehrlich: Für ein vom Spielzeughersteller initiiertes Marketingprodukt ist der Film von Greta Gerwig das bestmögliche Ergebnis. Ein bunter, emotionaler und frecher Schlag gegen das herrschende Machtgefüge, ein perfekt besetztes Abenteuer mit erstaunlich gefühlvollen Szenen.
Von netten Gags im Hintergrund bis zur grossen Story, vom zu kleinen Haus bis zur praktisch gedrehten Reise in allen Fahrzeugen ist das pinke Abenteuer vor allem ein Must-See für Männer und Menschen, die weiterhin glauben, Feminismus sei unnötig. Plus: Der Soundtrack besteht nur aus Knallersongs!
Oppenheimer
Kino / Regie: Christopher Nolan
Optisch ist «Oppenheimer» eine Wucht. Verstärkt durch das Erlebnis der 70mm-Projektion, sind alle Aufnahmen betörend – unterstützt von der genialen Ausstattung, den praktischen Effekten und dem sehr gut spielenden Cast mit Namen wie Cillian Murphy, Emily Blunt, Robert Downey Jr. und Florence Pugh.
Doch wie bei Christopher Nolan üblich, verfehlt er es auch mit dieser Nacherzählung wahrer Ereignisse echte Emotionen zu finden und präsentiert die Geschichte um den Bau und Abwurf der ersten Atombombe als überkompliziert geschnittenes, verworrenes Geflecht von Situationen.
Die eigentliche Aussage des Filmes ist zu plump, die Frauenrollen miserabel geschrieben und die Effekthascherei überwiegt. Dafür ist der Soundtrack von Ludwig Göransson so richtig gut.
Windfall
Stream, Netflix / Regie: Charlie McDowell
Da ist man im Urlaub und schaut sich doch gerne an, wie Jason Segel, Lily Collins und Jesse Plemons gemeinsam einige nette Wochen auf einer Orangenfarm verbracht haben. Dass diese drei Schauspieler:innen unter der Leitung von Charlie McDowell eigentlich einen Film gedreht haben, wird fast unwichtig.
Denn «Windfall» ist unspektakulär, führt ins Nichts und ein typischer Vertreter der Pandemie-Produktionen mit Netflix-Aroma. Geschichte und Szenen plätschern dahin, nach dem Abspann vergisst man alles sofort wieder.
Re: Filmtagebuch: deBohli
- deBohli
- Palmenkicker
- Beiträge: 10928
- Registriert: 15.10.2005, 10:32
- Wohnort: Zofingen, Schweiz
- Kontaktdaten:
Re: Filmtagebuch: deBohli
Barbenheimer lohnt sich echt, auf der Leinwand zu erleben. Da würde ich nicht warten.
Die Meinung ist in den Fred reingestellt.
Die Meinung ist in den Fred reingestellt.
- deBohli
- Palmenkicker
- Beiträge: 10928
- Registriert: 15.10.2005, 10:32
- Wohnort: Zofingen, Schweiz
- Kontaktdaten:
Re: Filmtagebuch: deBohli
Rote Sonne
BD / Regie: Rudolf Thome
Gegenkultur oder doch die versuchte Vereinnahmung der amerikanischen Motive? «Rote Sonne» von Rudolf Thome ist ein merkwürdiger Film, der die gesellschaftlichen Strömungen Deutschlands Ende der Sechzigerjahre satirisch und furchtlos zeigt.
Mit Uschi Obermaier und Marquard Bohm wird man durch die roh gehaltenen Szenen geleitet, scheinbar politische Aussage verpuffen in Filmklischees. Ein interessantes Spiel mit Bedeutung und Projektion entsteht.
Szürkület (Twilight)
BD / Regie: György Fehér
Aus Dürrenmatts «Das Versprechen» wird eine trostlose Wanderung durch graue Nebelwälder und verregnete Dörfer. György Fehér nimmt uns mit langen, schnittlosen Einstellungen auf eine Reise ins Dunkle des Herzens; «Szürkület» klingt bedrohlich und sieht hoffnungslos aus.
Ein langsamer, fesselnder und aufwühlender Film. Zu selten gesehen und dank der neuen BD von Second Run endlich erreichbar gemacht.
La belle saison
Stream, Filmingo / Regie: Catherine Corsini
Die grösste Leistung von Catherine Corsini ist es, dass sie den schwerwiegenden Problemen in «La belle saison» eine sommerliche Leichtigkeit verleihen konnte. Ihr Drama um zwei junge Frauen, die sich zu Beginn der Siebzigerjahre verlieben und gegen die patriarchalen Zwänge kämpfen, streift viele Themen.
Der Fokus der Produktion liegt auf der Liebe, die Emotionen werden durch das gute Spiel von Izïa Higelin und Cécile de France wunderbar transportiert, die warmen Farben der Bilder passen in den August. Schade, wirkt der Schnitt stellenweise etwas hastig und weiss die Geschichte wenig Neues zu erzählen.
Limite
BD / Regie: Mário Peixoto
Mit seinem einzigen Film «Limite» drehte Mário Peixoto eine betörende Träumerei zwischen narrativem Stummfilm und Experiment. Lose wird eine Geschichte um drei Personen auf einem abgetriebenen Ruderboot erzählt, die Laufzeit aber von Natur- und Detailaufnahmen beherrscht.
Bedächtig und von schöner Musik begleitet, erlebt man Zeit und Dasein ausserhalb der gewohnten Chronologie. Das ist faszinierend, durch den unentschlossenen Mittelweg in der Form aber auch zäh.
Talk To Me
Kino / Regie: Michael Philippou, Danny Philippou
Ein Handschlag mit schlechtem Ausgang: «Talk To Me» ist düster, brutal und bleibt nicht nur dank dem depressiven Ende im Kopf. Die Regisseure Michael Philippou und Danny Philippou haben mit ihrem Debüt einen ansprechenden Schocker geschaffen, der auf billige Jumpscares verzichtet und das Maximum aus dem Budget herausholt.
Gut gespielt, gruselig und audiovisuell mitreissend (gewisse Kamerafahrten sind echt toll); da stört es nicht, dass die Geschichte wenig Neues zu erzählen weiss. So funktioniert Horror in der heutigen Zeit.
Smile
Stream, Sky / Regie: Parker Finn
Es hilft nicht, dass «Smile» seine Elemente aus besseren Filmen zusammengeklaut hat, so dass man stets lieber die Vorbilder schauen würde. Parker Finn gibt sich zwar Mühe bei der Inszenierung und die grinsenden Gesichter sind wunderbar gruselig, doch die Geschichte wird nach zähem Schema F abgespult.
Sosie Bacon in der Hauptrolle macht ihre Sache ganz gut, das Ende ist gelungen düster – dafür gibt es viele Stellen die ultrabillig wirken (Innenaufnahmen von Autofahrten). Die Umsetzung wird der reizvollen Grundidee nicht gerecht.
Re: Filmtagebuch: deBohli
Dito zu Smile!
Re: Filmtagebuch: deBohli
Der is sogar noch schlechter
In diesem Sinne:
freeman
In diesem Sinne:
freeman
- deBohli
- Palmenkicker
- Beiträge: 10928
- Registriert: 15.10.2005, 10:32
- Wohnort: Zofingen, Schweiz
- Kontaktdaten:
Re: Filmtagebuch: deBohli
Wie, ich bewerte einen Film höher als freeman? Was ist bloss mit mir passiert?
Re: Filmtagebuch: deBohli
Und dabei habt Ihr ihn auch noch beide unterbewertet. Also Glückwunsch (?)
Re: Filmtagebuch: deBohli
Vermutlich haben wir zusammen net mal so viel wie du. Aber das kennt man ja, bei Horror muss man immer zwei und mehr Punkte bei dir abziehen, um meine objektiven Wertungen zu erreichen Muhar har har
In diesem Sinne:
freeman
In diesem Sinne:
freeman
Re: Filmtagebuch: deBohli
So ist´s treffender
- deBohli
- Palmenkicker
- Beiträge: 10928
- Registriert: 15.10.2005, 10:32
- Wohnort: Zofingen, Schweiz
- Kontaktdaten:
Re: Filmtagebuch: deBohli
Je blonder die Haarfarbe des Leads, desto höher die Wertung?
Re: Filmtagebuch: deBohli
Jung und Emo sind die reizvollen Attribute.
Re: Filmtagebuch: deBohli
Da wir ja bei "Smile" sind: Seit jeher mag ich bekanntlich Caitlin Stasey sehr gern.
Weder blond noch emo noch unter 30. So!
Weder blond noch emo noch unter 30. So!
Wer ist online?
Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 14 Gäste