Filmtagebuch: Vince

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McClane
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Beitrag von McClane » 05.03.2018, 07:26

Vince hat geschrieben:"Die Erfindung der Wahrheit" wird mancherorts schon als Meisterstück des Politthrillers gehandelt; ihn im Ganzen allerdings derart mit Lorbeeren zu beschmeißen, wäre bei weitem zu viel der Ehre.
Danke, ging mir ähnlich. Würd den zwar mit guten 7/10 bewerten und der hat teilweise nen netten Sorkin-Vibe (ohne dass Sorkin etwas mir dem Film zu tun hätte), aber warum der teilweise wie die Neuerfindung des Rads gefeiert wurde, hat sich mir auch nicht erschlossen.
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Vince
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Beitrag von Vince » 03.04.2018, 09:45

The Eyes Of My Mother
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In einem Regiedebüt, das nicht einmal 80 Minuten andauert, überwindet Nicolas Pesce immense Perioden von Zeit. Anhand permanenter Verwendung von Transmissionen folgt eine Situation kausal auf die andere, irrelevante Zwischenereignisse sind kein Teil dieser Erzählung. Sie umfasst Schlüsselereignisse in einer Umgebung tröstlicher Stille; gesprochen wird kaum und die artifizielle Schwarzweiß-Architektur erzeugt eine tröstliche Neutralität (eine Indie- und Kunstfilm-Attitüde wird dem jungen Filmemacher somit unweigerlich unterstellt und vielleicht auch zum Vorwurf gemacht werden). Der Ort ist nicht völlig unbestimmt, weil er auf einen Landstrich in den USA eingeschränkt werden kann, er ist aber nur einer von vielen; ebenso ziert sich die Dimension der Zeit, ihren exakten Standpunkt zu präzisieren. Man nimmt sie überhaupt nur deswegen wahr, weil man sieht, wie die Hauptfigur vom unschuldigen Kind zum Monster heranwächst; einem solchen, das die Definition von Gut und Böse allerdings nicht kennt und somit nicht mit bösartiger Intention handelt, sondern einfach, weil bestimmte Kindheitserlebnisse sie auf ein solches Handeln konditioniert haben. Im ersten Akt erscheint es angesichts der verstörenden Ereignisse oftmals unlogisch, surreal bisweilen; im weiteren Verlauf gewinnen sie allerdings eine verstörende Schlüssigkeit.

Pesce öffnet damit thematische Fässer irgendwo zwischen Mnemonik und Epigenetik; inwiefern wird das Handeln durch vergangene Erlebnisse beeinflusst, welche Rolle spielt die Erinnerung als Transportmedium in diesem Zusammenhang, und mit Blick auf die in den Titel eingebrannte Metapher des Auges: Inwiefern können sich die Anlagen der Eltern auf das Erbgut der Kinder auswirken?

Die inhaltliche und auch ästhetische Marschrichtung führt schnell zu Vergleichen mit „Frankenstein“. Pesces Verdienst liegt darin, dessen Diskurse aus der Phantastik zu lösen und auf die menschliche Psychologie anzuwenden. Obgleich sein Film eher ein düsteres Drama ist als ein Horrorfilm, hat der Regisseur dessen Schwungkräfte durchaus verinnerlicht; so ergeben Bild und Ton nicht immer zwangsläufig eine stimmige Einheit, sondern behaupten mitunter Gegenteiliges. Die Kamera schöpft Suspense aus der Statik, sie verharrt nicht selten an einer Stelle, oftmals sogar aus weiter Distanz, um ein Gefühl der Machtlosigkeit zu erzeugen, wenn sich das Unvermeidliche zuträgt. Gerade weil man stets ahnt, was als nächstes geschieht, beobachtet man jeden Zug in einem gefesselten Zustand. „The Eyes Of My Mother“ kehrt die Passivität des Mediums Film heraus und instrumentalisiert sie geschickt zur Spannungserzeugung.

Seinen im Schlussakt konventionellen Ablauf kann man ihm daher auch kaum zum Vorwurf machen. Eher schon seine sperrige Art, die aus der Abstinenz von zwischenmenschlicher Wärme resultiert (hier verstört vor allem die abweisende Art des Vaters sowie die fehlgeschlagene Annäherung zwischen der Hauptfigur und einer japanischen Studentin); allerdings sorgt Pesce gerade mit ihr dafür, dass niemand seinen Film verlässt, ohne ihm in Gedanken noch nachzuhängen.
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El Perdido
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Mit "El Perdido" schuf Robert Aldrich einen Western mit zwei Gesichtern. Das eine führt einen charismatischen Kirk Douglas in der Hauptrolle, einen schelmisch grinsenden Draufgänger, den nicht einmal das unvorteilhafteste Kostüm entstellen kann. Mit ihm am Steuer kann das Road Movie durch die Weiten Amerikas jederzeit eine neue Wendung nehmen; für einen Drehbuchautoren wie Dalton Trumbo bieten sich dadurch grenzenlose Möglichkeiten. Speziell im Schlussakkord werden brisante Themen angeschnitten, die man in einem US-Western jener Zeit keineswegs erwarten würde. Hier wird der episch angelegten Linie eines vermeintlichen Edelwesterns sogar der Wagemut räudiger B-Western eingeflößt. Auch Aldrich trägt seinen Teil zu den Stärken des Films bei, er erfasst auf der Reise einige wunderschöne Landschaften, die in ihrer eigenen Getragenheit erst richtig aufblühen, kümmert sich aber auch intensiv um die Charakterzeichnung, indem er ein komplexes Geflecht einer über Generationen verteilten Liebesgeschichte mit dem Alltag und Überleben auf dem Land verknüpft. Für Abwechslung in dieser recht dialoglastigen Angelegenheit sorgt zudem eine rasant geschnittene Actionsequenz inmitten eines Sandsturms.

Dann ist da aber eben auch Rock Hudson, der sicherlich gerade als Kontrast zum abenteuerlustigen Douglas engagiert wurde, jedoch eher auftritt wie dessen blasser Schatten. Immerhin reicht es zu einem passiv angelegten Paragraphenreiter, der nicht nur den Umgang mit seinem Gefangenen, sondern auch die Liebe zu einer Sache des Besitz- und Verwaltungsanspruchs macht. Regelrecht als Erholung mag man sein stocknüchternes Schauspiel allerdings empfinden, wenn man gerade mal wieder Zeuge einer Szene voller Liebesgeturtel von Douglas Richtung Dorothy Malone wurde. Der sonst so unabhängig auftretende Antiheld wird in diesen Momenten regelrecht domestiziert. Herzschmerzpoesie zwingt man seinen Lippen seitens Dialogregie auf, törichte Offenbarungen seines Innersten - hätte es damals bereits rosarote Brillen gegeben, eine wäre immer griffbereit im Halfter gewesen.

Besser wird der Kitsch weder durch drei mexikanische Gitarristen, die den Treck als wandelndes Radio begleiten, noch durch die künstlichen Studiobauten, mit denen die beeindruckenden Außenpanoramen unschön durchbrochen werden (auch wenn sie heute einen nostalgischen Charme versprühen mögen). Dabei ist es ja gar nicht so, dass die Substanz unter den pomadigen Versen der Liebe eindampfen würde. Das Dreieck Douglas - Hudson - Malone hat eben auch durchaus interessante Subtexte zu bieten und klagt mit leisen Gesten sogar den Machismus klassischer Revolverhelden an. Komplexer wird das Geflecht sogar durch den Einbezug der Nebendarsteller Carol Lynley und Joseph Cotten. Damit könnte man fast schon bei den ganz großen Genre-Klassikern anknüpfen - würden sich diese starken Momente eben nicht die Spielzeit mit den aufgedunsenen Ausflügen in die Ultraromantik teilen, was "El Perdido" im Rückblick zu einem äußerst ambivalenten Erlebnis werden lässt.
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Prakti.com
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Prakti.sch, dass Shawn Levy über zwei sympathische Schluffis wie Owen Wilson und Vince Vaughn verfügen kann, denn anderweitig wäre der Unsympathen-Faktor seiner Google-Commercial in Spielfilmlänge wohl so unerträglich, dass sich Bing und Yahoo demnächst über massive Zuläufe freuen dürften.

Um solche Bewegungen freizusetzen, fehlt einer Baukasten-Klamotte wie „Prakti.com“ aber selbstverständlich die Relevanz. Mit zwei arbeitslosen Trotteln, unzufriedenen Ehefrauen, tyrannischen Tutoren und freakigen Unternehmensgründern lassen sich die Schwächen oberflächlicher US-Comedy eher entlarven als Business-Mechanismen, ein simples Gemüt eher demonstrieren als Querdenkerei. Wilson und Vaughn bei der Logfile-Analyse über die Bedeutung des Wortes „Bug“ zu „Die Fliege“ und David Goldblum zu führen ist nicht halb so witzig wie geplant; einen glatzköpfigen Rollstuhlfahrer als Professor Charles Xavier zu entlarven ebensowenig. Bunte Google-Mützen mit Windrädchen sehen auf den Altherrenköpfen sicherlich noch bekloppter auf als auf jungen Erfindergeistern, haben deswegen aber noch längst nichts mit Humor zu tun. Und wenn Praktikant Wilson einer Karrierefrau aus dem Konzern schöne Augen macht und diese sich ziert, ödet die Vorhersehbarkeit des Ausgangs an wie eine alte Leier, die man jeden Tag zu hören bekommt; gleiches gilt für das Zusammenraufen der Außenseitergruppe und den Sieg des Unangepassten gegenüber Stromlinienförmigkeit und Effizienz. Dass die Marke Google im Film eben für jene Vielseitigkeit steht, lässt es als modernes, hippes Unternehmen dastehen, das sich ganz Amerika als Arbeitgeber wünscht. „Prakti.com“ wird somit zur Stellenausschreibung, das sich die Mechanismen der seichten Komödie zu eigen macht, um potenzielle Mitarbeiter zu rekrutieren. Ob das noch Film ist oder schon Werbung, ist schwer zu sagen. Sagen kann man aber: Besonders amüsant ist das nicht.
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Sherlock Holmes: Juwelenraub
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Tatort Zugabteil. Ob man nun mit dem maritimen Setting des direkten Vorgängers so zufrieden war, dass man wieder unbedingt auf abgegrenztem Raum drehen musste, oder ob man mit der Zugfahrt einfach Murder-Mystery-Konventionen einhalten wollte, lässt sich schwer sagen; zumindest hat sich die „Gefährliche Mission“ auf hoher See nicht gerade als hochwertige Schablone für den „Juwelenraub“ auf Eisenbahnschienen empfohlen. Dennoch verschlägt es das routinierte Duo Rathbone / Bruce erneut auf engen Raum, den es mit Mordopfern, einem wertvollen Objekt der Begierde und unzähligen Verdächtigen zu teilen gilt.

Für klassische Railway-Krimis der Marke „Eine Dame verschwindet“ im Grunde ebenso typisch wie für die Sherlock-Holmes-Reihe an sich, wird „Juwelenraub“ nur durch sein einstündiges Format, die starke Präsenz des ermittelnden Duos und deren bewährte Logik der Deduktion an einer freieren Entfaltung gehindert. Denn die Mittel sind grundsätzlich alle vorhanden: In jedem Abteil sitzt ein mysteriöser Verdächtiger und Außenansichten des fahrenden Zugs vermitteln ein Countdown-Gefühl, das Wendungen im Sekundentakt verspricht. Gegenüber der trägen Seefahrt ist das zumindest schon mal ein Vorteil in Sachen Beschleunigung, auch wenn Nigel Bruce seinen Watson wieder slapstickhaft durch Drehbuchellipsen lenkt, die ihn letztlich wieder zum Ausgangspunkt zurückkehren lassen, ohne mehr aus dem Exkurs mitzunehmen als einen billigen Lacher.

Der sorgfältigen Modellierung der unzähligen Nebenfiguren allerdings schadet das Gehetze, ebenso wie dem stolzen Genie des Meisterdetektivs. Holmes hat kaum Zeit, überhaupt seinen finalen Coup in aller Ausführlichkeit darzulegen, wie soll er dann im Mittelteil sichtbar für den Zuschauer irgendwelche Schlüsse ziehen?

Mit der fehlenden Darlegung der Schlussfolgerungen werden aber ohnehin nur selbstzweckhafte Wendungen kaschiert, die den Zuschauer günstig an der Nase herumführen. Hohes Tempo entschädigt eben nicht angemessen für schwungvolles Erzählen, das galt damals ebenso wie heute...
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Sherlock Holmes: Jagd auf Spieldosen
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Zum vierzehnten und letzten Mal also schlüpfen Basil Rathbone und Nigel Bruce in ihre angestammten Rollen des Detektivs Sherlock Holmes und seines Partners Dr. John Watson und es scheint so, als habe das Ende der Serie während der Dreharbeiten bereits festgestanden oder sich zumindest angekündigt. Roy William Neil, der alle Teile seit „Die Geheimwaffe“ (Teil 4, 1943) inszenierte, starb noch im gleichen Jahr; zugleich strebte Rathbone nach anderen Projekten, um zu verhindern, dass man seinen Namen nur noch als Synonym für jenen Holmes' sehen würde.

Und so beginnt Watson bereits, Vorbereitungen zu treffen, um seine Memoiren und die seines alten Freundes in abenteuerliche Geschichten zu fassen, als doch noch ein letzter Fall in ihr Büro getragen wird. Dieser bedeutet gegenüber den fragwürdigen letzten Fällen des ermittelnden Duos immerhin eine Steigerung, auch wenn zu diesem Zeitpunkt keine spektakulären Veränderungen mehr zu erwarten sind. Die im deutschen Titel referenzierten Spieldosen stellen einen klassischen McGuffin dar, der Holmes' ableitende Logik auf ideale Weise in Szene setzt. Anstatt sie wie zuletzt wie ein ausgeleiertes Gimmick in luftleeren Raum zu platzieren, wird sie geschickterweise auf die akustische Ebene angewandt: Holmes, der sich in mehreren Gelegenheiten als musikalisch äußerst geschickt entpuppt, kommt der Lösung des Falls diesmal durch die Analyse von Tonleitern näher, was nicht nur den Hauptdarsteller mit einem neuen Gebiet konfrontiert, sondern auch die Reihe ein wenig von dem Generalverdacht befreit, jedes Mal aufs Neue nur den gleichen Trott zu bieten.

Zur besonderen Qualität des Drehbuchs von Frank Gruber und Leonard Lee gehört es, dass die Fakten in der Ausgangssituation sehr simpel wirken, jedoch bald in einen Fall münden, der sich verschachtelter zeigt als gedacht – ohne dass das Publikum dabei den Faden verlöre. Watson bleibt zwar auch im letzten Auftritt nur ein Stichwortgeber, trägt aber diesmal wenigstens wieder indirekt zur Auflösung des Rätsels bei, was verglichen mit seiner jüngsten Fettnäpfchentreterei einen echten Fortschritt darstellt.

Damit erreicht man zwar längst nicht die Großtaten der Reihe, die vermehrt in der mittleren Phase zu finden sind, ein versöhnlicher Abschluss ist aber gegeben für eine Reihe, die das Bild der klassischen Arthur-Conan-Doyle-Figur vielleicht mehr geprägt hat als jede spätere ihrer Inkarnationen.
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Psycho Raman
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Auch wenn "Psycho Raman" nicht ganz das ist, was er sich zu sein erhofft, so erweist sich der indische Thriller doch als ein hochgradig spannendes Untersuchungsobjekt im Spannungsfeld zwischen dem amerikanischen und indischen Kino. Letzteres wird im Westen breitflächig nur als Katalysator zum Ausleben positiver Gefühle über das klassische „Bollywood“ wahrgenommen. Niemand, so heißt es, feiert das Leben so sehr wie die Inder mit ihren bunten Kleidern und dem schwungvollen Tanz zu orientalischer Folklore. Drängt nun also stattdessen das Portrait eines Psychopathen auf den internationalen Markt, steht die Annahme im Raum, die Artenvielfalt des indischen Kinos solle unter Beweis gestellt werden. 2.0, das bezieht sich inhaltlich auf den Umstand, dass "Psycho Raman" nicht die wahre Geschichte eines Serienkillers im Bombay der 60er Jahre erzählt, sondern die fiktionale Geschichte eines Nachahmers in der Gegenwart. Es steht aber auch für die angepeilte Neuwahrnehmung einer Branche, die ihre alten Markenzeichen nun mit modernen Zutaten anreichert, um sein Publikum zu vergrößern.

Anstatt schwereloser Paarungstänze gibt es ergo zum Einstieg Hard Trance in einer Disco auf die Nuss, und man fühlt sich sogleich an überstilisierte amerikanische Milieustreifen von "Scarface" bis "Collateral" erinnert. Die audiovisuellen Eindrücke nehmen unter Anurag Kashyaps Regie einen großen Raum ein; speziell der Soundtrack pendelt zwischen den Extremen und versucht sich an einer neuen (digitalen) Interpretation des Begriffs "Weltmusik"; auch optisch werden die überladenen Handels- und Wohnstraßen der Großstadt nicht in dem erdig-lehmigen Ton präsentiert, den man aus Dokumentationen über das Land kennt, sondern mit den harten Farbkontrasten und dem Grit des Neo(n)-Noir. Die Kapitelstrukturierung mit comicartiger Typografie tut ihr Übriges, um dem internationalen Markt zu gefallen.

Doch auch die Charakterzeichnung gesellt sich zu dieser nach Offenheit strebenden Ausrichtung, erinnert bei der Annäherung der beiden Hauptfiguren, die auf entgegengesetzten Seiten stehen und sich doch so ähnlich sind, frappierend an "Heat". Ohne blutrünstig zu sein, wird mit Gewaltdarstellungen oder deren Andeutungen nicht gegeizt. Gerade Nawazuddin Siddiqui spielt sich als empathieloser Killer in einen regelrechten Rausch der Emotionslosigkeit, ähnelt tatsächlich zunehmend eher einem Monster als einem Menschen. Doch auch auf der anderen Seite mit Vicky Kaushal häufen sich tragische Entwicklungen, mit jenen des Monsters verknüpft durch das unsichtbare Band der Parallelmontage, die beide Entwicklungen in eine direkte Abhängigkeit zueinander setzt.

Zwischen den Zeilen erzählt "Psycho Raman", oft womöglich unterbewusst, von seinem Land und der Gesellschaft. Eine gegenüber westlichen Gesellschaften immer noch passivere Rolle der Frau ist nach wie vor erkennbar; thematisiert wird sie kaum oder jedenfalls unzureichend direkt. Gleiches ließe sich über die illustrierte Armut behaupten. Der auf Hochglanz polierten Oberfläche treiben diese unbehandelten Zustände Risse in den Lack. Sie lassen den Style-Over-Substance-Thriller vordergründig betrachtet unvollkommen erscheinen. In Wirklichkeit machen sie ihn erst gerade interessant.
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Raising Cain
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Kaum hat man die Szenerie von "Raising Cain" betreten, fühlt sich bereits alles irreal und beklemmend an. Es ist nur ein harmloser Laden, den man mit der Hauptdarstellerin und ihrem Ehemann betritt, aber die Stimme aus einem Fernseher dringt verschwommen wie in einem Traum ans Ohr, Weichzeichner lassen die Konturen einer Hochglanz-Marmortheke in einer Ansammlung schillernder Prismen verschwinden und die Gesichter zweier Darsteller in einem ohnehin bereits unangenehmen Dialog werden in penetranten Close-Ups studiert, so unerträglich lange, dass man selbst die Position von einem der beiden Gesprächspartner einzunehmen scheint, immer noch betäubt davon, wie falsch und inszeniert alles wirkt.

Auch "Raising Cain" ist also wieder ein typischer Psychothriller der Marke De Palma, der versucht, mit effekthascherischen Stilmitteln unter die Hirnrinde zu kriechen und dabei nicht im Traum daran denkt, jemals wieder daraus hervorzukommen. Nicht nur die omnipräsente Hitchcock-Affinität, die man ihm stets unterstellt, auch die Beharrlichkeit in seinem Vorgehen lässt ihn zum Besessenen werden, der Bild und Ton mit Drastik einsetzt, um Dinge zu unterstreichen und vor allem bestimmte Situationen permanent im Unterbewusstsein zu verankern.

So arrangiert er den Blick auf einen Kinderspielplatz wie ein Karussell, das sich mit schwindelerregender Geschwindigkeit um die eigene Achse dreht und nur noch schemenhafte Umrisse der Umwelt abbildet, in der sich zeitgleich Dinge ereignen, die für den Plot von zentraler Bedeutung sind. De Palma frönt ungehemmt seiner Vorliebe für Trugbilder, nutzt das im Grunde bereits durch Cronenberg & Co. abgetragene Motiv des Zwillings mit einem Enthusiasmus, den man anfangs vermutlich eher nicht teilt, der aber ansteckt wie eine gähnende Person. Schlüsselorte werden mehrfach besucht, immer aus einer anderen Blickwinkel; keiner von ihnen kann so etwas wie dokumentarische Objektivität für sich beanspruchen. Je stärker John Lithgow in einer seiner vielen Rollen involviert ist, desto verrückter werden die Perspektiven; von Schrägoben bis Extrem-Aufsicht ist alles dabei, beinahe schon könnte man sagen, Lithgow tänzelt mitten in die wunderbare Welt des Terry Gilliam, ohne dass De Palma ganz dessen Exzess in Sachen Ausstattung erreichen würde. Wo Lolita Davidovich involviert ist, wird es wiederum auf eine andere Art paranoid; Schemen im Hintergrund, verräterische, schnelle Bewegungen wie in einem klassischen Thriller der bodenständigen Art nahezu, würde Lithgow mit seinen tausend Gesichtern vom perfekten Familienvater über die coole Socke mit Sonnenbrille bis zum Mad Scientist und Transvestiten nicht immer wieder eine herrliche Farce machen aus dem eigentlich doch eher dem Horror als der Komödie zugehörigen Gefühl des Verfolgungswahns.

So ganz bei Trost ist aber ohnehin der gesamte Film nicht. De Palma intoniert derart grell, dass man die Virtuosität brillanter Einzelmomente wie mit dickem Neonmarker umkreist empfindet, der Unzulänglichkeiten verbergen soll und das finale Werk folglich wie eine große Scharade dastehen lässt, ein Schattenspiel vielleicht, das "Psycho" und "Wenn die Gondeln Trauer tragen" zu einer einzigen verkrüppelten Kreatur deformiert. "Raising Cain" ist dadurch aber nicht einfach nur der misslungene Versuch des Regisseurs einer an sich selbst vorgenommenen Therapiesitzung (beziehungsweise einer Selbstanalyse seiner cineastischen Obsessionen), sondern eben auch ein fabelhaftes Guilty Pleasure, das ungefragt seine Abdrücke in der Erinnerung lässt. Denn von De Palmas Psychothrillern bewahrt man am besten nur die kunst- wie lustvoll gesteigerten Klimaxe auf. Das Drumherum gilt als Verpackung und wird nicht mitgegessen.
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Witchtrap
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Eine nicht ganz zu Unrecht fast vergessene 80er-Videotheken-Version von "Insidious", ausgestattet mit den Hupen von Linnea Quigley, einem verhexten Anwesen, gleich zwei Medien (oder auch: Geisterjäger), den Hupen von Linnea Quigley, Panik, Blut und den Hupen von Linnea Quigley. Für mehr Erwähnenswertes reicht es nicht, richtet sich die vom Geist eines Hexers terrorisierte Gruppe doch so stromlinienförmig nach den Regeln des Genres wie der Steuerprüfer nach dem Formular. Dabei steigt der Prolog doch tollkühn gerade da ein, wo ein Haunted-House-Klassiker wie "Burnt Offerings" schon endete, verrät aber mit Dilettanten-Schnitt zur Verschleierung billiger Spezialeffekte bereits vorab, was man vom Hauptakt erwarten kann. Zwar werden ein paar platzende Köpfe und andere Spezialitäten für die Blutgeier aufgefahren, nichts aber, das man nicht als billige Kopie der Großmeister ansehen müsste. Und so lebt "Witchtrap" heute ausschließlich von seinem spröden VHS-Flair, das sich insbesondere in den langen Action-Pausen ausbreitet wie lästiger Gilb. Schade um die Hupen von Linnea Quigley.
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Dealer
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Nur 75 Minuten Laufzeit, aber gequatscht wird mehr als in jedem Drei-Stunden-Gangster-Epos gefüllt mit gestikulierenden Mafiosi. Noch während die Hauptfigur im Off-Kommentar ohne Punkt und Komma ihre obszöne Straßenphilosophie abfeuert, quatscht sie sich selbst live im Bild dazwischen, wird von ebenso geselligen Quarktaschen unterbrochen, kontert wieder und animiert den Off-Kommentar dazu, das Ganze folglich wieder zu kommentieren. Die Maximen des Kommunikationswissenschaftlers Grice werden regelrecht mit Füßen getreten, hoch lebe das Zeitalter ungefilterter Informationsflut. Es findet offenbar nicht nur im Internet statt, sondern auch in den dreckigen Seitenstraßen von Paris.

Abgeleitet ist all das natürlich von Referenzen wie "Lock, Stock & Two Smoking Barrels" oder "Pusher". Einen so einfachen Plot wie das Wiederbeschaffen eines fünfstelligen Geldbetrags dermaßen zu zerreden, mit epileptischen Schnitten zu segmentieren und pulsierendem Krach zu betäuben, wird gerne mal als Kunst für sich missverstanden, so auch hier.
Wenn allerdings sogar die eingeblendeten Handy-Displays aus dem vergangenen Jahrzehnt stammen, wird deutlich, wie irrelevant und abgedroschen die Instrumente sind, derer sich Jean-Luc Herbulot bedient. Gangsterbosse blumige Metaphern schwingen zu lassen, hat per se schon etwas Nachäffendes an sich, dann aber auch noch mit der Konsistenz eines französischen Gebäckstücks anzukommen, lässt sogar ganz konkret darauf schließen, dass man sich zur Vorbereitung für das Drehbuch die Cremeteilchen-Szene aus "Inglourious Basterds" angesehen hat.

Folgerichtig versucht "Dealer" dann auch mehr durch explizite Grausamkeiten zu punkten, setzt harte, schnelle Folter- und Geiselszenen ein, um Verzweiflung und Entschlossenheit innerhalb des Milieus darzustellen, verwendet Sex und Gewalt nicht zuletzt auch selbstzweckhaft, um zu beeindrucken. Hauptdarsteller XY kämpft sich wie ein Chev Chelios mit tickender Armbanduhr durch diesen Dschungel aus Waffen, Koks und Geld, dauerhaft betäubt vom inhaltslosen Gequassel seiner Interaktionspartner und von sich selbst. Welche Wege er nun genau im Rennen gegen die Zeit nimmt, lässt sich wegen der ruhelosen Wackelkamera schwer sagen; fest steht nur, der Weg wurde bereits oft gerannt. Und selten kam etwas Vernünftiges dabei heraus.
 :liquid4:

The Visitor
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Wenn uns der Prolog durch ein Dimensionstor auf eine andere Bewusstseinsebene führt, wissen wir normalerweise, wir haben es mit reinstem Eskapismus in Form von Fantasy oder Science Fiction zu tun. Das Bild teilt sich für die Eröffnung von "The Visitor" horizontal in grelles Orange und Azurblau; eine Kugel, augenscheinlich eine Sonne (nicht zwangsläufig unsere), taucht auf und zerteilt die Linie in der Mitte. Der Kamera den Rücken zugewandt steht die Silhouette eines Kuttenträgers im Bild, der beinahe ein Jedi sein könnte. Ein zweites Wesen nähert sich ihm, das Gesicht ebenfalls von einer Kutte verdeckt, bis diese vom Wind weggeweht wird und eine bröckelige Fratze mit funkelnden Augen entblößt. Ein heftiger Schneesturm zieht auf, die Gestalt verschwindet wieder.

Man würde nun Weltraumkitsch der Marke "Flash Gordon" erwarten oder auch Fantasy-Barbarentrash nach Luigi-Cozzi-Machart, doch Giulio Paradisi hat seine ganz eigenen, für Außenstehende wahrlich unlesbaren Pläne. Was folgt, ist nämlich eine krude Mischung aus "Der Exorzist II", "Omen II" und "Teufelskreis Alpha", die sich, man ahnt es anhand der Zusammenstellung der Referenzen, um das kindliche Erwachen dunkler Mächte dreht.

Man möchte "The Visitor" aufgrund seiner Anlage am ehesten ins Fahrwasser der Exorzismus-Welle verweisen, zumal die junge Hauptdarstellerin mit ihren glasig funkelnden Augen und ihrem unschuldigen Lächeln der diabolischen Ausstrahlung von Linda Blair in "Der Exorzist" und dessen Fortsetzung recht nahe kommt. Eher ungewöhnlich ist es für ein Rip-Off allerdings, beim Kopiervorgang derart unfokussiert zu Werke zu gehen. Immer wieder wird von der Vorlage abgelassen und anderen Inspirationen nachgejagt, so als sei ein Exorzist alleine eben nicht genug. Überambitioniert zeigt sich der Horrorthriller vor allem in Sachen Set- und Sounddesign: Mit Vorliebe arrangiert Paradisi aufwändige Katastrophensequenzen, die sich auch gerne am hellichten Tag in der Öffentlichkeit ereignen. So explodiert schon nach wenigen Filmminuten in einer prall gefüllten Basketballarena ein Korb und ein Ermittler wird von einem Raubvogel im Auto von der Straße gedrängt und in einer ferngesteuerten Kausalabfolge von Unglücken zum Tode durch Feuer verurteilt. Der harte Schnitt leiht sich so manches bei Hitchcock, anderes wiederum beim Giallo, während Komponist Franco Micalizzi das Treiben intoniert wie einen Weltuntergang, begleitet vom ohrenbetäubenden Zirpen der Vögel, die der Regisseur wiederum wie fliegende Symbole immer wieder in seine furios dirigierten Ereignisketten einbaut. Selbst die Ruhephasen sind nicht minder absurd, von Lance Henriksen als Teil einer dunklen Verschwörung bis Franco Nero als Jesus tragen sie entschieden zur Verwirrung bei.

Die Unfähigkeit, sich auf eine rote Linie einzulassen und auf eine Vision zu beschränken, lässt "The Visitor" letztlich auch nach B-Movie-Maßstäben scheitern. Sie sorgt für energisches Kopfschütteln bei jedem, der Spuren einer konsistenten Geschichte sucht. Gerade dadurch entsteht allerdings auch für ein einmaliger Zusammenschnitt von Szenen, die man in dieser Form normalerweise niemals in einem einzelnen Film sehen würde. Auch wenn die Stilmittel in Sachen Montage und Soundtrack manches Mal zu schrill ausfallen, so manch spektakuläre Sequenz kann man "The Visitor" nicht in Abrede stellen.
:liquid4: ,5

Teufelskreis Alpha (The Fury)
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Wer ohne mit der Wimper zu zucken Elemente eines paranoiden Agentenkrimis mit jenen eines übernatürlichen Psychothrillers in einer Parallelhandlung verknüpft, der beweist zweierlei: Dass ihm eine große Fallhöhe nicht viel auszumachen scheint. Und dass die Neugier nach merkwürdigen Genre-Cocktails höher ist als die Furcht vor dem Scheitern.

Und wie so viele von De Palmas interessantesten Werken ist eben auch „The Fury“ eines seiner gescheiterten. Als Kirk Douglas im Prolog seinen sehnigen, von unzähligen Abenteuern gezeichneten Körper aus dem Meer zieht, betritt er ein Set wie aus einem Bond-Film. Ein völlig ungewöhnliches Szenario für den Regisseur, der aber nicht lange damit fackelt, es sich zu eigen zu machen. Die kurz gezeichnete Vater-Sohn-Idylle wird schon bald mit bewährten Trümpfen des Unterhaltungskinos in Form von Feuerbällen und Schussgefechten zerstört. Dass diese zugleich auch als Ablenkungsmanöver bzw. Taschenspielertricks taugen, macht er sich für seine Zwecke zu eigen und stellt bereits innerhalb der actiongeladenen, jedoch nach Grundsätzen des New-Hollywood-Kinos noch bodenständigen Einführung klar, wo seine Interessen tatsächlich verteilt sind.

Den höchsten Preis für den offenen Umgang mit vermeintlich unvereinbaren Inhalten zahlt De Palma im Mittelteil, solange sich die Wege von Douglas und seiner Co-Darstellerin Amy Irving noch nicht gekreuzt haben. In diesem Zeitraum fühlt sich die Sichtung von „The Fury“ schizophren an, so, als sei ein imaginärer Sitznachbar Herr über die Fernbedienung und könne sich nicht entscheiden, ob er nun lieber auf einen paranoiden 70er-Thriller von Alan Pakula schalten soll oder ob ihn nicht doch eher der paranormale Coming-Of-Age-Streifen interessiert, der auf dem anderen Programm läuft. Die Grundlagen sind in beiden Fällen in De Palmas DNA verankert. Einen Grundstein hatte er erst zwei Jahre zuvor mit „Carrie“ gelegt, die andere Spur würde er in den 80ern vor allem mit „Scarface“ und „Untouchables“ noch weiter verfolgen.

Das Erzählerische gelangt jedenfalls über lange Zeit nicht zu einem gemeinsamen Nenner; also wird die leere Fläche mit filmischen Experimenten gefüllt. Obgleich sich die Form diesmal nicht mit allerletzter Konsequenz vor den Inhalt drängt, ist „The Fury“ doch reich an extravaganten Schnittfolgen, Perspektiven und Bildschichtungen, das Highlight vielleicht eine Rückprojektion, bei der die Hauptdarstellerin, während sie auf einer unsichtbaren Drehplattform synchron zum Schwenk der Kamera zum gescannten 3D-Modell objektifiziert wird, selbst zur Zuschauerin wird, während sich der Bildhintergrund in eine überdimensionale Leinwand verwandelt, auf der verborgene Geheimnisse gelüftet werden – all das ausgelöst durch eine zarte Handberührung, die eine regelrechte Explosion von Sinneseindrücken nach sich zieht und ein kleines Puzzleteil der Handlung mit krachendem Klick-Geräusch einfügt. Kino, wie es schriller, aber eben auch sinnlicher kaum sein könnte.

So wie die Handlungsebenen sich schließlich verbinden, wird dem Hauptdarsteller-Duo dann auch endlich etwas Zusammenspiel gewährt. Aus emotionaler Perspektive ein notwendiger Schritt, der spät, aber gerade noch rechtzeitig auf das furiose Finale vorbereitet, in dem Unschuld mit Terror besudelt wird, die Gesetze der Physik mit telekinetischen Phänomenen und ein in weiße Stoffe getauchtes Erholungszimmer mit einem letzten Knalleffekt aus der Effektekiste. Eine finale Metapher für die vielen kleinen Bomben, die De Palma stets aufs Neue zündet, ohne zu wissen, ob sie ihm schaden oder nutzen.
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Dampfnudelblues
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Anders als bei diversen Ottfried-Fischer-TV-Krimis wäre es durchaus denkbar, dass sich ein „Dampfnudelblues“ auch an ein ausländisches Publikum vermitteln ließe. Obwohl dem Genre nach ins Gebiet der klassischen Regionalkrimis zu verorten, werden die Eigenarten bavarischer Gemeindekultur in Ed Herzogs erster Verfilmung eines Romans aus Rita Falks Eberhofer-Serie weniger als Lebensgefühl gefeiert als vielmehr exponiert. Erscheint beispielsweise der karge Ortseingang der fiktiven München-Landshut-Zwischenhölle „Niederkaltenkirchen“ im Bild, so wird damit kein Heimatgefühl freigesetzt, sondern etwas Urdeutsches liebevoll demontiert. Leere Straßen und Plätze bestimmen das Landschaftsbild, in Form gehalten durch Recht und Ordnung, so dass jede Spur von Anarchie gellend ins Auge fällt. Ein „Stirb du Sau“-Graffiti wäre in dreckigen Berliner Bahnhofsvierteln oder im westdeutschen Kohlenpott nur eine Schmiererei von vielen, am Haus eines bayerischen Schulrektors ist es eine blinkende Reklametafel.

Dass der reflektierende Blick auf die Provinz von innen heraus kommt, wird jedoch anhand der Hauptfigur sichtbar. Sebastian Bezzel macht nicht nur einen großartigen Job dabei, den tumben Dorfpolizisten zu mimen, der ebenso wie Fleischer, Kommissar oder Hendl-Verkäuferin eindeutig Produkt seiner Umwelt ist. Gleichzeitig gelingt es ihm doch mit glasigem Blick zu erkennen, zu welch obskuren Auswüchsen die völkische Provinzkultur fähig ist, von der er umgeben ist – wissend, dass er ihr nicht entrinnen kann.

Als Resultat dieser Einstellung nimmt „Dampfnudelblues“ einen herrlich resignativen Charakter an, der die Relevanz jedweder Art des Handelns in Frage stellt und seine Hauptfigur wie im Tagtraum durch einen Kriminalfall stolpern lässt, der nicht nur einen Mord beinhaltet, sondern auch betrunkene Fußballer, italienische Liebhaber und Hanfanbau im elterlichen Vorgarten. Eine besondere Stellung nimmt, wie der Titel schon verrät, die deutsche Küche ein. Im Ausland (und städtisch geprägten Inland) wird ihr als schwere Hausmannskost zutiefst misstraut, also werden Franz Eberhofer und sein Sidekick Simon Schwarz mit allerhand bunten Speisen versorgt, die den Vorwurf der schweren Küche zwar nicht widerlegen können, ihn aber mit einer nicht für möglich gehaltenen Vielfalt schmücken, die mutmaßlich in den Fortsetzungen noch ausgebaut werden dürfte.

All das macht „Dampfnudelblues“ zu einer mächtig unterhaltsamen Kriminalkomödie, die sich auch wunderbar außerhalb von Bayern goutieren lässt. Ed Herzogs biedere Regie bildet in diesem Fall keinen Makel an sich, unterstützt er doch die bizarren Impressionen eines Ortes im Niemandsland, der mit einem sehr oft ins Bild gerückten Kreisverkehr bestens umschrieben ist. Nur in wenigen Fällen wird zu sehr über die Stränge geschlagen und der beschauliche Ton verfehlt – noch nicht oft genug, um sich störend auszuwirken. Bleibt zu hoffen, dass sich dieser Anteil in den Fortsetzungen nicht erhöht, nur um das Publikum bei Laune zu halten.
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Demonic Toys
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Wer sagt denn da noch, dass nur Kinder gerne spielen? Hat ein Erwachsener die Wahl zwischen einem Lagerhallen-dtv-Feature ohne mörderisches Spielzeug und einem Lagerhallen-dtv-Feature mit mörderischem Spielzeug, so steht die Chance recht gut, dass er sich für letztere Variante entscheidet. Der für den Videomarkt gedachten Full-Moon-Produktion „Demonic Toys“ verleiht die „Augsbluter Puppenkiste“ jedenfalls kräftig Farbe, denn ohne die abgefuckte Suicide Squad im Miniaturformat stünde die ganze Chose um einen missglückten Waffendeal ganz schön nackt da.

Dank eines Springteufel-Clowns, eines Laser-Roboters, einer Oopsy-Daisy-Puppe und eines Wer-Bärs stellt sich die Frage aber nicht. Die Referenzen lesen sich leicht: Nr. 1 vereint das Beste der Welten aus „ES“ (1990) und „Killer Klowns From Outer Space“ (1988), Nr. 2 wäre auch für einen Wachgang in Jim Wynorskis „Chopping Mall“ (1986) geeignet, Nr. 3 verzieht die Gesichtszüge so hässlich wie „Chucky“ (1988) und ein Verwandter von Nr. 4 hat schon in Stuart Gordons „Dolls“ (1987) gewütet. Dazu gibt’s den 11-jährigen Daniel Cerny als ultrafiesen Strippenzieher mit dem äußeren Erscheinungsbild eines Kindes, aber der Stimme und Mimik eines Erwachsenen. Er materialisiert sich aus dem Nichts und verformt die Welt nach eigenem Gutdünken wie Freddy aus „Nightmare on Elm Street“ (1984) und macht die 80er-Parade damit perfekt.

Das Spiel mit Größenverhältnissen konnte die Charles-Band-Company ein Jahr zuvor bereits mit der „Dollman“-Verfilmung austesten, hier kommen einige Effektverfahren deutlich sichtbar wieder zum Zuge, wenn beispielsweise eine der Figuren von dem Kinderdämon in ein Puppenhaus gezogen wird. Hinzu gesellen sich denkbar schrille On-Set-Effekte, die im Grunde den gesamten Spaß ausmachen. Was die besessenen Fabrikpuppen mit ihren Gästen anstellen, ist ähnlich schwarzhumorig, aber beinahe noch einen Tacken hinterhältiger als Chucky, Freddy und Konsorten; Kristine Rose sorgt dann in einem Sekunden-Auftritt als „Miss July“ noch für die zwei Kirschen auf der Sahne.

Man ist aufgrund dieser unterhaltsamen Zutaten zweifellos geneigt, von einem der besseren Full-Moon-Produkte zu sprechen. Der Rest vom Fest entspricht aber dann doch dem mäßig aufregenden Standard der Produktionsfirma. Graue Lagerhallen voller Kisten sind eben nicht besonders sexy und die verfügbare Bandbreite an Monsterpuppen aus der zweiten Garde wird spürbar mit Handantrieb und anderen billigen Tricks gestreckt. Das Konzept einer Gruppe verhältnismäßig harter Typen, die sich auf begrenztem Raum gegen einen übernatürlichen Gegner wehren müssen, würde man zwei Jahre später mit „Lurking Fear“ weiter ausleuchten, hier spielt die Konstellation eine eher geringe Rolle, solange der Zwergenstaat reichlich zu beißen hat.

Insgesamt wegen des „Who is Who“ aus dem Sandkasten vom Kinderspielplatz um die Ecke schwer unterhaltsam. Man darf eben nur nicht über die Trickeffekte hinaus denken, denn sonst wird’s recht öde.
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Versunkene Welt
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Hier werden keine Mühen gescheut, die zu diesem Zeitpunkt 35 Jahre alte Erstverfilmung in jeder Beziehung alt aussehen zu lassen: Knallige Farben, wohin das Auge sieht, exotische Pflanzen, spektakuläre Höhlenbauten, halbnackte Eingeborenen-Schönheiten und ein Expeditionsteam, so schrill und angriffslustig, dass zwangsläufig alle fünf Minuten Zoff auf dem Plan steht.

Alles Augenwischerei im Endeffekt, die nicht einmal besonders schwer zu durchschauen ist. Das Original von 1925 ist heute, fast 100 Jahre später ein immer noch ganz erstaunlicher Vertreter des Abenteuerfilms, nicht zuletzt wegen der fantastischen Trickeffekte von Willis O'Brien, die nach wie vor für offene Münder sorgen, nicht weniger als O'Briens anschließende Arbeit für „King Kong und die weiße Frau“. Gerade in diesem so wichtigen Punkt enttäuscht das Remake nicht nur mit Dino-Armut, sondern praktisch deren Abwesenheit. Die Verwendung der sogenannten „Slurpasaur“-Technik, bei welcher echte Tiere per Rückprojektion zu Filmmonstern umfunktioniert werden, verhindert das Wiedersehen mit den Urzeitkreaturen, die man sich von einem solchen Film erhofft. Klammert man mal den Tierschutzaspekt aus, mag eine aufgeblasene Eidechse, Spinne oder Ameise vielleicht einem Monsterfilm der Kategorie Mad Science oder Atomenergie dienlich sein, wohl kaum aber einem Stoff, der behauptet, ein Abenteuer auf einer Insel voller ausgestorbener Kreaturen bieten zu wollen. Zwar gelingt die Montage der Darsteller mit den Tieren in den meisten Fällen überraschend gut und die natürlichen Bewegungen der verwendeten Echsen und Krokodile stellen natürlich einen Vorteil gegenüber der stets mit dem Uncanney-Valley-Effekt kämpfenden Stop-Motion-Technik dar. Hinzu gesellt sich das relativ gelungene Sounddesign, das bei der Erfindung der Kampfschreie der Ungetüme reichlich Kreativität walten lässt. Durch die Vertrautheit mit dem Anblick der Tiere entsteht allerdings im Umkehrschluss eine ganz andere Variante des Uncanney Valley, die letztlich schon damals einen Hauch von Karnevalsmaskerade in die Kinosäle gebracht haben muss. Abgesehen von einer spektakulär gefilmten, ethisch aber fragwürdigen Kampfszene zwischen zwei Monstern hat „Die Versunkene Welt“ darüber hinaus kaum Bemerkenswertes zu bieten. Eine Riesenspinne ist in ihrem kurzen Auftritt anders als ihre schuppigen Kollegen sehr schlecht ins Bild einkopiert (ein Effekt, der durch die unnatürlich aggressive Kolorierung noch verstärkt wird) und sonst sieht's mau aus mit den Hauptattraktionen. Denkt man an die reiche Palette von Dinosauriern (und Primaten) zurück, die O'Brien Jahrzehnte zuvor in seiner Werkstatt zimmerte, ist das relativ enttäuschend.

Dass die Crew rund um Claude Raines so lautstark die Welle macht, hat also auch ein wenig mit Ablenkung zu tun. Um den Monster-Mangel zu kompensieren, werden ein paar fleischfressende Pflanzen ausgelegt und ein Kannibalenstamm zum Gegner erklärt. Aber auch in diesen Punkten bleibt das Abenteuer hinter seinen Möglichkeiten zurück. Die Eingeborenen werden mit allen verfügbaren Klischees belegt und das Frauenbild gegenüber dem um Jahrzehnte älteren ersten Teil in gewisser Weise sogar verschlimmbessert. Wenigstens über die Kulissen lässt sich nichts Schlechtes sagen. Wenn zum Finale der Vulkan aufmuckt, gelingen durchaus hübsche Bilder bei einer abenteuerlichen Kletterei an einem Steilhang. Hier und da kann man Statisten im Off des Bildes erahnen, die Laubwerk und Schlingarme zum Rascheln bringen, doch das kommt bloß dem nicht gerade im Übermaß vorhandenen Charme des Handgemachten zugute.

Größer, weiter, besser, echter, witziger: Nicht umsonst werden Remakes dieser Sorte heute kritisch beäugt. „Die Versunkene Welt“ zeigt sich dahingehend ausbeuterisch und ist überdies nicht besonders gut gealtert. Die altehrwürdige Stop-Motion-Technik hätte auch dieses Saurier-Abenteuer besser vor dem Zahn der Zeit schützen können.
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Lifeforce
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„Lifeforce“ zu sehen bedeutet, einen Staffellauf zu verfolgen: Was die Ziellinie überschreitet, hat längst nichts mehr zu tun mit dem Startschuss, und wenn man auch keinem Läufer die volle Strecke zutrauen mag, so findet doch jeder von ihnen irgendwie zur Übergabe.

Was sich in den ersten Filmminuten im Weltall abspielt, ist ein häufiges Phänomen seiner Zeit: Vom Design der Kulissen bis zum Spannungsaufbau, inklusive spärlicher Musikuntermalung, bahnt sich ein astreines „Alien“-Rip-Off an, visuell eines der interessanteren. Unzulänglichkeiten der verwendeten Tricktechnik werden durch gelungene Außenaufnahmen eines regenschirmförmigen, halb organisch wirkenden Raumschiffs völlig egalisiert und im Inneren gelingen Hooper entzückende Bildkompositionen frei schwebender Weltraum-Vampire.

Der Schnitt auf das allzu irdische London kommt hart und unerwartet, wohl auch, weil „Alien“ ebenso wie die meisten seiner Epigone keinen Fuß auf die Erde gesetzt hat. Er steht stellvertretend für Hoopers weitere Vorgehensweise im Umgang mit dem Stoff, der von Natur aus nicht allzu viel Substanz verspricht. Mit der Logik eines Virenausbruchs, personifiziert durch die Nachbildung einer jungen Frau (Mathilda May), die den gesamten Film mehr oder weniger nackt durch die Gegend stolziert, hangelt sich das Skript von einer Drehbuchseite zur nächsten, verknüpft sie aber nicht auf direktem Wege mit Krankheit und Tod, sondern nimmt den Umweg über die Erotik in Form einer psychosexuellen Einordnung des Mannes. Um die hiermit bereits gewählte Lesart des Vampirismus visuell angemessen zu untermauern, erfüllt ein permanentes ektoplasmisches Knistern die Luft. Gummimonster werden mit umständlichen Digitaleffekten in einem Tanz der Lichter vereint und sorgen für ein Festival leicht durchschaubarer und doch schwer unterhaltsamer Tricks, die sich so reichhaltig über den Film verteilen, dass man beinahe schon von Überfluss sprechen könnte.

Hervorzuheben ist dabei vor allem ihre verblüffende Vielseitigkeit. Wo pneumatisch zum Leben erweckte Klappergerüste mit Schrumpelhaut und klimpernden Augen das befremdliche Gefühl reproduzieren, das man beim Anblick der Spezialeffekte aus „The Thing“ (1982) empfand, würde jeder, der einen kurzen Blick auf das apokalyptische Finale wirft, einen astreinen Zombiefilm vermuten. Eine Traumsequenz ist verdächtig nah an der berüchtigten Blowjob-Szene aus „Ghostbusters“, der ohnehin über gleißende Lichtsäulen und das Miteinander aus Handmade-Effekten und nachträglicher Bildmanipulation präsent ist. Die hakelig, aber doch irgendwie faszinierend getrickste Bildung einer Blutskulptur im Inneren eines Helikopters nimmt in gewisser Weise bereits eine Erfahrung aus „Terminator 2“ (1992) vorweg und ein kreischender Patrick Stewart, dessen Antlitz mit jenem von Mathilda May im Sekundentakt die Plätze tauscht, ist ohnehin eine Erfahrung für sich.

Man könnte nun einwenden, dass die satte Vollbelegung mit Trickeffekten Drehbuchschwächen kaschiert, dass sie Längen verschleiert, die sich ohne das Spektakel auf dem Bildschirm zwangsläufig ergeben würde. Aber warum sollte man das tun?
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Madman
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Mad statt bad. Verrückt, irrational, unzurechnungsfähig; nicht etwa intentional bösartig. Filme über irre Hack- und Schneidwaffenschwinger lehren uns die Quintessenz, dass ihren Monstern mit Logik und Diplomatie nicht beizukommen ist, dass man vielmehr alle Sinne beisammen haben muss, etwas Grips im Kopf und etwas Training in den Waden haben sollte, um dem Dezimierungsprozess lebendig zu entkommen. Viele ihrer Vertreter beginnen mit einem Lagerfeuer im Sommercamp (so auch das fast zeitgleich abgedrehte Konkurrenzprodukt „The Burning“), doch kaum einer ist so sehr als lebendig gewordene Lagerfeuergeschichte zu betrachten wie „Madman“. Von beachtlicher Genügsamkeit ist der Entwurf der Legende um einen Waldschrat im Holzfäller-Look, der seine Familie umgebracht und vom Dorfpöbel per Strick gerichtet worden sein soll. Es geht eigentlich auch gar nicht um die Geschichte, sondern um den Erzähler und sein Publikum: Gelingt es, die Konturen des Wahnsinnigen sichtbar zu machen?

Entsprechend ist „Madman“ vor allem an leuchtenden Silhouetten interessiert, die am Waldrand in bedrohlicher Pose verharren und vom flackernden Licht des Feuers in Bewegung versetzt werden. Im ständigen plötzlichen Auftauchen des Titelcharakters, der sich lange Zeit nur schemenhaft als zotteliger Artverwandter des Yeti zu erkennen gibt, hat das unverkennbare „Friday“-Rip-Off seine stärksten Momente. Lange bevor die hohlköpfigen Opfer von ihm Notiz nehmen, kann der Zuschauer ihn bereits sich nähern sehen und seine nächsten Züge vorausahnen. Schattenwurf und Ego- oder Schulterperspektiven lassen ihn weiter mysteriös erscheinen, während sich manch originell konzipierte, wenn auch oft mäßig umgesetzte Tötungsszene an einem Campbesucher nach dem anderen vollzieht. Die fehlende Kreativität beim fröhlichen Morden wird durch herzhaft doofe Abläufe wettgemacht: So gelingt es einem Opfer, sich wortwörtlich aus der Schlinge zu ziehen, um schließlich doch mit einem Ruck in den Ursprungszustand zurückversetzt zu werden, während ein anderes dämlich kreischend in Panik einen Kühlschrank ausräumt, um sich darin zu verstecken – während sich der Killer bei dieser lautstarken Aktion bereits im gleichen Raum befindet.

Trotz dieser zum Teil herrlich dämlichen Augenblicke kriecht die Monotonie wie dicker Nebel zwischen den Baumstämmen hervor. Anders als der Gartenscherenkiller aus „The Burning“ holt sich unser Axtmann seine Beute Stück für Stück, so wie man es eben gewohnt ist. Wenigen gelungenen Perspektiven steht das öde Schwarz einer langen Nacht in einem austauschbaren Wald mit Blockhütten entgegen. So manch einer wird auch eine zünftige Nacktszene vermissen. Die einzige Szene, die in eine solche Richtung geht, ist verseucht mit Weichzeichner, einfallslosem First-Person-Voyeurismus und irritierendem Gedudel direkt aus der Hölle. Der Cast setzt sich zudem aus etwas älteren Semestern zusammen; er ist überdies auch nicht besonders attraktiv anzusehen. Erhofft man sich nun zum Ausgleich wenigstens erwachsenes Verhalten, wird man wieder enttäuscht, denn auch hier gilt: Wenn die Schlächter in ihrem brutalen Verhalten auch wahnsinnig erscheinen mögen, so möchten sie doch vielleicht einfach nur die Welt vor Dummheit bewahren.

Und dann ist das Gemetzel irgendwann vorbei. Ohne Überraschungen, ohne großes Tamtam (hätte sich nicht wenigstens der Geschichtenerzähler als die wahre Identität des Madman entpuppen können... oder so?). Eine Ziertafel fasst das Gesehene noch in einen Rahmen. Beinahe wie in einem Märchen. Die meisten lebten nicht glücklich bis an ihr Lebensende, aber so ist das eben, wenn man den Madman aufsucht. Man bekommt, wofür man bezahlt. Und am Ende bezahlt man wieder. Wenn auch nur mit eineinhalb Stunden seiner Zeit.
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Der Würgeengel
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Das Ausbleiben der Befriedigung von Bedürfnissen zieht sich wie ein roter Faden durch Luis Buñuels Gesamtwerk. Der menschlichen Natur unterstellt es eine Umtriebigkeit bei der ewigen Suche nach Glück, die nicht zwangsläufig zur Erfüllung, sondern oft auch ins Verderben führt. Für „Der Würgeengel“ gießt der Regisseur diese Formel in einen Plot, der den Surrealismus, der von ihm stets so virtuos gemeistert wird, an seine Grenzen führt: Eine feine Gesellschaft trifft sich nach dem Opernbesuch für ein Bankett unter Gleichgesinnten im Anwesen eines Mitglieds und sieht sich am späten Abend trotz frei zugänglicher Ausgänge unfähig, den Speisesaal wieder zu verlassen.

Was nach heutigen Maßstäben den Zügen eines Terrorfilms gleicht, bei dem ein Wahnsinniger (oder der Rächer der Enterbten) alle Türen verriegelt und den versammelten Adel im eigenen Safte schmoren lassen will, folgt bei Buñuel natürlich weniger profanen Maßstäben. Die während des Banketts geltende Normalität rund um das Dinner, den Alkohol und den Klatsch, besiegelt durch eine gesellschaftliche Etikette, die sich unter den Oberen Zehntausend irgendwann implizit ergeben hat, transferiert schon bald ins Unwirkliche. Buñuel beginnt damit, eine unsichtbare Wand zu spinnen und lässt seinen Surrealismus unterschwellig wirken. In diesem Abschnitt sind sich die Gäste ihrer Situation noch nicht direkt gewahr, sie finden zunächst Ausreden, um doch noch die eine oder andere Minute unter den Anderen zu verweilen. Ein gemeinschaftlicher Konsens entsteht aufgrund der ungewöhnlichen Situation und fördert ein soziologisch ungemein interessantes Phänomen zutage: Die Menge verstößt, wiederum implizit, gegen die eigene Etikette und entschließt sich zur gemeinsamen Übernachtung.

Diese Art der subtilen Abweichung vom Normalen über Filmlänge aufrecht zu erhalten, hätte bedeutet, die Figuren weiterhin einfach nicht auf die Möglichkeit der Benutzung des Ausgangs hinzuweisen, sie trotz aller Widrigkeiten also weiterhin in ihrem wortlos beschlossenen Konsens brüten zu lassen. Buñuel jedoch verzichtet auf diesen Schritt, der einen weiteren Zugewinn von Surrealismus bedeutet hätte, und lässt die Figuren ihre Lage reflektieren: Im Morgengrauen entdecken sie ihre Unfähigkeit, den Raum, geschweige denn das Haus zu verlassen, sprechen diese Erkenntnis dann auch aus und überführen sie somit in den Diskurs, machen sie also für das Kollektiv transparent. Die unsichtbare Wand, die Buñuel im Diffusen errichtet hat, wird damit sichtbar, die psychische Blockade bekommt eine physikalische Dimension. An diesem Punkt erreicht der Surrealismus die Grenze zur Science Fiction: Wenn die Figuren wissen, dass sie nur den Ausgang nehmen müssen, dies aber offenbar nicht können, ist die Bedrohung nicht mehr länger eine Kopfgeburt, sondern eine ganz reale, wenn sie auch offenbar in direkter Nähe zum Phantastischen geboren wurde.

Und doch bleibt die Behauptung im Raum, das nichts Greifbares die Gäste am Verlassen des Hauses hindert – oder eben Polizei und restliche Bevölkerung am Eindringen, was ebenso unmöglich erscheint. Diese werden nicht ohne Grund durch etliche Wechsel in die Außenperspektive gezeigt, setzt der Regisseur doch offenbar ein Spiel in die Gänge, das eine perfide Wechselwirkung zwischen beiden Seiten jenseits der Blockade zu erzeugen beginnt. Damit bewahrt sich Buñuel nicht nur den surrealistischen Kern seines Werkes, sondern auch dessen Offenheit bezüglich einer Interpretation. Obgleich es schwierig ist, eine Gruppe von Lämmern nicht symbolisch zu deuten, wenn sie aus dem Nichts erscheint und treudoof mitten in den Speisesaal trabt, der inzwischen von Aristokraten besetzt ist, die zu Raubtieren degradiert wurden.

Hervorzuheben ist weiterhin, wie frisch und modern „Der Würgeengel“ mehr als ein halbes Jahrhundert nach seiner Entstehung im technischen wie erzählerischen Sinne geblieben ist. Wo die Kostüme mit Frack, Zylinder und Rüschenkleidern ebenso wie die Architektur der Villa von vergangenen Zeiten erzählen, brechen die Wagnisse schon in der brodelnden Gerüchteküche beim Essen bahn. Es wird über die Jungfräulichkeit anderer Gäste gemunkelt, ein saftiger Kuss wird aufgedrückt, Sex in der Öffentlichkeit angedeutet. Dass Buñuel von der Tugendhaftigkeit der High Society nicht viel hält, macht er also schon deutlich, bevor er sie tief fallen lässt. Mit der Fieberwahn-Sequenz um eine sich verselbstständigende Hand zieht er zudem in Sachen Schnitt alle Register. Und das Finale nach dem eigentlichen Finale sorgt für eine „Fin“-Einblendung, die Mark und Bein erschüttern kann. Weiterhin für die These, dass der kirchliche Prunk möglicherweise nicht viel besser abschneidet als der weltliche Elfenbeinturm auf dem gegenüberliegenden Pol.

Die größte Unzugänglichkeit des Films ist im Grunde eine Blockade im Inneren des Zuschauers. Sie liegt darin zu akzeptieren, dass die deklarierten Regeln dieser ungewöhnlichen Handlung so gelten, wie sie geschrieben stehen. Nicht dazu überzugehen, zu hinterfragen, weshalb die Gäste trotz ihres offensichtlichen Leidens nicht einfach die Schwelle überschreiten, ist der Zugangsschlüssel. Bei erfolgreicher Benutzung offenbart er nicht nur einen ungemein packenden Überlebenskampf, sondern ein hochinteressantes Abbild gesellschaftlicher Zustände, die teilweise auch viele Jahrzehnte später noch Gültigkeit besitzen.
:liquid9:

The Walking Dead – Season 6
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Etablierte Charaktere verschwinden längst genauso erbarmungslos wie unzählige Minirollen, neue fädeln sich ganz nahtlos in die Gruppe oder eben auch in die Gegnerscharen ein. "The Walking Dead" ist zum niemals stoppenden Karussell geworden, welches die Figuren im fliegenden Wechsel betreten und verlassen. Je mehr der Handlungsablauf diesem Bild gleicht, desto geschlossener scheint sich das Publikum abzuwenden. Es sieht sich in der Erwartung getäuscht, jede Geschichte müsse sich auf ein Ziel, eine Pointe zubewegen. Dass sich die Serie auch nach sechs Staffeln dagegen verwehrt, eine über Jahrzehnte konditionierte Vorstellung zu bedienen, Dramaserien müssten bedingungslos einem linearen Erzählakt folgen, lässt sie mit jedem Gezeitenwechsel aus "Stellung halten" und "Angriff einleiten" nur stabiler werden - eine Stabilität, der nur noch die Sendeanstalten etwas anhaben können.

Die sechste Staffel beschäftigt sich inzwischen vornehmlich mit der Frage danach, ob die Handlungen Ricks und seiner Gefolgschaft überhaupt noch dem Guten und Aufrichtigen entsprechen, das man ihnen im Laufe der Jahre einfach unterstellt hat, oder ob man inzwischen nicht mindestens ebenso gnadenlos vorgeht wie der Feind, wenn nicht gar noch gnadenloser. An den Jagd- und Überlebensfähigkeiten der Kerngruppe zweifelt inzwischen niemand mehr. Damit gelangt die Dominanz ins Spiel, mit welcher die Gruppe auch neuen Bekanntschaften gegenübertritt. In vielen Momenten kommt gerade seitens des Anführers eine gewisse Überheblichkeit durch angesichts der vielen Erfolge bei der Verteidigung gegen die wandelnden Toten wie auch gegen menschliche Opponenten. In ihrer Anhäufung machen die vielen Kämpfe gegen Herden oder einzelne Zombies mürbe, sie führen zu teils irrationalen Entscheidungen, schwächen aber niemals die Motivation zu überleben.

In der ersten Hälfte folgt vieles den bisherigen Mustern: Die vermeintliche Sicherheit Alexandrias steht auf dem Spiel und muss in einer großen Schlacht verteidigt werden. Phasen des Chaos und Affekts werden von Phasen der Ruhe und Reflektion abgelöst, letztere erneut angetrieben von einer ausgekoppelten Charakter-Episode, in der psychologische Grundsteine für die weitere Entwicklung einer Figur gelegt werden, die wiederum einen großen Einfluss auf die gesamte Gruppe ausübt.
Was in der zweiten Hälfte geschieht, ist dagegen relativ neu. Die Konflikte verschieben sich mehr noch als in der Vergangenheit auf rivalisierende Menschengruppen, die Zombies werden zunehmend zum Hintergrund-Spezialeffekt. "Negan", ein Name, der im Diskurs längst seine Echos zieht, wird auch innerhalb der Serie unheilvoll angeteasert, aus dem Kleinen aufgebaut. Mit viel Suspense baut man Ricks Selbstüberzeugung auf kleinen Erfolgen weiter auf, nur um in kleinen Schritten die Machtverhältnisse zu verlagern - mit einem finalen Fünf-Minuten-Auftritt von Jeffrey Dean Morgan, der so viel Spielfreude an den Tag legt, dass selbst unverbesserliche Meckerer kurzzeitig wieder ein Leuchten in den Augen hatten.

Dass die siebte Staffel wohl trotz des brillanten Spannungsaufbaus und der fortlaufenden Opferung liebgewonnener Charaktere wieder in ihre alte Form zurückspringen wird, daran besteht aber wohl kein Zweifel; und genauso muss eine Serie über wandelnde Tote funktionieren.
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South Park – Season 20
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Immer wenn man denkt, den "South Park"-Machern müssen doch langsam die Ideen ausgehen, liefert die gesellschaftliche, politische oder soziale Wirklichkeit neue Inspiration. Und dann ist niemand früher zur Stelle als Trey Parker und Matt Stone. Zum runden Geburtstag gönnt man sich einmal mehr einen Rundumschlag gegen Online-Medien mit Fokus auf den gläsernen Bürger, dazu werden Trump-Ismen gereicht - nicht frontal mit Handkantenschlag, wie man es von der Serie vielleicht erwarten würde, sondern schön subtil durch die Instrumentalisierung eines altbekannten Charakters (Mr. Garrison), dessen äußere Merkmale, schließlich auch sein Verhalten, sich langsam demjenigen des amtierenden US-Präsidenten anpassen. Dass die Staffeln bei "South Park" inzwischen die Form eines langen Spielfilms annehmen, kommt dem gemächlichen Aufbau der politischen Satire entgegen, die es sich nun erlauben kann, über mehrere Folgen ihre volle Entfaltung zu entwickeln.

Die extreme Bissigkeit der frühen und mittleren Staffeln wird auf diese Weise allerdings nicht mehr erreicht. Die "Member-Berries" beispielsweise belegen einen kompletten Subplot, ihr subversives Potenzial wird aber durch den hohen Abstraktionsgrad verschluckt (sprechende Beeren!?), ein Problem, mit dem schon einige absurde Charaktere aus früheren Staffeln (wie "Towelie") zu kämpfen hatten.
:liquid7:

Rick & Morty – Season 2
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Eine Serie wie "Rick & Morty" müsste eigentlich episodenweise rezensiert werden, damit man den farbenfrohen Produkten intensiven Out-Of-The-Box-Brainstormings annähernd gerecht werden kann. Denn in diesem liegt die eigentliche Stärke der Serie. Sie geht von den gleichen Reliefs aus wie andere Adult Cartoons, legt aber schon die Gesetze von Ursache und Wirkung so flexibel an, dass irdische Physik kaum mehr eine Rolle zu spielen scheint. Klone sind längst keine Gäste mehr, sondern regelmäßiger Bestandteil der Handlung; Planeten und fremde Dimensionen werden mit einer Selbstverständlichkeit besucht, wie "Futurama" sie einst für den Flug zum Mond behauptete, der 1000 Jahre nach unserer Zeit zum langweiligen Retro-Vergnügungspark mutiert war. Natürlich ist bei "Rick & Morty" grundsätzlich alles möglich, was denkbar ist, und das Vorstellungsvermögen der Autoren deckt ein Vielfaches der wissenschaftstheoretischen Andeutungen ab, die ein "Big Bang Theory" beispielsweise lediglich als Vorwand für RomCom-Themen aufbauscht.

So spielt eine der völlig abgefahrenen Episoden mit parallelen Zeitlinien, die sich auf dem Zeitstrahl in Details voneinander zu unterscheiden beginnen, was erlebbare Auswirkungen auf das Sounddesign hat (Doppel-Tonspuren, bei denen zarte Abweichungen zu Vibrationen führen), derweil sich der Bildschirm zu Hause in einer regelrechten Zellmitose zu teilen beginnt. Parodien wie jene auf "The Purge" werden ganz offensiv und direkt vorgetragen; rar gesäte emotionale Augenblicke wie die Hochzeit von "Bird Person" schnell in einen Nonsens-Crime-Plot umgewandelt. Aber auch stumpfsinnige visuelle Gags bekommen ihre Chance, wie die Sonnenwesen in der brillant-dämlichen Band-Contest-Episode mit ihren dummen Visagen unter Beweis stellen.

Natürlich hat der "Alles geht"-Grundsatz seinen Preis. Sämtliche Figuren, Rick und Morty inbegriffen, bleiben wenig greifbare Karikaturen, denen man nicht trauen kann und auch nicht soll. Die Sitcom-Normalität, die im Heim der Familie Smith herrscht, erscheint durch all die Wurmlöcher und sich verschiebenden Dimensionswände erst recht wie eine falsche Kulisse, hinter der alles lauert, nur nicht die Realität. Insofern ist "Rick & Morty" aufgrund seiner hohen Dichte an raffiniert um die Ecke gedachten Gags aus kreativer Perspektive bewundernswert. Zum Liebhaben ist das aber eher ungeeignet.
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Black Sails – Season 2
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Man möchte zwar immer noch Schirmchendrinks bestellen und die Piraten mit Wattebäuschen bewerfen, auf dass sie ihren aufgeschminkten Schmutz abwischen können, so dass ihre Haut ebenso sehr strahlt wie ihre Zähne. Optisch bleibt die zweite Staffel "Black Sails" trotz hübscher Kostüme und Bauten nah an einer Rollenspielaufführung und ließe weiterhin Platz für ein wahrhaft grimmiges, schmutziges Konkurrenzprodukt (sofern das Publikum gleich zwei Piratenserien zu verdauen imstande wäre). Immerhin aber kommt die Storyline nun endlich in die Gänge. Nachdem man die Hauptfiguren rund um Flint, Vane, Rackham, Silver & Co. in der ersten Staffel recht planlos umherstolpern ließ, gewinnen sie nun doch noch an Kontur, Präsenz und vor allem an Charakter. Fast ausnahmslos profitieren sie von der Verdichtung der einzelnen Handlungsstränge und bauen sich gegenseitig auf, schön zu sehen am Verhältnis zwischen Flint und Vane, das im Verlauf der zehn Folgen mehrere Wendungen erfährt, ohne dass die Darsteller allzu viele Szenen miteinander abzuleisten hätten.

Auffällig ist es, dass völlig auf diese etablierten Figuren vertraut wird und manch neue Figur trotz großer Einführung schon nach kurzer Zeit keine Rolle mehr spielt. Man könnte argumentieren, dass dem reiselustigen Piratenvolk mit dieser Strategie keine Gerechtigkeit widerfährt, das Drehbuch hält jedoch mit interessanten Kniffen dagegen und gestaltet die Auseinandersetzungen zwischen Seeräubern und Kompanie wie ein Schachspiel auf hoher See, dessen Spannung darin besteht, dass sich die Bauern gegenseitig bekriegen und nicht merken, wie der König bereits Pläne schmiedet, sie allesamt über die Klinge springen zu lassen. Zugleich nehmen die Annäherungen an den Verlauf von "Die Schatzinsel" langsam Form an und münden in ein Finale, das zwar wenig spektakulär im Sinne maritimer Action ausfällt, stattdessen aber echten Abenteuergeist aufflammen lässt. Und damit gelingt der zweiten Staffel, was der ersten noch verwehrt blieb: Lust zu machen auf das, was noch kommt.
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Weitere Sichtungen:
Black Butterfly
Cult Of Chucky
Maschinenland
Kung Fu Yoga
Southbound – Highway To Hell

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Beitrag von Vince » 22.04.2018, 09:09

Uzumaki – Out Of This World
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Es ist die Hochphase der „Ringu“-Welle, als Higuchinsky sein Regiedebüt mit der Verfilmung des Mangas „Uzumaki“ abliefert. Anders als die Konkurrenz, die stets auf das verstörende Bild eine verrenkten Kreatur mit unnatürlichem Bewegungsablauf setzt, verbannt der Film ebenso wie seine Vorlage jede Silhouette des Bösen in Abwesenheit und setzt stattdessen auf eine tiefer sitzende, abstraktere Unruhe, die sich in einer einfachen geometrischen Figur absetzt, der Spirale.

Was klingt wie ein Job für einen Spezialisten des Subtilen, der viel andeutet und wenig zeigt, verkehrt sich unter Higuchinskys Regie völlig ins Absurde. Das verschlungene Muster bildet sich nicht bloß schüchtern als zufällige Anordnung im Hintergrund ab, es drängt sich über Bild und Wort regelrecht ins Zentrum. Mit der typisch japanischen Gestikulation kreiselt es, dass selbst Alice im Kaninchenbau schwindlig werden würde. Nicht nur die Charaktere, auch „Uzumaki“ selbst ist regelrecht besessen von den Kreiseln, die in jeder erdenklichen Situation ins Bild gerückt werden: Beim Töpfern und Zubereiten der Suppeneinlage, aber auch mit den für die frühen 00er Jahre typisch plastischen Spezialeffekten, die zunächst Sturmwirbel am Himmel nachstellen und sich in groteskere Bereiche vorarbeiten, so dass am Ende gar menschliche Schnecken am Schulgebäude hochkriechen. Haarwirbel kräuseln sich nicht etwa in natürlicher Anmutung zusammen, sondern sehen aus wie Extensions aus dünnem Metall, die sich schließlich meterhoch in die Luft erheben. Ein Zimmer ist gefüllt mit Sammelgegenständen in Spiralform; eine Demonstration des Spiralförmigen lässt den Hauptbesessenen auf absurde Weise mit den Augen rollen. Mit dem Zoom auf Fingerkuppen wird sogar ein Mikrokosmos betreten, der verrät, wie essentiell das Objekt der Begierde auf jeder Ebene des Lebens ist. Ganz nebenbei zirkulieren kleine Wirbel wahllos in einer Ecke des Bildes, wenn in die Totalen gewechselt wird. Und nicht zuletzt sind es die Dialoge, die das Spiralförmige von der körperlosen Form einer Idee trennen und ausstellen wie ein dreidimensionales Objekt. Eine Spirale sein wollen die Besessenen. Und will der Film.

Dieser offensive Ansatz mag gerade einem westlichen Publikum mehr als befremdlich erscheinen und die Möglichkeit nahelegen, man habe es mit einer selbstzweckhaften Ausschlachtung des Surrealismus zu tun, der im Grunde nichts sagt, weil er mit leeren Symbolen gespickt ist, die keinerlei Semiotik besitzen. Der Eindruck wird dadurch verstärkt, dass „Uzumaki“ als Horrorfilm in vielerlei Hinsicht versagt: Je absurder das Gezeigte wird, desto weniger „Horror“ im Wortsinne erzeugt es. Trotz einiger Schreckgestalten, die sich auf Metallflächen spiegeln oder im Dunkeln harren, kann das drohende Angstgefühl der „Ring“- und „Grudge“-Filme kaum reproduziert werden. Die Hauptdarstellerin kann sich nie aus ihrem Zustand der Irritation befreien und ist ein wenig verlässlicher Anker; noch mehr ihr Freund, der einer toten Salzsäule näher kommt als einem Anker in dieser Geistersee.

Allerdings leistet der Film Starkes in Sachen Atmosphäre. Die graugrünen Farbfilter vergraben die japanische Kleinstadt unter einer Plasma-Kuppel. Schaukeln wippen verlassen in der Brandung des Sonnenuntergangs. Das diffuse Zwielicht lässt sich zu keinem Zeitpunkt abschütteln, selbst mitten an einem Schultag stehen die Wolken grau am Himmel.

Was die Spiralen bezwecken, wird dann auch am ehesten in der Konzentration auf die Umgebung deutlich. Das Muster hängt als Phantombild über der Stadt und beschreibt letztlich die Angst vor einem elliptischen, sich selbst erneuernden Kreislauf, der keinen Ausweg erlaubt, außer jenen, wieder von neuem zu beginnen. „Uzumaki“ ist kein sinnloser Film; er muss aber so erscheinen, weil er seine Bedeutung auf jede Art von Existenz verteilt.
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Winterkartoffelknödel
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Ein Verkehrsstau vor den Toren von Niederkaltenkirchen, ein vom Himmel fallender Schuttcontainer und ein riesiger Matschfleck auf dem Asphalt – schon darf's weitergehen im süddeutschen Mikrokosmos aus der Feder von Rita Falk. Und die hat noch jede Menge bayerische Spezialitäten im Füller.

Was dem Dänen sein Carl Mørck, das wird nun jedenfalls des Deutschen Franz Eberhofer. Auch wenn sich die Romanreihen von Jussi Adler-Olsen und Falk tonal stark unterscheiden, ihre Verfilmungen gingen im gleichen Jahr in Serie und sind beide jeweils noch in Produktion. Nikolaj Lie Kaas frönt als Spezialermittler Mørck ebenso wie Sebastian Bezzel als Polizist Eberhofer der Skepsis gegenüber seinen Mitmenschen, und beide haben einen Partner an ihrer Seite, der sie immer wieder aus der Scheiße reitet. Auch würden sie ihre jeweilige Provinz als ihr Haupteinsatzgebiet bezeichnen. Wo Mørck sich aber durchgestylte Edelthriller zu kämpfen hat und meist gegen die Zeit kämpft, da macht sich Eberhofer erst mal ein Leberkäsbrötchen mit Senf.

Die Identität der deutschen Reihe bildet sich über eine abwechslungsreiche deutsche Küche aus Omas Rezeptbuch (still und heimlich ausgetauscht: Enzi Fuchs ersetzt Ilse Neubauer als „Oma“), über idyllische Ansichten der leeren Straßen des Kaffs und über die skurrilen Gestalten, die Eberhofer seine Bekannten nennt. Wird ein neuer Fall der Woche in den toten Ort gejagt, dann nur des Vergnügens wegen, sie alle wie einen aufgescheuchten Hühnerhaufen in die Luft springen zu sehen.

Es ist aber die Routine, die den Genuss dieser ersten Fortsetzung namens „Winterkartoffelknödel“ ausmacht, nicht etwa die neuen Zutaten. Im Gegenteil; Jeanette Hain spielt die Femme Fatale öde und überraschungslos, wie etwas, das man in einer Bully-Herbig-Klamotte besetzen würde. Und nicht nur das, eine Figur wie Flötzinger (Daniel Christensen) versetzt sie genug in Wallung, dass es zu einer jener peinlichen Szenen kommt, die man nach entsprechenden Andeutungen im ersten Teil befürchtet hat, aber hoffte, sie erspart zu bekommen: Eine schräge Gesangseinlage im Alkoholdunst, die vielleicht ein breiteres, dafür aber weniger erlesenes Publikum abzuholen vermag – was wohl auch auf einen Hund zutreffen muss, der im Auto mit CGI-Unterstützung zum Radio im Takt nickt. Mit einem Zwischenstopp auf Teneriffa wird früher als gedacht schon die Karte ausgespielt, den Provinzmief einmal auszulüften und Abwechslung einzubringen. Eigentlich handelt man sich damit aber nur einen Verlust der urigen Stimmung ein.

Gut, dass wir bei all dem neuen Kram den Eberhofer noch haben. Selbst wenn er sich von Hain laut Drehbuch verführen lassen muss, spielt Sebastian Bezzel seinen Stiefel so unbeeindruckt runter, als fülle er ein Formular aus. Aus seiner Lethargie heraus funktionieren sogar spontane Anwandlungen von totaler Abgeklärtheit, die selbst einen ausgebufften Kriminellen mit Springmesser auf dem falschen Fuß erwischt. Simon Schwarz bekommt als Sidekick Rudi erwartungsgemäß mehr Screentime, die er standesgemäß nutzt, und das Verhältnis zu Ex-Freundin Susi (Lisa Maria Potthoff) wird nochmals verkompliziert, denn so sind's halt, die Frau'n.

Ja, die Eberhofer-Krimis taugen zur Serie, nicht zuletzt dank des famosen Hauptdarstellers. Ed Herzog sollte allerdings Acht geben, dass er die Andeutungen von Ballermann-Humor im Zaum hält und sich weiter auf das urige Treiben im Nirgendwo konzentriert. Da ist dann auch mal ein bisschen Purismus erlaubt.
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Schweinskopf Al Dente
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Wenn die These stimmt, dass die Qualität eines Films mit seinem Villain steht und fällt, dann profitiert „Schweinskopf Al Dente“ besonders von ihr. Jeanette Hain hat das Niveau von „Winterkartoffelknödel“ mit ihrer berechenbaren Interpretation einer Kopfverdreherin nicht gerade angehoben; im Umkehrschluss ist Gregor Bloéb der bisher beste Bösewicht in der Eberhofer-Reihe, hinterlässt er als träge dauerlächelnder Psychopath mit Rachegelüsten doch eher unorthodoxe Fußabdrücke und sorgt in regelmäßigen Abständen für gepflegte Thriller-Spitzen.

Dabei entfällt vergleichsweise wenig Laufzeit auf den Kriminalfall. Eröffnet wird mit einem „klärenden“ Gespräch zwischen dem Eberhofer und seiner Susi, in dem die fehlende Kommunikationsfähigkeit des Dorfpolizisten vor der versammelten Mannschaft (die an der Tür lauscht) einmal mehr entblößt wird. Die Marschrichtung ist damit gegeben, denn ob Franz und Susi wieder ein Paar werden, ist in diesem Kleinuniversum eine Frage, die mehr Menschen beschäftigt als ein im Bett des Polizeikommisars platziertes Der-Pate-Zitat.

Ob man nun unbedingt einen Ausflug nach Italien einbauen und den bis dato gesichtslosen italienischen Freund der Susi vorstellen musste, sei mal dahingestellt, die fünf Autostunden an den Gardasee betten sich aber wesentlich organischer in den Plot ein als die Teneriffa-Episode im Vorgänger. Herzog nutzt den schnellen Tapetenwechsel für ein paar Kalauer am Strand und kehrt dann fast nahtlos in die Landshuter Peripherie zurück, um Franz und seinen Partner Rudi im bis dato spannendsten Finale an ihre Grenzen zu führen.

Relativ wenig Platz nimmt diesmal der kulinarische Subtext ein. Möglicherweise liegt der Schweinskopf zu Beginn so schwer im Magen, dass anschließend nur noch Platz für ein, zwei Tiramisu und ein paar Knödel mit Braten übrig ist. Der hohe Fleischkässemmelverbrauch Eberhofers setzt sich allerdings eindrucksvoll fort. Auch sonst ist Einsatz Nr. 3 gespickt mit herrlich bekloppten Blödel-Gags. Vor allem aber leistet er sich keinen totalen Aussetzer wie die „Sexualverkehr“-Nummer von Flötzinger im Vorgänger; das zum Abspann einsetzende „Ça Plane Pour Moi“ hat sogar einen gewissen Charme.
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Logan Lucky
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Wenn Regisseure ihre vergangenen Hits noch einmal neu angehen und von hinten aufrollen, kann das eine spannende Sache werden. Ein „Logan Lucky“ mit seinen gesammelten Südstaaten-Comicfiguren ist allemal interessanter als ein möglicher „Ocean's Fourteen“. Auch das anstehende Female-Spin-Off „Ocean's 8“ von Gary Ross“ verspricht nicht gerade eine elegantere Variation des Casino-Knacker-Erfolgs von 2001 zu werden. Dann doch lieber den amtierenden 007 mit blondiertem Haar, Boxervisage und schwarzweiß geringeltem Gefängnisaufzug beim Safeknacken beobachten, Adam Driver als einarmigen Schluffi beim Mischen von Cocktails und einen hinkenden Channing Tatum als George Clooneys Hillybilly-Version beim Pläneschmieden.

Schauplatz, Garderobe und Handwerkszeug unterscheiden sich eklatant von jenem der Ocean's-Gruppe und es ist diese Variation, an welcher Steven Soderbergh sich besonders erfreuen kann. Klischees dreht er mit Vorliebe auf links, was ihn oftmals zu recht eigenwilligen Pointen führt, mit denen auf denkbar unterhaltsame Art eine Kette von aufeinander aufbauenden Ereignissen gebildet wird.

So gesehen ist „Logan Lucky“ von der „Ocean's“-Serie allerdings nicht besonders weit entfernt. Die episodische, sehr lineare Erzählform haben sie ebenso gemein wie den Robin-Hood-Gestus, vertreten von charmanten Gaunern, die dem maroden System lediglich die Strafe zuführen, die es verdient – ohne echte Opfer zu hinterlassen. Optik und Milieu haben die Coens schon beackert, bevor Soderbergh überhaupt zum Dreh von „Ocean's Eleven“ gekommen war („O Brother, Where Art Thou?“, 2000) und auch in der aktuellen Kinolandschaft steht man nicht allein auf weiter Flur, sondern teilt sich den Raum mit Filmen, die konzeptionell wesentlich frischer wirken, wie „Baby Driver“.

Diese Punkte tragen zu dem Gefühl bei, dass man das alles doch irgendwie schon mal gesehen hat, was den Genuss schon ein wenig trocken legt. Und doch kann man nicht oft genug betonen, dass es viel öfter Logan-Premieren und viel seltener Ocean-Fortsetzungen geben sollte in Hollywood.
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Cars 3
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Abbremsen auf 0 und back to the roots: Nachdem „Cars 2“ in mehrfacher Hinsicht irritierte (erst einmal dadurch, dass er bei der mit Ausnahme von „Toy Story“ geltenden No-Sequel-Regel überhaupt gemacht wurde, dann durch seinen konfusen Plot), übt sich „Cars 3“ erst einmal mächtig in Demut. Im Universum von Pixar sind seit „Cars“ im Jahr 2006 Äonen von Zeit vergangen. Damalige Fans sind ihrem Rennfahrer-Bett und ihrer Champion-Kuscheldecke längst entwachsen und Lightning McQueen ist längst zum Oldie mutiert. Da ist es nicht der dümmste Schachzug, das Kinderspielzeug in die Ecke zu werfen und zu einer zeitlosen Underdog-Geschichte zu greifen.

Als „Rocky Balboa“ der Animationsfilme trainiert McQueen nun zwar nicht mit halben Schweinehälften, zieht sich aber doch erst einmal aus den großen Arenen zurück und zehrt nur noch von seinem ehemaligen Ruhm dank eines Sponsors, der mit dem Namen des roten Rennautos immer noch Merchandise verkaufen kann. Wie Rocky wird aber auch McQueen von den Herausforderungen des Lebens an der Ehre gepackt, also zieht er mit seiner Personal Trainerin in die Welt hinaus und dreht seine Dirt-n-Grit-Runden am Sandstrand oder auf unbekannten Schlammstrecken im Duell mit enthusiastischen Dorfkarren. Man kann sich also wieder halbwegs mit der Hauptfigur identifizieren (so weit dies eben bei einem Auto möglich ist); gegenüber Teil 2 schon mal ein Fortschritt.

Dass der Weg über kurz oder lang natürlich wieder auf die Strecke führen wird, wo die Lehren der Altmeister gegen einen unsympathischen neuen Star zum Erfolg verhelfen, versteht sich von selbst. Der Weg dorthin überrascht aber trotz des abgekauten Humors von Mater & Co. mit viel Gefühl und bedeutet eine Rückkehr zur Hochform der Reihe, die leider nach wie vor nicht gleichbedeutend ist mit der Hochform von Pixar.
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Der Ritt nach Alamo
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Knallgelbe Halstücher und andere Farbpigmente, Studiobauten und Matte Paintings, so etwas hat man von einem Mario-Bava-Western durchaus erwarten können. Die Kolorierung und Beleuchtung gibt zumindest verräterische Hinweise auf den Regisseur, der normalerweise völlig andere Genres seine Heimat nennt.

Nicht jedoch hätte man erwartet, ein klassisches Road Movie früher amerikanischer Prägung zu sehen. Ein experimenteller Gothic-Western, vielleicht eine waghalsige Mischung aus Western und Horror, wäre die naheliegende Erwartung gewesen, vielleicht aber auch einen Schritt zu weit gegangen, wenn der Genrewechsel als solcher bereits zu Genüge ein Experiment darstellt. Seinem Sohn und Regieassistenten Lamberto Bava zufolge pflegte sein Vater kein besonderes Faible für den Spaghettiwestern, sondern wusste der amerikanischen Variante mehr abzugewinnen. Da erschließt sich der Wunsch, diesen möglichst authentisch nachzubilden, anstatt seine Reinheit mit einem merkwürdigen Zwitter aufs Spiel zu setzen.

Die Liebe zu der Filmgattung wird in seinem „Ritt nach Alamo“ allerdings nicht deutlich. Zu zäh, ja regelrecht ledrig zieht sich die Handlung dahin, zu unterkühlt bleibt die Inszenierung. Sieht man mal von der recht unterhaltsamen, wenn auch mit Aberdutzenden Klischees bestückten Konfrontation in einem Saloon ab. Inneneinrichtungen sind eben Bavas Ding und selbst in einer staubigen Kneipe schafft er es irgendwie noch, farbliche Signale zu setzen, und wenn er dazu auch mit einem Close-Up auf ein rotes Ass schwenken muss. Ein pennender Barkeeper, ein kantiger Strahlemann von Hauptdarsteller, der mal eben sieben Eier bestellt und ein Tisch, an dem drei Gäste pokern, da ist die Lunte denkbar kurz.
Einmal auf Reisen, versucht Bava, mit gemalten (malerischen) Hintergründen, Eingeborenen-Relikten und anderen Tricks (aufgereihte Indianer-Actionfiguren an einem Berghang beispielsweise) eine spezielle Ästhetik zu bewahren, ohne das klassische US-Westernkino der Marke „Unionstruppen vs. Banditen vs. Indianer“ zu hintergehen. Doch die schmucken Kulissen können kein Ersatz für inhaltliche Spannung sein. Als größter Mangel ist die schwache Charakterisierung der Figuren schnell ausgemacht. Der amerikanische Hauptdarsteller Ken Clark punktet zwar mit markantem Profil, weniger hingegen als Identifikationsfigur. Ebenso wie seine Mitstreiter ist er zur zweidimensionalen Silhouette verdammt. Von den Indianern, die lediglich hin und wieder in Kampfmontur aus dem Gebüsch hüpfen dürfen, ganz zu schweigen.

Das lässt den Geldtransfer trotz allen Verrats, aller Übergriffe und der knochentrocken in Szene gesetzten Liebesgeschichte recht uninteressant wirken. Schade um das vergeudete Potenzial einerseits, für den Regisseur andererseits dürfte „Der Ritt nach Alamo“ eine wichtige Erfahrung gewesen sein.
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The LEGO Batman Movie
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Nun, da das Konzept „Klötzchen-Film“ anhand der Legoverpackungspanoramaverfilmung „LEGO – The Movie“ umfassend vorgestellt ist, kann man in die einzelnen Themenbereiche eindringen. Zum Auftakt wurde - wenig überraschend - die in orangeroten Sonnenuntergang getunkte Endzeitmetropole Gotham City gewählt. Ein logischer Schritt, bedenkt man, dass Batman im Original-Legofilm Publikumsliebling war und dass er auch in seiner Realfilm-Variante stets ein beliebter Spezi ist (naja... zumindest in allem, was nach George Clooney kam).

Das „LEGO Batman Movie“ nimmt sich nun vor allem des Images vom einsamen Rächer an und führt es in einer brillanten ersten halben Stunde komplett vor. Chris McKay („Robot Chicken“) beweist eindrucksvoll, dass er den von Lord/Miller initiierten Humor vollständig reproduzieren kann. Irrsinnig schnelle Actionszenen halten zunächst das Pacing verdammt hoch und man darf schon keine Probleme mit Einstellungen haben, die sich um die eigene Achse drehen oder in denen unentwegt bunte Lichter aufblitzen. Die Millionärsfledermaus bewegt sich mit spielender Leichtigkeit durch dieses Feuerwerk aus Legosteinen. Jeder Legostein rastet so ein, wie es sein muss. Man wähnt beinahe eines dieser „satisfying videos“ vor sich, in denen jede Summe aufgeht, jede geometrische Achse ineinander einrastet. Und das in einem Mordstempo. Batman, so die bereits hier mit selbstverliebten Heldenposen köstlich übersteigerte Aussage, braucht keine Hilfe. Von niemandem.

Richtig gut wird das Ganze nach Rückkehr in die Bat-Höhle. Batman, wie er sich wortlos sein Essen in der Mikrowelle aufwärmt und das Licht des rotierenden Tellers sein ausdrucksloses Gesicht beleuchtet. Wie er alleine in einem riesigen Heimkino „Jerry Maguire“ schaut, nur um sich über den Kitsch darin lustig zu machen. Wie die Winzigkeit seines Körpers gegen die wahnwitzige Größe seiner Behausung ausgespielt wird.

Der Haken an der Sache: Natürlich wird die Einsamkeit als Problem verstanden und mit der Dampfkraft typischer Computeranimationsfilme der Marke „Ich, Unverbesserlich“ auszubügeln versucht. Die Fehde zwischen ihm und Erzfeind Joker eignet sich zwar für dieses Vorhaben gut (wenn davon die Rede ist, dass sich beide gegenseitig bedingen, bezieht man sich damit natürlich auf „The Dark Knight“), doch je mehr Verbündete Batman um sich schart – von Dick Grayson über Barbara Gordon bis zu einer endlosen Menge von kostümierten Helden – desto zahnloser wird der Humor. Bevor er leider schon wieder dem Tanz in den Abspann verfällt, jener Animationsfilmkrankheit, die leider auch einen Mann befällt, der seine Freizeit normalerweise alleine in Tropfsteinhöhlen verbringt.

Irgendwas findet man aber immer zu lachen, sei es nun die gewitzt aufbereitete Filmgeschichte Batmans oder die schlichte Tatsache, dass die kitschigen Momente in „Jerry Maguire“ auch in trauter Gesellschaft noch hämisch ausgelacht werden können. Und die vor Kreativität platzende Animation holt die letzten Kohlen aus dem Feuer.
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Cosmo (Bad Channels)
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Mal außen vor gelassen, dass „Bad Channels“ mit einem richtigen Film beinahe weniger zu tun hat als mit einem fahrig abgedrehten Musikvideo... diese obskure Alieninvasions-Nummer mit Rock'n'Roll-Faible eignet sich heute immerhin als Zeitdokument für die frühen 90er Jahre, als MTV noch das Zepter in der Hand hielt.

Alleine die Grundidee wäre bestes Futter für ein Beavis-und-Butthead-Abenteuer gewesen: Zwei Außerirdische kapern eine Radiostation im amerikanischen Nirgendwo und zwingen den ausgeflippten DJ, auf Sendung zu bleiben. Denn über die Radiofrequenz sollen bevorzugt weibliche Zuhörerinnen in kleine Phiolen gebeamt werden... hä?

Die kuriose Grundidee ist letztlich ein billiger Vorwand, um eine Reihe von Musikclips zu inszenieren. Darin tanzen sich die auserwählten Damen besinnungslos in einen Rausch, bis es Plopp macht und sich sich auf Zwergengröße geschrumpft im Studio unter einer Glaskuppel wiederfinden. Abgegrast wird alles, was auf den hiesigen Musikkanälen angesagt war, von Hard Rock über Grunge bis Heavy Metal – Hauptsache es rockt den Polka-Schmalz vom Einstieg rückstandsfrei aus den Ohren. Blue Öyster Cult zeigen hier mit ihrem Soundtrack die ganze Bandbreite eines Jahrzehnts.

Die Aliens, einer mit klumpigem Pfropfen als Kopf inklusive Fenstervisage, einer ein Roboter wie aus einem Z-Movie-Star-Wars-Rip-Off, könnten einem Invasionsfilm der 50er Jahre entstiegen sein, sieht man mal davon ab, dass sie die Radiozentrale mit allerlei bunten Farben versorgen. Das lässt die Produktion im Vergleich mit den lose verknüpften Vorgänger-Produktionen „Doll Man“ (Tim Thomerson hat einen Cameo nach dem Abspann) und „Demonic Toys“ (dessen Nachtwächter während seiner Schicht den Polka-Sender hörte) noch einmal eine Spur schlampiger aussehen und die Prämisse abstruser – Hauptsache, man kommt mit etwas Geschrumpftem aus der Gleichung und hat eine gemeinsame Basis für die große Zusammenführung „Dollman vs. Demonic Toys“.

Einen gewissen Unterhaltungswert hat das ja, aber professionell gearbeitet wurde am Set vermutlich nur wenig...
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Howard The Duck
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Inzwischen zu einem der Urväter heutiger Marvel-Filme erklärt und zu entsprechenden Werbezwecken instrumentalisiert, orientiert sich die George-Lucas-Produktion "Howard The Duck" deutlich an den Abenteuer-Klassikern seiner Zeit. Die Spielberg-Schule ist nicht zu übersehen. Insbesondere "Zurück in die Zukunft" nahm man sich zur gefiederten Brust, vom generellen Konzeptdesign über die Teilbesetzung bis zum unmittelbaren Zitat. Bei aller Zukunftsmusik, die angestimmt wird, verraten sich die 80er Jahre spätestens mit dem Glam-Rock-Soundtrack (und dem Subplot rund um das Management einer aufstrebenden Girlband; Geschäftsstrukturen, die in der hier vorgebrachten Form längst vergangenen Zeiten angehören). Regisseur Willard Huyck erweist sich als gekonnter Imitator Spielbergs, wenn er in der ersten Hälfte in den detailliert zum Leben erweckten Underground-Sets schwelgt, um in der zweiten Hälfte das Tempo mit Fantasy- und Action-Elementen zu erhöhen. Die Imitation bleibt allerdings vordergründig sichtbar: Von der Leichtigkeit der Originale kann das Enten-Abenteuer nicht in jeder Phase zehren.

Seinen Reiz bezieht ein Film um eine lebensgroße Ente natürlich aus seiner lebensgroßen Ente, und die fällt dadurch aus der Rolle, dass ihr niedliches Äußeres nicht ihrem Charakter entspricht, der je nach Situation zwischen Agonie und Angriffslustigkeit pendelt. Man ist ja auf die Disney-Schule konditioniert und denkt beim Anblick eines Schnabels automatisch an Donald oder Dagobert, dabei mischt Marvels Howard Film-Noir-Zynismus und flippigen Anarcho-Humor in nicht immer ganz jugendfreier Manier. Im mainstreamigen Kontext dieser Produktion führt das zu interessanten Ecken und Kanten, die zwar nicht völlig aus der Art schlagen, eine stromlinienförmige Charakterzeichnung aber zumindest beim Titelhelden verhindern - mit dem Höhepunkt einer Bettszene zwischen Enterich und Frau, die Knuddelfaktor und Sexualität auf bizarre Weise miteinander kombiniert.

Bezeichnend allerdings, dass die Nebendarsteller mehr Comicfigur sind als Howard selbst. Während die Ente noch ein höheres Spektrum an mimischem Ausdrucksvermögen hätte vertragen können (um ein Gegenbeispiel zu nennen, die Jim-Henson-Puppen aus der TV-Serie "Die Dinos" verfügen über wesentlich mehr mimische Ausdrucksmöglichkeiten), grimassieren Tim Robbins, Lea Thompson und Jeffrey Jones um die Wette. Da ist es nur konsequent, dass am Ende Atome gespalten, Blitze geschleudert und eklige Hummermonster zum Leben erweckt werden. Letztere verweisen übrigens trotz durchschaubarer Tricktechnik fast jedes computergenerierte Filmmonster der letzten Jahre in Sachen Kreativität in die Schranken.

Im Zweifelsfall holt man natürlich trotzdem erstmal die wahren Klassiker dieser Epoche nach. In der zweiten Garde macht sich der Purzel aus dem Weltall aber gar nicht so schlecht. Ihn jetzt im Rahmen der "Guardians Of The Galaxy"-Reihe mal auf Rocket stoßen zu lassen, hätte durchaus Zündstoff-Potenzial, das über Cameo-Einsätze hinausginge.
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Schieß oder stirb
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Noch kein selbstbewusster, voll ausgeprägter Antiwestern, aber klar auf dem Weg dorthin befindet sich "Schieß oder stirb", der drei Brüder, ein gemeinsames Schicksal und den unterschiedlichen Umgang damit als Modell für eine pazifistische Aussage verwendet. Dass sich der Angriff am Ende doch als beste Verteidigung herausstellt, lässt ihn scheitern, doch bis zu diesem Punkt wagt das Familiendrama mit der vorübergehenden Demontage des Machos mit locker sitzendem Revolver so einiges.

Inszenatorisch zwar nicht allzu aufregend mit all den flachen Impressionen aus dem Alltag einer Ranch, sorgt die interessante Figurenkonstellation aber doch für Lebendigkeit. Wer einen heißblütigen Jungspund seinem betont passiven älteren Bruder gegenüber stellt und den Ältesten von den Dreien (inklusive Liebesdrama) als Zünglein an der Waage einsetzt, läuft Gefahr, seine Figuren zu holzschnittartig anzulegen, zumal der Muttersöhnchen-Komplex gerade im ersten Akt eine Spur zu offensiv ausgespielt wird. Den drei Hauptdarstellern ist zu verdanken, dass das nicht passiert. Gerade bei Jeffrey Hunter liegt die Verantwortung, eine im klassischen Western nicht etablierte Position überzeugend zu verteidigen. Das gelingt ihm, weil man seine Figur weder belächelt noch bemitleidet, sondern vielmehr seine völlig plausible Position verteidigen möchte gegen das kurzsichtige, bisweilen dumme und völlig ignorante Verhalten, das in seinem Umfeld herrscht.

Das erschüttert zwar nicht nachhaltig das amerikanisch geprägte Bild des heldenhaften Duellisten, sorgt aber immerhin für einen kurzen Moment der Andächtigkeit, bevor man seinem Nebenmann am Tresen das nächste Mal ein Bierglas an den Kopf schlägt.
:liquid5: ,5

Trainspotting 2
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Wenn schon eine Fortsetzung von "Trainspotting", dann sicherlich mit ein paar Jahrzehnten Pause dazwischen. Das jedenfalls hat Danny Boyle richtig erkannt. Hätte man die Geschichte, mit Robert Carlyles Filmografie gesprochen, "28 Months Later" angesetzt, so wäre man bloß auf eine reine Fortführung des von Drogen benebelten Bewusstseinsstroms gestoßen; die Junkies immer noch dieselben, der Plot eine Variation des ersten Plots. Eine Zeitspanne vom Kaliber "28 Years Later" (tatsächlich sind's zumindest 22) passt da schon eher; auch wenn unvollendete Dinge Geschichten ihre Vorzüge haben und in vielen Fällen der Fortführung einer Erzählung vorzuziehen sind, so liegt doch ein gewisser Reiz darin, zu erfahren, was die Zukunft für die einst Zukunftslosen bereitgestellt hat, als sie langsam und unerbittlich zur Gegenwart wurde.

Dass sich sowohl Story als auch Charakterzeichnung trotzdem beinahe anfühlen wie bei einer direkten Fortsetzung, ist als Abgesang auf die Figuren zu verstehen, die in all der Zeit nichts aus dem Leben gelernt zu haben scheinen. Es wird immer noch bei jeder Gelegenheit geschnupft und gespritzt, und Franco (Carlyle) reagiert auf die Nachricht der Rückkehr von Rent Boy (Ewan McGregor) mit einem Zorn, so frisch, als sei er erst gestern um sein Geld betrogen worden.

Den völligen Stillstand bei der Entwicklung der Charaktere setzt Boyle auf geschickte Weise in einen Anachronismus zu den Bildern, die er erschafft. Anstatt mit Variationen von Toilettentauchgängen oder Babygekrabbel selbst auf der Stelle zu treten, macht er transparent, wie unbarmherzig die Zeit das Schotten-Quartett überholt hat. Auf die Evolution des Stadtbilds von Edinburgh legt er einen besonderen Wert; es ist nicht mehr der Ort aus den Mittneunzigern, sondern einer, der wie (fast) alles andere den Wolken gleich weitergezogen ist. Zeitweise aufblitzende Déjà-Vus (McGregor, wie er seine Hände auf die Motorhaube schlägt und den Fahrer angrinst) verstärken diesen Eindruck nur noch. Die Panoramen der schottischen Landschaft nehmen die Figuren in ihrer Verzweiflung kaum wahr; ihr Versuch, in Nostalgie einzutauchen, wird immer wieder von vordergründigen Konflikten verdrängt. Die Verdrecktheit des Originals ist einem Chaos aus Spiegeln gewichen - neue Oberflächenreize, alte Desorientierung.

Damit reproduziert man nicht die Intensität des Originals. Aber man ruft es wieder in Erinnerung, ohne es stupide zu kopieren, und erweitert sogar seinen Bedeutungsspielraum. "Trainspotting" mag ja eine undankbare Vorlage für ein Sequel sein, aber was "T2" daraus macht, reicht zur Legitimation seiner Existenz völlig aus.
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The Night Child
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Ein opulentes Gemälde dient diesem italienischen Besessenheits-Horrorthriller als Portal ins Okkulte, und wie ein Gemälde verhält sich auch der Film. Gesamtheitlich betrachtet ein träges Stillleben, informationshaltig, aber ereignislos, beginnt "The Night Child" in seinen Details zu leben. In den Hetzjagden durch barocke italienische Altstädte, die mit ihren Pflastersteinen und ihrem Halbdunkel an Bavas "Lisa und der Teufel", an seinen "Baron Blood" oder auch an Roegs "Wenn die Gondeln Trauer tragen" erinnern. In der Halle voller verhangener Kunstwerke und Statuen, die Dassimo Dallamano mit einem Blick für stimmungsvolle Unheimlichkeit einfängt. In Flashbacks mit angedeuteter Ich-Perspektive, die sich den mythologischen Unterbau von Friedkins "Der Exorzist" borgen. Oder in Giallo-esken Schreckmomenten, die den Täter mit hektischen Close-Ups auf das Mordwerkzeug verbergen, nicht aber seine Tat. 

Kombiniert man die unterschiedlichen Referenzen mit der Feststellung, dass der Soundtracks ein einzelnes Motiv immer und immer wieder einfach nur variiert und nimmt dann noch eine sichtbar unerfahrene Kinderdarstellerin dazu, die mit höchster Anstrengung Grimassen der Furcht und der Boshaftigkeit kombiniert, so ist das "B" vor dem "Movie" schnell identifiziert; eine englische Synchronisation über englisch geformten Mundbewegungen tut ihr Übriges, um an der Einordnung der Klasse keinen Zweifel zu haben.

Daraus resultiert, dass man in "The Night Child" zweierlei sehen kann: Entweder einen Langweiler erster Güte, der voller sich wiederholender Elemente steckt, oder aber ein Mosaik cineastischer Kostbarkeiten, nicht immer fachgerecht zusammengesetzt, aber gerade in dieser Anordnung ausgesprochen reizvoll.
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Ein ferpektes Verbrechen
Killer's Bodyguard

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Beitrag von Vince » 29.04.2018, 12:11

The Entity
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Anders als der zeitgleich erschienene und daher gerne zum Vergleich herangezogene "Poltergeist" lebt "The Entity" nicht von der Faszination für phantasmagorische Manifestationen mit Geisterfratzen, Dampf und Ektoplasma, sondern vom reinen Terror. Der industriell gefärbte Soundtrack und die dezenten, aber äußerst bizarren Spezialeffekte machen sich zu Komplizen einer gesichtslosen Entität, deren harte Physis im krassen Gegensatz zu ihrer Unsichtbarkeit steht. Wo sich Tobe Hooper und Steven Spielberg also noch zum Phantastischen Film bekennen, da siedelt sich Sidney Furie in dessen Grenzbereich auf der Schwelle zum Psychothriller an und spielt das Psychologische permanent gegen die Möglichkeit des Übernatürlichen aus.

Was man hierin als Unentschlossenheit auffassen könnte, verleiht dem mit zwei Stunden recht lang geratenen Film tatsächlich zu seiner dringend benötigten Dynamik, ohne die er viele Längen zu überbrücken hätte. Das (vielleicht etwas zu euphorisch betriebene) Tauziehen eines Psychologen und eines Wissenschaftlers um ihre Patientin, teils durch persönliche Gefühle motiviert, teils durch berufliche Neugier, lässt die Hauptfigur fortwährend in einem neuen Licht dastehen. Denn während sie zum Untersuchungsgegenstand zweier gegensätzlicher Wissenschaftsfelder gemacht wird, zweifelt der Film einmal an ihrem Geisteszustand, um dann doch eher unsere Fähigkeit in Frage zu stellen, übernatürliche Phänomene zu akzeptieren.

Je nach Szene sieht man tatsächlich nur eine verzweifelte Frau, die um Aufmerksamkeit schreit (das Drehbuch streut für diese Interpretation ausreichend Motive in die Handlung, ihren Mann beispielsweise, der stets auf Dienstreise ist), dann wieder, wenn Dinge durch die Luft wirbeln und sich physische Fingerabdrücke auf der nackten Haut bilden, scheint das Unvorstellbare doch unwiderlegbar. Eine Leistung, die ohne Frage zu großen Teilen Barbara Hershey zuzuschreiben ist, die diesen oft sprunghaften Perspektivwechsel mit ihrer von Panik und Entsetzen getriebenen Darbietung überhaupt ermöglicht.

Schockierender als die tatsächlich inszenierten Attacken, die ihre Beklemmung eigentlich eher aus ihrer grundsätzlichen Situation beziehen als aus der mitunter etwas zu steifen Regie, ist letztlich das Filmende, von dem man nicht einmal sagen kann, ob es eines der positiven oder negativen Sorte ist; nur, dass es sich der Revenge-and-Justice-Formel erwehrt, die Hollywood bei schwierigen Themen wie diesen normalerweise aus Reflex anwendet, um bei allem Schrecken zu vermitteln, dass das Böse am Ende immer Vergeltung für seine Taten erfährt.
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Der Himmel über Berlin
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Engel, die auf eine Stadt hinabblicken, zur Körper- und Tatenlosigkeit verdammt. Einer, der sein Engeldasein aufgibt, um als irdisches Wesen Dinge ertasten und die Erwiderung von Liebe erfahren zu können. Nicht einmal dem jungen Wim Wenders gelingt es, die Esoterik aus diesem Stoff zu prügeln, auch wenn er sie mit technischer Brillanz zu überdecken weiß. Gemeinhin gilt die Annahme, das US-Remake "Stadt der Engel" habe den Kern der Vorlage für eine kitschige Hollywood-Romanze geopfert. Vielleicht hat es ihn aber einfach nur freigelegt.

Dennoch ist "Der Himmel über Berlin" aus einer rein cineastischen Wahrnehmung heraus ein Ausnahmewerk, reich an Facetten, mit dem Alter nur wertvoller geworden. Es zeigt ein Berlin, das so heute nicht mehr existiert. Eine Erkenntnis, die sich weit über den Fall der Mauer erstreckt. Abgesehen vom Stadtbild, dem sich das aus dem Off gesteuerte Blickfeld meist aus der Vogelperspektive nähert, lässt Wenders direkt auf die Straßen und in die Wohnungen zoomen. Eine Stadt als Definition nicht nur über seine Gebäude, sondern vor allem über den Charakter seiner Bewohner und Besucher, vom Mieter einer Baracke über den Passanten am Fenster, vom Zirkusnomaden über den Schauspieler am Set bis zum Musiker auf der Bühne. Das Gemurmel Einzelner wird gefiltert und in einen konsensuellen Bewusstseinsstrom geladen, der sich wie ein Fluss seinen Weg durch die Häuserreihen bahnt. Kinder auf der Straße und Alte in der Bahn; ein Unfallopfer, dem niemand hilft, ein Selbstmörder, dem niemand mehr helfen kann.

Henri Alekans Kamera ist immer nah an den Geschehnissen, zieht aber meist virtuos in der Luft ihre Bahnen. Sie könnte auch von einem Naturfilmer geführt worden sein, der sich von einem Berghang aus einer Jagdszene nähert und im Bemühen um eine einzigartige Perspektive darauf bedacht sein muss, selbst unsichtbar zu bleiben, um nicht in die Natur einzugreifen. Die Kinematografie alleine ist den ganzen Aufwand wert.

Die zusätzliche Farbcodierung (Schwarzweiß aus Perspektive der Engel, sonst in Farben getaucht wie aus Nachkriegsruß zusammengemischt) mag die visuelle Komponente artifiziell wirken lassen, beflügelt aber auch die Bereitschaft, sich in Andere hineinzuversetzen und unterstützt somit eines der Hauptanliegen des Films. Bruno Ganz setzt das in der Hauptrolle erfreulich nüchtern, untheatralisch und bisweilen sogar mit einem Schuss trockenen Humors um. Der dichterische Singsang, mit dem er den Film eröffnet, mutet als Mischung aus melodischen und narrativen Passagen an wie erste Flugversuche eines Vogeljungen, oder, aus Perspektive der Himmelsbewohner, erste Versuche, mit den Füßen den Boden zu erreichen.

Während also das traurige Auge des sakralen Beobachters auf der monochromen Stadt ruht und sich das Chiaroscuro in seiner Pupille spiegelt, ist die Melancholie fortwährend spürbar und gerät in diesem Fall zum Pfad ins Prätentiöse. Dem entgegen steht aber eine einzigartige Momentaufnahme einer Großstadt, die seither längst ihr Gesicht verändert hat.
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Sweet Home
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Horrorfilme aus dem Bereich Home Invasion zeichnen sich normalerweise dadurch aus, dass sie den Terror ins eigene Heim bringen und somit in die private Zone. Auf Reisen durch das Land muss das Opfer vielleicht damit rechnen, Psychopathen zu begegnen, die eigenen vier Wände jedoch werden als letzte Bastion der Sicherheit verstanden. Die Außenwelt spielt bei deren Infiltration keine Rolle mehr, sie wird sogar regelrecht aus dem Szenario geschnitten.

"Sweet Home" hingegen variiert die recht eng gesteckten Regeln dieses Subgenres und verfolgt damit höhere Ziele. Schon der Prolog macht deutlich, dass wir es nicht mit einem gewöhnlichen Genre-Werk zu tun haben: Anstatt einer 20-Jährigen steht hier eine alte Frau unter der Dusche. Nichts fürs Auge, aber sehr wohl dienlich für eine rabiat formulierte Kritik an der Gesellschaftspolitik. Denn der initiale Mord wird nicht von einem Geisteskranken mit Mutterkomplexen begangen, sondern vom gesichtslosen Mitarbeiter einer Agentur, mit dem Ziel, Wohnungsräume zu schaffen.

Eine wahrhafte Holzhammer-Attacke auf den Mietpreiswahnsinn in spanischen Großstädten also, die Rafa Martínez uns hier auftischt, auch wenn die Verpackung primitivere Gelüste zu befriedigen verspricht. Der eigentlich so einfache Kniff führt im weiteren Verlauf zu raffinierten Abwandlungen des Bekannten, nicht zuletzt dahingehend, dass es in diesem Fall nicht das eigene Heim ist, das einer Invasion durch einen Axtschwinger ausgesetzt ist, sondern das eines alten Mannes, den die Hauptfigur in ihrer Funktion als Immobilienmaklerin kurz vorher besucht. "Sweet Home" wird also zum Kampf nicht etwa um den persönlichen Grundbesitz, sondern um ein Grundsatzrecht, das stellvertretend von einem jungen Einzelkämpferpaar ausgefochten wird.

Barcelona spielt als Schauplatz dabei wieder seinen ganzen Charakter aus. Speziell im Treppenhaus des abgehalfterten Altbaus stattet uns "[REC]" per Déjà-Vu einen Besuch ab, auch außerhalb des Wohnbereichs dominierten chemische Farbtöne im Spektrum zwischen Rostrot und Fiebergelb.

Der begrenzte Vorrat von nur zwei potenziellen Opfern, der Maklerin und ihrem Freund, wird durch geschickte Nutzung der Raumverbindungen optimal ausgenutzt, so dass gar nicht allzu viel Mord und Totschlag notwendig ist, um das Terrorlevel hoch zu halten; wenn aber die Fetzen fliegen, dann so richtig. So subversiv der Unterbau, so stumpf dessen gewaltsame Untermauerung. Irritationen können davon ausgehen, dass zu Beginn ein nicht allzu geschickt vorgehendes Trio vorgeschickt wird, um die Wohnungen zu räumen. Als sich jedoch herausstellt, dass sie nur die Vorhut für den eigentlichen Gegner sind, darf der Genre-Freund sein zufriedenes Grinsen wieder auftragen - fortan geht es entschlossener, zielgerichteter und wortkarger zur Sache.

Eine runde Stunde dauert das intensive Versteckspiel, bevor das an die Physis von Rape-and-Revenge-Filmen der Marke "I Spit On Your Grave" angelehnte Finale nach strammen 80 Minuten einen eher konventionellen Deckel drauf macht. Ein typischer Home-Invasion-Vertreter ist "Sweet Home" aber nur dem Ablauf nach; seine Subtexte bezeugen ein Denken über das Eigenheim hinaus.
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Beitrag von Vince » 22.05.2018, 07:43

El Bar - Frühstück mit Leiche
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Wohl nur ein Alex de la Iglesias traut sich eine derart tollkühne Genre-Mischung zu. "El Bar" ist ein soziales Experiment nach Art von Buñuels "Der Würgeengel" oder Hitchcocks "Das Rettungsboot", angesiedelt in einem Madrider Café, umgeben vom Nebel der Mystery und infiltriert vom Horror des Feindes aus der Mitte. Der Glaube an das Gute im Menschen wird überlagert von seiner Unberechenbarkeit; gerade Jaime Ordóñez spielt eine tickende Zeitbombe, die auch einem "Witching & Bitching" als Halloween-Dekoration gut gestanden hätte.

Und irgendwie hält der Kleber bei diesem Mix aus Mystery-Thriller, Komödie, Bürger-Scharade, Terror- und Invasionsfilm tatsächlich alles beisammen. Um sich nicht in Sackgassen zu manövrieren, erfindet das Drehbuch ständig neue Wege, um die Situation noch weiter eskalieren zu lassen. Das mag nicht immer mit Logik gesegnet sein, was aber von den Ereignissen außerhalb des Cafés abgedämpft wird, denn die wirken ohnehin völlig surreal. Horror-Elemente schmuggeln sich durch verzerrte Fratzen und plötzliche Wendungen ein, werden aber stets mit einem ordentlichen Schuss Humor versehen, so dass keine Gefahr besteht, dass die Handlung sich zu ernst nimmt (nicht, dass diese Gefahr bei einem solchen Regisseur jemals bestanden hätte).

Einigen Exemplaren aus dem Ensemble möchte man links und rechts eine scheuern, weil sie wahlweise so dämlich, selbstmitleidig, egoistisch oder rücksichtslos agieren. Wenn man sich die letzten Minuten des Films ansieht, dann trifft das wohl ebenso auf die Menschen außerhalb des Cafés zu - einmal mehr kein positives Fazit, sondern eine betont schwarzhumorige Sicht der Dinge bahnt sich ihren Weg. Die mikroskopischen Aufnahmen von Bakterien und Viren aus dem Vorspann beziehen sich eben nicht nur auf die thematisierte Angst vor Ansteckungsgefahr, die mit einer Hatz durch die Kanalisation noch potenziert wird, sondern auch auf die um sich schlagende Selbstbezogenheit städtischer Mitbürger. Auch wenn sich de la Iglesias vielleicht ein wenig zu wiederholen beginnt - an emotionaler Wirkung lassen es seine Filme weiterhin nicht mangeln.
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The Asphyx
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Obwohl im Ganzen mit britisch-vornehmer Zurückhaltung inszeniert, angeführt vom respektierten Theaterdarsteller Robert Stephens, ist "The Asphyx" am Ende doch als moderne Unterhaltung gedacht, die streckenweise sogar ins Reißerische zu gleiten droht. In barocke Bildkompositionen, schwer atmend durch die dunkle, reichhaltige Ausstattung und ausgestellte Kostümierung, nehmen die Spielzüge einer klassischen Tragödie ihren Lauf. Ausgeleuchtet wird die fatalistische Dreiecksgeschichte um einen Vater, seine Tochter und deren Liebelein aber schon mit surrealistischen Grün- und Rottönen, die mitunter über Hammer-Referenzen hinaus in den Wirkungsbereich eines Mario Bava eindringen.

Wenn man so will, hat man es auch mit einem Vorläufer der "Ghostbusters" zu tun, weisen doch zumindest die visuellen Tricks um das Fixieren und Einfangen der Seele frappierende Ähnlichkeiten mit der Kombination aus Protonenstrahlern und Geisterfalle auf. Auffällig ist es dabei, wie sehr die Tricksequenzen zum Höhepunkt ausstaffiert werden. Die Situation und damit das weitere Vorgehen im Drehbuch verändert sich nach jedem der von flackernden Blitzen begleiteten Experimente nämlich frappierend. Aus einer anfänglichen Euphorie wegen ein paar Flecken auf einer Fotografie, die dem Enthusiasmus missverstandener Wissenschaftler aus Abenteuerfilmen der Marke "The Lost World" (1922) gleicht, wachsen regelrechte 3D-Effekte. Die klagenden Seelen springen teilweise aus dem Bild, richten sich direkt an den Zuschauer und geben dazu jede Neutralität auf, das geschmackvoll ausgestattete, klassische Drama entpuppt sich als B-Reißer, der auch vor rabiateren Methoden wie der Nutzung eines elektrischen Stuhls nicht halt macht. Bemerkenswert dabei ist es, welche Faszination der Film für Fotografie und Belichtung aufbringt. Anders als bei "Das Omen" (1976), der ebenfalls mit verdächtigen Gebilden auf Fotos arbeitete, spielt bei "The Asphyx" auch ein gewisses Interesse für den technischen Aspekt des Fotografierens eine Rolle.

Der im modernen London spielende Rahmen nimmt dem historischen Mittelteil leider bereits einen Großteil der Spannung. Wohin die Reise führt, ist nämlich keineswegs ein Geheimnis; noch dazu spielt Logik in den Überlegungen keine besonders gewichtige Rolle. Verständlich, dass einmal über ein Remake nachgedacht wurde. Darin hätte man Drehbuchschwächen verbessern, technische Aspekte neu interpretieren und die reizvollen Kontraste aus klassischen und modernen Einflüssen konservieren können.
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Hounds Of Love
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Die Zeit scheint beinahe still zu stehen, als die Kamera während der Titeleinblendungen durch das Viertel fährt. Es ist ein Haus dabei, hinter dessen verschlossenen Türen sich bald ein Entführungs- und Missbrauchsdrama abspielen wird. Eine stilisierte Zeitlupe lässt Waden beim Volleyballspiel tanzen, Wasser aus dem Gartenschlauch perlen und Gartenzäune nur zentimeterweise passieren. Schon jetzt ist klar: Es ist kein Polizeiaufgebot zu erwarten, das hollywood-like einmarschiert und die Geisel in dramatischen Minuten frei schießen wird. Wenn alles normal läuft, wird sie niemals gefunden.

Ben Young ist gerade audiovisuell ein auffälliges Debüt gelungen. Farbwahl, Bildkomposition, altbackene Ausstattung und ebenso alte Musik - schon ohne die Handlung als solche ins Spiel bringen zu müssen, entwirft er eine suburbane Hölle ohne Aussicht auf Wiederkehr. Entsprechend minimalistisch ist das Drehbuch gehalten - eine schlichte Meinungsverschiedenheit zwischen Mutter und Teenager-Tochter, eine Ausreißer-Aktion, charmante Überredungskünste aus dem Auto heraus und schon ist ein Horror-Szenario hergestellt, das die Entführte vor allem mit einem quält: Dem Vorenthalten des "Warum".

Da die Entführer keinen langfristigen Plan zu verfolgen scheinen (obwohl sie in der spärlichen Kommunikation mit ihrem Opfer Gegenteiliges andeuten), entscheidet Situatives über den weiteren Verlauf. Die schlichte Konstellation gewährt Aussicht auf eine erfolgreiche Flucht; alleine die Erfahrung des Publikums mit Terrorfilmen wirkt diesem Optimismus entgegen.

Es ist trotz eines beachtlichen Einsatzes von Ashley Cummings ausnahmsweise mal nicht die Entführte, die schauspielerisch herausragt, sondern Emma Booth, die ebenso sehr als Opfer wie als Täterin gezeichnet wird. Sie macht mit einer facettenreichen Darstellung deutlich, wie sehr psychische Gewalt in einer Partnerschaft das individuelle Denken einschränken kann. Damit wird sie zum Spannungskatalysator, wird der Ausgang der Geschichte doch von ihrem inneren Zwiespalt abhängig gemacht. Stephen Curry hat es mit der Darstellung eines brutalen Ekels da deutlich einfacher, befindet sich perfiderweise aber selbst in einer ähnlichen Situation, da Schuldner ihm eine ähnliche Last aufdrücken wie er seiner Frau.

Den Mittelteil hätte man straffen müssen, denn hier nimmt einfaches Trial & Error seinen Lauf, das keine der Figuren weiterbringt. Man könnte meinen, dass Booth die längere Laufzeit zur Entwicklung ihres Charakters benötigt, allerdings ist davon auszugehen, dass ihr straffe 80 Minuten ebenso ausgereicht hätten, da sie bereits früh auf ihren Zwiespalt aufmerksam macht. Davon abgesehen erreicht "Hounds Of Love" sein Ziel, mit einem flauen Gefühl im Magen in den Abspann zu gehen, ebenso effektiv wie ein "Eden Lake" oder "Menschenfeind".
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Annabelle 2
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David Sandberg wird künftig wohl kaum auf der Wunschliste der Produzenten stehen, wenn es darum geht, dem Horrorfilm neue Impulse zu verleihen oder neue Wege einzuschlagen. Er hat in seiner noch jungen Karriere als Regisseur zumindest noch nichts vorgelegt, was man als innovativ bezeichnen könnte. Mit "Annabelle 2" allerdings mutiert er zum Superstar der Marken-Instandhaltung. Was er nämlich aus diesem völlig toten Zweig des einst von James Wan gepflanzten Kinos der "neuen amerikanischen Welle paranormaler Geisterfilme" noch herausholt, ist ziemlich bemerkenswert.

"Annabelle" war eine Fehlentwicklung im Wan-Kosmos, der sonst auch sieben Jahre nach "Insidious" noch einen starken Puls aufweist. "Insidious: The Last Key" überzeugte in diesem Jahr zwar nicht unbedingt die Kritiker, sehr wohl aber das Publikum an den Kinokassen (insbesondere gemessen am Startmonat Januar). Diverse Helferlein des Bösen, die ihre Einführung in "The Conjuring 2" feierten, warten bereits auf ihre eigenen Spin-Offs ("Crooked Man", "The Nun"). Die hässliche Puppe mit dem weißen Kleid hingegen mag als gruselige Hintergrunddekoration im ersten "Conjuring" ihren Zweck erfüllt haben, wirkte solo aber wenig einschüchternd. Dass man überhaupt noch eine Fortsetzung in Auftrag gab, dürfte mit der schnellen Verfügbarkeit der Figur und einem eher geringen finanziellen Risiko zu erklären sein.

Die Rolle, die Sandberg nun in dieser kreativ gesehen völlig hoffnungslosen Ausgangskonstellation spielt, würde man im Fußball wohl als "Feuerwehrmann" bezeichnen: Er rettet, was eigentlich nicht zu retten ist. Prequels sind ja an und für sich schon Giftschrankmaterial, erst recht, wenn sie auch noch auf einem Spin-Off basieren, das eigentlich schon niemand haben wollte.

Eine Sackgasse. Was macht man also mit einer Sackgasse als aufstrebender Youngster? Man bohrt sich einfach ein paar Ausgänge. Schon die zeitliche Einordnung mehrere Jahrzehnte in die Vergangenheit ist als Befreiungsschlag zu verstehen; der gewählte Schauplatz erst recht. Der stickige Dunst amerikanischer Vorstadt-Nachbarschaft, der ja durch das latente Vorbild "Poltergeist" ohnehin schon nicht mehr ganz taufrisch war, wird einfach mit einer einsamen Landhausvilla und reichlich Country-Charme weggefegt. "The Devil's Backbone", "The Others", "The Amityville Horror" oder "Landhaus der toten Seelen" liegen nun bereits näher als das eigentliche Original.

Das lässt "Annabelle 2" schon bei der visuellen Ausgestaltung um ein Vielfaches größer und freier erscheinen im Vergleich mit dem direkten Vorgänger. Auf einmal ergeben sich grenzenlose Möglichkeiten in der Konzeption der Horror-Szenarien, selbst wenn die helle, offene Umgebung auf den ersten Blick nicht sehr stimmungsvoll erscheint. Sandberg verzichtet aber nicht auf dunkle Ecken und enge Räume, sondern setzt sie spielerisch überall ein, wo der Kontrast zur offenen Welt besonders schön zur Geltung kommt. Bei der Präsentation des Bösen denkt er weit über die Puppe hinaus und stellt mit fantasievollen Transformationsszenen, die unheimlicherweise stets im Verborgenen geschehen und nicht etwa direkt vor der Kamera, den Unterschied zwischen der Kreatur und seiner körperlichen Erscheinung heraus. Sich drehende Puppenköpfe und unerklärliche Positionsveränderungen nehmen glücklicherweise nur einen geringen Teil des gesamten Spektrums ein.

Besonders gelungen ist der Einsatz der Schauspieler, gerade was die Aufteilung der Aufgaben angeht, die normalerweise an eine einzelne Hauptrolle gebunden sind. Eine solche gibt es im klassischen Sinne diesmal nämlich nicht, vielmehr stehen mit Talitha Bateman und Lulu Wilson mindestens zwei Protagonistinnen im Mittelpunkt. Seine Empathie muss der Zuschauer also zwangsläufig auf mehrere Identifikationsfiguren aufteilen, was zu einer Verunsicherung führt, die Sandberg raffiniert für sich zu nutzen weiß, zumal die Kamera keineswegs an Bateman und Wilson kleben bleibt, sondern ebenso oft um diverse Nebendarsteller rotiert, die allesamt ihre eigenen Erfahrungen mit dem dämonischen Inkubus machen.

Das führt zu einer hohen Varietät bei der Konzeption der Horrorsequenzen, die erfreulich selten auf Jump Scares setzen (und die wenigen "falschen" Jump Scares dankbarerweise nicht mit Fanfaren und Trompeten auflösen, sondern stumm), sondern stets alternative Wege finden, die Spannung zu lösen. Gleichwohl macht sich Sandberg gerade in dieser Disziplin angreifbar, weil man ihm vorwerfen kann, er setze voll auf die Mechanismen, die sich in den "Insidious"- und "Conjuring"-Franchises bewährt haben, anstatt sie auf ein neues Level zu heben. Seine Franchise-Komptibilität hat er aber schon mit "Lights Out" nachgewiesen. Überhaupt ist zu fragen: Braucht es bei einem solchen Projekt wirklich einen Visionär oder nicht doch jemanden, der einfach nur sein Handwerk versteht?

Natürlich macht auch ein Sandberg aus einem "Annabelle 2" kein Oscarmaterial. Die Idee, für eine solche Fortsetzung überhaupt grünes Licht zu geben, ist und bleibt ziemlich fragwürdig. Den schlaffen Vorgänger übertrifft er trotzdem mühelos - und empfiehlt sich so für Projekte, die vielleicht etwas mehr Substanz zu bieten haben.
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Horror Express
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Wenn Christopher Lee und Peter Cushing gemeinsam Zug fahren, liegt doch bestimmt irgendwo etwas Altes in einer Kiste herum, das unter höchster Gefahr für Leib und Leben von A nach B transportiert werden soll. Und in der Tat funkelt da ein diabolisches Auge aus einem Guckloch, bereit, einen Ausbruch in Angriff zu nehmen und die komplette Zuggesellschaft in Angst und Schrecken zu versetzen. Dass dabei ausnahmsweise mal keine Fangzähne zum Einsatz kommen, ist nur eine der unzähligen Erfrischungen, die dieses durchschaubare, aber schwer unterhaltsame B-Movie zu bieten hat.

Das beginnt schon mit den Klischee-Gestalten aller möglichen Nationen aus dem asiatischen Raum, die am Bahnsteig herumlungern. Chinesen mit Kegelhut und gefalteten Händen unter weiten Ärmeln sieht man normalerweise in Lucky-Luke-Comics, hier verrichten sie in Live-Action ihr neugieriges Werk. Hinzu gesellen sich Kosaken und lustige Bosniaks, die alles, was die Chinesen mit mythologischem Zauberstaub versehen, mit russischem Pragmatismus weglachen. Klar, dass sich ein Telly Savalas in der Rolle des Anführers einer solchen Truppe vollkommen wohl fühlt. Nicht zu vergessen, ein allwissender Rasputin-Verschnitt (Alberto de Mendoza), der respektvoll-ehrfürchtig mit Lees ominösen Koffern umgeht und sich nicht ganz unerwartet im weiteren Verlauf opportunistisch zeigt - ein Überlebenskünstler alter Schule eben, der Mann mit dem zotteligen Kinnbart.

Es dauert nicht lange, da beginnt auch schon der fröhliche Einsatz schriller Make-Up-Effekte. Die Tricks sind simpel und verraten ihre Machart, haben aber zweifellos ihren Charme. Verzerrte Gesichter mit weißen Augen deuten auf das Wirken einer ominösen Kreatur hin, die Sezierung eines Gehirns, dessen Falten allesamt geglättet wurden, vermittelt ein herrlich naives Wissenschaftsbild. Die Kreatur selbst ist zunächst ein halb aufgetauter Ötzi, der zunächst in Form von Close Ups eines vermoderten Gesichts und behaarter Armprothesen in Erscheinung tritt, wobei das Skript diesbezüglich noch eine faustdicke Überraschung zu bieten hat, mit einer Wendung, die das Einfangen des Entflohenen wesentlich erschwert - und den Spaßfaktor erhöht.

Auch wegen der fahrenden Kulisse mitsamt schwerer, wertiger Ausstattung wird "Horror Express" dadurch zu einer launigen Variation des bekannten "Whodunit", sofern man willens ist, einen gehörigen Schlag Story-Trash zu schlucken, ohne seine Glaubwürdigkeit zu hinterfragen. Wem konventionelle Detektivfilme und Krimis aus jener Zeit zu altbacken sind, der könnte hier mal einen Blick riskieren.
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Barry Seal
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An der Person im Mittelpunkt ist Doug Limans abenteuerliche Nicht-Biografie weniger interessiert. Vielmehr werden die Eckdaten aus dem Leben des realen Barry Seal dazu verwendet, um eine klassische Querschläger-Story zu erzählen. Ein einzelner Mann, der mit seinen Alleingängen die Brüchigkeit des Systems offenlegt und unterschiedlichste Zuständigkeiten miteinander kollidieren lässt, so etwas sieht das amerikanische Publikum gerne. Denn es stärkt die Hoffnung, dass das Individuum bei der Gestaltung seines Weges immer noch ein paar Zügel in der Hand hält.

Es ist davon auszugehen, dass Tom Cruise mit dem 150-Kilo-Original in Sachen Optik und Auftreten nicht viel gemein haben dürfte. Aber wen interessiert das hier noch. Cruise navigiert mit luftig-leichter Hans-im-Wind-Note durch das Skript und macht seine Sache auch deswegen gut, weil er nicht nur ein tollkühnes Flieger-Ass gibt, sondern auch eine ziemliche Niete, wenn es darum geht, wie man sich beim Abschluss illegaler Geschäfte zu verhalten hat. Zur Unterstreichung eröffnet Doug Liman allerhand Nebenschauplätze und fantasiert zusätzliche Ereignisse zusammen, um im Gesamten den Adventure-Touch zu bewahren. Dazu gehören riskante Geld- und Warenübergaben, Harakiri-Landemanöver in einer Wohnsiedlung und auch familiäre Komplikationen, die aller Wahrscheinlichkeit nach so nie stattgefunden haben. Nichts aber fasst die Kernaussage des Films besser zusammen als der Moment, in dem die unterschiedlichsten Zuständigkeiten, von der Polizei über die DEA und die CIA bis zum Platzhirsch FBI, zur gleichen Zeit am gleichen Ort eintreffen.

Ästhetisch wagt Liman einiges, setzt er doch auf eine von Unschärfen geprägte, in rotes Dämmerlicht getauchte Früh-80er-Nostalgiefärbung, die mit den eigenwilligen Linien der damaligen Fahrzeuge eine Einheit ergeben. Im eigentlichen Sinne schön ist das nicht (HD-tauglich ebenfalls nicht, wie Technikfetischisten wohl enttäuscht feststellen werden), aber es hebt sich wohltuend ab vom standardisierten Blockbuster-Kino, das meist nur rasiermesserschafe, symmetrisch austarierte Bildfülle kennt.

Ganz eigenständig ist "Barry Seal" deswegen natürlich nicht; schließlich folgt er offensichtlich den Pfaden von "Blow" oder "Catch Me If You Can". Alle paar Jahre kommt einem so ein Possenspiel aber gerade recht.
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Die Autos, die Paris auffrassen
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Die Konzeption des sich selbst verschlingenden Kleindorfs, in Peter Weirs "Die Autos, die Paris auffraßen" trifft sie auf eine wahrhaft bizarre allegorische Verkleidung. So bildhaft wie der Titel ist die Handlung nicht; weder geht es um menschenfressende Auto-Mutanten noch findet die Handlung in einer französischen Großstadt statt. Ganz im Gegenteil, hier sind äußerst irdische Kräfte am Werk und sie walten irgendwo im australischen Nirgendwo auf einem Punkt der Landkarte, den Menschen wahrscheinlich nur zufällig passieren. Dabei ist gerade der Titel in seiner Monstrosität genial gewählt. Die aus ihm entstehende Suggestion führt soweit, dass man ein parkendes Auto in einer schlichten ersten Einstellung daraufhin zu prüfen beginnt, ob es eine eigenwillige Persönlichkeit besitzt: Steht da am Wegesrand womöglich eine böse Variante von "Herbie", die im Inbegriff ist, Amok zu laufen?

Natürlich trügt uns der Instinkt. Stattdessen werden nachfolgend zunächst einmal Dorfbewohner gezeigt, die wie besessen ihre Autos pflegen, sie ungewöhnlich bemalen und mit Features versehen, die sie glatt für ein "Death Race 2000" wie im gleichnamigen Film von 1975 tauglich machen würden. Ein rundum mit Spikes versehener Käfer wäre sogar in der Welt von "Mad Max" ein ziemlicher Hingucker. Die Vermenschlichung der Autos geht also von ihren Besitzern aus. Einer von ihnen schreit wie am Spieß, als sein Fahrzeug in den Flammen zerstört wird, beinahe so, als handle es sich um Lebewesen. Weir spielt auch mit Elementen des Backwood-Horrorfilms, als er auf degeneriert dreinschauende Darsteller setzt. Er kombiniert diese Figuren mit sektenartigen Anführern, die sich hauptsächlich im reichlich merkwürdigen Verhalten des Mayors (John Meillon) spiegeln.

Wie die meisten Geschichten dieser Art folgt auch diese dem Prinzip der Eskalation. Was im ersten Akt noch unter der Oberfläche brodelt, stößt naturgemäß während eines mehr als unheimlichen Dorffestes an die Oberfläche, im Takt mit den Entdeckungen, die Terry Camilleri als Maulwurf des Zuschauers macht. Als habe Weir gerade darauf abgezielt, zelebriert er chaotische Auto-Stunts in einem Kontext, der weniger von Action als von Horror geprägt ist, pfeift auf jede Form einer ausdefinierten Choreografie. Und so klassisch die Dramaturgie ist, so ungewöhnlich die Mittel, mit der sie erreicht wird. Auch wenn man noch so viele "Weird Village Tales" gesehen hat - "Die Autos, die Paris auffraßen" ist merkwürdig in fast jeder Hinsicht.
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Malastrana (Short Night Of Glass Dolls)
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Der klangvolle Originaltitel „La Corta notte delle bambole di vetro“, übersetzt "Short Night Of Glass Dolls", sucht einen bildhaften Zugang zum Inhalt des mit Giallo-Elementen gespickten Thrillers, den er beschreibt, doch ein schlichtes "Malastrana" wie aus dem deutschen Titel reicht im Grunde vollkommen. Es ist schließlich das gleichnamige Prager Viertel, das der „kurzen Nacht“ ihre Form verleiht. Meist auf Höhe von Sträuchern und Hydranten gefilmt, mit freiem Blick in den Himmel, wird die Perspektive eines vermeintlichen Toten eingenommen, der durchaus noch etwas Wichtiges zu erzählen hat - begleitet von den Seufzern weiblicher Stimmen, die einen unheimlichen Soundtrack bilden, der die Sinneseindrücke aus dem Wachkoma heraus in einen unwirklichen Kontext setzt.

Wenn "Malastrana" streckenweise langatmig wirkt, so mag das mit der somnambulen Wirkung zusammenhängen, die er aus jeder Pore verströmt. Sie verfolgt ein anderes Ziel als schnöde Unterhaltung, setzt nämlich nach und nach ein Mosaik aus Steinen mit diffus verlaufenden Kanten zusammen, um in einem infernalisch-orgiastischen Höhepunkt zu enden, wie ihn in der neueren Geschichte des Horrorfilms eigentlich nur "Martyrs" zu erzeugen wusste. Gesellschaftliches, Kriminalistisches, Wissenschaftliches und Medizinisches trifft die eigentlich durchweg irreale, weil stark subjektivierte Narration in der Manier eines Kometeneinschlags, obwohl all jene Themenfelder der Story im Grunde bereits die Basis liefern. Doch die Wahrnehmung diktiert in diesem Film die Realität. Bei den Vorbildern herrscht Einigkeit etwa mit einem "The Night Child": Roegs "Wenn die Gondeln Trauer tragen" lässt sich in Häuserreihen zwischen Pflastersteinen ablesen, die okkulten Märchenwelten diverser Bava-Werke ebenfalls. Und am Ende der Freeze Frame einer schreienden Frau, der symbolisch für die Erkenntnis steht, dass Film immer auch Traum ist, bei dem das schmerzhafte Erwachen sich womöglich bloß als Portal in den nächsten Traum entpuppt.
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Weitere Sichtungen:
Railroad Tigers
Dollman vs. Demonic Toys
Baywatch
American Assassin
Suburbicon
Beyond Skyline
Jumanji
10 To Midnight
Der Boxer und der Tod
The Devil's Backbone

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Beitrag von Vince » 24.06.2018, 10:10

The Story Of Film
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15 Stunden. Annähernd 1000 Minuten Raum also, Ausschnitte aus Filmklassikern zu zeigen, Eindrücke von der Welt, die zur Entstehung von Filmen inspirierten, Interviews mit Filmemachern, die subjektive Einblicke in diese Prozesse liefern. Das klingt erst einmal nach einer Menge Holz, aber mit seiner Dokumentationsreihe "The Story Of Film" beweist Mark Cousins, dass selbst dieser beachtliche Zeitrahmen nur ein Wimpernschlag ist, bedenkt man den kühnen Anspruch, die gesamte Filmgeschichte in einen Rahmen zu fassen.

Und Cousins scheitert vorhersehbar an diesem Anspruch. Dabei ist das Bemühen, einen allumfassenden Querschnitt von den Anfängen des späten 19. Jahrhunderts bis in die 2000er Jahre zu geben, deutlich spürbar. Es führt weit über Hollywoods Tore hinaus, gibt tiefe Einblicke in das afrikanische, australische, lateinamerikanische, asiatische Kino, für die man dankbar sein sollte, denn nicht selten sind es weitgehend unerforschte Gewässer, die hier betreten werden.

Während die Dokumentation ihre Brennweite immer weiter nach außen verlagert, spürt sie allerdings kaum, wie ihr Objekt im "Vertigo"-Stil immer tiefer im Fluchtpunkt versinkt. Cousins Weltkino, so facettenreich es sich im kulturellen Sinne auch geben mag, konzentriert sich beispielsweise fast vollständig auf den realistischen Film in all seinen Ausprägungen. Filme sind für ihn vor allem ein Spiegel, die gesellschaftlichen und politischen Zustände des Produktionslandes abbilden soll. Den phantastischen Film hingegen scheint er zwar zu registrieren, er misst ihm aber eine vergleichsweise geringe Bedeutung bei. Erst, als in den 70er Jahren der Blockbuster erfunden wurde, als "Jaws", "Star Wars" und der "Exorzist" den Takt angeben, scheint es keine Alternative und keinen Weg vorbei zu geben am Genre-Kino für die Massen. Zuvor und danach findet es anerkennende Erwähnung, beinahe aber eher wie eine Fußnote; selbst wenn Pioniere wie George Méliès abgehandelt werden. Allenfalls dem Surrealismus als Grenzbereich wird durch die Nennung Buñuels und Lynchs ein gewisser Einfluss zugesprochen. Durchgehend Erwähnung finden dagegen Regisseure wie Scorsese, Mizoguchi, Gozu, Bergman, Pasolini oder von Trier, solche, die sich mit Menschen, mit deren Milieus und sozialen und gesellschaftlichen Strukturen beschäftigt haben; weniger mit den karikierenden Abstraktionen und blumigen Metaphern des Menschseins, die der beispielsweise der Horror-, und Science-Fiction-Film bietet.

Und selbst diese Lücke ist nur ein Teilaspekt dessen, was in den vollen 15 Stunden alles eben keine Erwähnung findet. Es ist stets von den "Meistern" die Rede, der Begriff "genial" kehrt regelmäßig zurück, die Virtuosität einzelner Szenen und Einstellungen wird stets aufs Neue mit kindlicher Begeisterung zelebriert. Was aber ist mit den Ausgestoßenen und Deformierten, jenen, die weniger die hohe Kunst bedienten und doch auf ihre Weise die Geschichte des Films prägten? Von Mario Bava bis Ed Wood fehlt ein komplettes Spektrum von Unikaten im Regiehandwerk, der Einfluss eines William Castle oder Roger Corman auf die Arbeitsweise im Film und das Erleben im Rahmen der Medien (Kino, TV, Video) bleiben unerwähnt.

Seine Stärken hat die Dokumentation in der Filmanalyse, die sehr in die Tiefe geht und doch durch die Unterstützung der gezeigten Bilder sehr verständlich bleibt. Wenig raffiniert mag der Aufbau klingen, jedem Jahrzehnt eine Episode (manchmal auch zwei, je nach subjektiv empfundener Relevanz) zu widmen, doch das wird mit spannenden Querverweisen elegant gelöst. Diese erinnern mitunter an Kubricks berühmten Match Cut aus "2001": Wenn Cousins eine Szene aus einem Film der 20er Jahre vorstellt und einen Sprung 50 Jahre in die Zukunft macht, um dort die verblüffende Ähnlichkeit einer weiteren Szene zu demonstrieren, dann hat das mitunter schon einen Wow-Effekt. Bei der Einordnung der einzelnen Beiträge zur Filmgeschichte wiederum hadert die Argumentation mit einem fragwürdigen Relationsprinzip: Stets ist ein Regisseur noch wichtiger, noch einflussreicher, letztlich noch "genialer" als der vorherige. Diese Hierarchisierung kann im besten Fall enthusiastisch wirken, im ungünstigsten Fall hingegen prätentiös, zumal gerade bei den unbekannteren Werken die Subjektivität als einziger Maßstab verwendet wird, denn ein Popularitäts-Argument fehlt dem Kommentator in diesem Fall, um seinen Standpunkt zu untermauern. Zuletzt ist vor allem der Einbau von Metaphern nicht immer als gelungen zu bezeichnen; speziell die "Christbaumkugel" und der "Affe" verführen alleine der beharrlichen Wiederholung wegen auch mal dazu, dass man fragend die Augenbraue anhebt.

Aber was will man sich beschweren; am Ende ist es doch so, dass es im Bereich des Meta-Dokumentationsfilm (Film über Film) kaum Vergleichbares gibt, was Umfang, Detailliertheit und vor durchaus auch Fachkompetenz angeht. Insofern ist "The Story Of Film" schon die 15-stündige Reise wert, auch wenn man sich klar machen muss, dass es nur ein ausgewählter Bereich aus dem Spektrum des Regenbogens ist, der hier thematisiert wird.
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Grießnockerlaffäre
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Der Kreisverkehr am Ortseingang Niederkaltenkirchen ist für die Handlung von „Grießnockerlaffäre“ relevanter denn je. Abzweigungen nach außen, wie etwa beim Italien-Trip aus „Schweinskopf Al Dente“ oder beim Flug nach Teneriffa in „Winterkartoffelknödel“, gestattet Rita Falks Vorlage diesmal offenbar nicht; der Niederbayer darf sich nun wieder gedankenlos im Kreise drehen und ungestört im eigenen Safte dünsten. Wenn schon nicht die fehlende Motivation dafür sorgt, dass der Kriminalfall in die weite Welt hinaus expandiert, so verschleiert wenigstens der Alkohol den Orientierungssinn. Und so sind ein paar Runden mit dem Böllerwagen durch den Kreisverkehr am Ende alles, was der völlig betrunkene Main Cast jenseits des Ortseingangsschildes zustande bekommt.

Dabei klingt am Skript zunächst einmal nichts nach Erhalt des Status Quo. Immerhin wird Franz Eberhofer diesmal des Mordes an einem Vorgesetzten beschuldigt. Eine feucht-fröhliche Hochzeitsfeier (mit einem sehr speziellen Running Gag: Der Ghanaer Castro Dokyi Affum diesmal nicht als Fußballer oder Pizzabote, sondern als singender Alleinunterhalter) gibt zum Auftakt den Ton an und stellt die Verhältnisse schnell klar. Es dauert keine fünf Minuten, da fuchtelt Eberhofer bereits mit seiner Dienstwaffe herum und wirft im angedichteten Zustand mit Drohungen um sich. Schön, dass man sich auf Sebastian Bezzel verlassen kann; der Mann trifft die Rolle nicht nur in den kleinen Momenten wie beim Zubereiten einer Leberkäs-Semmel perfekt, sondern sorgt selbst in den abgedrehten Situationen dafür, dass man als Zuschauer nicht allzu voreilig die „unrealistisch“-Keule herausholt.

Als dann aber Omas Jugendliebe Paul wie aus dem Nichts zur kauzigen Familie stößt und es fortan nur noch Grießnockerlsuppe gibt (nichts anderes verträgt Paul), heißt es wieder: Omas Küche Est Omen. Mit der täglich grüßenden Suppe geht auch alles andere in die Wiederholung: Susi nervt, Rudi hadert nervös mit dem Fotoapparat, Flötzinger gibt das Ekel.

Dass sich der vierte Eberhofer-Fall selbst genug ist, kann man positiv wie negativ auslegen. Ambitionierte Larger-Than-Life-Szenarien, die bloß den Erfolg der Reihe widerspiegeln und dafür ihren Charakter aufs Spiel setzen, braucht schließlich keiner. Andererseits vermisst man schon einen starken Antagonisten, wie Gregor Bloéb ihn im Vorgänger geboten hat. Zumal Neuzugang Lilith Stangenberg unangenehm an Jeanette Hains verkrampfte Femme-Fatale-Variation aus „Winterkartoffelknödel“ anschließt. Der Wind, der durch Niederkaltenkirchen weht, riecht diesmal doch ein wenig muffig...
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Coco
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Risikofrei nach dem höchsten Stand der Animationskunst angefertigt und auf die Tradition der hauseigenen Errungenschaften vertrauend, ist „Coco“ schon dem Selbstverständnis nach ein klassisches „Disney-Meisterwerk“. Die liebevolle Aufbereitung der mexikanischen Kultur hat weniger mit einem liberalen Statement in einem protektionistischen Amerika der Gegenwart zu tun, sondern vielmehr mit dem Bestehen auf moralische Werte, die für Disneys Kindererzählungen schon immer galten.

Es fällt somit schwer, in echte Stürme der Begeisterung zu verfallen, denn Euphorie wird vor allem durch Neuartiges ausgelöst. Nachdem in den letzten 20 Jahren bereits einige Naturvölker im Zentrum der Disney-Erzählungen standen („Pocahontas“, „Bärenbrüder“, „Lilo & Stitch“, „Merida“, „Vaiana“), ist die Beschäftigung mit dem „Día de los Muertos“ keine große Überraschung, zumal sich der Computeranimationsfilm „The Book Of Life“ aus dem Hause 20th Century Fox bereits im Jahr 2014 mit dem Stoff beschäftigte, so wie der mexikanische Feiertag überhaupt wieder stark vertreten ist in der Popkultur – etwa durch den 24. James-Bond-Einsatz „Spectre“.

Und doch war der Wert einer sorgfältig gemachten, fein ausgearbeiteten Disney-Pixar-Produktion lange nicht mehr so hoch wie heute. Der Animationsfilm-Hype ist längst wieder abgeflacht. Mittelmäßigkeit wird als solche wieder entlarvt, gute Wertungen entstehen nicht mehr durch die bloße Vergabe des „Neu“-Siegels. Zudem sehnt sich das Publikum in unsicheren politischen Zeiten vielleicht wieder nach Zuverlässigkeit und alten Werten. Beste Karten für „Coco“, der sich jeden Kommentar zur Gegenwart spart. Keine Gags über Smartphones, soziale Netzwerke oder das digitale Zeitalter im Allgemeinen, kein verkrampfter Versuch, die Tradition mit dem Fortschritt zu verknüpfen, obwohl der Plot dies ermöglichte. Aber anstatt die noch jungen Eltern der 12-jährigen Hauptfigur zu einem Teil der modernen Gesellschaft zu machen, erhalten sie die lange Familientradition der Schuhmacher am Leben – ein Handwerk, das man in einem Disney-Film der 40er Jahre eher erwarten würde als heute.

So etabliert Regisseur Lee Unkrich („Toy Story 3“) sein exotisches Setting schnell in einer einladenden Weise, die selbst den Besuch auf einem Friedhof romantisch erscheinen lässt. Noch bevor die Geschichte ihre Links auf die Fantasy-Ebene aktiviert, hat man sich längst mit den liebenswerten Figuren und ihrer Umgebung angefreundet. Die klassischen Slapstick- und Sidekick-Elemente bleiben zwar erhalten (der Straßenhund als treuer Gefährte der Hauptfigur, aber auch als Bewahrer der alten Ahnenreihe von Tieren in Disney-Filmen und ihrer Funktion als Maßstab für den sozialen Stand: Von „Oliver & Co.“ über „Susi & Strolch“ bis „Aristocats“), doch über die Comichaftigkeit der Konkurrenz ist dieser Film weit erhaben. „Eine Gesellschaft erkennt man daran, wie sie ihre Ältesten behandelt“ - wenn dieser Satz stimmt, hat sich dieses Werk einen besonderen Respekt verdient, denn so einfach, wie die zerfurchte Urgroßmutter zum Running Gag hätte reduziert werden können, versieht der nicht umsonst nach ihr benannte Film sie mit viel Komplexität und behandelt sie mit Würde.

In der actionreichen zweiten Hälfte offenbart sich zwar ein sehr konventionell geratener Story Arc mit klassischem Bösewicht und wenig einfallsreichen Wendungen, doch alleine die Animation macht das alles wett. Laternen leuchten bunt, die Kostüme der Mariachi strahlen weiß im Mondlicht und der Übergang in die Totenwelt ist mit grenzenloser Fantasie gesegnet. Vom Videospiel „Grim Fandango“ bis hin zu Burtons Grusicals lassen sich viele Einflüsse erahnen, aber auch wenn die letzte Kreativität aus eigener Quelle vielleicht fehlt, so taucht man doch nur allzu gerne ein in die Zwischenwelt, die Lebende und Tote miteinander vereint. Und am Ende ist „Coco“, so konservativ er auch geraten sein mag, der beste Computeranimationsfilm seit vielen, vielen Jahren.
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Schneemann
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Bedrohlich bäumt sich der Schneemann vor dem Fenster auf und starrt grimmig durch das Fenster, einen Ball formend, bereit zum Abwurf. Doch er konnte nicht ahnen, dass die Schneebälle postwendend Retour gehen würden, bis ihm die nicht vorhandenen Ohren klingeln...

Ja, mit Ablehnung beim Publikum, das sich bisweilen unberechenbar verhält, muss man immer rechnen. Aber dass sich die Kritik fast einstimmig gegen einen solchen Edel-Thriller im ewigen Eis von Norwegen aussprechen würde, ist wohl eher nicht in die Kalkulation eingeflossen. In diesem Fall dürfte das tatsächlich Zuschauer gekostet haben, nach dem Motto: Wenn nicht einmal die Kritiker bei einem für Kritiker gemachten Film etwas Positives zu berichten haben, müssen wir uns erst recht nicht damit befassen.

Dabei könnten Zuschauer, die eher vom Visuellen gesteuert werden als vom Inhalt, durchaus etwas verpassen. Es ist nun nicht so, dass die schlechten Rezensionen Unwahrheiten verbreiten: Das Drehbuch ist in der Tat zerfahren, es öffnet einen Subplot nach dem anderen, es erlaubt keinen Zugang zu den Figuren (fatalerweise erst recht nicht zur Hauptfigur), es verheizt einen ziemlich prominenten Cast in teilweise unbedeutenden Rollen. Verschwiegen wird aber auch, dass traumhafte Bilder skandinavischer Berg- und Schneelandschaften gezeigt werden und die Kamera Mittel und Wege findet, diese in ganz besonderen Kompositionen zu verarbeiten. Alleine die scharfen Kontraste sorgen schon für Schockwirkung nach alter Hitchcock-Rezeptur. Speziell "Das Fenster zum Hof" wird durch die exzessive Nutzung des Hintergrunds und durch die oft genutzte Fensterscheiben-Perspektive, die gewissermaßen zur Untätigkeit verdammt, mehr als einmal zitiert. Auch Nolans "Insomnia" blitzt auf, wann immer der weiße Schnee von dunklem Rot durchtränkt wird.

Diesbezüglich ist "Schneemann" weit mehr als ein gewöhnlicher Skandinavien-Krimi. Dass das Drehbuch nicht ganz mitspielt und man eventuell auch an der Schauspielführung das ein oder andere monieren kann, ist natürlich bedauerlich. Wären diese Punkte aber auch dem gleichen Niveau wie die reinen Bilder, müssten wir sogar von einem der besten Thriller des Jahres sprechen.
:liquid6: ,5

Die Barbaren
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Ist man bei "Herkules" noch gut beraten, den Filmabend für den vollen Genuss mit reichlich Alkohol zu begießen, so ergibt sich diese Notwendigkeit bei "Die Barbaren" nicht - da sieht man bereits ohne Hilfsmittel doppelt. Deodatos Barbaren-Sause ist nicht nur bis zur Kante mit Glitzerkostümen, Plastikschwertern und glänzenden Hinterschinken vollgepackt, sondern klotzt auch noch mit den treudoofen Paul-Brüdern in der Hauptrolle, die es gemeinsam schaffen, das Bild zur Hälfte mit Fleisch füllen. Wie programmierte Rasenmäher-Roboter bewegen sie sich durch das abgesteckte Areal aus Wiesen, Wäldern und Höhlen, genießen Wasserfallbäder auf ihrer Reise ebenso pragmatisch wie weibliche Gesellschaft und röhren jede Gefahr mit dem Brunftschrei einer rolligen Hirschkuh einfach weg. Sowohl Lou Ferrigno als auch Arnold Schwarzenegger hatten ihre peinlichen Momente als stählerne Muskelberge, an das dummdreiste Gebahren der Pauls reichen jedoch beide nicht heran, zumal gespiegelte Doofheit immer besonders grenzenlos erscheint.

Erstaunlich schöne Landschaftsbilder leiten unerwartet die Credits ein, doch kurz darauf folgt bereits eine Actionsequenz im Western-Galopp-Stil, die jegliche Schönheit für immer tilgt. Hinter Paradiesvogel-Outfits, abwegigen Perücken und und dicker Schminke wird eine Gruppe Gaukler eingeführt, die sich gegen angreifende Räuber mit allen Tricks wehrt und doch nicht verhindern kann, dass ein junges Zwillings-Brüderpaar aus ihrer Mitte entführt wird. Vorhang auf für einen der dümmsten Zeitsprünge der Filmgeschichte, an dessen Ende zwei ausgewachsene Stiernacken stehen, die sich aufgrund eines furiosen Villain-Plans zunächst gegenseitig bekriegen, bis sie merken, dass ihnen jeweils das eigene Fleisch und Blut gegenübersteht.

Was geschieht, als die Blutsbrüder sich dann endlich zusammenschließen, ist ein beispielloses Ballett der Grobschlächtigkeit mit der filigranen Gewandtheit eines Jojos. Mit ihrer unverwechselbaren Art, sich gegenseitig voranzutreiben, sprengen sie Schlingen um ihre Hälse, rennen offene Türen ein (und navigieren fast schon in Zeitlupe Richtung Boden), schlitzen Themenparkattraktionen auf, gegen die Siegfrieds Drachenkampf in Fritz Langs „Die Nibelungen“ (1924) wie eine ultrarealistische Naturdokumentation aussieht. Ihr Gegenspieler, von Richard Lynch überheblich wie ein schlechter Star-Trek-Villain präsentiert, schaut sich das Spektakel der Chargierenden weitestgehend aus der Distanz an, um sich in einem High-Noon-Endkampf eins auf die Mütze geben zu lassen. Das Lächeln, das die Pauls sowieso schon über den gesamten Film auftragen, wird in diesem letzten Schritt zur Sonne geadelt: Es ist scheinbar ewig während und unzerstörbar. Zumindest 30 Jahre später hat es nichts von seiner naiven Wirkungskraft eingebüßt.
:liquid4:

Haze
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Wer mal einen Bericht über japanische 5-Quadratmeter-Wohnungen gesehen hat, in denen Kochplatten auf dem Toilettensitz aufgestellt werden, dem wird das perfide Steinlabyrinth aus den Hirnwindungen von Shinya Tsukamoto vielleicht gar nicht mehr so abstrakt vorkommen. Nach Silhouetten ausgeschnittene Gänge, so maßgeschneidert wie ein Hochzeitsanzug, limitieren den dreidimensionalen Agitationsbereich, den man als mündiger, freier Mensch gewohnt ist. Im experimentellen Kurzfilm "Haze" gibt es nur zwei Dimensionen, und selbst die Bewegungsrichtung wird oft wie von Geisterhand ferngesteuert. Als wäre das nicht genug, werden Sackgassen hinzuaddiert, in deren Winkeln sadistische Fallen warten; so lauert beispielsweise ein Hammer an der einzigen Stelle, die zumindest ein wenig Erholung verspricht, um mit konstanten Schlägen mürbe zu klopfen. Garniert wird der Horror, den klaustrophobisch veranlagte Zuschauer ohne Wenn und Aber vermeiden sollten, mit schwimmenden Körperteilen zerteilter Leidensgenossen. Deutet die schlauchartige Architektur der offenbar unterirdischen Konstruktion an, dass hier offenbar jemand ein "Spiel spielen" will - der Mainstream kennt es aus den "Saw"-Filmen - weisen die achtlos gesammelten Leichenreste darauf hin, dass dem Erbauer das Schicksal seiner Laborratten im Grunde egal zu sein scheint.

Wenn hier mal nicht ein drastisches Gesellschaftsbild gezeichnet wird! Mit einem Slasher der Marke "Saw" hat "Haze" daher auch viel weniger zu tun als beispielsweise mit einem "Eraserhead", der zwar einen anderen Weg nahm, um Beklemmung zu erzeugen, jedoch mit dem gleichen Resultat aus der Gleichung kam. Verquasten Kunstquatsch werden das viele genannt haben, denn Gestöhne der Erschöpfung, körniges Bild und null Erklärung der völlig kontextlos präsentierten Vorgänge verführen dazu, das Vorhandensein eines Sinnes zu hinterfragen. Dabei explodiert "Haze" regelrecht vor lauter Subtext. Ganz wie zu besten "Tetsuo"-Zeiten.
:liquid8:

El Dia De la Bestia
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Álex de la Iglesia ist im Grunde all die Jahrzehnte, in denen er aktiv war, ein Regisseur der 90er geblieben, wie eine Neusichtung seiner Anfänge untermauert. "El Dia De La Bestia" erwartete im Jahr 1995 in Begleitung eines Thrash- und Power-Metal-Soundtracks die Ankunft des Antichristen und stellte damit eine Blaupause für das Gesamtwerk des Regisseurs, das sich auch zwei Jahrzehnte später in Filmen wie "El Bar" nicht besonders weit von den Wurzeln entfernt hat. Gerade die wilde Genre-Mixtur zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte Filmographie. Mitte der 90er hatte sie also ihren Urknall: Ein Priester, der sterbenden Unfallopfern die Brieftasche aus der Jacke zieht und dann einen Plattenladen besucht, um sich dort die Musik des Satans (=Metal) auf Vinyl rückwärts vorspielen zu lassen, da kann man kaum anders, als die Handschrift des Regisseurs zu erkennen. Und in der Gesamtbetrachtung zu verstehen, wie sehr ihn das Jahrzehnt seiner ersten Filme geprägt hat.

Zu 70 Prozent ist "El Dia De La Bestia" Komödie und zu 30 Prozent Horrorfilm, aber er ist mehr als das: Groteske, Satire, Abrechnung mit Medien und Werbung. Ein Metal-Head wird zum Helfer im Kampf gegen den Gehörnten, eine bewusste Verdrehung von herzhaft gefeierten Klischees. Der Verbund eines Priesterkutten-, und eines Jeanskuttenträgers ist sowieso bereits eine grobschnittige Comic-Paarung, mit dem schmierigen Host einer okkulten TV-Serie wird es nur noch bunter. Aufrecht stehende Ziegen, Pentagramme auf dem Fußboden und Jungfrauenblut, wer da nicht nostalgisch wird, ist wohl zu spät geboren. Álex Angulo nimmt schon mal Ian Holmes' Priester aus "Das Fünfte Element" vorweg und holt das Publikum mit seiner nervös-hektischen, dabei aber auch staubtrockenen und in den entscheidenden Momenten sehr pragmatischen Art früh ab. Schon kurz nach dem Prolog ist im Grunde alles in trockenen Tüchern. Derbster Slapstick in den Apartments einer durchgeknallten Familie und eines TV-Moderators halten den Unterhaltungswert auch im schwierigen Mittelteil hoch; bloß das unspektakuläre Finale sackt ein wenig ab. Aber dafür gibt es ja noch eine letzte Pointe.

De la Iglesias schwarzer Humor ist zu jener Zeit vielleicht noch ein wenig ungeschliffen. Wenn man es sich genau überlegt, ist all die Jahre auch nicht mehr sehr viel daran geschliffen worden. Aber das ist ja gar nichts Schlechtes. Man könnte sagen: Das muss so.
:liquid7:

Microwave Massacre
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Der Titel mag unverblümt auf die Klientel abzielen, die sich gerade noch am "Texas Chainsaw Massacre" delektierte und nun Nachschlag verlangt. Zufriedengestellt werden irritierenderweise aber nicht etwa die Jünger des Gore mit Lätzchen um den Hals und Messer und Gabel in den gepressten Fäusten, sondern hauptsächlich Freunde skurriler Sitcoms und minimalistischen Humors. Der Komiker Jackie Vernon zündet in der Hauptrolle ein klatschnasses Einmann-Feuerwerk, das sich im Mund zusammenzieht wie trockener Rotwein. Seine Pointe ist es, eben gerade nicht krachend in der Luft zu explodieren, sondern schulterzuckend auf das armselige Resultat einer Fehlzündung herabzublicken.

Also definiert sich jedes der punktuell auftretenden Highlights nicht etwa über hemmungslose Entladung, so wie man es vom klassischen Slasher gewohnt ist. Im Gegenteil, alles dreht sich darum, den Aufbau einer jeden Szene im Keim zu ersticken. Der sexuelle Akt endet in Ernüchterung und die Kills verlieren sich im Off. In einer Traumsequenz wird ein nacktes Mädel zwischen gigantischen Sandwich-Scheiben nicht etwa entblättert, sondern mit Mayonnaise zugeklatscht, bis kaum mehr ihre Silhouette zu sehen ist. Und schlussendlich pinkelt Vernon in den eigenen Wohnzimmer-Kamin, wie um ein symbolisches Ausrufezeichen zu setzen.

"Microwave Massacre" ist so gesehen eine Art Antithese des Slasher-Films; wie "American Psycho", nur eben ohne Yuppie-Irrsinn, sondern aus der Perspektive eines einfachen Handwerkers mit schlichtem Gemüt. Claire Ginsberg als seine Film-Ehefrau ist ein brillanter Katalysator für den Werdegang vom Nobody zum Serienkiller; ihr Gekeife in einem aus der Totalen gedrehten Esszimmer und ihre Werbekanal-Begeisterung für eine Mikrowelle mit den Ausmaßen eines Computers aus dem Jahr 1975 sorgt erst für den sehr speziellen, stark überzeichneten Sitcom-Anstrich - insbesondere, wenn Vernon die Vierte Wand zu durchbrechen beginnt, um sich Hilfe suchend an den Zuschauer zu wenden. Selbst der Schauplatzwechsel ähnelt jenem einer täglichen Dosis Alltag: Wohnung, Baustelle, Kneipe. Wohnung, Baustelle, Kneipe. Und noch einmal.

Die Optik ist unheimlich schäbig und die Inszenierung meist statisch - die perfekten klimatischen Voraussetzungen also für den Humor des Mannes, der immerhin "Frosty The Snowman" gesprochen hat. Von der irreführenden Präsentation sollte man sich nicht lenken lassen; auch wenn es außer ein paar Gummi-Armen (und einem überdimensionalen Sandwich mit Gummi-Krabbe), ein wenig Gesäge und Kannibalismus für den Bauern von Welt nicht viel abzuräumen gibt... "Microwave Massacre" bringt die Perversion zivilisatorischer Errungenschaften trocken auf den Punkt. Tauscht man die Mikrowelle gegen das Smartphone, besitzt seine Aussage sogar heute noch Gültigkeit; dafür gibt's einen Extra-Punkt.
:liquid6:

The Untamed
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Unterkühltes Sozialdrama mit naturalistischem Anstrich, dessen Bilder nicht nur wegen der blaugrünen Farbfilter gefrieren lassen, sondern auch und vor allem wegen der ausgedrückten emotionalen Distanz zwischen allen Beteiligten. Die Spezialeffekte werden punktuell eingesetzt, um die durchweg unter Spannung stehenden Kommunikationsbarrieren zu durchbrechen. Obwohl ein sich windendes Tentakelwesen in einem Drama mit starker realistischer Färbung trotz fotorealistischer Animation einen scharfen Kontrast ergeben muss, ist es als Metapher für isolierte Momente gelebter Freiheit ungleich besser in den Film integriert als viele Filmmonster aus der Traumfabrik, die sich mit Camouflage-Effekt in ihre ebenso künstliche Filmwelt integrieren.

Einflüsse sind folglich eher in europäischen Produktionen zu finden. "Possession" steht dabei wegen der inhaltlichen Nähe (und der Lovecraft'schen Motivik) natürlich ohne Umschweife ganz oben, aus jüngerer Zeit ließe sich vielleicht auch "Under The Skin" anführen. Das betrifft die visuelle Drastik ebenso wie die ungeschönte Darstellung zwischenmenschlicher Interaktionen. Tabus in der Darstellung von Sexualität oder Gewalt kennt "The Untamed" nur wenige, was den Eindruck untermauert, es werde eine kompromisslose Linie gefahren, begonnen bei der Atmosphäre, die jedem Postkarten-Klischee über Mexiko aufs Äußerste widerspricht, bis hin zum aufopferungsvollen Einsatz der Darsteller. Dabei handelt es sich im Kern um einen zutiefst eskapistischen Film, der in Sehnsucht nach individueller Erfüllung schwelgt. Nicht anders als ein Märchen.
:liquid7:

Bosch – Season 4
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Wer sich hauptsächlich mit Krawumms-Serien beschäftigt oder aber auch Dramen, in denen die Gefühle Folge für Folge bis auf die Knochen freigelegt werden, für den dürfte "Bosch" inzwischen die beruhigende Wirkung einer Valium vor dem Schlafengehen haben. Die Amazon-Produktion, die es bislang erstaunlich weit geschafft hat (Season 5 ist bereits bestellt), scheint mit jeder Staffel tiefer zu stapeln, wenn man mal an die Anfänge zurückdenkt, in denen die Bösewichte zumindest noch hässliche Charaktervisagen hatten und die Titelfigur auch mal mit dem Rammbock aufgeräumt hat.

Anderweitig herrscht das Understatement. Obwohl diese Strategie sicherlich auch ein Garant für den Erfolg war, muss sich die Serie spätestens jetzt die Frage gefallen lassen: Geht's nicht auch mal wieder ein bisschen packender? Immerhin wurde der Handlungsbogen inzwischen fast vollständig auf seine Grundpfeiler zurechtgestutzt, der Raum dazwischen fast vollständig mit Polizeigequassel in Besprechungszimmern mit Papierkram und aufgerollten Hemdsärmeln ausgefüllt. Der ikonisch an einer Seilbahn in Szene gesetzte Mord an einem Politiker wird in Episode 1 zum Auslöser einer Kettenreakion von sozialpolitischen Ereignissen und den Ermittlerarbeiten, die darin eingebettet voranschreiten; irgendwo ist dann auch noch Platz für Familienprobleme im Hause Bosch, ein Gläschen Wein und eine Jazz-Platte vor dem Panoramafenster des nächtlichen L.A. Und natürlich sind auch Fortschritte in der Untersuchung des "Cold Case" um den Jahrzehnte zurückliegenden Mord an Boschs Mutter zu verzeichnen. Same procedure as every season eben.

Titus Welliver ist und bleibt mit seiner coolen Art ein Liebling des Serienpublikums und von seinen Leader-Qualitäten ist auch nach vier Jahren nichts abhanden gekommen; wenn überhaupt, gewinnt er noch hinzu. Dennoch ist auch er Teil der problematischen Entwicklung: Selbst kritische persönliche Schicksalsschläge versanden mit dem unterkühlten Erzählton der Serie im Nirvana der Verdrängung, obwohl an anderer Stelle beispielsweise wieder das alte, emotionale Lied von Vertrauen und Verrat unter Cop-Partnern gepfiffen wird. So lange das Publikum genug hat von den Over-The-Top-Szenarien der Konkurrenz, mag das noch funktionieren, aber irgendwann muss auch "Bosch" wieder selbst abliefern, will es nicht zum Geist seiner selbst werden.
:liquid5:

Twin Peaks - A Limited Event Series
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Hier gibt's ausnahmsweise mal keine Kritik oder einen Kurzkommentar, weil ich das Ding einfach nur genießen will, ohne es analytisch aufzudröseln. Ich kann nur sagen, nach einem ernüchternden Einstieg, in dem mir quasi jede einzelne Einstellung zu lang zu sein schien (und sie dadurch redundant wurde), machte es irgendwann rund um Episode 6 herum "Klick" und ich war endlich voll drin. Danach habe ich jede Sekunde genossen, egal ob es völlig skurril wurde (Episode 8), ob es wie eine Soap wirkte oder ob man einen der Abschluss-Songs in der Bar anhörte, die fast jede Folge beendeten. Größtes Comeback des Jahres, jetzt bitte auch mal wieder einen großen Film abliefern.
:liquid9:

Weitere Sichtungen:
The Foreigner
What Happened To Monday?
Kingsman - The Golden Circle
Fortress - Die Festung
Detroit
The Villainess
Gate II - Das Tor zur Hölle
Ghost Town
Jurassic World: Das gefallene Königreich
Die Schreckenskammer des Dr. Thosti
Willard
Die Sieben Pranken des Satans
Tesis

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Beitrag von McClane » 26.06.2018, 07:31

"Die Barbaren" haben wir auch im Board.
Jimmy Dix: "Du glaubst wohl nicht an die Liebe?" - Joe Hallenbeck: "Doch ich glaube an die Liebe. Ich glaube auch an Krebs." [Last Boy Scout]

Perry Van Shrike: "Look up 'idiot' in the dictionary. You know what you'll find?" - Harry Lockhart: "A picture of me?" - Perry Van Shrike: "No! The definition of the word idiot, cause that is what you fucking are!" [Kiss Kiss, Bang Bang]

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Beitrag von SFI » 26.06.2018, 13:38

Bei El Dia De la Bestia habe ich immer noch die Szene mit dem ersten Auftritt des Teufels und seinem Pferdefuß in Erinnerung.
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Beitrag von Vince » 05.08.2018, 13:34

Overdrive
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Klischees an sich müssen nicht unbedingt immer ein Problem sein. Geschickt überspielt, fallen sie im besten Fall nicht einmal auf. Aber dazu braucht es charismatische Darsteller, die es verstehen, ihren Charme wie einen Taschenspielertrick anzuwenden, indem sie von der Situation ablenken und auf die eigenen Vorzüge verweisen. Definitiv zu viel verlangt für dieses komplett durchschaubare "Fast and the Furious"-Rip-Off, das sich ungelenk wie ein grüner Fahrschüler ein paar PS vom großen Bruder abzuzwacken versucht und dabei in nahezu jeder Beziehung scheitert.

In der Präsentation aufgemotzter Oldtimer, Klassiker und Liebhaberstücke versucht man sich ein Alleinstellungsmerkmal zu erhaschen, das aber schon im Aufbau wieder zerfällt. Wenn die Intention war, den Blechhaufen Persönlichkeit einzuhauchen, muss man glatt feststellen, dass das selbst in "nur noch 60 Sekunden" wesentlich besser gelang. Der Grund ist in der schalen Inszenierung schnell gefunden. Die muckt zum Einstieg mit einer großen Actionszene auf, kopiert dabei aber bloß eine entsprechende Lastwagen-Szene aus der 2001er-Referenz und lässt jede Dynamik vermissen - um dann in einer Nacherzählung der üblichen Gauner-mit-Herz-Nummer zu münden, inklusive Rekrutierungsszenen, Versteigerungen, Villain-schießt-zur-Warnung-eigenen-Handlanger-nieder-Situationen und allem, was dazugehört. Mittendrin Scott Eastwood, dem stets die Coolness seines Vaters auf den Leib geschrieben wird, die er mit seinem krampfigen Silberblick allerdings nicht zu reproduzieren weiß. Mit ihm im Mittelpunkt fühlt sich alles ein bisschen langsamer an: jede Einstellung lässt ihn eine gefühlte Minute blinzeln (erst im Epilog setzt dem armen Teufel endlich mal jemand eine Sonnenbrille auf), dann sagt er seinen Text auf, dann wird wieder geblinzelt. Die Regieanweisungen sind omnipräsent, sie spiegeln sich sozusagen in den fragenden Blicken nicht nur von Eastwood, sondern vom gesamten diebischen Quartett. Das ist mit hübschen Gesichtern besetzt, die zum Teil an anderer Stelle bereits ihre Qualitäten unter Beweis stellen konnten, hier jedoch zur reinen Dekoration mutieren.

Würde man sich denn wenigstens in Sachen Action steigern, aber hier muss die blasse Eröffnungssequenz tatsächlich als Highlight herhalten. "Overdrive" ist also nicht nur schlecht gespielt und schlecht inszeniert, sondern auch noch sacköde. Ansprüche an ein Caper Movie mit Sportwagen sind generell nicht besonders hoch. So etwas darf dumm sein und sollte ein wenig Krach machen. Im besten Fall spielen ein paar Charaktervisagen mit. Erstaunlich, dass es Filme gibt, die selbst über derart niedrig gesetzte Messlatten stolpern.
:liquid3:

The Secret Man
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Wer in Franchise-Dimensionen denkt, aus dessen Perspektive könnte "The Secret Man" glatt als ein Sequel von "J. Edgar" durchgehen. Nicht nur visuell passt der Enthüllungsthriller um den Whistleblower Mark Felton zu den kalten Farben von Spielbergs Hoover-Biografie, auch knüpft die Handlung direkt an den Tod des langjährigen FBI-Direktors und das sich daraus ergebende Chaos an. Es wird ein vernichtendes Bild der Investigative gezeichnet, die sich durch zunehmenden Kontrollverlust definiert. In diesem Klima findet schließlich ein politischer Kampf gegen Windmühlen statt, bei dem sich erst durch Feltons hartnäckige Art in Kombination mit den Aufdeckungen der Presse der Wind dreht, bis die Dominosteine nicht länger wanken, sondern zu fallen beginnen - aufwärts Richtung Präsident Nixon.

Dass mit einem solchen Stoff Suspense und Thrill zu erzeugen sind, haben in den 70er Jahren Filme wie "Die Unbestechlichen" bewiesen. Allzu gerne würde sich "The Secret Man" dieser Richtung anschließen, wie der von vorne bis hinten brodelnde, niemals jedoch ausbrechende Score beweist, doch dazu fehlen dem Drehbuch die Reibungspunkte. Wo immer Felton (Liam Neeson) den neuen FBI-Chef (Martin Csokas) mit seiner Position konfrontiert, müssten eigentlich Pauken und Trompeten ertönen, doch Peter Landesman („Erschütternde Wahrheit“) setzt auf latente Aggressionen, die sich im Sichtbaren kaum entladen. Für trockenes Politkino oder spröde Lehrstunden in Rhetorik wiederum ist das Interesse am Spannungskino zu deutlich spürbar, so dass der Ton irgendwo zwischen geschichtlicher Aufarbeitung und Unterhaltungskino hängen bleibt, ohne sich auf eine Richtung festzulegen.

Immerhin überzeugt "The Secret Man" als Biografie insofern, als dass er einer Schattenfigur der amerikanischen Geschichte Emotionen einhaucht und sie dem Publikum überzeugend nahe bringt. Davon profitiert auch Liam Neeson, der endlich mal wieder einen Ausweg aus seinem "Taken"-Relief findet und anstatt eines Rollentypus ein Individuum verkörpern kann. Nur leider weiß das filmische Konstrukt um ihn herum trotz des hochwertigen Casts nicht genug aus dem Stoff herauszuholen.
:liquid5:

It Came From The Desert
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Der Anklang an die guten alten Zeiten atomverseuchter Rieseninsekten, auch er verliert seinen Glanz, wenn man ihn mit billigem Dosenbier verklebt.

Nichts gegen Teenage Party Horror, aber eine Liebesbekundung an das Genre-Kino der 50er Jahre hätte durchaus ein wenig mehr Ambitionen vertragen können. Eigentlich handelt es sich bei "It Came From The Desert" ja um eine Verfilmung des gleichnamigen Amiga-Computerspiels aus dem Jahr 1989, aber die notdürftige Rahmenhandlung um einen schüchternen Biker der Marke Surfer-Dude, seinen spatzenhirnigen Biker-Kumpel mit Football-Statur und ein biederes Dorfprinzesschen mit Asskick-Gen dürfte mit der Vorlage, aus der man im Abspann einige Ausschnitte zu sehen bekommt, nicht das Geringste zu tun haben. Auch die gelegentlichen Anspielungen auf Filmklassiker bleiben Fremdkörper, plump und bisweilen auch inkonsequent. Auf "Jurassic Park" hätte man bei derart vielen Gelegenheiten durchaus geschickter verweisen können als mit einer dümmlichen Feststellung der Marke "Das ist ja wie bei Jurassic Park", und Linnea Quigleys Striptease aus "Return Of The Living Dead" nach dem ersten Kleidungsstück wieder abzublasen, ist einerseits nicht so wirklich Sinn der Sache, andererseits vielleicht aber ganz gut so im Kontext dieses alles andere als sleazigen, sondern eher popcorntauglichen Unterhaltungsfilms für Teenager.

Die notwendigen Kontraste zum gängigen Creature-Trash werden durch einigermaßen passable Computereffekte erzeugt, mit denen wenigstens Anschluss gehalten wird an die niedere B-Kategorie der Marke "Big Ass Spider" oder "Stung". Somit hebt sich die Produktion zumindest in dieser Disziplin gerade noch ab vom wahren Bodensatz, jenen berüchtigten Fließbandhallen, in denen hundertfach schattenlose, unnatürlich gleitende Billig-Krabbler mit strukturlosen Körpern geklont werden. Was nun nicht bedeutet, dass die überdimensionalen Ameisen aus "It Came From The Desert" Meisterwerke der Rechenkunst darstellten.

Gepunktet wird immerhin in Sachen Location. Bei der Kombination aus Wüstenlandschaft und Motocross mit gigantischen Sechsbeinern im Rückspiegel stand natürlich "Arac Attack" Pate, aber die andalusische Ödnis kann sich als Schauplatz durchaus sehen lassen. Völlig inkompatibel mit dem orangefarbenen Sand unter knallblauem Himmel ist allerdings der zwischen Melancholie und Dramatik pendelnde Synthesizer-Soundtrack, der höchstens durch einen möglichen Verweis auf die Spielvorlage zu erklären ist, wohl kaum aber mit der albernen Stimmung des Films in Einklang zu bringen ist, in der eine alkoholhaltige Umgebung zur Wiege für angehende Helden wird.

Wüsste man das alles vorher, würde man diesen 90-minütigen Zeittotschläger wohl wesentlich lockerer nehmen; aber irgendwie hat man von einem Titel wie "It Came From The Desert" dann doch etwas Cooleres erwartet.
:liquid4:

Kikujiros Sommer
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Japan als Sandkasten, umschlungen vom Meer, bestrahlt von der Hitze der Sommersonne. Auf diesem abgesteckten Terrain nähern sich männliche Kinder, manche von ihnen körperlich längst erwachsen, gemeinsam ihren Ursprüngen; mit ein bisschen Glück am Ende auch dem Sinn ihres Daseins. Zuerst sehr zögerlich. Sie verharren anfangs in ihrer Routine, sich weigernd, sie zu durchbrechen, selbst wenn die äußeren Umstände sie regelrecht dazu auffordern. Der kleine Masao läuft zum Fussballtraining und trifft auf einen leeren Platz, weil die Sommerferien bereits begonnen haben, Ex-Gangster Kikujiro nutzt den Jungen anschließend lieber als lebendige Lostrommel beim Pferderennen, anstatt sich mit ihm auf die Suche nach seiner Mutter zu begeben, die irgendwo am anderen Ende Japans lebt.

Als "Kikujiros Sommer" schließlich doch noch zum Road Movie gerät, ist im Grunde bereits der Weg geebnet für ein wunderbares Rührstück, das weniger mit Kitsch attackiert als es vielmehr mit abwechslungsreichen Episoden voller Humor und ausgelebter Individualität überzeugt. Mit seinem jungen Co-Star ergibt der grantige Takeshi Kitano ein denkbar ausdrucksvolles Leinwandpaar ab. In diesen Beiden spiegeln sich die Kontraste aus tiefen Brennweiten und engen Close Ups, offenen Vogelperspektiven und eingegrenzten Handlungsbereichen, mit denen die Kamera spielt.
Dementsprechend sucht das Drehbuch seinen Endpunkt in einem weiten Bogen, wird aber durch einzelne Kapitel in kleine Abschnitte portioniert, die für sich genommen ziellose Ellipsen ergeben. Als die Protagonisten endlich am Ziel ankommen, entpuppt sich der Endpunkt als Fata Morgana; was bleibt, ist der Weg.

Das mag in einem gewissen Rahmen Klischees bedienen ("Der Weg ist das Ziel"), doch die unbeschwerte, natürliche Umsetzung erlaubt diese Erkenntnis nur am Rande, zumal auch schwierige Themen wie sexueller Missbrauch thematisiert werden und expressionistische Traumsequenzen alles Erlebte in ausgestellter Künstlichkeit sortieren, was nicht der Ironie entbehrt, dass es gerade die abstrakten Momente des Films sind, die seinen Realismus noch verschärfen. All das macht "Kikujiros Sommer" nicht nur für sich genommen zu einem unvergesslichen Erlebnis, sondern auch einsortiert in das Oeuvre Kitanos, das Gewalt und Schönheit immer mit ganz besonderer Handwerkskunst verknüpft hat.
:liquid8:

Mord im Orient-Express
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Er bändige keine Löwen, entgegnet Hercule Poirot einer jungen Dame, die seinen Namen fälschlicherweise "Hercules" ausspricht - und präsentiert sich somit einer neuen Generation von Zuschauern als neu aufgefrischte Kamelle, die sich ihren Platz in der Unterhaltungskultur nach wie vor verdient hat, selbst wenn die zugehörigen Buchbände inzwischen vergilbt sind. Mit harten Bandagen kämpft "Mord im Orient-Express", einer der wohl klangvollsten Titel unter den Agatha-Christie-Romanen, gegen das Vergessenwerden seines Protagonisten an.

Dabei trägt der Eifer zur Modernisierung sichtbare Früchte. Alte Kulissen in ultramoderner Präsentation, das hat schon die Méliès-Hommage "Hugo Cabret" von Martin Scorsese zum Erfolg gemacht. Ein altmodisch eingerichteter Zug, der durch eine romantische Schneelandschaft braust, beschwört erst recht die Lust am klassischen Abenteuer. Dazu schillernde Kostüme (alleine dieser Mantel, den Johnny Depp stolzierend aufträgt) und ein satt aufgestellter Star-Cast - die Voraussetzungen stimmen.

Poirot selbst wird zunächst aus Beobachterperspektive in einem Prolog charakterisiert, der eigens zum Zwecke seiner Präsentation zurechtgeschnitten ist. Wer ihm dabei zusieht, wie er zwei Eier mit Auge und Löffel abmisst, soll erkennen, dass es ihm um das Gleichgewicht geht. Und um zu verhindern, dass jemand den Sinn für Ausgeglichenheit mit Empfindlichkeit oder peniblen Anwandlungen verwechseln könnte, lässt man ihn gleich noch in einen Kuhfladen treten - einmal aus Versehen, einmal mit voller Absicht. Die mit diesen Zutaten gestrickte Persönlichkeit treibt ihn an, der nach eigenem bescheidenen Ermessen beste Detektiv zu sein, den die Welt kennt, und prompt ist die deduktive Methodik der Roman- und Filmfigur dechiffriert. Ihr nimmt das natürlich ein wenig von ihrem Geheimnis, andererseits kichert Hauptdarsteller Kenneth Branagh beim Blättern in seinen Romanen genug herum, damit ihn immer noch etwas Geheimnisvolles und Unergründliches umweht.

Wie bei so vielen Filmen „auf Achse“ zehrt der rollende Tatort von dem besonderen Gefühl, dass die Ortschaft im permanenten Wandel begriffen ist, was nicht nur ein Gefühl von Freiheit beschert, sondern auch neue Möglichkeiten für die Entwicklungen des Falls eröffnet - nicht umsonst haben sich auch Mr. Moto, Sherlock Holmes & Co. des öfteren auf Reisen begeben. Die Cinematografie wirkt - wie eben auch bei "Hugo Cabret" - überstilisiert, aber durchaus eindrucksvoll; mit den Farben der Morgenröte und des Sonnenuntergangs wird gespielt wie auf einem Aquarell. Branagh ist unter seinem außergewöhnlich frisierten Backenbart charmant, bei seinen Mitfahrern befinden sich ebenso viele Paradiesvögel wie graue Mäuse, was einmal mehr auf ein Verwirrspiel in der Beantwortung des Whodunit hindeutet (lenkt der Paradiesvogel nicht immer ab und es ist am Ende die graue Maus?). Wenn man in der richtigen Stimmung ist, kann dieser Neuanstrich einer alten Krimi-Tapete durchaus Freude bereiten.

Als der Zug schließlich wegen einer Lawine entgleist, kippt die Stimmung ein wenig. Grundsätzlich ist es ein schöner Kniff, Poirot und seine Verdächtigen miteinander auf engem Raum zu versammeln, so wie man es mit Geschworenen in einem Beratungszimmer machen würde. Das Verdächtigen-Karussell dürfte sich aber gerne mit noch mehr Elan drehen. Bevor sich der Detektiv zu seinem finalen Plädoyer aufschwingt und auf eine durchaus ungewöhnliche Auflösung stößt, geht ein wenig der Drive verloren, vielleicht weil die Einzelfiguren nicht genug auf den Prüfstand gestellt werden. Nicht zuletzt ist es auch die Tatsache, dass der Stoff bereits zum vierten Mal verfilmt wird, mit der die Euphorie für den Poirot einer neuen Generation gedämpft wird.

Dennoch bietet "Mord im Orient-Express" ein unterhaltsames, wenn auch nicht allzu tiefschürfendes Abenteuer, das verständlicherweise auf exotische Fortsetzungen hofft, denn wo Schneelandschaften sind, da folgen meist auch Dschungelgebiete und Savannen. Ob es dazu kommt, bleibt in Anbetracht des mäßigen Echos von Kritik und Publikum fraglich.
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Batman Ninja
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Mutmaßend, dass das Kind im Manne niemals völlig zum Schweigen gebracht werden kann, lassen Warner Animations und DC unter der Verkleidung avantgardistischer Animationen einen Kinder-Zeichentrick auf das erwachsene Zielpublikum los. In der Schlichtheit der Dialoge, einer (sogar gemessen an Warners MCU-Kontern) erschlagenden Gut-gegen-Böse-Naivität und einer simplen Baukasten-Dramaturgie meint man typische Samstagmorgen-Unterhaltung für die Kleinen zu erkennen. Getrieben vom Yin und Yang zieht sich ein Faible für Addition, Division, Subtraktion und Kombination durch den Plot: Es sind eben gerade so viele Superhelden nötig wie es Supervillains gibt, die das feudale Japan in Angst und Schrecken versetzen, um das Gleichgewicht der Welt wiederherzustellen. In der Folge sehen wir irre kichernde Psychopathen im halben Dutzend, alte Bekannte eben wie Poison Ivy, Deathstroke und Bane, die mit überheblichen "Hmpf"- und "Ha"-Lauten für das Publikum posieren, um sich anschließend in mechanische Verlängerungen ihrer Riesen-Egos zu schmeißen und im Sinne der klimatischen Steigerung zu einem Über-Villain nach „Transformers“-Schablone zu formen, auf dessen Schädel wohl kaum jemand anders hocken könnte als der Joker, der größte Theatraliker von allen. Und weil Batman längst seine sozialen Kompetenzen optimiert hat, rückt er mit einem gleichwertigen Arsenal an Helfern an, um dem Joker und seinem Gefolge den Garaus zu machen - was das Drehbuch zu einem ständigen Wendekurs nötigt, wer denn nun Überhand hat, garniert mit Schlüsselbegriffen wie "Überraschung", "Verräter" oder "Falle". Doch egal wer wen am elegantesten austrickst und wie lange er dazu braucht... es geht am Ende nur um die Egalisierung des Bösen, die gegenseitige Bedingung der Pole einer gemeinsam geteilten Welt. Wie damals, als die Welt noch nicht grau in grau war.

Auch wenn man heute wehmütig auf die Zeit zurückblickt, in der man solche Banalitäten zu feiern wusste, irgendwann entwachsen wir ihr alle... und blicken mit Befremdung auf das, was "Batman Ninja" inhaltlich bietet. Aber da ist ja zum Glück noch das Artdesign. Und das fällt in seiner Gesamtheit so inspiriert aus, dass es in gewissen Gesten, in abrupten Stilwechseln, in geometrischen Formen und Farbspektren seine ganz eigene Geschichte erzählt. Wäre Warner in seinen Kinofilm-Attacken auf Marvel so konsequent, ja regelrecht avantgardistisch, würde es nicht zu Wischiwaschi-Blockbustern wie "Justice League" kommen. Die augenscheinliche Kombination aus Computeranimation und Handgezeichnetem sorgt alleine schon durch den fliegenden Wechsel aus detailarmen Sequenzen und plötzlichen Bildsprengern eine unvergleichliche Dynamik, mit der sich Warner sogar alte Rechtmäßigkeiten wieder zurückerobert; Gebäudestrukturen, die sich in einer Biegung der Realität dehnen, hatte Marvels "Doctor Strange" aus den Welten von "Inception" weiterentwickelt, jetzt holt sich das Studio die Effekte mit Arschbombe-Effekt wieder zurück ins eigene Haus. Das alte Japan sieht malerisch aus; kleine Regenbogenmuster bilden das Blau am Himmel, schroffe Tuschestriche konturieren das staubige Erdreich und blitzende Technologie verrückt die Bildkomponenten wie bei einem aus der Form geratenen Zauberwürfel. Ob Action-Choreografie oder schlichte Bildkomposition, "Batman Ninja" steckt voller atemberaubender Einstellungen, die eine echte Lust am Ausprobieren verströmen. Das Gleiche kann man über Takashi Okazakis Character Design behaupten: Zwar verströmt der Joker in Aktion vielleicht nicht ganz den totalen Wahnsinn, den der Trailer noch andeutet, Batman ohne Maske sieht aus wie ein verunglückter Ken mit Doppelkinn und auch Gorilla Grodd ist alles andere als ein Designer-Glücksgriff, doch Kostüme und die grundsätzliche Integration in die - für Gotham-City-Kundige - alles andere als gewohnte Umgebung ist mehr als gelungen, zumal viele Figuren auf originelle Art die japanische Kultur adaptieren.

Nicht auszudenken, wäre der Erzählstil auch nur halb so spektakulär ausgefallen wie die Animation...
:liquid7:

Demolition
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Als Metapher für die Neuordnung eines aus den Fugen geratenen Lebens ist "Demolition" gerade so grobschlächtig wie der Vorschlaghammer, der auf den Putz niedergeht. Vom Gros der Dramen mit den Schwerpunkten "Liebe" und "Verlust" jedoch hebt sich die Regiearbeit von Jean-Marc Vallée in feinen Richtungsunterschieden ab, die allerdings gewichtige Auswirkung auf das Nachempfinden haben. Die beliebte Hollywood-Mär von der Vollkommenheit des Liebespaar-Konstrukts wird bis aufs Skelett abgenagt, die unsichtbare chemische Energie, die man "Liebe" nennt, bis auf die Atome demontiert und neu zusammengesetzt. Es ist tatsächlich die Denkweise eines Mechanikers, mit welcher das Drehbuch die Aufarbeitung eines plötzlichen Verlusts aufbereitet. Häuser werden eingerissen, Büroeinrichtungen in Einzelteile zerlegt, nur um zu sehen, wie die Dinge im Inneren funktionieren. Dieser Eskapismus vom Abstrakten ins Funktionale ist besonders bemerkenswert, da Jake Gyllenhaal keinen Mann spielt, der beruflich Dinge repariert, sondern einen, der für ein Unternehmen mit Zahlen jongliert.

Dazu passt der leise, auf Details verweisende Inszenierungsstil, der weniger eine nüchternen Blick auf den Hauptcharakter und dessen Umfeld wirft, sondern teilweise in dessen verzerrte Perspektive eintaucht und im Stil vieler dänischer Liebesdramen ("Reconstruction") das Unterbewusstsein mit asynchronem Bild und Ton stimuliert. Deswegen gerät "Demolition" zwar längst noch nicht zu einem Experimentalfilm; in vielen Punkten, etwa im Subplot um einen rebellischen Jungen, der Homosexualität in sich aufkeimen spürt, bleibt er klassisch amerikanisch. Aber die unterkühlte Herangehensweise lässt die bisweilen allzu naheliegende Metapher der Zerstörung, die allzu leicht ins Klischeehafte hätte abfallen können, in gewisser Weise gelingen.
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Betty Blue – 37,2 Grad am Morgen
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Man musste wahrscheinlich Betty sein, um Betty überzeugend spielen zu können. Und ein wenig von der eigenen, ganz persönlichen Welt-Melancholie einbringen, wenn man den armen Tor verkörpern sollte, der ihr bedingungslos verfallen ist. Immerhin errichtet Writer-Director Jean-Jacques Beineix rund um das Hauptdarsteller-Paar unüberwindbare Mauern, durch die es gezwungen wird, sich ganz und gar mit dem Gegenüber und dem eigenen Selbst auseinanderzusetzen. Die Umwelt wird dabei völlig ausgeklammert, nur der Zuschauer bemerkt den Kontrast der intensiven, aber über die drei Stunden im Director's Cut schleichend dem Untergang geweihten Liebesbeziehung gegenüber der entschleunigenden Wirkung, die das "se la couler douce" mit französischer Sommerromantik im Hintergrund entfaltet.

Für Béatrice Dalle und Jean-Hugues Anglade bedeutet das eine Tour de Force, die "Betty Blue" weniger zu einem Sinnbild für den azurblauen Himmel werden lässt, sondern vielmehr für eine tiefe Traurigkeit, die um so einnehmender wird, wenn die heißblütige Romantik zwischen Farbeimern, Romanseiten und Pianotasten mit Ansage in reine Depression umschlägt. Dass die Figuren verzweifelt versuchen, dem Gefängnis zu entfliehen, lässt sich an der permanenten Nacktheit der Darsteller, der an Brian De Palma (oder eben Hitchcock) erinnernden Travestie in den Thriller-Momenten und der Flüchtigkeit der Bekanntschaften ablesen, die den Weg von Betty und Zorg episodenweise kreuzen, ohne seine Richtung entscheidend zu verändern. Und so ist es die Unausweichlichkeit, mit der sich dieses Liebesdrama tief in die Eingeweide ätzt und dauerhaft sein Brandzeichen darin hinterlässt.
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Jeepers Creepers 3
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2001 wurde "Jeepers Creepers" zum Überraschungserfolg und übertrug das Erbe von Stalker-Filmen wie "Duell" oder "The Hitcher" ebenso wie „Joy Ride“ aus dem gleichen Jahr auf die neue Generation. Es handelte sich immer noch Early-Twen-Horror, maßgeschneidert nach amerikanischen Legenden. Man verlagerte ihn jedoch aufs Land, dorthin, wo dich niemand schreien hört. Die potenziellen Opfer wurden über die komplette Laufzeit getrennt von ihrem gewohnten sozialen Kontext begleitet - keine Parties, keine idiotischen Kumpels, einfach nur ein junges Geschwisterpaar auf der staubigen Landstraße und ein geflügelter Dämon, der ihnen an der Klette hängt. Gina Philips und Justin Long wirkten verglichen mit dem Standard-Kanonenfutter regelrecht smart in dieser bedrohlichen Situation. Ausnahmsweise führte die Furcht einmal nicht dazu, dass man die Darsteller wie Hühner ohne Kopf im Kreis flüchten ließ; sie waren diesmal dazu in der Lage, sich gegen den übernatürlichen Gegenspieler mit Einfallsreichtum zur Wehr zu setzen. Dass diese Rezeptur stellenweise sogar im Sequel mit einem Bus voller Footballspieler aufgehen sollte, ist schon ziemlich bemerkenswert.

"Jeepers Creepers 3" trifft nun mit gehöriger Verspätung ein, wenn man nach den Marktregeln argumentiert, oder viel zu früh, wenn man die 23 Jahre zum Maßstab nimmt, die sich das Monster laut Story zwischen seinen Mahlzeiten als Urlaub genehmigt. In jedem Fall aber kommt es nicht zur richtigen Zeit zum richtigen Ort - und das spürt man am zerfahrenen Drehbuch, das verzweifelt nach einem Weg sucht, die nach wie vor äußerst merkwürdige Vampir-Abart in ein neues Handlungsgerüst zu integrieren.

Dabei ist Original-Regisseur Victor Salva sehr darauf bedacht, die Markenzeichen der Reihe zu pflegen, verschenkt die guten Ansätze aber auf vielfältige Weise. Die wildwüchsigen Hügellandschaften Louisianas ergeben ein fotogenes Setting, werden aber beinahe vollständig in Tageslicht getaucht und verzichten damit freiwillig auf spannende Deutungsspiele im Zwielicht, welches leider nur in Übergängen zum Einsatz kommt (und praktisch nie in Anwesenheit des Monsters, das stattdessen bei grellem Tageslicht völlig entmythisiert wird). In Gabrielle Haugh findet Salva einen optischen Ersatz für Philips (die zumindest ein Cameo absolvieren darf), nur dass der noch sehr jungen Darstellerin leider das Ripley-Gen ihrer Vorgängerin fehlt. Am Wichtigsten jedoch: Die Waffen und Fallen der Kreatur mögen effektvoll in der Handlung ausgestreut sein (die Auftaktszene etwa, in der sich argwöhnische Polizisten dem abgehalfterten Fahrzeug von außen nähern, erinnert auf makabre Weise an jene Momente aus der TV-Serie "Knight Rider", in der sich neugierige Passanten dem sprechenden Auto näherten und von ihm eine Lektion erteilt bekamen), was aber fehlt, ist die Essenz des Originals: Ein klar abgestecktes Szenario und das unerbittliche Gefühl von "He's coming for you!".

Immerhin gibt es wieder ein paar ästhetisch gefilmte Zeitlupen-Actionsequenzen und Bildaufteilungen (Wurfstern, Motocross-Flucht, Sprung Richtung ballernde MG) und auch manch seriengetreue Comiceinlage (gequetschter Augapfel). Auch wenn es nur die Oberflächenreize sind, die man als gelungen bezeichnen kann, so verhindern sie immerhin, dass die Reihe in die tiefsten Niederungen absackt.
:liquid4:

The Shape Of Water
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Der Oscar wurde wie so oft mit einer einfach gehaltenen, für Jedermann verständlichen Rassismus-Parabel geholt. Dementsprechend flach fällt die Anlage der Figuren aus, in der es vor Stereotypen wimmelt, die auf einem Maßband mit den Polen "Gut" und "Böse" ihre feste Position einnehmen. Eine Kuchen-Bar wird so zum Schauplatz von Anfeindungen gegen Homosexuelle und Afroamerikaner, und das binnen Sekunden, so als solle eine direkte Verbindungslinie zwischen den unterschiedlichen Ausformungen des Rassismus gezogen werden, die man nicht übersehen kann. Sally Hawkins ist in der Hauptrolle allerdings zweifellos von diesen Kritikpunkten ausgenommen, auch weil sie in ihren Möglichkeiten als Wirbelwind zwischen den starren Polen am wenigsten eingeschränkt bleibt. Rein darstellerisch halten viele ihrer Kollegen (Richard Jenkins, Michael Shannon, Michael Stuhlbarg...) mit, können aber bedingt durch das Drehbuch nicht gleichermaßen viel ausrichten. Wenig komplex geraten ist dann auch der Abstraktionsgehalt, den man dem Zuschauer bei der Übersetzung von Bild zu Aussage zumuten möchte. Wie schon in "The Devil's Backbone" und "Pan's Labyrinth" arbeitet Guillermo Del Toro erneut mit der Zusammenführung von Phantastik und Geschichtsfilm, doch diesmal fallen die Verflechtungen bei weitem nicht gleichermaßen reichhaltig und verschachtelt aus. Gerade sein Bürgerkriegsmärchen von 2006 hatte in diesem Punkt noch ganz andere Qualitäten vorzuweisen.

Interessant wird "The Shape Of Water" für den Cineasten vielmehr in der Form seiner Elemente (soviel zu "Nomen Est Omen"). In betörende Grünblautöne getaucht, gelingt es dem Regisseur praktisch, einen Unterwasserfilm über Land zu drehen, und wenn das auch bedeutet, dass er ganze Badezimmer mit Wasser fluten muss, um die Aura der Liebenden zur perfekten Illusion zu vervollständigen. Wer den in Sachen Artdesign herausragenden Videospiel-Klassiker "Bioshock" kennt, wird sich wünschen, die von Del Toro erschaffenen Bilder würden zu einer entsprechenden Verfilmung gehören, denn einer solchen säßen sie wie angegossen. Mit den Schwarzweißsequenzen wird dann der Ära des klassischen Hollywoods mit all seinen Monster- und Tanzfilmen auf sagenhafte Weise ein Teppich ausgelegt. Hier werden einzig mithilfe der brillanten Bildkompositionen die Dimensionen eröffnet, die in der vordergründigen Geschichte noch verschlossen bleiben.

Mutig ist es in diesem Kontext auch, wieder ein Fischwesen zum zentralen Spezialeffekt zu erklären, eine für Del Toro nicht ganz neue Figur. Angelegt ist sie natürlich in erster Linie an den "Schrecken vom Amazonas", der vor über 80 Jahren bereits mit vergleichbaren Themen spielte. Das zeitgenössische Publikum verbindet sie aber selbstverständlich zunächst einmal mit Abe Sapien aus "Hellboy"; und das nicht nur, weil es wieder Doug Jones ist, der den Fischmenschen verkörpert. Das Amphibienwesen aus dem Labortank ist als bloße Verfeinerung von Sapien zu sehen. Er ist sozusagen die Stummmfilm-Variante seines Vorgängers mit Augenmerk auf Charakterzeichnung statt Actionfiguren-Eigenschaften. Dass der Regisseur seine Lieblingsbausteine mehrfach recycelt, anstatt neue Pfade zu erkunden, könnte man ihm zum Vorwurf machen. Man könnte allerdings auch argumentieren, dass er inzwischen eine eigene Sprache erfunden hat, um Aussagen zu transportieren. Ein solch linguistischer Ansatz schmeichelt einem inhaltlich vermeintlich wenig originellen Film wie diesem natürlich besonders, denn so ist es das Gesprochene und nicht das Gemeinte, das zum Alleinstellungsmerkmal wird.

Der eigentliche Wert von "The Shape Of Water" liegt also im verschlungenen Tanz der Elemente Wasser und Luft. Gerne hätte das Drehbuch zwar tiefere Subtexte bergen und weniger auf Schwarzweiß-Pole vertrauen können. Dass das selbst bei einem Märchen kein Widerspruch sein muss, hat del Toro in der Vergangenheit ja bereits bewiesen. Visuell allerdings ist dies sein erstaunlichstes Werk.
:liquid7:

Die Meute lauert überall
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Den Wilden Westen in patriarchale Gesellschaftsstrukturen zu kleiden, ist ein alter Konsens. Breitbeinige Duelle in der Mittagssonne sind dafür ein ebenso aussagekräftiges Symptom wie die Kneipenschlägerei oder die Damsel In Distress. Derartige Relikte gehören zum Genre dazu und bilden einen Teil seiner Identität. Interessant wird es erst, sobald ersichtlich wird, in welcher Absicht ein Western sie verwendet: Wird er mit ihnen etwas Heldenhaftes heraufbeschwören oder doch eher die veralteten Moralvorstellungen einer überholten Ordnung hervorheben, die heute nicht mehr tragbar wäre?

Wahre Anti-Western kommen in beiden Fällen nur selten aus der Gleichung heraus, weil die Rituale an sich im Normalfall immer eine Restfaszination bewahren und eher für das Schwelgen in der Romantik frisch erschlossener Welten sprechen als dagegen. John Sherwoods Debütfilm als Regisseur (und der einzige von nur Dreien) fällt diesbezüglich jedoch aus dem Rahmen. Er verzichtet nämlich weitgehend auf ritualisierte und traditionalisierte Abläufe. Im Grunde beschränkt er sich auf eine einzige Regel: Das Recht des Mannes auf seine eigene Frau. Und lässt daraufhin das Gesetz der Wildnis walten. Es geht ums Fressen oder Gefressenwerden.

"Die Meute lauert überall", ein überaus treffender Titel übrigens, ist folglich eine gnadenlose Abrechnung mit der Männlichkeit. Harte Kerle, von denen fast jedes Szenenbild regelrecht überquillt, nehmen sich gegenseitig aus der Gleichung, um am Ende in den Besitz einer Frau zu gelangen. Die Objektifizierung des Weiblichen wird im Drehbuch früh behauptet, bekommt jedoch durch das bisweilen idiotische Gebaren der Buhlenden eine anklagende Färbung. Yvonne De Carlo ("The Munsters") und Mara Corday verbringen ihre Zeit überwiegend in eine Ecke gedrängt, abwartend, ob sich die Männer, die um sie kämpfen, am Ende womöglich gegenseitig selbst zerfleischt haben; der scheinbar einzige Ausweg aus einem zementierten Weg in die Hölle auf Erden.

Diesbezüglich darf man von einem der konsequenteren Anti-Western seiner Zeit sprechen, besteht die Besetzung doch beinahe vollständig aus Tätern und Opfern, beides in diesem Fall keine Rollen, in die man als Zuschauer schlüpfen möchte. Es ist nichts Begehrenswertes in dieser Welt zu entdecken; nichts, das es lohnen würde, sich ihr anzuschließen. Zum Teil mag dieser Eindruck allerdings auch von der handwerklichen Komponente herrühren. Wie viele B-Western mit beschränkten Mitteln verwendet auch dieser den Wilden Westen praktisch nur als Kulisse für ein minimalistisches Theaterstück, dessen Bühnenperformance in diesem Fall nicht einmal einer besonderen Choreografie bedarf. Ein paar Kostüme und Felsvorhänge, vor denen sich Statisten, Neben- und Hauptdarsteller prügeln können - das wirkt bisweilen wie das Produkt einer Massenproduktion, zumal weder Kamera noch Score besonders Hervorhebenswertes leisten. Selbst das Skript weiß abgesehen von dem Indianer-Joker nicht viele Wendungen aus dem Ärmel zu zaubern.

Sehenswert ist "Die Meute lauert überall" hauptsächlich wegen seiner mutigen Anklage gegen eine von Männern dominierte Weltordnung, weniger wegen seiner filmischen Qualitäten, obwohl man argumentieren könnte, dass das Fehlen des einen das Gelingen des anderen fördert.
:liquid5:

Legion – Season 1
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Während Marvel den Cosplay-Kitsch rund um Heldenposen und stylishe Superhelden-Berufskleidung in seinen großen Kinoblockbustern und den überwiegend seichten Fernsehserien fürs Heimkino weiterhin salonfähig hält, betreibt es in seinen unscheinbareren Produktionen tastend schon mal Vorsorge für die Zeit nach dem großen Knall... falls strahlende Weltenretter in bunten Effektspektakeln sich irgendwann nicht mehr an den Mann bringen lassen sollten. Ob man dabei besser beraten ist, selbstironisch das eigene Vermächtnis auf die Schippe zu nehmen („Deadpool“) oder nicht doch lieber mal einen frischen Genre-Ansatz ausprobiert („The New Mutants“), wird gerade live auf dem Markt getestet.

Völlig neben der Spur läuft „Legion“, eine in der ersten Staffel achtteilige TV-Produktion, die ihren Comic-Hintergrund komplett hinter einer experimentierfreudigen Avantgarde-Verkleidung versteckt. Wer die gleichnamige Comicfigur nicht gerade beim Namen kennt, könnte höchstens durch das vorangestellte „Marvel“-Logo und vielleicht noch das „X“ im „O“ aus dem Titelschriftzug darauf kommen, dass die ganze Angelegenheit irgendwas mit den X-Men-Comics zu tun haben könnte. Halsbrecherische Serienväter wie Bryan Fuller („Hannibal“, „American Gods“) taugen als Vergleichsobjekt zeitgenössischer Unterhaltung jedenfalls weit mehr als jede x-beliebige Superhelden-Show, die momentan im Fernsehen oder auf hiesigen Streaming-Portalen läuft. Hätte sich eine konventionelle Fließbandserie der Schizophrenie der Hauptfigur wohl von außen genähert und sie zum Vorwand genommen, um anschließend mit sauberen Spezialeffekten die Chips- und Popcorn-Tüten feierlich poppen zu lassen, wagt „Legion“ den tollkühnen Tauchgang in den Surrealismus. Erzählt aus der Perspektive der Hauptfigur, kann man nichts und niemandem trauen - den Informationen aus den Dialogen nicht und schon gar nicht den Bildern.

Die Ausstattungswut dieser visuell extravaganten Serie reicht zurück bis in die 60er Jahre, was soweit führt, dass man sich kaum traut, den Zeitraum zu bestimmen, in dem sich alles abspielt. Die britische TV-Serie „Nummer 6“ (Produktionsjahr 1967) könnte unter anderem Pate gestanden haben für die Interieurs und überhaupt die allgemeine Verunsicherung, die einen Großteil der Atmosphäre bestimmt; auch die „12 Monkeys“ haben sicherlich Eindruck hinterlassen. Hauptdarsteller Dan Stevens beobachtet mit rollenden Augen und einer pendelnden Grimasse zwischen gellender Angst und blinder Euphorie, wie in seiner psychiatrischen Anstalt Türen verschwinden, sich ganze Grundrisse verändern, Dekoration und Kulisse ausgetauscht werden, ja selbst die Farbfilter neue Schattierungen annehmen. Die Charaktere, mit denen er interagiert, sind in der nächsten Szene nicht mehr unbedingt dieselben, die sich mit ihm gerade noch freundlich unterhalten hatten; fest steht nur, irgendwo in ihm drin existieren ungewöhnliche Kräfte, die das Interesse einer Gruppe mit unbekannten Absichten geweckt hat.

Der ausstrahlende Sender FX ist wahrlich furchtlos. Immerhin wird hier ein Eiswürfel besucht, der als Kulisse für eine Astralebene herhält und zum Schauplatz von Philosophie und Karaoke wird. Menschen bleiben in Wänden stecken. Ein Mann im Tauchanzug verführt dazu, ihm durch ein Portal zu folgen. Die Zeit wird auf einer bestimmten Ebene zur Superzeitlupe verlangsamt und zum Kern zukünftiger Handlungen erklärt. Ein riesiges Paar Augen manifestiert sich per Überblende mitten in einem Wohnzimmer, als stünden wir mitten in einem übernatürlichen Giallo. Der Supervillain, Shadow King, hockt nicht etwa auf seinem Thron und wartet passiv auf die Ankunft des Helden, sondern sucht als deformierte Gestalt mit gelben Augen in fiebrigen Alptraumsequenzen immer wieder aktiv nach seinen Widersachern.

Und dennoch wird in der furiosen Mixtur aus verzerrtem Szenenbild, ausgefallener Garderobe, dissonantem Schnitt und wandlungsreichem Schauspiel das Erzählen nicht vernachlässigt, auch wenn es wie im Stakkato an die Oberfläche dringt. Bewundernswert ist es, dass man nie dem konventionellen Erzählen nachgibt. Viele Serien beginnen ungewöhnlich und enden in bekannten Mustern. Diese bleibt ein formelles Wagnis von Anfang bis Ende.

Ob nun Comic-Hintergrund oder nicht: Völlig egal. „Legion“ hätte auch als einfaches Schizophrenie-Drama mit übernatürlichen Elementen hervorragend funktioniert. So ist es nun eben die vielleicht interessanteste Comic-TV-Adaption überhaupt. Dass eine zweite Staffel schon bestätigt wurde, ist ebenso unerwartet wie erfreulich.
:liquid8:

Strike Back – Season 2
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Treffen sich ein Brite und ein Amerikaner auf dem Schlachtfeld... klingt wie der Auftakt zu einem blöden Witz? Es ist einer. Man kann Cinemax bestimmt keinen Vorwurf machen, dass sie das etwas dröge Originalkonzept mit Comic Reliefs, fetten Explosionen und reichlich Nuditäten aufpeppen wollten, nur wirkt "Project Dawn" jetzt wie eine nicht ausdefinierte Evolutionsstufe zwischen der ersten Staffel (die zumindest noch so etwas wie ein Drehbuch hatte) und dem hauseigenen "Banshee", das trotz identischer Zutaten weitaus unterhaltsamer, weil spannender geriet. Richard Armitage schaut noch kurz für einen Cameo vorbei, dann wird der komplette Cast einmal ausgetauscht und jede Hoffnung auf charmante Paarungen der Art Armitage / Bremner sind verloren. Mit Sullivan Stapleton und Philip Winchester hat man sich kaum einen Gefallen getan... Erstgenannter spielt einen amerikanischen Affenmenschen mit Zugang zu allerhand Schießeisen, der andere versucht sein eigenes Proletentum mit britischem Akzent und bitterem Ernst zu überspielen. Wie eine Doppel-007 aus der Zeit des Homo Neanderthalensis besuchen sie bei strahlendem Sonnenschein allerhand exotischer Orte (meist in unbestimmten Ostblockgebieten) und lassen alles explodieren, was sich auch nur andeutungsweise der Explosionsgefahr verdächtig macht. Menschen werden gefoltert und gerettet, Tyrannen zur Strecke gebracht und das Weltbild bekommt seine Ordnung durch Chaos zurück, verursacht durch ungebremste Egozentriker, die den Mittelpunkt der Welt in ihren eigenen Taten ausmachen.

Auf dem Papier klingt das vielleicht nach Heavy Metal, doch "Project Dawn" langweilt mit einem völlig uninteressanten Handlungsbogen, der einerseits die Szenarien wechselt wie die tägliche Unterhose, andererseits eine übergreifende Erzählung zu etablieren versucht. Am Ende ist beides für die Tonne und man konsumiert nur noch für die kurzen Schauwerte, die alle paar Minuten mal aufblitzen. In der Zwischenzeit kann man den Einkaufszettel für den nächsten Tag schreiben oder Hemden bügeln. Man verpasst bloß Nichtigkeiten.

Zugutehalten kann man Cinemax, dass Serien wie diese heute kaum noch gemacht werden. Für "Banshee" reicht das zum Alleinstellungsmerkmal. In reaktionären Luftblasen wie "Strike Back" meint man aber den Grund gefunden zu haben, weshalb sich die Serienlandschaft längst von den 80ern und 90ern emanzipiert hat.
:liquid4:

Weitere Sichtungen:
Plan B – Scheiß auf Plan A
Bad Asses / Bad Asses on the Bayou
Accident Man

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Beitrag von StS » 05.08.2018, 14:04

Jip, "Legion" ist dufte... "Strike Back" bei mir aber so etwas wie ein "Guilty Pleasure" :wink:

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Beitrag von Vince » 05.08.2018, 14:25

Ich weiß auch nicht... "Banshee" mag ich ja aus den gleichen Gründen, aber irgendwie konnte ich mit der zweiten Staffel "Strike Back" nix anfangen.

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Beitrag von gelini71 » 05.08.2018, 15:30

Was ist nur aus dem Actionfilmforum geworden ? :lol:
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Beitrag von SFI » 06.08.2018, 04:06

Vielmehr könnte man sich fragen was aus dem Actionfilm wurde. :lol:
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„Fate: Protects fools, little children and ships named Enterprise.“

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Beitrag von gelini71 » 06.08.2018, 12:12

in den 80igern und 90igern hättet ihr diese Serie abgöttisch geliebt :wink:
Ich mache keine Rechtschreibfehler, ich gebe Wörtern lediglich eine individuelle Note

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Beitrag von SFI » 06.08.2018, 13:52

Aber wohl nur als VHS Cut Version erhältlich gewesen. :lol:
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Beitrag von Vince » 06.08.2018, 13:53

In den 80ern hab ich auch Knight Rider und A-Team geliebt. Die sind inzwischen ungenießbar!

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Beitrag von freeman » 06.08.2018, 17:05

Trotzdem waren sie in den 80ern geil. So wie Strike Back ab Staffel zwei heute geil ist. *Widersprüche werden nicht mal zur Kenntnis genommen* ;-)

In diesem Sinne:
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Beitrag von Vince » 15.09.2018, 03:41

Happy Death Day
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Mit Zeitschleifen, Wiederholungen und Déjà-Vus muss sich der Analyst des Genres „Slasher“ schon deswegen auseinandersetzen, weil seine Vertreter ja genau das immer wieder abliefern. Die Opfer werden gehenkt, geschlitzt, gehängt, gesprengt, erschossen, ersäuft, überfahren, versengt... egal wie, am Ende steht fast immer ein (meist degenerierter) Typ mit der Maske da und lacht sich ins Fäustchen. Um auf diese Regel hinzuweisen, kommt das berüchtigte Trial & Error von "Groundhog Day" eben gerade recht: Es geht um die Variation des Wiederkehrenden bei immer gleichem Resultat.

Vielleicht liegt der Zusammenhang aber auch ein wenig zu nahe. Nach all den Meta-Slashern, die seit "Scream" die Wahrnehmung des Publikums für die Regeln stilechten Gemetzels geschärft haben, erhofft man sich von einem Film mit einer so spielerischen Prämisse vor allem originelle Drehbuchkniffe und Stalker-Varianten, die mit Trick 17 um die Ecke denken und dabei möglichst eine echte Expertise in Sachen Jason & Michael unter Beweis stellen. Doch der vorgezeichnete Weg der zickigen Hauptfigur Tree (Jessica Rothe) ist eine verhältnismäßig gerade Linie. Harold Ramis' Romantikkomödie von 1993 wird nicht nur als leichte Inspiration aufgegriffen, sondern regelrecht zum stützenden Krückstock umfunktioniert, das Prinzip Liebesfilm 1:1 auf den Horrorfilm angewandt.

Wir wachen also in der chaotischen Studentenbude eines One-Night-Stands auf und werden zunächst im Murmeltier-Stil mit allerlei Pavlov-Reflexen überschüttet. Ein Handy-Wecker mit grauenvollem Klingelton, ein Typ mit einem blöden Spruch (der nach 10 Wiederholungen nicht gerade besser wird), Rasensprenger, die wie auf Kommando zu rotieren beginnen. Das kommt einem schnell bekannt vor, die gewünschte Alternation der Mechanismen eines Zeitschleifenfilms bleibt aber leider aus. Rothe, bei der anfangs noch alles nach einer mäßig talentierten Schauspielerin mit nichtssagender Tussi-Mimik aussieht, beweist mit der Zeit immerhin ein selbstironisches Talent, das zum Teil darüber hinwegsehen lässt, dass sie schlenkerfreie Pfade in den sicheren Tod mit Wiedergeburt durchschreiten muss. Doch so gut ist sie auch wieder nicht, dass sie vergessen ließe, wie viel Potenzial in der möglichen Kreuzung von Handlungsvarianten einfach nicht genutzt wird.

Die Twists in der Auflösung entsprechen am Ende in etwa dem Repertoire eines soliden Genre-Vertreters und genügen damit nicht den Ansprüchen an einen Meta-Slasher, der immerhin Zugang zu den Regeln von außen genießt und sie theoretisch nach Belieben manipulieren könnte. Selbiges gibt er aber nur vor. Das ist milde enttäuschend, gerade nach den Vorschusslorbeeren.
:liquid5:

Geostorm
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Der Film zur Klimawandel-Debatte. Man nehme:

einen tatkräftigen Helden, der gleich am Anfang wider die Justiz, aber pro Menschheit agiert und sich damit ins Abseits manövriert (und in unsere Herzen)
ein Töchterlein, damit sich der Überlebenskampf auch lohnt
Michael-Bay-Sonnenuntergangsromantik mit wehenden Gräsern und Blutorangenhimmel, weil die Welt doch zu schön ist, um sie zu verlieren
ein Multikulti-Team der Sorte "Armageddon", damit sich das Ganze weltweit möglichst gut verkauft (unter der Leitung jedoch von den Weltmächten USA und China... sind ja folgerichtig auch die größten Filmmärkte, und, naja... so viel Stolz muss sein)
zünftige Weltraum-Action mit Splitterteilen vor schwarzem Vakuum, weil das so schön Hi-Tech aussieht und an „Gravity“ erinnert
Wetterphänomene, soweit die Vorstellungskraft der Autoren und Effektleute reicht. Zieh dich warm an, Emmerich!

Man bekommt:

>>
Bigger-Budget-Rührsuppe auf dem Trash-Pegel von "The Core".

Ehrlich, man kann vielleicht sogar seinen Spaß haben mit diesem SciFi-Katastrophenfilm, der mit einem Auge auf zeitgenössische Polit-Debatten schielt und mit dem anderen auf ungezügelte Unterhaltung. Die aus dieser Anspruchsschere entstehende Scheinheiligkeit sollte man für den reuelosen Genuss aber ausklammern können. Und es ist schwer, den bitteren Ernst zu akzeptieren, mit dem Gerard Butler am Wetter herumbastelt, um ein Ungleichgewicht auszumerzen, das da unten auf der Erdkugel immerhin so coole (oder hotte, je nach Phänomen) Effektspektakel erzeugt. Natürlich möchten wir darüber staunen, wie ein Dorf in Afghanistan einfriert, obwohl ein Meter weiter entfernt knapp 50 Grad herrschen, wir wollen dicke Flutwellen durch Abu Dhabi pflügen sehen, Tornados wie gnadenlose Furien in Aktion erleben. Nach Barcelona fliegt man gerne in den Sommerurlaub... sofern man als Grillwürstchen auf dem Asphalt enden will. Und natürlich haben wir uns alle nach einer Rückkehr von "Godzilla" gesehnt. Ach, Moment, das sind ja nur explodierende Straßen und einstürzende Hochhäuser zwischen Feuersäulen. Also quasi "Godzilla" in unsichtbar. Ob Gareth Edwards womöglich Second-Unit-Director im Tokyo-Abschnitt mit Daniel Wu war?

Überhaupt ist der Umgang mit Länderklischees bemerkenswert offensiv, nicht nur was die Japaner und ihren Gojira-Komplex angeht. So beschwert sich der Brite über die Cowboy-Attitüde Butlers, ordnet sich ihm aber im Endeffekt aber wie jede der Nationen unter, die mit ihren kleinen Flaggen jeweils ein Stück Nationalstolz am Arm tragen, der als kleines Quadrat gerade eben noch geduldet wird. Erstaunlich, dass sich das schwarz-rot-goldene Quadrat auf dem Overall von Alexandra Maria Lara sogar zum Second Lead aufplustern darf. Aus amerikanischer Perspektive muss diese Entscheidung wohl irgendwas mit der Assoziation Merkel zu tun haben.

Die Schaulust an Wetter-Abnormitäten verurteilt "Geostorm" dabei nicht etwa, sondern reicht dem Publikum auch noch das Popcorn. Liefert Spezialeffekte nicht als Warnung, sondern als Schmankerl. Was ja in Ordnung wäre, würde man nicht zeitgleich mit dem grünen Daumen wedeln. Und wenn die Effekte dann wenigstens noch aus einem Guss wären... wer auch immer für das Konzeptdesign verantwortlich war, orderte seinerzeit als Kind im altmodischen Süßwarenladen vermutlich auch stets mit der Bemerkung "Egal, Hauptsache bunt gemischt".

Man muss da schon von einem Kandidaten für den gröbsten Unfug des Jahres sprechen. Positiv zu vermerken ist, dass der Unterhaltungswert eigentlich nur in den theoretischen, nicht-aktionsbezogenen Dialogen in den Keller fällt. Und von denen gibt es nicht viele, weil im Grunde alle paar Minuten irgendwo etwas schmilzt, einfriert, aufgewirbelt, überflutet oder in die Luft gesprengt wird. Noch selten hat ein Film allerdings seinen eigenen Stoff derart falsch eingeschätzt.
:liquid4:

Professor Marston and the Wonder Women
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Dass unter all den gescheiterten DC-Comicverfilmungen ausgerechnet "Wonder Woman" viel beachtet wurde, gereicht der Filmbiografie über ihren Erfinder natürlich zum Vorteil. Man kann es der Außenpräsentation inklusive Poster und Filmtitel, die ungeübten Beobachtern ein typisches Sequel versprechen (jetzt mit noch mehr Wonder Women!), kaum verdenken, dass sie sich an den Kinoerfolg anheften. "Professor Marston and the Wonder Women" wird von vielen Zuschauern nun wohl konsumiert wie eine Dokumentation zum Film mit Gal Gadot im Bonusmaterial der DVD.

Doch auch wenn die erste Einstellung einen Böllerwagen voller Comics zeigt... die Handlung des sehr wohl filmischen und in keiner Weise dokumentarischen Biopics geht weit über die weibliche Superheldin aus dem Titel hinaus, ja sogar weit über das Leben ihres Schöpfers William Marston. Es zeigt allerdings, welche gesellschaftlichen Kräfte hinter dem simplen Tuschestrich eines vermeintlich so banalen Comicheftchens tatsächlich walten. Seinen Schwerpunkt legt das Drehbuch darauf, Verbindungen zu ziehen zwischen gesellschaftlichen Umständen, den sich daraus ergebenden sozialen Fesseln, der Kollision dieser Fesseln mit individuellen Bedürfnissen, bevor am Ende der Kette der unbedingte Willen zur Emanzipation entsteht, der sich mit Synergie-Effekten nicht nur in Wissenschaft (Erfindung des Lügendetektors) und Kunst (Erfindung einer Comicfigur) entlädt, sondern nicht zuletzt auch im Ausleben geheimster Fantasien.

Ein Anspruch auf historische Korrektheit besteht schon deswegen nicht, weil Marston und seine Gespielinnen, der Konstellation nach ein infernales Trio im Grunde wie aus der Villain-Abteilung eines Comics, erfrischenderweise nur Nebendarsteller in ihrer eigenen Geschichte sind. Im Fokus steht das engstirnige Amerika der 40er Jahre, einer Welt aus kleinen Häusern mit Gärten auf symmetrischen Grundstücken, bewohnt von klassischen Familien mit Vater, Mutter, Kind. Entsprechend leistet man es sich, die ungewöhnliche Beziehung zwischen Marston, seiner Frau und seiner Assistentin zu einem Akt sexueller Befreiung auszugestalten, der sich gegen alle Widerstände durchsetzt. Regisseurin Angela Robinson treibt Luke Evans, Rebecca Hall und Bella Heathcote dazu an, dieser Interpretation strikt zu folgen, auch wenn historische Berichte mitunter andere Zustände überliefern, da seitens Marston viel Druck und Zwang eingeflossen sein soll.

Dies zu ignorieren, ist dann legitim, wenn eine Figur nicht Zentrum der Betrachtung ist, sondern lediglich ein Instrument, um auf andere Dinge hinzuweisen. Und gerade das beherrscht "Professor Marston and the Wonder Women" brillant. Denn niemand, der diesen Film gesehen hat, wird anschließend im Medium Comic nur noch reine Bespaßung für Kinder und Erwachsene sehen.
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U.H.F. - Sender mit beschränkter Hoffnung
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Von der Zeit wurde diese zum Kinofilm aufgeblasene Quasi-Werkschau des Weird Al Yankovich nicht etwa deswegen zum Kult erklärt, weil sie besonders geistreich gewesen wäre in dem Versuch, die amerikanische Film- und Fernsehkultur zu parodieren. Im Gegenteil, der nach Monty-Python-Manier aus Sketchen zusammengefügte Flickenteppich von Film ist unsauber vernäht, und die Versuche, die Pointen zum Platzen zu bringen, gleichen dem Bild eines Mannes, der mit rotem Kopf erfolglos versucht, das Volumen eines Luftballons auf die Probe zu stellen. Schließlich muss sich das Publikum mit vielen bunten Luftblasen zufrieden geben, denen es nie vergönnt sein wird, in Fetzen gesprengt zu werden. Ob da nun der Abenteurer mit der Peitsche vor einer riesigen Felskugel um den Erdball flüchtet oder Sylvester Stallones Gipsabdruck für die aus Plastik nachgebildete Muskelmasse eines wild um sich feuernden Idioten herhalten muss... am Ende ist da immer nur ein seltsamer Typ mit Fliegerbrille, der ebenso in diese Zeit gehört wie die Popkultur, derer er sich annimmt.

"U.H.F." ist von wenigen Ausnahmen abgesehen nicht besonders witzig, milde ausgedrückt. Und doch ist das Vermächtnis eines Akkordeonspielers für das Kino ebenso zur Existenz berechtigt wie beispielsweise ein "8 Mile" mit Eminem. Yankovich ist kein Schauspieler; in den meisten Szenen schaut er so ausdruckslos aus der Wäsche wie eine grasende Kuh auf der Weide und hat dadurch entscheidenden Anteil daran, dass viele Gags nicht zünden wollen. Doch strahlt er damit eine gewisse Authentizität aus, die sich in letzter Instanz dann wohl durchgesetzt hat, als sich die Filmgeschichte dafür entscheiden musste, ob sie dieses Machwerk um eine Underdog-Radiostation für immer verscharren oder doch in der Ahnenhalle von Hollywoods Obskuritäten ausstellen wollte.

Umringt von Darstellern wie Michael Richards, die ähnlich funktionieren wie Weird Al selbst, wird ein Schuh draus. Das völlig naive Finale nimmt im Grunde bereits vorweg, wie ein Adam Sandler in den 90er Jahren viele seiner erfolgreichen Komödien ausklingen lassen würde: Während die Underdogs den Fieslingen voller Genugtuung die Hosen runterziehen, wird das Publikum vor dem Fernseher sozusagen live in die Situation gezogen, vertreten durch Statisten, die den Helden wie in einer Arena umringen und ihm zujubeln, während er die düsteren Pläne des Widersachers mit den Winkelzügen eines ausgebufften Anwalts, mit seinen eigenen Waffen also, genüsslich zerschlägt.
Das Herz der Masse zu gewinnen, kann manchmal so einfach sein.
:liquid6:

Pit Stop
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In Jack Hills Racing-Drama "Pit Stop" bestimmt die Flüchtigkeit der Spotlights das Muster. Anfangs sind es die Scheinwerfer der Straßenlaternen oder beleuchtete Geschäfte, in denen die erfolgshungrigen Rennfahrer für Sekundenbruchteile in Szene gesetzt werden, bevor sie wieder im Dunkel der Nacht verschwinden; schließlich fängt sie das Flutlicht in der Figure-8-Arena ein. Dort kreuzen wettstreitende Wagen fortwährend ihre Spur und provozieren mit verrückten Manövern Unfälle. Das scherenschnittartig gestaltete und eigentlich nicht mehr der Produktionszeit entsprechende Schwarzweiß wird bei Stunts ebenso wie bei Dialogszenen eingesetzt wie das Chiaroscuro alter B-Movie-Noir-Thriller. Es lässt viele Winkel im Dunkeln, nicht zuletzt jene Bestandteile in den Gesichtern der Fahrer, die ihre wahren Emotionen und Beweggründe verraten würden, wäre die Optik mit High-Key-Elementen versehen. Stattdessen wird die Fratze des Siegeswillens nach außen gekehrt, wofür sich das kantige, von breiten Zahnreihen besetzte Gesicht von Nebendarsteller Sid Haig für Hill erneut als ideales Transportmedium erweist.

Das Grieselig-Schmutzige der Bilder geht einher mit einem tragischen Ablauf des Plots. Dieser lässt die Anspannung vor dem Wettbewerb regelmäßig in ausgelassenen Parties danach entweichen; der Soundtrack spielt eine nicht zu unterschätzende Rolle und weist den Film deutlich als ein Relikt der 60er Jahre aus. Und während der ewige Kreislauf von Sieg und Niederlage, von Angriff und Verteidigung seine Kreise zieht, wird hinten in den Werkstätten sowie beim Pillow Talk in den Betten ein Drama vorbereitet, das mit harten Plotwendungen für eine überraschende emotionale Tiefe im Abgang sorgt.

Zugleich ist "Pit Stop" aber auch eine frühe Form von Actionfilm mit spektakulären Renneinlagen, die eine Nutzung von Zeitraffern nicht einmal nötig gehabt hätten, um sich als Hingucker zu qualifizieren. Noch dazu überzeugt die charismatische Besetzung, obwohl Richard Davalos in der Hauptrolle eine vergleichsweise glatte Ausstrahlung hat. Vorwerfen kann man Hill vielleicht, dass er die relativ dramatischen Inhalte insgesamt doch eher dröge beziehungsweise unterkühlt in Szene setzt; andererseits unterstreicht das die besonderen Eigenarten eines Films, der völlig aus der Zeit gefallen zu sein scheint.
:liquid7:

Die Eiserne Rose
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Man könnte sagen, dies ist Jean Rollins Geisterfilm. Schon die malerischen Impressionen des kleinen Küstendorfs geben zum Vorspann die Stimmung an, und selbst als mit scharfem Kontrast der Szenenwechsel mitten auf eine Hochzeitsfeier erfolgt, geht es darum, die auserwählten Hauptfiguren, einen Mann und eine Frau, vom Puls der Gemeinde zu isolieren. Die Kommunikation zwischen ihnen erfolgt durch die tanzende und feiernde Menge hindurch stillschweigend über Blicke, verstärkt durch die scharfe Semiotik der Schnittmontage; für die ahnungslose Hochzeitsgesellschaft wird der Gedankenaustausch in einem obskuren Gedicht verschlüsselt, das der Mann zur Irritation der meisten Anwesenden zum Besten gibt.

Schnitt zurück ins Freie. Es folgen symbolisch aufgeladene Schlüsselbilder wie der Kopf eines Zuges, der aus dichtem Nebel ragt und zur Bühne für die Frau wird, die darauf für mögliche Aushangfotos posiert. Später wird auch der Clown wieder einen bizarren Kurzauftritt haben, der Rollins Werke immer mal wieder heimsuchen würde. Die Dialoge bleiben sparsam und in ihrer Semantik vage. Sie spiegeln damit die Handlung, die sich in einer großen Ellipse erschöpft. Man kann nicht umhin, schon in der reinen Inhaltsbeschreibung ein Bildnis zu entdecken: Ein Paar, das in der Nacht auf einem labyrinthischen Friedhof eingesperrt wird und nicht mehr den Weg zum Ausgang findet.

Erwartungsgemäß inszeniert Rollin die gotischen Relikte aus Stein und Eisen, überwuchert mit wild wachsendem Grün, von Meisterhand; schließlich befindet er sich voll und ganz in seinem Element, wenn er derartige Kulissen zur Verfügung hat. Obwohl er diesmal - abgesehen von einer Szene an seinem ebenfalls gerne besuchten Strand - fast völlig auf Nacktszenen verzichtet, spielt die Ästhetik wieder eine große Rolle, wo die Handlung jeglichen Kommentar verweigert.

Seine Spannung bezieht das surrealistisch angehauchte Umherirren zwischen den Toten hauptsächlich aus dem sich verändernden Verhältnis zwischen Françoise Pascal und Hugues Quester. Die Dominanzverhältnisse verschieben sich mehrfach. Die Stimmung mäandert ständig zwischen Panik und innerer Ruhe. Die traumwandlerische, diffuse Art der Inszenierung trügt, denn tatsächlich arrangiert Rollin hier das uralte Spiel der Machtverhältnisse zwischen Mann und Frau. Er stellt Fragen bezüglich Führungsqualität, Vertrauen und dem Umgang mit Macht, nach selbstzerstörerischen Tendenzen und der eigentümlichen Dynamik, die sich zwischen zwei Menschen unterschiedlichen Geschlechts ergeben, wobei er den Friedhof unmissverständlich, aber doch mit aller gebührenden Zurückhaltung als zentrales Symbol für den Kreislauf des Lebens versteht.

Klammert man die offensive Symbolik, angeführt durch die "Eiserne Rose" aus dem Titel, völlig aus, so mag man einen ereignislosen Erfahrungsbericht über eine Nacht auf dem Friedhof vorfinden, ganz ohne Monster und Vampire, geschmückt mit nur wenigen unheimlichen Gestalten anderer Art. Entschließt man sich aber dazu, die Subtexte anzunehmen und den ein oder anderen Holzhammer zu verzeihen, so wird aus dem Camping in der Gruft eine durchaus sinnliche Erfahrung.
:liquid8:

Der Seidene Faden
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Gäbe es Oscar Bait, die es primär auf den Kostüm-Oscar abgesehen hat, sie müsste wohl aussehen wie "Der seidene Faden". Das im London der 50er Jahre angesiedelte Beziehungsdrama von Paul T. Anderson verwendet immerhin Nadel und Faden, um die komplizierte Zusammenkunft zwischen einem Schneider und seiner Frau aufzuarbeiten. Die Farbentsättigung täuscht nicht darüber hinweg, dass der "Phantom Thread" eine gellende Metapher für das unsichtbare Band ist, das zwei völlig ungleiche, sich magnetisch gegenseitig abstoßende Charaktere wider aller Naturgesetze zusammenhält.

Dass sich ein P. T. Anderson mit seiner Art, Themen aufzubereiten, dem direkten Verständnis des Publikums entzieht, ist ja nun nichts Neues. Zugänglicher als die verkopft gedachten Vorgängerwerke "Inherent Vice" und "The Master" ist sein neuester Streich aber dennoch - trotz der irritierend gezeichneten Machtverhältnisse, die jegliche Dynamik in der Zusammenkunft der Hauptfiguren bestimmen. Mag es dem in RomCom-Kastenformen denkenden Normalbürger auch schwer in den Kopf gehen, die so umständlich wirkende Abfolge von Distanzierungs- und Annäherungsversuchen ist mindestens so authentisch wie sie irrational ist. Sollte der Film den Teilauftrag haben, die Realität in der ein oder anderen Weise abzubilden, so sind derart ungewöhnliche Konstrukte gegenüber dem Gros romantischer Dramen und Komödien noch vollkommen unterrepräsentiert. Daniel Day-Lewis und Vicky Krieps sind faszinierend in ihren Rollen, letztere dabei fast schon so ein radikaler Gegenentwurf zur klassischen Kostümfilm-Schönheit, dass es beinahe wieder zu viel ist.

"Der seidene Faden" ist ein hässlicher Film, voller Ängste und Depressionen, voller Demütigung und unerfüllter Bedürfnisse, gefangen in ausgewrungenen, kargen Mise-en-scènes; dann aber auch wieder voller Wunder und kleiner Besonderheiten. Wie die Einzigartigkeit, die man in einer Situation spürt, die eigentlich durch soziale Fesseln zustande kam. Die auf eine ganz und gar prunklose Weise betörenden Aspekte Kostüm und Ausstattung sind bloß ein hübscher Nebeneffekt dessen.
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Paddington 2
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Entgegen der gemütlichen Art der pelzigen Hauptfigur, dafür aber auf einer Linie mit klassischen Sequel-Rezepturen, ist "Paddington 2" eine äußerst turbulente Angelegenheit. Selbst kleinste Tagträumereien verwandeln sich in aufregende Achterbahnfahrten, kreativ zum Leben erweckt von den Animatoren, die weit mehr zu tun haben als einfach nur einen Bären zu animieren. Die aufgeschlagene Seite eines 3D-Faltbuchs verwandelt sich in ein begehbares Panorama voller Pappfiguren, eine Verfolgungsjagd entlang der Themse nimmt die verrücktesten Irrwege und allerorten trifft man auf skurrile Comic-Charaktere. Darunter Hugh Grant, der sich im Grinsekatze-Modus ganz böse selbst aufs Korn nimmt, und Brendan Gleeson, der als Gefängniskoch eben gerade das darstellt, was man landsläufig einen "brummigen Bären" nennt - kein Wunder, dass er sich nach Anlaufschwierigkeiten so gut mit Paddington versteht.

Konsequent ist es da nur, dass der Fokus von Paddingtons Familie ein wenig abrückt. Spürbar hat sich der Teddy in der britischen Hauptstadt inzwischen eingegroovt, da braucht es nicht mehr zwangsläufig das behütete Heim als Rückzugsort für alle Fälle. Selbst Sally Hawkins greift erst spät aktiv in den Handlungsablauf ein. Alles in allem ist die Story der Fortsetzung eine Angelegenheit zwischen Paddington und seinem manischen Widersacher, der das von Nicole Kidman im ersten Teil zum Leben erweckte Disney-Flair weiterpflegt und noch eine Spur Tim Burton drauflegt.

Das flotte Tempo nagt zwar spürbar an der Gemütlichkeit, die der Vorgänger zwischen den Schauwerten noch zu bieten wusste, Charme hat die Nummer aber durchaus immer noch. Insbesondere in den Knast-Szenen werden Kinder auf amüsante Art an alte Filmklischees herangeführt, wenn beispielsweise rote Socken und schwarzweiß geringelte Knastuniformen eine unliebsame Begegnung in der Waschmaschine machen. Für das erwachsene Publikum hätten es gerne noch ein, zwei exklusive Gags mehr sein dürfen, doch insgesamt gelingt es auch "Paddington 2", herzliche Familienunterhaltung zu liefern, trotz der Zugeständnisse, die aber ja so viele Fortsetzungen machen müssen.
:liquid6:

Insidious - The Last Key
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Überraschend: Der von Ideengeber Leigh Wannell persönlich inszenierte "Insidious 3" fühlte sich bereits wie ein schlichter Ableger für den Videomarkt an und ließ nichts Gutes für die Zukunft der Franchise erahnen, doch Newcomer Adam Robitel strebt mit "Insidious: The Last Key" zumindest audiovisuell wieder den effektvollen Konzepthorror an, mit dem die Franchise (samt "Conjuring" und Ablegern) einst ihren Anfang nahm.

Damit kehrt die Serie unerwartet zu ihren alten Tugenden zurück. Gleichwohl nimmt sie nicht völlig Abstand vom Versatzstück-Prinzip, mit dem die Horror-Elemente wie Module miteinander verknüpft werden: Wieder steht ein neues Monster im Mittelpunkt ("neu" ist dieser Tage allerdings relativ, wenn Javier Botet unter der Maske steckt), wieder ist ein neuer Einzelfall zu lösen unter Leitung eines Mediums, dem es schon seit Jahren widerstrebt, diesen Job zu machen. Die an verdunkelte Theaterkulissen erinnernde Geisterwelt ist längst ein zu wichtiges Markenzeichen, um es einfach auszulassen. Und die "Geisterjäger", bereits im ersten Teil Lieblingszielscheibe der Kritik, tänzeln inzwischen mit der Zuverlässigkeit von Ebbe und Flut durch die Strophen, um dem Publikum nach dem Horror im Refrain etwas Erleichterung zu verschaffen. Denn wer brav die bittere Medizin schluckt, soll sich danach auch über ein leckeres Eis freuen dürfen.

Gar keine Frage, Robitel präsentiert sich hier nicht gerade als Neuerfinder, doch die zur Verfügung stehenden Legosteine setzt er so motiviert zusammen wie ein Videospiel-Nerd sein Level im Editor eines Computerspiels. Man braucht nicht einmal zwangsläufig das Wissen der vorherigen Teile, um zu ahnen, wann und wie die Jump-Scare-Konventionen gebrochen werden. Die Stimme kommt aus dem Schrank, doch ist dort auch die sprechende Kreatur? Der geöffnete Koffer versperrt die Sicht nach hinten, doch wird tatsächlich eine Fratze dahinter warten, wenn der Koffer geschlossen wird? So langsam weiß der Zuschauer, wie der Hase läuft... und trotzdem lässt man sich irgendwie gerne verschaukeln, einfach weil es ein unterhaltsames Rätselspiel sein kann, wann und wo die Fantasie der Autoren das nächste Mal zuschlägt.

Und die Spielfreude, die ist ausgeprägter als im dritten Teil, der schematisch den immer einfallsloseren Fortsetzungen eines handelsüblichen Slasher-Streifens zu ähneln begann. "The Last Key" hat wenigstens wieder den Hauch des Originalen. Dazu bietet er noch ein wenig unverbindlichen Quatsch, der den Überraschungsei-Süchtigen in uns anspricht... obwohl hinter der Schokolade immer nur eine Plastikfigur wartet, möchten wir immer wieder hinter die Schale blicken. Einfach, weil es so schön kribbelt.
:liquid5: ,5

Hagazussa - Der Hexenfluch
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"The VVitch" nicht als Referenz zu nennen, hieße, das Offensichtliche zu leugnen. Von der Thematik über die avantgardistische Bildsprache bis zur bedingungslosen Vermeidung jedweder Genre-Zwangsjacke ist die Sage aus Neuengland mit ihrem Pendant aus den tiefsten österreichischen Bergen eng verwandt - und doch sind völlig eigenständige Werke mit unterschiedlichen Schwerpunkten das Ergebnis. Lukas Feigelfeld gelingt schon alleine deswegen Originäres, weil er sich dabei voll und ganz auf die Eigenarten und Besonderheiten heimischer Folklore bezieht.

In unheimlich langen Einstellungen, die permanent die Geduldsgrenze des Betrachters auf den Prüfstand stellen, wird Mythologisches schleichend in die Psychologie überführt. Leere Blicke ins Dickicht der Wälder erzeugen eine egoperspektivische Wahrnehmung, die den Zuschauer an der Entstehung des Wahnsinns im Kopf der Hauptfigur teilhaben lassen. Man wird unmittelbar Zeuge, wie der Tag mithilfe eines weichen, fast unsichtbaren Zeitraffers dem Abend weicht und die Schatten im Gehölz immer größer werden. Wie sich darin Gestalten bilden, die der isolierten Hauptfigur nach dem Verstand trachten. Ein giftiger Cocktail aus gestörtem Mutterverhältnis (dessen Vererbungslehre starke Gemeinsamkeiten mit "The Eyes Of My Mother" pflegt), Krankheit und Vereinsamung breitet sich in einer Aura der Ereignislosigkeit unbemerkt aus. Begleitet von einem zähflüssigen Drone-Soundtrack leiten Bergpanoramen Szenen-Übergänge ein, wie sie anderswo als Werbung für den Heimaturlaub verwendet werden.

Das sorgt für einen extrem naturalistischen Anstrich, der fast schon in einen Superrealismus mündet, sind Schnee und Baumrinde, aber auch der Schein des Feuers in der Berghütte stellenweise so greifbar, dass man sie vor dem Fernseher riechen und schmecken kann. Doch diese Eindrücke werden nur geschaffen, um sie wieder zu brechen. Mit radikalem Symbolismus beispielsweise, dem auch die Kapitel-Unterteilung mit Überschriften wie "Horn" oder "Feuer" gehorcht. Zudem mit chemischem Surrealismus, der nicht nur seltsam vertraute Stimmen aus dem Wald erklingen lässt und so einem äußerst subtilen Grusel dem gängigen Jump Scare vorzieht, sondern außerdem dafür sorgt, dass man den gezeigten Bildern nicht unmittelbar trauen kann. Erst im Nachgang, wenn man wieder dazu in der Lage ist, die im Pilzrausch wahrgenommenen Phantome zu deuten, offenbaren sich während der Transformation der Hauptfigur Dinge, die kein Blut benötigen, um das Grauen in Gedanken entstehen zu lassen.

Selbst wenn man keine Vetteln mit Hakennase erwartet, die geifernd in ihren Kesseln kleine Kinder kochen, selbst wenn man (etwa durch den Trailer) auf etwas Ambitioniertes eingestellt ist, kann man sich von der kompromisslosen, extrem minimalistischen Regieführung schnell vor den Kopf gestoßen fühlen. Kunst um der Kunst willen? A(rthouse)ffektierte Umdeutung des Heimatfilms? Möglich. Gleichzeitig verbirgt sich hinter "Hagazussa" aber eine stark gespielte, ausdrucksvoll gefilmte Studie der psychologischen Stadien der Isolation.
:liquid7: ,5

Motorrad - The Last Ride
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Selbst wenn sie versuchen, ihrer Natur zu entkommen... Slasher schlachten eben nun mal Dinge aus. Im durchaus ambitionierten "Motorrad" ist es das ikonische Bild des anonymen Motorradfahrers, der sich in der Filmgeschichte stets als silhouettenhafte, bedrohliche Erscheinung am Horizont gefiel. Regisseur Vicente Amorim setzt sie also entsprechend exzessiv in Szene und reitet regelrecht auf den stummen Drohgebärden der Unbekannten herum. Das alte Verschwinden-von-einer-Sekunde-auf-die-nächste-Spiel, das viele Geistererscheinungen - und natürlich Batman! - perfektioniert haben, wird in Dauerschleife wiederholt, möglich gemacht durch Kamerafahrten, die den panischen Kopfbewegungen der Opfer folgen und die Angreifer so für Sekundenbruchteile aus den Augen verlieren. Sind die Erscheinungen in Schwarz dann doch mal im Bild, verschmelzen sie mit den höchsten Erhebungen der brasilianischen Kiesel- und Schiefergebirge. Dabei lassen sie weder Identität noch Motivation erkennen, doch dafür gibt es an ihrem Ziel keinerlei Zweifel: Die Gruppe junger Biker, die sich in ihr Revier verirrt hat, muss sterben.

Hervorhebenswert ist es, dass es nicht etwa ein einzelner Psychopath in Lederkluft auf die Gruppe abgesehen hat, sondern ein ganzes Rudel, das zahlenmäßig in etwa ebenbürtig erscheint. Alleine mit dieser Konstellation offenbart Amorim seine Motivation, den augenscheinlich schichten Aufbau eines gewöhnlichen Slashers mit einem metaphysischen Unterbau zu versehen, kann man den Kampf der einen Gruppe gegen die andere doch als psychologische Spiegelung verstehen, mit der die Figuren quasi gegen sich selbst antreten. Dazu werden allerdings innerhalb der Gruppe nicht ausreichend Charakteranalysen ausgestreut und durch Konflikte gebündelt. Das Interesse des Zuschauers für das Schicksal der Figuren bleibt weitestgehend flach; es fällt schwer, Sympathien oder überhaupt irgendeine Form emotionalen Bezugs zu ihnen aufzubauen, denn wenn sie nicht gerade munter Klischees abarbeiten (was nicht zuletzt auf die hübsche Außenseiterin mit Insider-Kenntnissen zutrifft), handelt es sich bei ihnen einfach um leere Hüllen.

Ob, wann und wie es die einzelnen Mitglieder der Gruppe erwischt, wird daher weniger zur Frage der Sorge als vielmehr danach, wann der Action-Horror-Hybrid wohl endlich wieder einen seiner beiden Genre-Joker aus dem Hut zaubert. Gestorben wird dann immerhin recht abwechslungsreich und vor allem nicht ganz wehrlos, da auf beiden Seiten Verluste zu verzeichnen sind. Die ausgeblichene Optik, die andeutungsweise schon ins Schwarzweiß übergeht, lässt allerdings wenig Freude an potenziellen Farbklecksern wie Blut und Feuer aufkommen. Der hohe Kontrast schärft immerhin den Blick auf die staubig-steinige Umgebung, der den Boden besonders hart und das Wasser besonders klar erscheinen lässt. Er steigert das Mittendrin-Gefühl, hat im Endeffekt aber auch seinen Anteil daran, dass die Geschehnisse unter dem Strich völlig kalt lassen.

Respekt dafür, dass "Motorrad" ohne Frage anders ist als andere seiner Art, aber aus dem angedeutet psychologisierten Ansatz hätte man viel mehr herausholen müssen.
:liquid4:

Vikings - Season 4.1/4.2
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Die Genügsamkeit der ersten Staffel war trügerisch. Sie schlug schon bald in eine unstillbare Gier nach Ausbreitung um, in der Horizontale (thematische Fächerung) ebenso wie in die Vertikale (historischer Zeitstrahl). Nicht nur mauserten sich die einfachen Bauern Ragnar Lodbrok und Lagherta in kürzester Zeit zu Anführern, auch ihr Nachwuchs strebte in Windeseile nach den großen Fußstapfen der Eltern. Der weitgehend auf mündlich überlieferten Sagen basierenden Geschichte der Wikinger, die "Vikings" mit einem Zoom-Out ausbreitet, geht es also nicht einfach nur um eine Beschreibung eines damals herrschenden Status Quo, sondern vor allem um die Dynamik, mit der sich die Grundpfeiler einer Kultur von barbarischen Kriegern und Brandschatzern mit den Jahrzehnten verändert haben - speziell im Kontakt mit höher gebildeten Kulturen aus dem angelsächsischen Raum, aber auch im Hadern mit den eigenen Dämonen.

In der diesmal 20-teiligen, auf zwei Hälften aufgeteilten vierten Staffel wird dieser Fokus auf sprunghafte Entwicklungen nun völlig auf die Spitze getrieben. Wer bereits Probleme hatte, die Umbesetzung des Björn in der zweiten Staffel mit dem bulligen, hochgewachsenen Alexander Ludwig zu akzeptieren, der wird nun endgültig kapitulieren. Während alles um sie herum rasanten Entwicklungen unterliegt, ist einer Kathryn Winnick zum Beispiel nichts von den angeblich verstrichenen Jahrzehnten anzumerken. Sie müsste laut Geschichtsverlauf irgendwo in ihren 50ern sein, doch ihr Äußeres verschweigt mindestens 20 gelebte Jahre. Ähnlich verhält es sich mit Travis Fimmel. Auch wenn man ihm nach den zermürbenden Geschehnissen der letzten Staffeln (insbesondere der bitteren Niederlage vor den Pariser Toren in Staffel 3) großzügige Augenringe verpasst hat, seine blauen Augen strahlen dennoch in jugendlichem Wahnsinn aus ihnen hervor. Der Erstgeborene Björn, inzwischen endgültig zum martialischen Hünen mutiert, ringt im Schnee mit einem Bären und legt seine Mannesprüfung ab. Und so rücken plötzlich weitere Söhne Ragnars in den Fokus, die bis dato kaum eine Rolle spielten. Kurz vor Mitte der Staffel werden die Vier mit einem harten Schnitt plötzlich zu erwachsenen Männern und bestimmen fortan maßgeblich den weiteren Ablauf der Staffel.

Ein hohes Abstraktionsvermögen in Bezug auf einzelne Rollenneubesetzungen wird also ebenso vorausgesetzt wie die Bereitschaft, mit einem einzigen Schnitt auch mal großzügige Perioden von einigen Jahren zu überspringen. Dramaturgisch setzt das die Serie erstmals vor eklatante Probleme, denn mit der ausgeweiteten Episodenanzahl geht auch eine Ausweitung von Irrwegen einher. Die Liebe der Kinder zu ihren Eltern mag in gewisser Weise das Gerüst beisammen halten, doch drumherum müssen Freundschaftskrisen überwunden (Ragnar und Floki), Blutsverrat beglichen (Ragnar und Rollo), Mythologie gepflegt und zwischendurch auch mal das ein oder andere Volk beraubt werden. Nebenher wächst das Dorf der Wikinger zu einer beachtlichen Kleinstadt an, die allerhand neue Figuren eingliedert. Sehr wichtige Figuren sterben, andere werden nie wieder die sein, die sie waren. Das ist ein wenig viel für eine einzelne Staffel. Es gibt zwar Momente, in denen plötzlich alles organisch zusammenzulaufen scheint, doch im Abgang nimmt das vierte Jahr an der Seite der Wikinger eine konfuse, fast planlose Form an, die führerlos durch die wilde See treibt. Bleibt zu hoffen, dass die neue Generation um Björn oder gar Ivar, den Knochenlosen das Heft in die Hand zu nehmen fähig ist.
:liquid7:

True Blood - Season 7
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Ich bin ja keiner, der Sachen gerne unvollendet lässt, aber "True Blood" hat mich nach der üblen sechsten Staffel wirklich auf den Prüfstand gestellt. Drei, vier Sommer später habe ich mich nun aber endlich überwunden und die Sache abgeschlossen. Und hey, es hat gar nicht so weh getan. Die lange Pause war vielleicht nötig, so dass ich den Nonsens um Hep-V und den "wahren Tod" mit dem gebührenden Unernst über mich ergehen lassen konnte. Wer früher aussteigen will, sollte einfach nach Staffel 3 oder 4 den Schlussstrich ziehen.
:liquid4:

Californication - Season 7
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Misst man die Anarchie einer Serie über die Liebe und das Leben daran, wie viele Töpfchen und Deckelchen am Ende der letzten Staffel trotz aller Komplikationen zueinander gefunden haben, so entpuppt sich "Californication" in der vom Abendrot geschwängerten Finalfoge als romantische Hausfrauenkost. Der Wolfspelz des rebellischen Single-Mannes mit der herben Note von Zedernholz wurde aber zugegebenermaßen über all die Jahre mit Stil getragen. Duchovnys halbbiografische Darstellung des sexbesessenen Hank Moody schwankte stets zuverlässig in einer fatalistischen Mischung aus Zynismus, Lakonie und leichtfertiger Take-It-Easy-Attitüde, die mit dem kalifornischen Setting aus Palmen, Filmproduktionsstudios und Sportwagen das ideale Biotop vorfand.

Die letzte Staffel zelebriert das zunächst wie eine niemals endende Party und macht das ohnehin bereits komplizierte Beziehungsgeflecht durch die Einführung von Heather Graham und Oliver Cooper noch etwas komplizierter, beginnt aber bald damit, die Köder für eine sanfte Zusammenführung aller Handlungsstränge auszulegen. Zweifel daran, ob das alles ewig so weitergehen kann, werden an die Oberfläche getrieben; nicht nur beim Hauptdarsteller, sondern beim gesamten Main Cast. Glücklicherweise sägt das nicht an der Glaubwürdigkeit der Figuren, sondern erweist sich als eine durchaus nachvollziehbare Entwicklung.

Bisweilen übertreiben es die Autoren immer noch mit den sich überschlagenden Ereignissen und entlassen dabei insbesondere "Fleischmützchen" und Moody-Sohn Levon nur selten mit Würde aus einer Szene. Und dennoch gelingt der Schlenker in die Vernunft. Dass selbst eine ausdefinierte Männerserie wie diese mit großen Gefühlen endet, stärkt die Hypothese, dass die Bedürfnisse von Mann und Frau sich vielleicht gar nicht so sehr unterscheiden, eben gerade so wie es die ursprüngliche These von "Californication" aussagt. Auch wenn das letzte Bild, Hanks verlassener Wagen mit offener Tür vor einem Sonnenuntergang, noch einmal tiefste Männerromantik bedient.
:liquid7:


Weitere Sichtungen:
Meg
Criminal Squad
Kickboxer - Die Abrechnung
Geheimagent Barrett greift ein
The Last Man On Earth
Alles Geld der Welt
Pacific Rim: Uprising
Killer Beach

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Beitrag von Sir Jay » 23.10.2018, 08:35

den uhf empfand ich sehr mau.

bin mit der erwartungshaltung herangegangen eine Spaßgranate wie Hot Shots 2 serviert zu bekommen - ich wurde stark enttäuscht...

die dvd zum Film habe ich nem hamburger kino-magazin gespendet :lol:

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Beitrag von Vince » 23.10.2018, 16:02

Ja, schrieb ich ja auch, dass ich den Humor als sehr verkrampft empfunden habe. Es hat nicht diesen Hilariosity-Faktor, den man bei dieser Art Film eigentlich erwartet (und durch "Hot Shots" bzw. die "Nackte Kanone" gewohnt ist). Aber irgendwie hatte er trotzdem was, so als Dokument der späten 80er.

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Beitrag von gelini71 » 23.10.2018, 16:31

Ich war damals auch von dem enttäuscht (so sehr das ich bis heute nicht den Drang habe den nochmal zu schauen :lol:), vor allen weil ja die Musikparodien von Weird Al Yankovich wirklich lustig waren.
Ich mache keine Rechtschreibfehler, ich gebe Wörtern lediglich eine individuelle Note

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Beitrag von Vince » 01.11.2018, 14:27

Killing Of A Sacred Deer
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Der nächste große Schritt Richtung internationaler Anerkennung ist vollzogen. Für sein US-Debüt verbiegt sich Yorgos Lanthimos (noch) nicht, es handelt sich erneut um eine rätselhafte Schlüsselbox voller chiffrierter Dialoge. "Killing Of A Sacred Deer" ist ein weiteres kunstvoll geschnitztes Unikat, wie man sie bereits in seinen früheren Werken serviert bekam. Die theriomorphen, das Tier im Menschen behandelnden Ansätze seiner letzten Arbeit "The Lobster" übertragen sich in gewisser Weise auf eine Anklage gegen die "Götter in Weiß", deren hochpräzise Operationsinstrumente im Angesicht unerklärlicher Phänomene zu den hilflosen Schaufelbaggern eines Hummers degradiert werden. Es ist also wieder, so auch der Bezug zu "Dogtooth", der Gottkomplex des Menschen, dem in der gewohnt unterkühlten Dialogregie des Griechen eine Demontage bevorsteht.

Passend dazu bilden die Schatten der Fenster Kruzifixe an der Wand, so wie überhaupt jedes Szenenbild mit derselben religiösen Symbolik durchzogen ist, die auch dem Titel anhaftet. Am anderen Ende der Skala wartet jedoch bereits das Primitive, Instinktgetriebene. Nicht ganz ohne Humor integriert Lanthimos eine Szene, in Hauptdarsteller Colin Farrell dem neugierigen Schützling seine Brust- und Achselbehaarung präsentiert. In den Gesprächen des Chirurgen mit seinem Umfeld geht es darüber hinaus hauptsächlich um Banalitäten. Kartoffelpüree beispielsweise, das zum Symbol für die Entfremdung in der Ehe wird, oder die Erörterung der Vorteile einer Uhr mit Metall- statt Lederarmband. Dabei sind in diesen Dialogen viele Verweise auf die Hauptthematik verborgen. Wenn die Uhr für Präzision steht und das Metall für Beständigkeit, so werden die Vorlieben des Sprechenden zu Symptomen dessen, was er ideologisch verkörpert: Zuverlässigkeit, Expertise und absolute Kontrolle.

Als Lanthimos seiner Hauptfigur jene Kontrolle mit einem Paukenschlag entzieht, gleicht der Effekt einem unerwarteten Schlag in die Magengrube. Bewusst trennt der Regisseur Bildinhalte von seinem unruhigen, bisweilen regelrecht paranoiden Soundtrack. Lange, ruhige, übersichtliche Einstellungen werden gezeigt, doch konterkariert werden sie mit schrillen Streicher-Einsätzen, die bisweilen auch die emotionslosen Dialoge übertünchen.

An Farrell lässt sich anschaulich demonstrieren, weshalb so viele Regisseure aus dem Indie-Umfeld einen Vorteil darin sehen, mehrfach mit den gleichen Darstellern zu arbeiten, denn den bärtigen Mann mit Göttermaske, dessen Leben durch einen Jungen plötzlich aus den Fugen gerät, könnte man kaum nuancierter anlegen. Nicole Kidman fügt sich mit schrillem Blick und operiert wirkenden Gesichtskonturen nahtlos in das Ensemble ein. Und Barry Keoghan weiß genau, warum er die Bedrohung, die von seiner Figur ausgeht, aus einem Quell von Unschuld nährt. Beinahe fremdgesteuert agiert er und erschafft so einen wahrhaft beängstigenden Charakter mit leicht autistischen Zügen, der nicht einfach im Begriff ist, eine Familie zu zerstören, sondern das gesellschaftliche Trugbild einer perfekten Familie, die zu Viert ihren Vorzeigetraum lebt.

Für das große Hollywood zeigt Lanthimos, im Gegensatz etwa zu seinem Kollegen Denis Villeneuve, vielleicht noch zu wenig Allrounderfähigkeiten, weil er zum wiederholten Mal einfach einen Film über dysfunktionale Kommunikation dreht, den man unmöglich einem speziellen Genre zuordnen kann. Innerhalb dieser speziellen Disziplin ist er aber inzwischen zum Meister gereift und sollten die großen Studios noch einmal eine Produktion ohne einstürzende Hochhäuser und mit mehr als zwei Seiten Dialogtext planen, wäre dieser Mann sicher zu großen Taten in der Lage.
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Der Blob (1958)
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Kleine Sekundenrennen und Hahnenkämpfe um verfügbare Backfische boten sich die männlichen Jugendlichen in Filmen der 50er zuhauf, und als das Drehbuch den spannungsreichen Einstieg um eine außerirdische Substanz ohne Form und Namen abrupt für einen mehrminütigen Austausch unter Halbstarken an der Ampel unterbricht, könnte man glauben, der Film habe seine eigene packende Grundidee für banale Zeitgeist-Konversation geopfert. Dabei sind diese kleinen Exkurse, die so deutlich auf die 50er verweisen, essentiell für den "Blob", der bunt wie nur wenige B-Movies seiner Zeit den Generationenwandel illustriert.

So begründet Steve McQueen in Rollen wie diesen seinen Ruf, furchtlose Draufgänger mit Schlitzohr besonders gut spielen zu können. Hinter sich zieht er eine junge Gefolgschaft, die den deutlich älteren Mitbürgern gegenübersteht - Polizisten und Ärzte beispielsweise, Amtsträger in wichtigen Funktionen. Sie müssen erst einmal vom Ausmaß der Gefahr überzeugt werden, denn sie alleine sind es, die Einfluss nehmen können auf den Kampf gegen die unbekannte Bedrohung von außen.

Beim Blob muss es sich natürlich unter Berücksichtigung des Entstehungsjahrs um eine Metapher für den am Horizont drohenden Kommunismus handeln. Heute lässt er sich auf jede Art von Furcht vor Gleichschaltung abbilden. Eine Fortsetzung in den 70ern, ein Remake in den 80ern und viele weitere Neuverfilmungspläne belegen, dass der Interpretationsspielraum eines undefinierbaren Balls aus buntem Schleim prinzipiell grenzenlos ist. Der Kosmos, den das spielende Kind in einer Masse Knete sieht, lässt sich eben auch auf eine Alien-Invasion übertragen.

Also blasen Yeaworth Jr. und Doughton Jr. die unterschätzte Gefahr, den Klumpen am Stock, über 80 Minuten zum unzerstörbaren Monstrum auf, das sich zum Finale nicht ganz zufällig ausgerechnet in einem Kino niederlässt, einem damaligen Zentrum für kulturelles Zusammentreffen. Aus der Methodik bei der Bekämpfung des Blobs kann man ebenso viel über Amerika lesen wie aus der Pointe über die amerikanische Einschätzung des großen Gegners; gleichzeitig ist "Blob" aber auch ein herrlich vergnügliches Monster Movie, das in allen Regenbogenfarben leuchtet.
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The Long Hair Of Death
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Bavas Gothic-Klassiker "Die Stunde, wenn Dracula kommt" wirft lange Schatten auf diese im 15. Jahrhundert angesiedelte Schauergeschichte um Mord, Rache und Gerechtigkeit. Nicht nur flitzt Barbara Steele regelmäßig durch die Gänge eines Schlosses, dessen versteinerte Innereien den Hauptschauplatz ausmachen... vom Prolog bis zum finalen Klimax erinnert überhaupt so ziemlich alles an Bavas einflussreichen Schwarzweißfilm. Dessen Meisterschaft im Umgang mit Schattenwurf, generell mit der Tiefe des Raumes, erreicht Antonio Margheriti allerdings nicht. Altbackene Kostüme, schwülstige Dialoge, karge Einrichtung und eine verhältnismäßig helle Ausleuchtung (bedenkt man, wie viele Passagen im Keller und / oder in der Nacht spielen) rücken eher auf zu einem Shakespeare'schen Bühnenstück.

Akzente werden hauptsächlich durch den überdramatisierten Score gesetzt. Schon bei der Nahaufnahme eines Bechers, der mit einer verräterischen Flüssigkeit gefüllt wird, überschlägt er sich regelrecht vor Aufregung; eine in der Gesamtwirkung recht auffällige Kompensation der, trotz Bava-Inspiration, zurückhaltenden Regie, die eher auf radikale Bildinhalte vertraut (eine Vebrennung auf dem Scheiterhaufen beispielsweise oder das für jene Zeit ungewöhnliche Aufblitzen nackter Haut) anstatt aus eigenem Antrieb Dynamik zu erzeugen. Dies geschieht frühestens im Grande Finale, wenn der unkonventionelle Schnitt das Geisterhafte aus Bavas expressionistischsten Werken wie "Der Dämon und die Jungfrau" als übersinnliches Verwirrspiel neu aufbereitet und so das Filmische doch noch einmal herausstellt. Ein recht spektakuläres Ende, das vielleicht nicht ganz repräsentativ für den Film im Ganzen steht, ihm aber einen soliden Ausklang verpasst. Wer seine Bavas bereits brav durchexerziert hat, darf hier durchaus einen Blick riskieren.
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Charley Varrick - Der große Coup
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...denn sie wussten nicht, was sie taten: Geschichten über Banküberfälle durch Amateure leben von der Panik, die sie verbreiten. Von der Spontaneität, mit der im Affekt Entscheidungen getroffen werden müssen. Schnellschüsse und Kurzschlusshandlungen sind die präferierte Würze derartiger Drehbücher, immer fest gekoppelt an ungefilterte Emotionen: Angst, Wut, Euphorie, Verzweiflung.

Doch nicht so mit Charley Varrick. Obwohl das Drehbuch ihm schon nach wenigen Minuten allen Grund gibt, komplett seine Fassung zu verlieren, schlängelt er sich aalglatt durch jede noch so brisante Situation und lässt sich keine Gefühlsregung am Gesicht ablesen. Als seine eigene Frau nach dem pannen- und folgenreichen Überfall auf eine Bank in seinen Armen stirbt, nimmt er dies mit einem trübsinnigen Blick allenfalls zur Kenntnis, und als ihm schließlich dämmert, wem das gestohlene Geld tatsächlich gehört, mahnt er seinen heißblütigen Komplizen lediglich zur Vorsicht und hält sich selbst dann noch unter Kontrolle, als dieser reagiert wie ein eingeschnapptes Kind.

In "Charley Varrick", diesem schlicht nach der Hauptfigur benannten Heist-Thriller, sorgt also nicht nur der aufgewirbelte Staub der Fluchtwagen für trockenes Klima, sondern auch die Hauptfigur und mit ihr das Gros der Besetzung, die unter anderem einen Auftragskiller (Joe Don Baker) umfasst, der ebenso sorgfältig charakterisiert wird wie Varrick selbst - und aus der Charakterzeichnung ebenso aalglatt herauskommt. Don Siegel liegt viel daran, aufzuzeigen, dass der Coup nicht nur Auswirkungen für die Protagonisten hat, sondern für unzählige beteiligte Parteien. Ohne dabei je die trübsinnige Ödnis Nevadas zu verlassen, schaltet er gerne zwischen den Schauplätzen um und zieht vom Filialleiter der ausgeraubten Bank bis zur Prostituierten unzählige Fäden - ein Merkmal, das schnell zu Tarantino-Vergleichen führt, gerade wenn gewisse Charaktere wie Bakers gnadenlos vorgehender Killer derart stilisiert werden wie hier geschehen.

Und ja, der kaum eine Miene verziehende Varrick stellt unter Beweis, dass sich der Thrill nicht nur aus angsterfüllten Gesichtern ziehen lässt, sondern eben auch aus einer Maske der Abgeklärtheit. Professionelles Vorgehen kann den Zuschauer mit raffinierten Winkelzügen ebenso in den Bann ziehen wie eine Verzweiflungstat.

Nicht, dass sich deswegen die grundsätzlichen Abläufe ändern würden. Es geht eben trotz allem viel schief und nicht zuletzt viel zu Bruch: Eine größere Fluchtszene mit reichlich Blechschaden und wegfliegenden Motorhauben sorgt für ein frühes Action-Highlight, unmittelbar gefolgt von einer brachialen Autoexplosion und dem Versprechen, dass es überall und immer knallen kann. Drohungen und Prügel halten die Spannung permanent aufrecht. Das Finale zitiert sogar Hitchcocks "Unsichtbaren Dritten" (wie könnte man bei einem tief fliegenden Piloten über Flachland auch nicht daran denken) und liefert im Anschluss eine denkwürdige Hatz zwischen Land- und Luftfahrzeug inklusive spektakulärem Überschlag.

Walter Matthau mag während der Dreharbeiten viel über die Motivation der Charaktere und die Situationslogik gemosert haben, doch der ersehnte Bruch mit seinen komödiantischen Rollen ist ihm zweifellos vergönnt. Eine satte Dosis schwarzen Humors ändert nichts daran: Charley Varrick kann es in Sachen Coolness alleine mit der gesamten "Ocean's 11"-Crew aufnehmen.
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Tanz der Totenköpfe
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Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die altmodischen Hammer-Produktionen ihre Hochphase nur wenige Jahre zuvor hatten, wirkt dieser britische Herrenhaus-Horrorfilm erstaunlich modern, experimentell und bisweilen gar nicht very british. Es könnte beinahe ein Vorfahre heutiger US-Produktionen über paranormale Geschehnisse sein. Tief im Bild liegende Brennpunkte mit auffälligen Kanten und Formen im Vordergrund, dynamische Zeiteinblendungen, Figurenkonstellationen wie im modernen Horror-Kino und ein Hauch Grittyness für die Authentizität. Die Blutlinie reicht von "Paranormal Activity" über "Poltergeist" hin zu "Bis das Blut gefriert". Mit der viktorianischen Ausstattungswut typischer Ghost-Mansion-Filme hält sich John Hough trotz des pompösen Settings dagegen weniger auf, lieber experimentiert er mit der Gruppendynamik, lässt rationale Skeptiker auf übernatürliche Medien treffen und irritiert mit abwechslungsreichen Ausformungen des Horrors. Unheimliche Schatten in der Dusche sind ebenso Programm wie leuchtende Spezialeffekte (zum Exzess dann ausgereizt in den 80ern, aber beispielsweise auch schon in "The Asphyx" von 1972). Manchmal reicht auch einfach eine weggewehte Bettdecke, eine aufschlagende Tür oder das irrationale Grinsen einer vom Unsichtbaren Besessenen, um den Rücken mit kalten Schauern zu massieren.

Das Drehbuch soll die Romanvorlage in Sachen Sex und Gewalt ein wenig abgemildert haben, eine in gewissem Sinn morbide Stimmung hat sich aber durchaus in die Verfilmung gerettet. Nach dem Dezimierungsprinzip arbeitet das Skript zielstrebig auf seine finale Enthüllung hin und hinterlässt dabei allerhand gespenstische Effekte. Die Schlussfolgerungen der Hausbesucher bringen etwas Detektivisches in den Ablauf. Wäre Sherlock Holmes auf einen zweiten Baskerville-Hund gestoßen und hätte mit den modernsten Errungenschaften der Wissenschaft in einem großen Team an der Lösung des Falls arbeiten wollen, wäre vielleicht Vergleichbares aus der Gleichung gekommen.

Die unterkühlte Erzählweise ist sicherlich Geschmackssache. Es sind eher unbekannte, aber überwiegend starke Darsteller an Bord, die trotz bemerkenswerter Leistung und manch theatralischer Szene nicht durch den schweren Vorhang des wissenschaftlichen Vorwands greifen können, mit dem Hough in der Regie seine Handschrift hinterlässt. Eine trockene Off-Stimme, die Ursache und Wirkung mit teilnahmslosem Timbre in der Stimme für den Zuschauer verknüpft, fehlte gerade noch, um diese Eindrücke abzurunden. Dafür funktionieren die meisten seiner Gruseleffekte heute immer noch.
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Die Dunkelste Stunde
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Dank der komplexen Erzählstruktur mit vielen invers verknüpften Handlungssträngen hätte "The Darkest Hour" in der Hauptsache ein Geschichtsfilm werden können. Doch die energetisch gezeichnete, schillernde Hauptfigur macht schnell eine Biografie daraus. Wenn nicht gar ein Ehrendenkmal für einen Mann, der im Ausgang des Zweiten Weltkriegs eine entscheidende Rolle einnahm. Gary Oldman liefert genau die Show, die man im Oscar-Lande sehen möchte: Eine hervorragende Maske, die gleich noch den Award für das beste Make-Up sicherte, lässt eben genug Transparenz für den Darsteller dahinter. Als Churchill knurrt und bellt Oldman wie ein aggressiver Hund, er verunsichert Gegner wie enge Vertraute, bindet letztere allerdings auch durch einen feinen Sinn für ironisch verpackten Humor an sich, den er mit einer Reflektion seiner eigenen Entscheidungen verknüpft. Lily James als seine Sekretärin Elizabeth ist ein Spiegel dieses Wechselbads der Gefühle, ständig zittern ihre Mundwinkel vor Verunsicherung, dann wieder liest man so etwas wie das Urvertrauen in ihren Augen, wie es eine Tochter dem Vater gegenüber empfindet. Dass selbst King George (Ben Mendelsohn) im Umgang mit dem hitzköpfigen Premier diesem Gefühlschaos ausgesetzt ist, auch wenn er es als souveränes Regierungshaupt zu verbergen weiß, illustriert die unerschütterliche Stärke eines Mannes, dessen Selbstzweifel Joe Wright allerdings ebenso zu thematisieren weiß. Und trotz der bitteren Kriegshintergründe und der harschen Art Churchills liest sich sein Portrait manchmal wie eine leichte Komödie. Bei aller Dunkelheit, die sich in den tiefen Schwarz- und Dunkelbrauntönen der Bildkompositionen niederschlägt, und der Hektik, die in Räumen voller gestikulierender Anzugträger aufgebaut wird, findet Wright immer wieder Momente des Lachens und der Erleichterung.

Dass weder die Kriegsgräuel gezeigt werden noch der deutsche Feind aus seiner Unsichtbarkeit tritt, hat ausnahmsweise weder etwas mit Unvollständigkeit zu tun noch mit fehlendem Interesse gegenüber der anderen Seite; es zeigt einfach auf, wie sehr Großbritannien zu jener Zeit mit sich selbst beschäftigt war. Das Bemühen, ein Mittel gegen Deutschlands Machtzuwachs zu finden spaltet die Interessengruppen, die im Film auftreten, so tief, dass selbst die Amerikaner nur am Rande auftreten. Wenn "The Darkest Hour" im Zuge dessen eines verdeutlicht, dann ist es die Ohnmacht der Diplomatie, die angesichts des gnadenlosen Vorgehens Hitlers zur Passivität verdammt wird.

Von der Kamera über den Score bis in den Cast hinein dirigiert der Regisseur eine Sinfonie in runden Bögen, in der nichts dem Zufall oder der Experimentierfreude überlassen wird. Die Kostüme sitzen ebenso wie die Ausstattung, abstrakte Entscheidungen an langen Tischen werden mit dem Faktor "Mensch" aufgewogen (U-Bahn-Szene), ein politischer Handlungsträger wird vom gedruckten Namen in den Geschichtsbüchern zum greifbaren Menschen gemacht. Natürlich muss damit von einer virtuosen Lehrstunde in Sachen Weltgeschichte gesprochen werden. Wagemutiges, expressives Kino geht allerdings anders.
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Tremors 6 - Ein kalter Tag in der Hölle
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Schauplatz: Nunavut, Kanada. Ein riesiger Graboide durchbricht die ewige Eisdecke auf dem wirklich cool gezeichneten Poster. Zielkunde? Videotheken... äh 'tschuldigung, VOD-Kunde. Was auch sonst beim sechsten Teil einer Reihe, die sich um Earthworm Jim auf Steroiden dreht. Es sieht diesmal alles nach einem radikalem Schauplatzwechsel aus. Schließlich hatte das Gewürm in „Tremors 5 – Bloodlines“ noch die afrikanische Savanne unter sengender Sonne umgepflügt. Aber keine Sorge, liebe Waffennarren, die Badehosen dürfen anbehalten werden, der Pelzmantel kann zu Hause bleiben. Schmelzende Polkappen sorgen dafür, dass die Graboiden auch im nördlichsten Kanada weder neue Durchschlagskraft entwickeln noch die Evolution mit weiteren Arschknaller-Abkömmlingen beleidigen müssen: Nr. 6 funktioniert im Grunde exakt nach dem gleichen Muster wie Nr. 5.

Zwar findet der Prolog noch im Eis statt und ein durchaus stattlich animiertes Exemplar darf eine kleine Gruppe von niedlichen Early-Twen-Wissenschaftlern verhackstücken, doch kaum hat Burt Gummer das Feindland im schneeweißen Tarn-Overall betreten, ist der Boden braun und bröckelig wie das Brownie-Topping im Ben & Jerry's. Für Regisseur Don Michael Paul ist die vorgeschobene Umwelt-Message ein idealer Vorwand, nichts an der Rezeptur ändern zu müssen. Also steckt er Platzhirsch Michael Gross mitsamt Sidekick Jamie Kennedy erneut mit naiven, gleichwohl euphorischen Hilfsbedürftigen unter eine Decke und dirigiert ein Hickelkasten-Spiel zwischen Sendemasten, Forschungsstationen, elektrischen Zäunen und Geländewagen. Es ist ein Experiment mit der Erwartungshaltung des Zielpublikums: Wie kann ich diese bei möglichst geringem Aufwand möglichst exakt erfüllen?

So bleibt die Qualität der Creature-CGI auf dem respektablen Niveau des Vorgängers, etwas Animatronik wird zur Freude der Creature-Feature-Fans alter Schule ebenfalls verwendet und die Regie ist wieder als solider Standard zu bezeichnen. Den Rest besorgt die originalgetreue Hauptdarsteller-Paarung und das ein oder andere hübsche Newcomer-Gesicht in einer Nebenrolle. Auf einen neuen Zielgruppenkreis hat man es spürbar nicht abgesehen, dieser Film ist exklusiv für jene gedacht, die sich bereits furchtlos durch die ersten fünf Teile gegraben haben. Alle anderen dürften sowieso den Scheibenwischer zeigen, wenn sie das Wort „Arschknaller“ inmitten einer bierernst vorgetragenen wissenschaftlichen Kategorisierung hören.

Dass der neue Schauplatz nicht die erhoffte Abwechslung in Form von Gletscherspalten und anderen Späßen bringt, ist schon eine gewisse Enttäuschung, im Umkehrschluss darf man froh sein, dass der Drehbuchautor keinen Anlass sah, um den Arschknallern keine weiteren Nachfahren zu bescheren (Bauchklatscher? Sackjodler?). Wer 28 Jahre nach dem ersten Teil immer noch „Tremors“ schaut, befindet sich in einem dankenswert genügsamen Gemütszustand. Man ist schon damit zufrieden, einfach mal 90 Minuten auf der Couch dem dummen Gequatsche von Gross und Kennedy zu lauschen, das sich ohne Punkt und Komma zwischen den Beiden ergießt. Alles andere, selbst die Graboiden-Action, gerät da beinahe zur Nebensache. Keine Frage: Solange es Gross persönlich ist, der seine Berrettas spazieren führt, wird man sich noch jeden kommenden Teil ansehen – halb gelangweilt, halb amüsiert.
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Red Sparrow
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Wäre Filmkritik Psychologie, so würde mancher Psychologe den Agenten-Thriller „Red Sparrow“ vielleicht als den radikalen Versuch des Patienten-Duos Lawrence/Lawrence deuten, die Eierschalen der gemeinsamen Young-Adult-Zeit endgültig abzustreifen. Genug gespielt, jetzt wird’s ernst, sagen schon die sehenswerten Originalschauplätze: Ein in der Realität anstatt in der Dystopie verankerter Agenten-Plot, aufgemischt durch schonungslose Szenen voller Gewalt, Sex und Demütigung – als wäre James Bond zeit seiner Existenz immer eine lächerliche Comicfigur gewesen und werde nun in die schmuddelige Realität übertragen, diesmal ohne Abenteuer-Romantik und mit all den hässlichen Seiten des Agentendaseins.

Gleichwohl ist Francis Lawrences Regiestil immer noch leicht auszumachen. Schon der „Mockingjay“-Abschluss bediente sich der grauen Ästhetik eines Antikriegsfilms und delektierte sich an den breiten Flächen imperialistischer Architektur, vor deren Fassade er seine Darsteller wie Ameisen inszenierte. Das wiederholt er nun bei den Aufnahmen in der prunkvollen Ungarischen Staatsoper, die neben einigen Cafés und anderen Orten verstohlener Agenten-Kommunikation den von Staub bedeckten Glanz der Neurenaissance einbringt. Ferner wird die Optik des Films von zahlreichen Außendrehs in Budapest oder Wien geprägt, die manchem Agoraphobiker die Schweißperlen auf die Stirn treiben können. Den Mix aus kargen, detailarmen Kastenaufnahmen und visueller Opulenz muss man allerdings mögen, er kommt streckenweise wieder uneinheitlich daher und lässt eine klare Linie vermissen.

Ein Problem, das auch die Handlung betrifft, denn: Spätestens als sich die Hauptdarstellerin im Sinne der Kunst nicht nur vor einem Zimmer voller Genossen entblößt, sondern somit vor der ganzen Welt, wird aus dem angepeilten Realismus reinster Pulp, wie man ihn nur selten auf diesem Mainstream-Level unter die Augen bekommt. Die rote Bedrohung, über Jahre hinweg ein schlafender Riese, ist auf einmal wieder so präsent, als hätten wir die 80er Jahre niemals hinter uns gelassen. Überhaupt gestaltet sich die zeitliche Einordnung schwierig; auch wenn man davon ausgehen kann, dass die Handlung in der Gegenwart angesiedelt ist, verwischen Disketten, Schnurtelefone und andere Relikte veralteter Technologie (und Mode... und Autos... und Gebäude...) sämtliche Spuren einer Zeitlinie, die nachzuverfolgen wäre.

Während der Patient also mutmaßlich der irrigen Annahme unterliegt, er modernisiere das Genre des Thrillers mit ungewöhnlichem Wagemut, indem er sich der heutigen Möglichkeiten bedient und ohne Rücksicht auf Verluste zu radikalen Darstellungen führt, gerät ihm das Ergebnis glatt zum Gegenteil: Einer hoffnungslosen Rückkehr zu alten amerikanischen Traumata, der protektionistischen Angst vor dem Rest der Welt. Über die Diskrepanz dessen, was „Red Sparrow“ sein will und dem, wozu er sich entwickelt, kann man sich amüsieren, aber irgendwo passt der völlig absurde Tonfall dann auch wieder zu Trump-Land und wird in naher Zukunft vielleicht sogar exemplarisch angeführt werden, wenn es um das Filmemachen in Zeiten des neuen Protektionismus geht.
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The Church
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Bruchstücke eines Argento-Spiegels, mühsam zur eigenen Vision zusammengeklebt. Ein wilder Goblin im Bastrock hätte für die wirre Montage der Szenen verantwortlich sein können, dabei steuert er lediglich die Klangkulisse bei. Hamburg und Budapest verschmelzen zur Gothic-Megacity. Eine Infrastruktur wie ein Pentagramm, in dessen Mitte der Turm einer Kathedrale thront. Erbaut auf einem Massengrab, durchlöchert von den Spuren moderner Zivilisation: Eine U-Bahn rast wie eine verirrte Pistolenkugel durch die Adern des blutgetränkten Bodens und lässt das mächtige Fresko in der Kirchenhalle erbeben.

Michele Soavis Vision, die dunkle Geschichte der Kirche in einen Horrorfilm zu gießen, ist eine zutiefst zerrissene. Seine großen Ambitionen sieht man ihm in der wirklich meisterhaften Komposition einzelner Sequenzen an. Wiederholt spielt er mit langen, schwebenden Kamerafahrten, die nahezu das Maximum aus den atmosphärischen Setpieces herausholen. Die Tonspur wird gelegentlich selbst zum Hauptquell des Horrors und das Bild fügt sich in Komplizenschaft der reinen Suggestion. Optische Spezialeffekte kommen trotzdem regelmäßig zum Zuge - und glänzen mit Vielfalt, Abwechslungs- und Einfallsreichtum, die niemals überstrapaziert wird. Berge aus lehmigen Menschenkörpern wie auf Peter Paul Rubens „Der Höllensturz der Verdammten“ oder die plötzliche Manifestation eines Gemäldes von Boris Vallejo erscheinen und verschwinden so plötzlich, als hätte man sie gar nicht gesehen, sondern bloß fantasiert.

Die Beseitigung der Spuren zur "Démoni"-Reihe von Lamberto Bava, mit der man "The Church" ursprünglich in Verbindung bringen wollte, hat allerdings klaffende Lücken im Drehbuch hinterlassen. Dass man mit einem Mittelalter-Prolog beginnt und einen enormen Zeitsprung in die Gegenwart vollzieht, mag ja für das Subgenre noch Konsens sein; so unterstreicht man schließlich die Macht des Bösen, die auf dem Überdauern von Jahrhunderten basiert. Doch einmal in der Gegenwart angekommen, gelingt es Soavi nicht, das Chaos zu jenem edlen Gemälde zu sortieren, das ihm vorschwebte. Den Subplots fehlt oft der Bezug zum Kernthema, sie funktionieren mitunter wie autonome Kurzgeschichten mit ihren eigenen visuellen Pointen, die eigene Stimmungen verfolgen und nur wenige Konsequenzen für das Universum haben, in dem sie spielen.

Ein Qualitätsmerkmal ist das nicht gerade. Und doch kann "The Church" große Freude bereiten, gerade weil es sich eben nicht um das Werk eines Meisters handelt, sondern um eine spektakuläre Ruine, die in hoher Taktfrequenz die besten Momente aus den Arbeiten von Argento oder Carpenter wie grelle Bitze aus Déjà-Vus ins Bewusstsein jagt.
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Winchester - Das Haus der Verdammten
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Dass das „Based on a True Story“-Emblem für phantastische Filme in aller Regel eher ein Abtörner als ein Heißmacher ist, hat sich immer noch nicht herumgesprochen. Im Fall von „Winchester“ liefert es aber zumindest ein vielversprechendes Setpiece (auch wenn Darren Lynn Bousman 2016 mit „Abattoir“ eine vergleichbare Idee aufgriff). Ein labyrinthisches Landhaus, das permanent im Aufbau begriffen ist? So etwas hat bezogen auf den klassischen Haunted-House-Horror schon psychologische Meta-Qualitäten, verspricht man sich aus dem Irrgarten mit verwinkelten Raumkonstruktionen doch einen dementsprechend verdrehten Geisteszustand der Hausherrin und somit ein packendes Katz-und-Maus-Spiel mit schiefen Winkeln, Dead Ends und unvorhersehbaren Begegnungen.

Die Spierig-Brüder sind nun der Ansicht, der Zuschauer müsse zunächst einmal über die Funktionsweise eines Labyrinths aufgeklärt werden, also beginnen sie ihre Handlung mit einem Rundgang durch das Haus. Jason Clarke wird von Hausherrin Helen Mirren auf gewisse Eigenarten des Gasthauses aufmerksam gemacht und der Zuschauer identifiziert auf Anhieb Mechanismen, die sich für mögliche Grusel-Sequenzen in den späteren Akten eignen könnten: Was mögen die Geister wohl mit den Sprachröhren anstellen, mit denen die Räume verbunden sind? Wie eignet sich wohl der wie in der Warteschlange einer Themenpark-Attraktion angelegte verschlungene Gang zum obersten Raum für eine Verfolgungsjagd?

Die Ahnung von zukünftigen Schockmomenten soll Suspense schüren, am Ende schürt sie aber bloß eines: enttäuschte Erwartungen. Harte Buh-Effekte werden stumpf aufgelöst, ohne zur Handlung etwas beigetragen zu haben, Subplots verebben irgendwann wie einige der exzentrisch verlegten Gänge einfach im Nichts. Mirren müht sich redlich, die dunkle Eminenz zu markieren, findet sich aber zwischen Autismus und Rätselhaftigkeit gefangen, ohne dabei von einem wahrhaft interessanten Charakterprofil profitieren zu können. Clarke bleibt im Umkehrschluss trotz diverser Begegnungen mit Geistern viel zu sehr Herr seiner Sinne, als dass sich der Zuschauer durch seine Haut hindurch allzu stark fürchten könnte.

Und dann ist da am Ende eben wieder die enttäuschende Schuldfrage, mit der die Motivation der Geister in rationale Muster gepresst wird. An diesem Punkt sind nicht einmal mehr die „13 Geister“ (2001) fern. Mit den Erwartungen an ein geschmackvolles Horror-Drama mit historischen Bezügen blickt man ziemlich entgeistert auf das finale Ergebnis...
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Die Rückkehr der Zombies
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Mutter Erde holt sich ihre Oberfläche zurück! Andrea Bianchi zeigt sich besessen von der Vorstellung, wie der verwesende Körper eines Leichnams wieder zu dem Humus wird, aus dem er entstand. Viel deutlicher als die Zombie-Marionettenspieler Umberto Lenzi („Großangriff der Zombies“) und Lucio Fulci („Woodoo“, „Ein Zombie hing am Glockenseil“) gestaltet er seine Zombies als wahrhaftig tote Hülsen. Vergleiche lassen sich am ehesten zur Erscheinung der „reitenden Leichen“ ziehen. Die Statisten schlurfen mit modrigen Lumpen durch die Pampa, wenn sie nicht gerade damit beschäftigt sind, sich aus dem Gras zu erheben, in das sie einst bissen. Regenwürmer und Maden tragen sie als lebende Spezialeffekte auf der lehmigen Maske (und halten sie auf Regieanweisung direkt vor die Kamera, damit es sich auch schön windet und kringelt), ihre Gesamterscheinung verschmilzt per Tarneffekt mit dem verwilderten Garten, der die Hauptkulisse ausmacht. Ihr Blut ist braun und lässt eher an Schlamm und Regenwasser denken als an Körperflüssigkeiten. Wache Augäpfel lugen nur selten hinter dem Make-Up hervor, meist sind die Zombie-Imitatoren angewiesen, mit geschlossenen Augen durch die Gegend zu wanken... oder es wurde ihnen gleich ein gähnendes Loch geschminkt.

Der zugehörige Film besteht fast ausschließlich aus strategischen Fluchtrouten durch die Gräser und Etagen der alten Villa, die zum Dreh angemietet wurde. Für dumm verkauft wird das Publikum nicht; hanebüchene Erklärungen spart man sich einfach. Dynamik ergibt sich hauptsächlich aus wechselnden Zahlenverhältnissen zwischen Jägern und Gejagten oder unvorhergesehenen Hindernissen wie einer Bärenfalle, womit die wirklich, wirklich langsame Fortbewegungsweise der Zombies mühselig kompensiert wird. In einigen Szenen ist man über die plötzlich signifikant ansteigende Intelligenz der Kreaturen aus dem Erdreich erstaunt (das Teamwork bei der Verwendung einer Sense oder eines Rammbocks hat Applaus verdient). Andererseits, was kann bei italienischen Zombies noch überraschen? Einer von ihnen hat zwei Jahre zuvor sogar mal gegen einen Hai gekämpft...

Überraschend ist eher, dass die endlose Zirkulation sich wiederholender Verfolgungen mit der Zeit sogar einen Rhythmus entwickelt, der zu einem echten Spaß ausartet. Das gilt selbst ohne Berücksichtigung des Subplots um einen leicht degeneriert wirkenden Sohn (Peter Bark) und seine ödipale Besessenheit gegenüber der Mutter, die noch ein paar Extrapunkte einfährt - ebenso wie der keck gesetzte Schlusspunkt.
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Valerie - Eine Woche voller Wunder
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Der Prager Frühling kokettiert bereits mit dem Herbst und lässt mit diesem assoziativen Wachtraum seine letzten Knospen in einem Farbenmeer aufgehen. Man hat das Gefühl, die kitschigen Zierränder eines staubigen Märchenbuchs tief aus der mitteleuropäischen Folklore würden den Bildrand umschmeicheln. Jaromil Jireš komponiert seine Einstellungen demzufolge nicht wie Durchgangsstationen für eine gewöhnliche Filmhandlung, sondern eher wie handgefertigte Kunstschnitte, die aktiv durchzublättern sind, möchte man aus ihnen einen Zusammenhang herstellen. Der im klassischen Format 1,33:1 gehaltene Bildausschnitt scheint sich in zwei identische Hälften aufzuteilen; was immer man auf der linken Seite findet, wird sich auf der rechten Seite widerspiegeln. Es entsteht so etwas wie filmische Mitose.

Das sexuelle Erwachen der Hauptfigur, das dank der naiven Spielweise der erst 13-jährigen Jaroslava Schallerová stets ein Widerspruch in sich bleibt, formt sich also Szene für Szene aufs Neue. Jireš erkundet unterschiedliche Wege der Entfaltung und lässt im Zuge dessen die Figuren aus Valeries Umfeld stets Masken tragen oder in neue Rollen schlüpfen. Interessant dabei ist, dass der Avantgardismus der Neuen Welle durchaus das Traditionelle sucht, um gegen die Zensur aufzubegehren. „Valerie“ ist klar beeinflusst vom deutschen Expressionismus, allerdings ebenso sehr von tschechischen Volksmärchen, platzend jedoch vor Allegorien, karikiert durch Fratzen des Horrors oder des Wahnsinns. Blut auf weißem Stoff, schwarze Umhänge, die ein Loch in das helle Tageslicht reißen (ohnehin herrscht ein ungewöhnlich helles Ambiente für einen Vampirfilm...). Der durchdringende Surrealismus aus verlaufenden Farben in synchronen Mustern wird dabei als Ausdruck verstanden, um das von der Zensur Beschlagnahmte wiederzubeschaffen und die Bigotterie des Regimes bloßzustellen. Und er nähert sich unvermittelt. Ein kleiner Schnitt nur, und schon ist alles anders als noch vor Sekunden.

Die Besonderheit liegt darin, dass es trotz der gesellschaftlichen und politischen Lesarten, trotz der teilweise radikalen Mittel aus dem Bereich surrealistischen Horrors und Erotik letztlich ein Kindermärchen bleibt, geprägt von unschuldigem Denken. Fantasie darf hier noch Fantasie sein – erbaut auf zarten Gespinsten und zerbrechlich genug, dass es jede erdenkliche Form annehmen kann.
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Elvira - Herrscherin der Dunkelheit
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Ein Film, der sich maßgeschneidert wie eine zweite Haut auf der markanten Figur von Cassandra Peterson niederlegt und ausschließlich dazu gemacht scheint, ihr zu dienen. Jeder Fetzen Handlung kreist radial um die Attraktion in der Hauptrolle; ihre Belange sind zugleich die Belange des Films. Im Rückblick scheint es so, als sei vieles in Aufsicht gefilmt worden; vielleicht, weil die Kamera wie ein unwürdiger Wurm im Staub kriecht.

Wie so viele Geschichten, die um extravagante Charaktere herum aufgebaut sind, erzählt auch „Elvira“ von der Anziehungskraft des Ungewöhnlichen, die das Alltägliche in eine Ausnahmesituation versetzt. Es ist kein Zufall, der die Radiomoderatorin mit Las-Vegas-Ambitionen zunächst in ein abgehalftertes Kaff zieht, denn es geht wie so oft in der Unterhaltungsbranche um schrille Kontraste.

Peterson indes verschmilzt mit ihrer Rolle und es ist schwer auszumachen, ob es bei all dem ländlichen Affentheater mit Erbschaftsstreits und Hausrenovierungen nun um sie oder um ihre Kunstfigur geht. Dass sie schlussendlich kein Original ist, sondern ein Epigon auf Basis von Maila Nurmi („Vampira“) und Carolyn Jones („Morticia Addams“), arbeitet sie dabei durchaus in ihre Rolle ein, indem sie sich ironisch als naiv verkauft und selbst im Tête-à-Tête mit einem Dorftrottel noch ungeschickt verhält; wie eine Anfängerin, die völlig natürlich zu dem exotischen Geschöpf heranwächst, das sich von allem abhebt, mit dem sie in Berührung kommt.

Der zur Schau gestellte Humor ist dementsprechend oberflächlich, weil er die Raffinessen der Postmoderne nicht zur Verfügung hat. Dem besonderen Charme der Hauptdarstellerin ist es aber zu verdanken, dass man trotz der platten Gags über große Oberweiten und schmale Taillen voll auf seine Kosten kommt, selbst wenn sich der Ausflug auf die Kinoleinwand wie ein Werbefilm anfühlt. Aber das könnte man schließlich auch von Yankovichs „UHF“ behaupten...
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Call Me By Your Name
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Ein italienisches Landhaus auf einer Wiese im Nirgendwo. Unkontrolliert wachsendes Gras. Saftige Pfirsiche und Orangen, die direkt vom Baum gepflückt werden. Ein Fluss und die Spiegelung der Sonne auf der Wasseroberfläche. Das summende Geräusch von Mücken, die im Abendrot ihre kleinen Tänze aufführen. In Reichweite ein kleiner Ort, der fast nur aus Pflastersteinen, alten Gebäuden und Brunnen zu bestehen scheint.

Als breite man das perfekte Biotop aus, um die Liebe natürlich gedeihen zu lassen. Guadagninos „Call Me By Your Name“ macht ein klares Statement, denn wenn die Anziehungskraft zwischen zwei Menschen selbst in einem so friedlich gezeichneten Klima wie diesem italienischen Nirgendwo des Jahres 1983 so defensive Richtungen einschlägt, ist es um das Konzept vom „leben und leben lassen“ schlecht bestellt.

Es ist ein sinnlicher Film, der Momentaufnahmen durch die Augen der Figuren sehen und durch ihre Haut spüren lässt. Er erzeugt Sehnsüchte nach dem Verlorenen, das hätte möglich sein können; nicht nur auf die spezielle Geschichte bezogen, die nach Vorlage des Romans von André Aciman entstanden ist, sondern auch im Allgemeinen. Man möchte selbst vor Ort (und Zeit) sein und eigene Erfahrungen sammeln, die persönlichen Ausprägungen entsprechen, ganz egal, wie diese auch ausfallen mögen.

Dieses Verlangen kann der Film erzeugen, weil er die klassischen Wendungen „normaler“ Filme geschickt umgeht – von den Dialogen über den Schnitt bis ins Sounddesign hinein. Armie Hammer und Timothée Chalamet liefern eine unglaubliche Tiefe ab, während sie in der sommerlichen Aura baden, die sich um ihre bedeutungslos kleinen Gestalten erstreckt wie ein Meer, das Rhythmen aus wilden Wellengängen und sanfter See komponiert wie eine Sinfonie der Klassik.

So muss „Call Me By Your Name“ nicht einmal ausschließlich dem queeren Publikum gehören, trägt er doch Sehnsüchte in sich, die einem jeden Menschen gehören...
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Daredevil - Season 2
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Auch wenn Staffel 1 noch viele andere Qualitäten vorzuweisen hatte, es besteht wohl kaum ein Zweifel daran, dass Vincent D'Onofrio ihr Highlight war. Mit völliger Berechtigung wurde ihm mittendrin ein ausschweifender Origin-Exkurs gewidmet und was immer auch später im düsteren Hell's Kitchen geschah, die Spur führte ausnahmslos immer zu ihm. Vielleicht war er es am Ende, der "Daredevil" zum König der Comic-Serien krönte, vielleicht war er der Unterschiedmacher, den es brauchte, um die Konkurrenz vollständig abzuschütteln.

Zweimal aufeinanderfolgend die gleiche Karte ausspielen konnte man jedoch nicht, so viel stand fest. Was bisher geschah, hatte etwas von dem Prolog einer langen Fehde zwischen Erzfeinden, und die Serie tut gut daran, das Potenzial eines erneuten Aufeinandertreffens noch ein wenig im Unvollendeten köcheln zu lassen. Dennoch: Ein solches Schwergewicht muss man erst einmal kompensieren - eine Mammutaufgabe, die dem Autorenteam durch die Einführung zweier alter Bekannter erstaunlich gut gelingt.

Anstatt plump einen weiteren Über-Gegner zu installieren, wird zunächst das Loch greifbar gemacht, das Fisks Abwesenheit in Hell's Kitchen hinterlassen hat. Aufstrebende Gangster wittern ihre Gelegenheit, zum Super-Prädatoren aufzusteigen und schalten sich unter Einfluss dieses Irrglaubens gegenseitig aus (eine frühe Sequenz um ein irisches Syndikat spielt dabei herrlich mit den Zuschauererwartungen); Medien und Justiz scheinen völlig aus dem Konzept gebracht. Der so wunderbar in Schwarz-, Rot- und kranke Ockertöne getauchte Grobschnitt der Stadt fungiert weiterhin als Moloch für Kriminelle, die braven Bürgern das Leben schwer machen, doch ein Bruch ist spürbar. Die Autoren verstehen es nach dieser Aufbereitung wahrlich, den Neuzugängen einen angemessenen Empfang zu bereiten und sie mit Paukenschlägen in die Handlung zu werfen. Als Jon Bernthal und kurz darauf Élodie Yung endlich auf den Plan treten, wird jeglicher Vergleich zu einer Figur wie Wilson Fisk vermieden und für Hauptcharakter Matt Murdock / Daredevil ergibt sich eine völlig neue Konstellation.

Mögen das gepimpte Kostüm des blinden Rächers und die prominenten Neuzugänge das Comic-Flair auch deutlich anheben, insgesamt bleibt "Daredevil" erfreulicherweise seiner erdigen Ausrichtung treu. Mit ikonischen Elementen aus der Vorlage wird zunächst immer nur subtil gespielt (etwa im Punisher-Schädel, der sich in einer Röntgen-Aufnahme bereits ankündigt), damit sich diese über viele Episoden hinweg natürlich entwickeln können. Schmutzige Hände werden auch weiterhin nicht gescheut; das Gewaltlevel ist für eine Produktion dieser Art erstaunlich hoch. Hauptsächlich erfüllt es den Zweck, die hochprofessionell choreografierten Action-Einlagen mit einer gesunden Härte auszustatten. Diese überzeugen auch ansonsten mit fein austarierter Konzeption, die sogar gewisse Assoziationen zu den berüchtigten Plansequenzen aus "Oldboy" oder "The Villainess" erzeugt, was für eine TV-Serie mehr als bemerkenswert ist.

Insgesamt bleiben die Stärken und Schwächen in etwa die gleichen. Die Dialoge könnten definitiv mehr Feinschliff vertragen, in einigen Momenten wirken sie regelrecht cheesy, insbesondere, wenn es gilt, Freundschaften zu retten, die zu zerbrechen drohen. Andererseits bleibt die Chemie zwischen Charlie Cox, Deborah Ann Woll und Elden Henson so gut wie eh und je, vielleicht auch, weil mit Bernthal und Yung neue Impulse von außen Einfluss nehmen auf das einst so verschworene Dreigespann. Und auch wenn das Drehbuch am Ende einfach Puzzleteile zusammensteckt, die sich durch die Charakterzeichnung ergeben: Nach dem Kingpin werden nun auch der Punisher und Elektra mit Interpretationen geehrt, die ihnen alle Ehre machen.

Hoffentlich hat die Produktionspause im Jahr 2017 nur Gutes für die bald startende dritte Staffel zu bedeuten, denn es braucht Energie und Inspiration, um eine solche Serie auf dem gleichen Niveau weiterzuführen. Ein Jahr ohne den Roten ist ein Opfer, das man dafür gerne bringt.
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Mad Men - Season 6
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Die 60er laufen in die Zielgerade ein. Martin Luther King und Robert Kennedy werden erschossen, „Planet der Affen“ feiert seinen Kinostart und irgendwo dazwischen knüpfen die Autoren mit ungebrochener Motivation ihre Handlungsstränge rund um Werbeleute und ihre Kunden, deren kleine Geschichten nach wie vor gesellschaftliche Kontexte auf subtile Weise abbilden.

So zerbröckeln zunehmend die festen Familienstrukturen, die noch ein Jahrzehnt zuvor das unbestrittene Zentrum amerikanischer Gesellschaftsordnung bildeten. Subplots um Affären und One-Night-Stands werden im Vergleich zu früheren Staffeln sinnvoll variiert, der Wunsch nach Freiheit und Individualität bei Mann und Frau nicht ganz ohne Konsequenzen ausgedrückt. In Episode 8 beispielsweise findet eine vortrefflich geschriebene Einbruchsszene statt, bei der Dons Kinder nicht nur völlig alleine mit einer Einbrecherin im Apartment konfrontiert werden, sondern damit die Geborgenheit bröckeln sehen und zugleich die Fassade des zivilisierten Miteinanders.

Die Serie bewahrt dabei die Fähigkeit, ihr reichhaltiges Repertoire an unterschiedlichen Figuren voll zu nutzen und ihre Fäden ineinander greifen zu lassen, wobei einige Figuren naturgemäß intensiver behandelt werden als andere. Es ist vielleicht diesmal wieder Peggy (Elisabeth Moss), die herausragt; als womöglich stärkste Frau der Serie verkörpert sie den Aufstieg der Frauenrechte wie keine andere, durchlebt jedoch diesmal durch Ted (Kevin Rahm) eine emotionale Achterbahnfahrt, die ihren natürlichen beruflichen Aufstieg mit Schlaglöchern im Bereich des Privaten versieht. Ihr Auf und Ab trägt entscheidend dazu bei, eine wilde Zeit der Umbrüche nachzuzeichnen – eine der ganz großen Stärken von „Mad Men“, und das aus der Distanz, ohne jemals völlig in die Hotspots eintauchen zu müssen.
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Weitere Sichtungen:
Men Of War
Piranhas (1978)
Black Panther
Wind River
Brimstone
Das Grauen auf Schloss Witley
Venom
Rock 'n Roll High School
The Dunwich Horror
Operation 12 Strong
Daddy's Home 2
The Commuter
Tomb Raider (2018)

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Beitrag von StS » 01.11.2018, 14:58

Schön, dass Dir "the Killing Of A Sacred Deer" ebenfalls gefallen hat.
Alles andere hätte mich auch gewurdet... bzw. wäre Frevel gewesen :wink:

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Beitrag von McClane » 02.11.2018, 18:34

Liegen wir bei "Red Sparrow" ja nicht so weit auseinander wie es in Timos Thread klang. Würd dem so 5,5/10 geben und das meiste, was du schreibst, täte ich wohl unterschreiben.
Jimmy Dix: "Du glaubst wohl nicht an die Liebe?" - Joe Hallenbeck: "Doch ich glaube an die Liebe. Ich glaube auch an Krebs." [Last Boy Scout]

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Beitrag von Vince » 03.11.2018, 07:18

@StS: Jau, bei dieser Art Film liegen wir ja sowieso selten weit auseinander. Grundsätzlich gilt sowieso: Wenn die Zuschauer gespalten sind und der eine von Meisterwerk redet, der andere von Schund, dann handelt es sich in der Regel um einen hochinteressanten Film.

@McClane: Ne, hatte dir doch auch teilweise zugestimmt bei deiner Begründung, das passt schon so. ;)

Zwischen zwei Leben - The Mountain Between Us
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[Spoiler-Andeutungen im letzten Abschnitt!]
Man konnte es befürchten und es hat sich bestätigt: Im Titel steckt mehr von einer schwülstigen Metapher, als einem lieb sein kann. „The Mountain Between Us“ ist weniger ein Film über den Überlebenskampf zweier Städter nach einem Flugzeugabsturz, sondern letztlich ein triviales Annäherungs-Drama. Nicht etwa die Kälte der schneebedeckten Gebirgslandschaft wird zum Antagonisten erklärt, sondern die vom Leben in der Zivilisation errichtete Blockade in den Köpfen der Überlebenden.

Hany Abu-Assad unterliegt dabei der fixen Idee, große Gefühle seien dazu in der Lage, physische Widerstände völlig aus der Angeln zu heben. Dass er nicht zumindest beides koexistieren lässt und gleichermaßen sorgfältig behandelt, geht zu guter Letzt auf Kosten der Dramaturgie. Niemand mag in einem mit Kate Winslet und Idris Elba besetzten Film einen harten Survival-Thriller erwartet haben, aber die ungewöhnliche Situation im Nirgendwo, die eigentlich volle Aufmerksamkeit erfordern sollte, wird nur verschwommener, je länger das ungleiche Paar in ihr verharren muss. Das ist schon recht ungewöhnlich, gewinnt das Survival-Kino doch gewöhnlich erst dadurch seine Intensität, dass die banalen Belange der Zivilisation angesichts der Gefahren in den Hintergrund gedrängt werden. Die Wahrnehmung der Umweltfaktoren sollte somit eher an Schärfe gewinnen anstatt verlieren; hier ist das Gegenteil der Fall. Zu durchschaubar bleiben auch die Versuche, Thriller-Elemente als Katalysator für Einsamkeit und Sehnsucht einzuspannen; der Hund, der als Seitenbegleiter immerzu die Sorge des Zuschauers bündelt („wieso war der denn jetzt so lange nicht im Bild?“), die so offensichtlich entgegengesetzten Überlebensstrategien der Figuren (Aussitzen vs. Erkunden)... auch wenn es sicherlich legitim ist, primäre Bedürfnisse zu verwenden, um sekundäre Bedürfnisse auszuarbeiten, so sollte das doch nicht derart plakativ geschehen wie hier.

Vielleicht klingt das dramatischer als es in Wirklichkeit ist, da Winslet und Elba immerhin gestandene Schauspieler sind und mit ihrem Können so manchen Szene abfedern, die droht, ins Kitschige abzugleiten. Den Todesstoß jedoch wissen sie bei all ihrer Ausstrahlung nicht zu verhindern, diesen Schlusspunkt kurz vor der Abblende, wenn Berge plötzlich im Nichts verschwinden und Magnete freie Bahn haben...
:liquid4:

Weltengänger
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Wie man weiß, verliert sich russische Fantasy auf Zelluloid oft in schwer nachvollziehbare Dimensionen aus überladenen Spezialeffekten und merkwürdigen Story-Pfaden, die manchmal durch einen gewöhnungsbedürftigen Ausdruck im Regie- und Schauspielhandwerk noch befremdlicher wirken können. „Weltengänger“ macht da keine Ausnahme, lässt sich aber immerhin ein wenig Zeit damit, sein Publikum abzuhängen. Der erste Akt illustriert erfolgreich jene Art von Szenario, bei dem der Protagonist hilflos mit ansehen muss, wie sich seine vertraute Umgebung langsam auflöst. Assoziationen zu den Verschwörungsthrillern der 70er Jahre erlauben ein Eintauchen in die Geschichte, zumal Hauptdarsteller Nikita Volkov dazu in der Lage scheint, die Verwirrung seiner Figur über die zerbröckelnde Realität glaubhaft zu transportieren.

Kaum hat sich jedoch die Spezialeffekte-Box der Pandora geöffnet, scheitert auch diese Lukianenko-Verfilmung im Sinne einer Romanadaption. Moskau im Schnee und Palmenstrände mit kristallklarem Wasser mögen als Postkartenansichten Sehnsüchte nach der magischen Ferne wecken, die meisten generierten Welten in diesem Film bleiben jedoch Oberflächenlack für den Trailer-Einsatz, die mit Lukianenkos fein konstruierten Paralleluniversen nicht das Geringste zu tun haben. Überhaupt mischt Sergey Mokritskiy der Vorlage reichlich Farbe bei, Süßigkeiten für die Augen eben, damit das Fehlen von Kontext beim Auftauchen riesiger Matrjoschkas mit integrierten Maschinengewehren nicht noch während des Films auffällt.

Russland hat sicherlich wesentlich beklopptere Streifen zu bieten, aber wenn man Hollywood-Blockbuster für ihre Oberflächlichkeit kritisiert, so muss dieser Maßstab auch für Produktionen aus dem Osten gelten, wenn sie abgesehen von einem brauchbaren Hauptdarsteller, einer gelungenen Exposition und ein paar netten Bildern im SciFi-Fantasy-Kernteil nicht viel zu bieten haben.
:liquid4:

The Greatest Showman
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Dass „Greatest Showman“ keine richtige Biografie über die äußerst ambivalente Persönlichkeit P.T. Barnum geworden ist – geschenkt. Im Mittelpunkt steht die reine Performance. Der Song, die Choreografie. Die Menschen und ihre Zeit gehen im Kandis der Tanzeinlagen unter; der von Charmebolzen Hugh Jackman gespielte Barnum darf seine wahre Gestalt die meiste Zeit hinter der Show verbergen. Nur selten blitzen seine Schattenseiten auf, und wenn, dann werden sie bei weitem nicht konsequent genug verfolgt. Michelle Williams hat im Zuge dessen nichts Besseres zu tun, als mit den Kindern in der Ecke zu hocken und ihrem Ernährer zuzujubeln. Legitim ist das trotzdem, wenn dafür am Ende eine große Show geliefert wird.

Auch die Entscheidung, Musik des 19. Jahrhunderts in moderne Pop-Nummern zu verwandeln, ist nicht per se verwerflich. In der TV-Serie „Westworld“ hat das beispielsweise mit Hilfe eines Western-Pianos (im umgekehrten Sinn: Moderne Stücke altmodisch aufbereitet) sehr gut funktioniert. Die Bühnennummern im vorliegenden Musical sind spürbar mit dem Schwung der heutigen Zeit aufgezogen. Flotte Trapez-Akrobatik, fliegende Wechsel der Tanzpartner, die meist im Duett, manchmal auch in großen Gruppen auftreten (Zendaya und Efron, Efron und Jackman, Jackman und Williams... hier macht's jeder mit jedem), offensive Kommunikation mit dem Publikum und Momente der Stille, die als ironisch augenzwinkernde Pseudo-Ruhepausen nur den nächsten Höhepunkt ins Visier nehmen. Das Gespielte orientiert sich an zeitgenössischem Pop, der noch einmal extra geschliffen wurde für den großen Sprung vom Musikvideo in die Kinosäle. Was leider auch die mindeste Maßnahme darstellt, um überhaupt noch etwas aus dem gewählten Ansatz zu retten. Schließlich befindet sich die Popmusik dieser Tage auf einem dermaßen erbärmlichen Niveau, dass selbst die auf Hochglanz polierten Nummern der vorliegenden Hollywood-Varieté anmuten wie ein American-Idol-Special mit Zirkus-Kulisse.

Dem verabscheuungswürdigen Ethos gemäß, das Instant-Superstar-Fabriken aus dem Fernsehen regelmäßig an den Tag legen, werden zwischen den geschmetterten Zeilen auch Minderheiten-Themen abgehandelt. Das ehrliche, kraftvolle Statement von Tod Brownings „Freaks“ ist ganz, ganz weit entfernt. Über Barnums Zwerge, Affenmenschen und bärtige Frauen soll vielmehr das Abnormale bestaunt und beklatscht werden, nach dem Motto: Wow, diese fette Frau hat ja eine schöne Stimme! Dieser kleine Wicht hat ja Gefühle! Anstatt jedoch die dadurch erzeugte Sensationsgier vorzuführen (der Zirkus hätte diesbezüglich die perfekte Manege abgegeben), schließt man sich ihr an, vorgebend, die Artenvielfalt zu feiern, ohne jedoch die Selbstverständlichkeit in ihr zu erkennen.

Was macht das aus „Greatest Showman“? Es ist ein okay gesungenes, nett choreografiertes Musical mit extrovertierten Darstellern und hübschen Retro-Kulissen, das aber mit dem Kleister kontemporärer Pop-Muzak nicht gerade heller scheint. Eine Biografie, die sich mit ihrem eigenen Betrachtungsgegenstand keinen Deut kritisch auseinandersetzt; und ein Ausgrenzungsdrama, das bestehende Missstände nicht etwa ausbessert, sondern das Potenzial hat, sie ungewollt weiter zu zementieren.
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Preacher - Season 3
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Wenn es im Moment einen Comic in Serienform gibt, der den Druck der Farbe in der Luft und die Haptik der Seiten als Erinnerung auf den Fingerspitzen hinterlässt... man suche ihn bitte nicht bei einem von Marvels TV-Ablegern. Wahrscheinlicher findet man ihn in diesem unscheinbaren kleinen AMC-Groschenheft namens „Preacher“, das es gerade in seine dritte Ausgabe geschafft hat – und spätestens jetzt nicht mehr wegzudenken ist aus der Spitzenliga der aktuell laufenden TV-Serien.

Goldgelber Weizen, ein von weißen Wattewolken geflockter Azurhimmel, ein paar Blutspritzer auf dem staubigen Pfad und ein Dalmatiner auf zwei Beinen, so in etwa gestaltet sich das Cover-Artwork, respektive die Grundstimmung der dritten Staffel. Das Trio Infernale nimmt angesichts der einschneidenden Ereignisse aus Staffel 2 inzwischen getrennte Wege, das Skript verfolgt in den zehn neuen Folgen dementsprechend drei miteinander verwobene Main Plots, die öfter als bisher gewohnt auch den Zug in die Vergangenheit nehmen. Sepiafarbene Rückblenden machen einen beachtlichen Teil der Handlung aus, ohne jedoch den Weg auf das aktuelle Tagesgeschehen zu versperren; denn mehr über Jesse, Tulip und Cassidy zu erfahren, ist der entscheidende Schlüssel, will man die einmal mehr abgefahrenen Ereignisse der Gegenwart nachvollziehen können.

Ruth Negga (im Dauerkonflikt mit dem Saint of Killers und Satans Abgesandter Sidney) und Joseph Gilgun (mit einer Vampirsekte an der Backe, deren Anführer frappierende Ähnlichkeit mit Antonio Banders in „Interview mit einem Vampir“ hat) bekommen in ihren Plots wieder ihre Highlights, aber es ist erneut Dominic Cooper, der in der Titelrolle das klare Zentrum bildet. In seinem Handlungsstrang tauchen die ganzen coolen Figuren auf und machen die coolen Dinge. Speziell die beiden Hillbilly-Handlanger einer Voodoo-Hexe (Jeremy Childs und Colin Cunningham) halten den Priester schwer auf Trab, aber auch das schmierige Treiben des Allvaters (Jonny Coyne) legt nahe, dass nun endlich die richtig abgefahrenen Charaktere von der Leine gelassen werden. Es ist jedenfalls ein Genuss, den feinen Herr Starr (Pip Torrens) in der Pose des Duckmäusertums verharren zu sehen, wann immer sich díe geistliche Fettkugel mit Klecker-Robe im gleichen Raum befindet. Etwas ungewöhnlich dass Arseface (Ian Coletti) und Hitler aka „Hilter“ (Noah Taylor) nun doch wieder kleinere Nebenrollen einnehmen, nachdem es Ende der zweiten Staffel so aussah, als würden sie künftig eine gewichtige Rolle spielen.

Die Charakterzeichnung dieser und anderer Figuren führt bei Interaktion zu einer herb-zynischen Humor-Ausschüttung, die längst zum Markenzeichen dieser schwer unterhaltsamen Serie geworden ist, die glücklicherweise nie zu ernst wird und dennoch in den Bergen von Comic-Pulp (alleine dieser Teufel...) haufenweise Nachdenkenswertes vergräbt. Das Warten auf die vierte Staffel fällt nun schwerer denn je.
:liquid8:

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