Filmtagebuch: deBohli

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Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von LivingDead » 27.12.2020, 16:45

Ja, dass die Serie ein ordentlicher Blender ist, bleibt unbestritten. Aber eben ein ordentlicher... :lol:
Mit freundlichem Gruß
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Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von deBohli » 29.12.2020, 10:14

LivingDead hat geschrieben:
27.12.2020, 13:40
Das Storytelling sehe ich ebenfalls besser, orientiert es sich doch eher am anachronistischen Prinzip der abgeschlossenen Folge (ähnlich eines Stargate) wie in klassischen 90er-Serien. Dass der rote Faden dann keine großartige Offenbarung darstellt, kann ich im Blockbuster-Sujet (vor allem im SW-Blockbuster-Sujet ;) ) verschmerzen.
Das stimmt, ich habe nichts gegen das "Monster-Of-The-Week"-Prinzip. Bei einer Serie, die nur aus 8 Folgen pro Staffel besteht, sollte diese Methode allerdings spärlich angewandt werden und nicht bei mehr als der Hälfte der Folgen.
Geblendet wird man bei der Serie wirklich. Nur leider wird die Sicht halt zu schnell wieder klar und man sieht die Wüste unter der Sonne.
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Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von deBohli » 05.01.2021, 13:06

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His House
Streaming, Netflix / Regie: Remi Weekes
Horror ist im Film dann am besten, wenn er als Metapher angewandt wird. Und das gelingt bei diesem Debütwerk sehr gut. Die Fragen nach Heimat, Integration und Migration werden interessant dargestellt, schon früh wird man gehörig erschreckt. Trotzdem verkommt kein Schock zu einem Selbstzweck und das Ende ist ein Schrei nach mehr Menschlichkeit.
:liquid7:

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What Did Jack Do?
Streaming, Netflix / Regie: David Lynch
Lynch verhört ein Affe, der scheinbar an einem Huhn ein Mord begangen haben soll. Statisch in Schwarzweiss gefilmt, voller Phrasen und Sprichwörter, absurd, kurz und verwirrend. Typisch für den Regisseur, irgendwie zu schräg für mich.
:liquid4:

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The Lego Star Wars Holiday Special
Streaming, Disney+ / Regie: Ken Cunningham
Was man sich an den Weihnachtstagen nicht alles anschaut, obwohl mich vor Star Wars ja eher graut. Trotzdem, dieses animierte Special bot einige Lacher. Vor allem dann, wenn die Seitenhiebe auf die profitgierigen Entscheidungen von Disney abzielen. Sonst: Clip-Show, Kalauer, eher an Kinder gerichtet. Und zum Glück Lichtjahre vom damaligen Holiday Special entfernt.
:liquid4:

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Network
BD / Regie: Sidney Lumet
“I'm mad as hell and I'm not gonna take it anymore!" Ja, so etwas sollte heute wieder passieren. Zwar gilt das Fernsehen im Gegensatz zu den neuen Medien (wie Streaming, Social Media) noch eher als verlässlich, die Wahrheit wird aber immer mehr vergraben. Darum ist dieser Film weiterhin sehr aktuell und zeigt gut auf, wie manipulativ überall vorgegangen wird.
:liquid8:

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Dead End Drive-In
BD / Regie: Brian Trenchard-Smith
Man landet im Autokino, wird von der Polizei bestohlen, kann nicht mehr weg und muss in einem Miniabbild der australischen Gesellschaft überleben. Verrückt, in diesem Film scheinbar die dystopische Realität. Fremdenhass, Gewalt, sozialpolitische Versäumnisse und Mad-Max-Action: Das geht nicht ganz rund zusammen und hätte überdrehter sein dürfen, trotz Achtzigerüberfluss.
:liquid5:

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Tokyo Drifter
BD / Regie: Seijun Suzuki
Das ist kein Gangster-Film, das ist ein Kunstprojekt. Hier werden Inneneinrichtung und die farbliche Gestaltung der Sechzigerjahre als Hintergründe für stillvolle Figuren und wilde Kameraeinstellungen genutzt. So kapiert man inhaltlich wenig, wird dafür von der Machart und Ästhetik mehr als abgeholt.
:liquid7:

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Room 237
BD / Regie: Rodney Ascher
Von The Shining handelt diese Dokumentation nicht, sondern von dem obsessiven Verhalten der Menschen. In der eigenen Verlorenheit findet man überall Zeichen, scheint als einzige Person die Wahrheit entdeckt zu haben und steigert sich immer weiter in den Wahn. Kubricks Film ist ein Beweis für die Fälschung der Mondlandung, steht für den Genozid an indigenen Völker oder sonstige Theorien. Den Sprecher*innen zuzuhören macht zuerst Spass, dann Angst, diese Doku reisst Abgründe auf. Und ist sehr gut geschnitten.
:liquid8:

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Daisies
BD / Regie: Věra Chytilová
Feminismus, Surrealismus, Lust an der Zerstörung, Krieg und Chaos. Der experimentelle Film aus der Tschechoslowakei ist bis heute überraschend, unterhaltsam und voller interessanter Ideen. Die beiden Hauptdarstellerinnen tragen den Reigen ohne Mühe, Musik und kunstvoller Schnitt vollenden das Werk.
:liquid8:

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Ikarie XB 1
BD / Regie: Jindřich Polák
Noch vor 2001 brachte dieser Film in schwarzweissen Bildern das Mysterium des Alls auf die Kinoleinwand. Mit tollen und den Sechzigerjahren entsprechenden Sets, gelungenen Rätseln in der Geschichte und packender Stimmung. Wie schön elegant so ein Tanz in der Rakete doch sein kann.
:liquid7:

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Meine Freundin Conni - Geheimnis um Kater Mau
Streaming, Filmingo / Regie: Ansgar Niebuhr
Meine Freundin Conny wollte diesen Film gucken, da habe ich gerne mitgemacht. Nur leider war die Conni weniger taff als erwartet, die Geschichte ohne Tiefe oder Moral und die Animationen lieblos. Davon habe ich mir, besonders wegen dem süssen Kater und dem frechen Waschbären, mehr erhofft.
:liquid4:

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Wildland
Streaming, Filmingo / Regie: Jeanette Nordahl
Familie ist wichtig, Blut dicker als Wasser? Ja, eigentlich schon. Doch wie lange verteidigt man seine Verwandten? Wieso sucht eine 17-Jährige weiterhin bei der Gangster-Tante Zuflucht, wenn alles um sie herum zerbricht? Und wieso entschied man sich, am Ende des Filmes die erzählerische Perspektive komplett zu kippen? Trotz den guten Bildern unausgegoren.
:liquid6:

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Raw
DVD / Regie: Julia Ducournau
Ich werde niemals in Frankreich Veterinärwesen studieren, das geht ja übel zu und her auf dieser Universität. Und dann beginnt eine Erstklässlerin plötzlich ihre Mitmenschen anzuknabbern, aufzuessen. Blutig, dreckig und roh wird die Geschichte erzählt. Mitreissend gespielt und als wunderbare Metapher für sexuelles Erwachen und Leistungsdruck von aussen.
:liquid8:

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Jacob’s Ladder
DVD / Regie: Adrian Lyne
Ein Kuriosum zwischen Verschwörungsthriller, Traumabewältigung und Umgang mit dem Tod. Die geschichtete Erzählweise macht den Film aufregend, die Bilder gehen unter die Haut. Und Tim Robbins in der Hauptrolle gefällt sehr. Ich mag solche undurchsichtigen Erzählungen.
:liquid8:

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Spider
DVD / Regie: David Cronenberg
Wie verarbeitet man ein schlimmes Trauma, das man in der Kindheit erleben musste? Nur schwerlich, wie dieser Film aufzuzeigen versucht. Leider aber wollte mich der Inhalt nie packen, die langsame Erzählweise und kammerartigen Settings halfen ebenso wenig. Ralph Fiennes gibt alles, Cronenberg erreicht seine Meisterklasse leider nicht. Alles bleibt so braun.
:liquid5:

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Sightseers
DVD / Regie: Ben Wheatley
Mit seinem dritten Film hat Ben Wheatley ein rabenschwarzes Spiel um Liebe, Komik und Aggression geschaffen. Der Kontrast zwischen biederer Landumgebung und der aufkeimenden Mordeslust der Hauptpersonen ist herrlich schräg, die Totschläge erstaunlich blutig. Dazu ein kleiner Spritzer Surrealismus und englische Eigenheiten.
:liquid7:
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Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von gelini71 » 05.01.2021, 13:30

deBohli hat geschrieben:
05.01.2021, 13:06
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Jacob’s Ladder
DVD / Regie: Adrian Lyne
Ein Kuriosum zwischen Verschwörungsthriller, Traumabewältigung und Umgang mit dem Tod. Die geschichtete Erzählweise macht den Film aufregend, die Bilder gehen unter die Haut. Und Tim Robbins in der Hauptrolle gefällt sehr. Ich mag solche undurchsichtigen Erzählungen.
:liquid8:
Zu dem Film kann ich eine nette Anekdote erzählen, ich lasse sie im Spoilertag verschwinden weil es sich um die Pointe dreht :wink:
Spoiler
Show
Der Film war ja nicht sonderlich erfolgreich im Kino Seinerzeit und so kam der Verleih zum VHS Start auf eine witzige idee. Einige Wochen vor Filmstart wurden die Videotheken mit einer Pressekopie des Films beliefert wo die letzten 5 Minuten fehlten. In einem Gewinnspiel sollten die Mitarbeiter (die VHS war nicht für den Verleih freigegeben *HUST*) erraten wie denn der Film enden könnte. Es gab drei Möglichkeiten:
- Alles nur ein "Traum" eines Sterbenden (= die richtige Antwort)
- alles ist wirklich passiert
- die Hauptfigur ist im Drogenrausch und hat eine Geschichte geschrieben
In unserer Dorfvideothek ging die Kassettte natürlich bei den Stammkunden rund und es entbrannte sich eine hitzige Diskussion wie denn der Film enden könnte. Ironischerweise war ich der einzige der für das "Traum" Ende plädierte, die meisten waren der Meinung das dies ein Horrorfilm ist und alles faktisch "wahr" war. Ich wurde sogar als bekloppt tituliert weil man sich einfach nicht vorstellen konnte das der Film eben so enden könnte (wie er es dann doch tat).
Solche Gewinnspiele kann man in heutigen Internetzeiten natürlich nicht mehr machen - Rückblickend fand ich die Idee noch gar nicht mal so schlecht... :wink:
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Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von deBohli » 07.01.2021, 11:15

Interessant. Da fand ich das Konstrukt nicht sehr komplex. Die Auflösung sollte doch bereits ab der Hälfte als einzige Lösung ersichtlich sein?
Coole Aktion aber auf jeden Fall!
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Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von gelini71 » 07.01.2021, 11:33

wobei das
Spoiler
Show
Drogenrausch Ende
auch durchaus logisch / möglich gewesen wäre
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Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von Vince » 07.01.2021, 12:39

Schön, dass dir His House auch gefallen hat. Jacob's Ladder fand ich auch immer stark, zumal der ja auch maßgeblich die von mir so geliebte Silent Hill-Videospielserie inspiriert hat. Zu dem Gewinnspiel: Also B war ja schon alleine deswegen unwahrscheinlich, weil man so ein Gewinnspiel ja gar nicht erst machen müsste, wenn es tatsächlich einfach nur B gewesen wäre... nach dem Ausschlussverfahren konnte es dann ja fast nur A oder C sein.

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Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von gelini71 » 07.01.2021, 13:49

Die Argumentation gegen das (von mir favorisierte) richtige Ende war genau andersrum - es wäre ja Blödsinn einen Film über etwas zu machen was es gar nicht gibt :wink:. Eine der Verkäuferinen hat immer gesagt das die Möglichkeit A "der größte Quatsch wäre" :lol:

Nur soviel um das Filmniveau zu verdeutlichen: Es gab auch mal eine Presse-VHS zu W. Friedkins "Das Kindermädchen" wo der Film auf handliche 15 Minuten runtergekürzt war. Diese Version erfreute sich bei uns im Dorf recht großer Beleiebtheit weil da hauptsächlich die Splatterszenen drin waren :lol:
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Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von deBohli » 12.01.2021, 09:29

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Brazil
DVD / Regie: Terry Gilliam
Was für ein Reigen an Ideen, Sarkasmus, Humor und Systemkritik. Setdesign, Figurenzeichnung, Requisiten und Dialoge sind alle auf höchstem Niveau, Gilliam war bei diesem Film in seiner stärksten Form. Nur schade, bricht die Geschichte kurz vor dem Ende etwas in Richtung der typischen Klischees ein, weiss sich auf der Zielgerade aber zu fangen. Robert De Niro ist in seinem Cameo perfekt.
:liquid8:

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Valhalla Rising
DVD / Regie: Nicolas Winding Refn
Gewalt, stille Männer, farbverfremdete Bilder: Refn zeigt was er kann, Mads Mikkelsen gefällt als stummer Krieger und die Geschichte um Glauben, Hoffnung und Ehre ist ein brutales Gemälde. Teilweise wie ein Drogenrausch, dann wieder wie eine Meditation, unberechenbar wie der Regisseur selbst.
:liquid7:

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Creature from the Black Lagoon
DVD / Regie: Jack Arnold
Da kommt es, das Glubschgesicht, oh, wie schrecklich. Es verliebt sich in die bezaubernde Julie Adams, es hält ganze Schiffe mit Baumstämmen gefangen, es treibt sein Unwesen Tag und Nacht. Ein Horror-Kultfilm aus den Fünfzigerjahren, der bis heute gut unterhält und zu Recht zu den klassischen Monsterfilmen aus der Zeit gehört.
:liquid6:

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Evil
DVD / Regie: Mikael Håfström
Erik Ponti prügelt sich von der Schule in ein Internat und muss dort nicht nur mit ehemaligen Nazis zurechtkommen, sondern mit sadistischen Oberschülern. Soweit so bekannt, trotzdem kann der Film der Grundthematik interessante Aspekte entlocken. Natürlich gewinnt das friedliche Verhalten gegenüber der unterdrückenden Gewalt, trotzdem fiebert man mit der Hauptperson mit. Und würde zu gerne dem glatten Fiesling selbst eine ins Gesicht pfeffern.
:liquid7:

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Pi
DVD / Regie: Darren Aronofsky
Das Erstlingswerk von Aronofsky hat einen Stammplatz in meinem Herzen – so gefiel mir der Film bei der erneuten Sichtung nicht weniger gut als beim ersten Mal. Gemeinsam mit Freunden geschaut, zum Einstieg in unsere Home-Cinema-Filmreihe, inklusiver dazugehöriger Diskussion. Die groben Schwarzweissbilder und der Soundtrack von Clint Mansell und diversen Bands sind immer noch fesselnd, die Geschichte um den Kampf zwischen Chaos und Ordnung, zwischen Mathematik und Zufall vielschichtig.
:liquid8:

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The Butcher Boy
DVD / Regie: Neil Jordan
Je länger der Film andauerte, desto stärker hatte ich das Gefühl eine Produktion von Terry Gilliam zu schauen. Aliens, Explosionen, eine sprechende Marien-Erscheinung (eine junge Sinéad O'Connor) – den Wahnsinn der Realität lässt sich oft nur mit viel Fantasie aushalten. Das macht das Problemkind Francie, um der erfahrenen Gewalt und Ungerechtigkeit entgegenzuwirken. Sehr irisch, teilweise nervtötend, aber nicht ohne Moral und Reiz.
:liquid7:

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Paris, Texas
BD / Regie: Wim Wenders
Das Remaster ist fantastisch, wie herrlich die Farben leuchten, wie scharf die Aufnahmen daherkommen. Endlich habe ich mir dieses Meisterwerk zu Gemüte geführt und wurde von der märchenhaften Geschichte, der perfekten Regie und den wirklich phänomenalen Bildkompositionen betört. Liebe kann schmerzhaft sein, jemanden zu verzeihen benötigt Zeit – schöner als hier wurde dies wohl nie dargestellt.
:liquid10:

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Eraserhead
DVD / Regie: David Lynch
Eine weitere Lücke habe ich endlich geschlossen und mir den Debütfilm von Herr Lynch angeschaut. Eine liebevolle Betrachtung über das Elternwerden und Kleinkinder. Oder? Nein, eher in Trip in die Unterwelt, mit singenden Frauen im Heizkörper, mit Radierern aus menschlichen Köpfen, mit unangenehmen Abendessen bei den Schwiegereltern. Handgemacht, düster und der Auftakt zum Genie von Lynch.
:liquid8:

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Carnival Of Souls
BD / Regie: Herk Harvey
Ein B-Movie aus den Sechzigern, das dank der straffen Erzählweise und der gelungenen Perspektive immer noch sehr gefällt. So ist die Geschichte um die überlebende Organistin eines Autounfalles voller unheimlicher Männer, Visionen untoter Personen und einem anziehenden Gebäudekomplex. Zwar habe ich den Twist schnell erahnt, die Inszenierung wurde deswegen aber nicht schlechter und gewisse Momente schockten ziemlich.
:liquid7:
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Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von LivingDead » 12.01.2021, 16:14

Großes Dito zu Brazil, Walhalla Rising (den ich damals sogar noch etwas stärker empfand), Pi und natürlich Eraserhead (als Lynch-Fan eh Pflicht und immer wieder erstaunlich, wie sehr sein Stil schon hier durchdringt).
Mit freundlichem Gruß
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Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von gelini71 » 12.01.2021, 16:34

"Brazil" hat mich damals im Kino geflashed wie sonst nur was aber jede Zweitsichtung endete im Abbruch weil der Film mich irgendwann nervte.... :lol:
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Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von Wallnuss » 12.01.2021, 17:40

"Brazil" und "Walhalla Rising" stehen dringend auf der Liste. Mit deiner Meldung zur restaurierten Version von "Paris, Texas" machst du mich aber sehr glücklich! :D

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Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von deBohli » 12.01.2021, 18:47

LivingDead hat geschrieben:
12.01.2021, 16:14
natürlich Eraserhead (als Lynch-Fan eh Pflicht und immer wieder erstaunlich, wie sehr sein Stil schon hier durchdringt).
Das stimmt, das fiel mir auch auf. Sogar in Bezug auf den Kurzfilm "What Did Jack Do?", den ich mir Ende letzten Jahres angeschaut habe. Alle Mittel und Mechanismen findet man bereits bei "Eraserhead".

Ja, "Brazil" hat tatsächlich einen möglichen Nervfaktor, bei mir wurde dieser zum Glück nie ausgelöst.

Zur BD-Neuauflage von "Paris, Texas" kann ich wirklich nur sagen: Kaufen!
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Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von Nachtwaechter » 12.01.2021, 19:26

Ich glaube zu "Valhala Rising" sollte ich mich langsam mal durchringen...
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Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von deBohli » 18.01.2021, 07:56

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Trois couleurs: Bleu
BD / Regie: Krzysztof Kieślowski
Ein berührender Film über Trauerbewältigung und das Erkämpfen von persönlicher Freiheit – als Auftakt zur Trilogie über die drei Grundwerte Frankreichs erschütternd, ergreifend und sehr intelligent. Juliette Binoche spielt überragend, Schnitt und Drehbuch sind auf höchstem Niveau und die Auflösung geschmackvoll und lebensnah.
:liquid10:

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Roadgames
BD / Regie: Richard Franklin
Zwei amerikanische Schauspieler*innen fahren durch weite Leere Australiens und hoffen, einen scheinbaren Killer erwischen zu können. «Rear Window» trifft auf «Duel», viel Humor auf Nervenkitzel – und alles hält sich in der Balance. Ein tolles Vergnügen, das mit Eleganz und Ausdruck gefilmt wurde. Jamie Lee Curtis war damals sehr süss.
:liquid8:

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Tremors
BD / Regie: Ron Underwood
Ein perfektes Drehbuch machte diesen Film (nebst einigen anderen glücklichen Zufällen) zum aufregenden Monster-Action-Komödien-Mischgetränk. Voller Seele und Herz, mit tollen Effekten und charmanten Darsteller*innen – auch nach diversen Durchgängen verliert die Produktion nichts von ihrem Reiz. Der neue Scan, den die Arrow-BD aufweisen kann, macht das Ganze noch spassiger – so klar und scharf.
:liquid8:

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Soul
Streaming, Disney+ / Regie: Pete Docter
Salopp gesagt ist «Soul» das Pixar-Äquivalent zum altbekannten Spruch «Carpe Diem». Im eigentlichen Sinne nicht falsch, leider aber etwas oberflächlich und ausgelutscht. Schön gemacht, endlich mit afroamerikanischer Besetzung und viel Gefühl. Viel mehr als die bekannten Plattitüden holt die Geschichte zum Thema Tod und Lebenssinn aber nicht hervor und ist darum wenig nachhaltig.
:liquid7:

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Polytechnique
BD / Regie: Denis Villeneuve
Darf ein Film das? Ein misogynes Massaker an einer technischen Hochschule nachstellen, alte Wunden aufreissen? Ja, denn Villeneuve hat mit diesem geschmackvollen Film ein poetisches Gegenstück zum Hass und der Gewalt geschaffen: Leise, stark berührend und schön. Ein Werk, das eine universelle Position einnimmt und für die Liebe kämpft. Erschütternd aber notwendig.
:liquid10:

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Martha Marcy May Marlene
BD / Regie: Sean Durkin
Die fliessende Kamera, die gefilterten Farben und das geschickte Spiel mit den Zeitebenen und Lokalitäten löst beim Betrachten des Regiedebüts von Durkin schnell ein Gefühl von Unsicherheit und Orientierungslosigkeit aus – und schlägt so den Bogen zur Hauptfigur. Elizabeth Olsen spielt in ihrer ersten grossen Rolle als Sektenopfer ausdrucksstark, die Stimmung ist super getroffen – doch leider bleibt alles etwas zu klischiert und flach. Die Vorfreude auf «The Nest», Durkins aktuelle Arbeit, ist aber gross.
:liquid7:

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Trois couleurs: Blanc
BD / Regie: Krzysztof Kieślowski
Die Komödie ist ein Genre, das Botschaften von grosser Tragweite für mich selten gut zu transportieren vermag. Das zeigt der Mittelteil der «Trois couleurs»-Trilogie von Meister Kieślowski – obwohl niemals von einem schlechten Film gesprochen werden kann. Von den ersten Minuten an überzeugt das Spiel um Liebe, Gleichberechtigung und Macht, wird kurz von «Bleu» besucht und darf sich dann in Polen zu absurden Momenten entwickeln. Nur bleibt halt alles etwas zu locker und Julie Delpy darf viel zu selten mitspielen.
:liquid7:
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Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von Vince » 20.01.2021, 18:27

Von Tremors habe ich noch diese fetzige Box:

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Der neue Insel-Teil ist demnächst auch bei uns im Board zu finden.

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Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von deBohli » 21.01.2021, 08:25

Dieses Plastikteil hatte ich auch mal rumstehen. Hatte, weil der Klotz irgendwann nervig wurde. Unschön, gross, sinnlos. :lol:
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Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von SFI » 21.01.2021, 15:36

Zum Glück habe ich alle derartigen Out of Prince Full Uncut Limited Editions mittlerweile entsorgt. :lol:
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„Fate: Protects fools, little children and ships named Enterprise.“

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Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von gelini71 » 21.01.2021, 15:56

Ich fand die zwar ganz witzig habe aber nie eingesehen die zu kaufen weil ich nur Teil 1 ganz OK finde
Die meisten LtDs habe ich auch entsorgt (genauer: mit viel Verlust verkauft) :lol: :wink:
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Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von Vince » 21.01.2021, 16:00

Also diese spezielle Edition steht zumindest bei Amazon gerade mit dem günstigsten Preis bei 99,99€. Fraglich natürlich, ob die dann tatsächlich auch jemand bezahlt.

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Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von gelini71 » 21.01.2021, 16:08

Momox bezahlt Dir dafür 16,66 € im Ankauf :lol: :lol: :lol:
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Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von Vince » 21.01.2021, 16:13

Wow, wenn Momox schon 16 Euro bietet, scheint die ja wirklich bisschen was wert zu sein. Normalerweise geben die dir doch 20 Cent oder lehnen gleich ganz ab. :lol:

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Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von gelini71 » 21.01.2021, 16:22

für deren Verhältnisse ist das wirklich hochpreisig, das stimmt
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Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von deBohli » 25.01.2021, 10:22

Aktuell läuft die Online-Ausgabe der 56. Solothurner Filmtage, ich bin für ARTNOIR mit dabei. Hier die erste Ladung an Kurzkritiken:

Lieblingsmenschen
Streaming / Regie: Vlady Oszkiel
„Für das Herz ist das Leben einfach. Es schlägt, solange es kann.“ Oder ist es nicht so simpel, wie Karl Ove Knausgård im ersten Band seiner Autobiografie „Min Kamp“ schrieb? Schliesslich bürden wir unserem Organ nicht nur den Bluttransport auf, sondern die Liebe, deren gewichtigen Entscheidungen und alle sonstige Vernunft. Die fünf Berliner*innen in Lieblingsmenschen etwa wollen bei einem Ausflug aufs Land den Funken neu entfachen und in diversen Konstellationen endlich die Nähe finden.
Wenn sich „Generation Instagram“ an einer Auszeit versucht, dann offenbart dies nicht nur das grosse Unvermögen, sich in die reale Welt einzufinden, sondern die Abkehr von Ehrlichkeit und Vertrauen. Im Film von Vlady Oszkiel (teilfinanziert via Crowdfunding) wird dies nach dem Theaterstück von Laura de Weck aufgezeigt, ohne die Wahrnehmung und Stilform der Charaktere abzulegen. Traumähnliche Filterszenen schmuggeln sich in die Handlung, die Reflektion bleibt fern. Das bedeutet leider auch, dass sich der Film trotz Kammerprinzip selten freikämpfen kann – die Nähe zu „The Party“ (Sally Potter) und „Carnage“ (Roman Polański) ist vorhanden, lässt aber deren Gewitztheit vermissen.
:liquid5:

Bild
Ale
Streaming / Regie: O’Neil Bürgi
Alessandra kämpft nicht wie Saraya-Jade Bevis mit ihrer Familie, zumindest nicht oft – trotzdem hält das Leben genügend Hürden für die junge Frau bereit. Mit der Sportart Wrestling will sie sich körperlich und geistig stärken, um zukünftigen Schwierigkeiten mit mehr Sicherheit entgegentreten zu können. Auf ihrem Weg hat O’Neil Bürgi sie für den Dokumentarfilm Ale im Trainingsring in Rorbas und im privaten Umfeld begleitet.
Der Film ist keinesfalls ein Sportdrama geworden, sondern im Grundsatz eine Betrachtung der Mutter-Tochter-Beziehung. Alessandra muss nicht nur ihre Teilheimat Kamerun, das Schweizer Mittelland und die schulische Ausbildung balancieren, sondern ihrer Mutter gerecht werden. Das verlangt viel Selbstfindung und Reflektion, was mit rohen Aufnahmen und den geführten Interviews gut eingefangen wurde. Ohne reisserische Montage, ohne offensichtlich konstruierte Elemente: Ale ist ein Portrait einer Frau, die das eigene Leben in Angriff nimmt und nach Ruhe im Ich sucht.
:liquid5:

The Brain (Cinq Nouvelles du Cerveau)
Streraming / Regie: Jean-Stéphane Bron
„Where Is My Mind“ stimmen The Pixies während des Abspanns an und suchen Sinn und Verstand. Die Forscher*innen, welche der Dokumentarfilm The Brain vorstellt, wissen wo das Gehirn steckt – bloss halt nicht, wie es genau funktioniert. Seit Jahrzehnten wird untersucht, geprobt und nachgedacht, doch einen wirklichen Durchbruch gab es in dem spezifischen Gebiet bisher nicht. Trotzdem scheint die technologische Entwicklung alle zu überholen, die künstliche Intelligenz ist auf dem Vormarsch.
Angetrieben durch die Privatindustrie wird versucht, ein autark und autonom denkendes Netzwerk zu entwickeln, das den Menschen ersetzten könnte. Jean-Stéphane Bron hat keine Anti-KI-Panikmache verfilmt, sondern zeigt Frauen und Mannen, die wissenschaftlich ruhig neue Möglichkeiten suchen. Der Film funktioniert als nüchternes Gegenstück zu „iHuman“ (Tonje Hessen Schei) und zeigt Menschen, die sich dafür einsetzen, dass unsere Welt nicht in eine ungewisse Zukunft ohne Grundlagen davongaloppiert. Mit Interviews, Diskussionen und keinen falschen Schauwerten ist eine stimmige Reportage entstanden.
:liquid7:

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Atlas
Streaming / Regie: Niccolò Castelli
„Libera“ rufen sie, wenn eine Kletterroute freigegeben wird und die nächste Person das Seil nutzen kann. Doch die Freiheit verliert Allegra (Matilda De Angelis) bei einem Urlaub in Marokko, ihre Freunde sterben und sie muss ohne Gleichgewicht im Leben weitermachen. Atlas untersucht als Film die Zeit nach dem Terroranschlag, das Trauma, die Trauer, die Wut. Dies alles zu überwinden ist für die junge Frau nicht einfach, auch nicht, als sie einen Flüchtling kennenlernt.
Mit sanften Tönen beginnt Niccolò Castelli seinen neuen Film und überlässt es zuerst den Zuschauer*innen, die Geschichte zusammenzufügen. Das macht die Erzählung um Fremdenfeindlichkeit und Verlust fesselnd, De Angelis nutzt diesen Raum mit ihrem Spiel. Je mehr Minuten verstreichen, desto emotional intensiver wird die Produktion und die Schatten scheinen alles zu übernehmen. Mit der Beleuchtung und dem zurückhaltenden Sounddesign wird die Isolation der Hauptfigur unterstrichen, die Aufnahmen aus dem Tessin lassen die Schweiz fern und warm erscheinen.
Überhaupt: Atlas ist ein weiterer Film aus dem Süden unseres Landes, der durch Anbindung an die Realität und das echte Empfinden überzeugt. Eine Entwicklung, die zum Beispiel mit „Cronofobia“ (Francesco Rizzi) und „Love Me Tender“ (Klaudia Reynicke) beobachtet werden konnte und hoffentlich noch lange weitergeht.
:liquid7:

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Yalda, la nuit du pardon
Streaming / Regie: Massoud Bakhshi
Nachdem Maryam ihren Mann Nasser unter unklaren Umständen getötet hat, wird sie nach iranischem Recht zum Tode verurteilt. Ihre letzte Chance auf Leben erhält sie durch die Teilnahme an einer Realityshow im Fernsehen, bei der Mona, die Tochter von Nasser, sie begnadigen kann. Doch kann Maryam Mona von ihrer Trauer und ihrem Hass wegbringen? Und auf welche Seite werden sich die Zuschauer*innen bei der SMS-Abstimmung schlagen?
Yalda ist ein aufreibender und sehr intensiver Film. Massoud Bakhshi zeigt ein modernes Bild vom Iran und lässt in der Geschichte Fiktion, Wahrheit, Fortschritt und Tradition zu einem fast monströs wirkenden Amalgam verfliessen. Die kühlen und modernen Oberflächen im Fernsehstudio stemmen sich gegen den uralten Glauben und die barbarische Praxis der Hinrichtung. Mit schnellen Schnitten und durcheinandersprechenden Figuren wird die Nervosität und das Gefühl der Verlorenheit zu Beginn perfekt dargestellt, die leeren Zuschauerränge im Auditorium entlarven am Ende der Sendung die menschliche Beteiligung.
Jede*r hat eine Meinung zu Leben und Tod, zu Schuld und Verzeihung, sich jedoch zu positionieren und Verantwortung zu tragen, das will man nicht. Technik bedeutet Distanz und Abstraktion – Yalda spannt mit diesen Bildern geschickt den Bogen ins universale und alltägliche. Kein einfach verdaubarer, aber ein wichtiger Spielfilm.
:liquid8:

Nachbarn
Streaming / Regie: Mano Khalil
„Was sie sagen ist egal, was sie machen ist wichtig.“ Sero hätte die Essenz des Daseins eigentlich begriffen, doch leider will die Welt nicht logisch funktionieren. So erlebt er im Nordosten Syriens als kurdischer Junge in den frühen Achtzigerjahren, wie der extreme Nationalismus nicht nur die Umgebung und sein Dorf verändert, sondern die Bewohner und direkten Nachbarn. Früher war alles eins, heute ist es ein unlösbares Puzzle aus Hass, Missgunst und Feindlichkeit.
Mano Khalil hat mit dem Spielfilm Nachbarn eine kleine Geschichte verfilmt, die eine abgelegene Region Syriens mit warmen Farben und aus den Augen eines Kindes aufzeigt. Gemalte Bilder dienen als Reflektion, die arabische Sprache ist zuerst unverständlich, eine gefundene Landmine aufregend. Dabei wird das Wort Nachbarn auf diversen Ebenen untersucht, bei Ländern, Kulturen, dem Glauben und Hausbewohnern. Sanft und ohne Hast wird der Alltag beschrieben, ein Ensemble an Figuren bespielt die kleine Fläche, in der sich der Film bewegt.
:liquid7:

The Scent Of Fear
Streaming / Regie: Mirjam von Arx
Furcht und Angst, täglich verspüren wir diese Gefühle und müssen uns damit konfrontieren. Das ist nicht schlecht, sondern ermöglicht es uns Menschen höhere Leistungen zu erbringen, Gefahren zu umgehen und uns selber besser kennenzulernen. The Scent Of Fear untersucht anhand diverser Beispiele diese Prozesse und lässt dazu in Interviews Expert*innen der Wissenschaft, Psychologie und Politik zu Wort kommen.
Mirjam von Arx hat einen vielseitigen Querschnitt zum Thema Angst als Dokumentarfilm zusammengestellt, der leider oberflächlich bleibt. Nicht alle angeschnittenen Punkte werden mit gleicher Intensität behandelt, so bleibt beispielsweise die Therapie gegen Spinnen-Angst nur ein kleiner Input. Die Beweggründe der „Prepper“ spielen keine Rolle, Forschung und geschichtliche Hintergründe sind marginal vorhanden.
Das ist schade, wäre die Thematik interessant und würde zur Reflektion einladen. So aber ist es vor allem eine Clip-Show, die mit dem plötzlichen Auftauchen von Covid-19-Bildern in der Mitte des Filmes irritiert. Ich hätte mir mehr Fokus und Tiefe gewünscht.
:liquid5:

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Suot tschêl blau
Streaming / Regie: Ivo Zen
Der Schmerz benötigt seinen Platz damit er frei sein kann. Die dokumentarische Arbeit Suot tschêl blau versucht dies zu ermöglichen, indem Ivo Zen eine tabuisierte Zeit im Oberengadin neu aufrollt. In den Achtziger- und Neunzigerjahren wurde in der Region von Samedan die Drogenszene immer grösser, viele Jugendliche verfielen dem Heroin. Familien verloren ihre Kinder, Menschen ihre Freunde und Partner. Leider aber wurden diese Probleme nie aufgearbeitet, sondern totgeschwiegen.
Blauer Himmel, viel Schnee, hohe Berge – Zen verknüpft die überwältigende Natur mit den hochemotionalen Schicksalen und sucht weniger eine Erklärung für die damaligen Probleme, sondern bietet Raum. Für Leute, die ihre Sucht überwunden und Verluste erfahren mussten, für Eltern, die ihre Trauer nie kollektiv ausleben konnten. Endlich dürfen Gedanken und Erinnerungen an die Oberfläche. Das ist traurig, aber nötig, das wird mit passender Distanz und ohne Hast erzählt. In den Achtzigern suchte die Jugend nicht nur in Zürich Sinn und Platz, sondern auch in Graubünden – schön, wird dies endlich thematisiert.
:liquid8:

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Tutti giù
Streaming / Regie: Niccolò Castelli
Wenn ein Film mit Reverend Beat-Man im Soundtrack beginnt und später noch The Pussywarmers erklingen lässt, dann ist das Herz der Produktion eindeutig am richtigen Fleck. Bei Tutti giù, der ersten langen Regiearbeit von Niccolò Castelli, kann dies auf jeden Fall gesagt werden. 2012 veröffentlicht, begleitet man drei Jugendliche, die ihr Leben und ihre jeweilige Leidenschaft in Lugano ausleben. Chiara (Lara Gut) ist erfolgreiche Skifahrerin, Jullo (Yanick Cohades) liebt das Skaten und Edo (Nicola Perot) verziert die grauen Wände mit seinen Sprühereien. Doch alle müssen ihre Wünsche und Träume dem harten Test der Realität unterziehen.
Natürlich ist es nicht ganz fair, wenn man den Film mit der neusten Arbeit Castellis vergleicht, beweist der Regisseur bei Atlas nämlich einen ausgefeilten Stil und mehr Sicherheit. Doch Debütwerke sind dazu da, die eigene Stimme zu finden. Erstaunlich ist, dass viele Stellen des Filmes wie eine Hommage an die Neunzigerjahre anmuten. Partys im Skate-Shop, verträumte Gespräche auf Parkdecks, Konzerte in Kellern.
Daneben bleiben die Verknüpfungen der drei Schicksale etwas locker und die emotionale Bindung an die Figuren will nicht immer gleich gelingen – zu viel Drama ohne Anker könnte man sagen. Trotzdem ist Tutti giù ein unterhaltsamer Film, der mit schönen Bildern und überzeugendem Schauspiel aufwarten kann.
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Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von Nachtwaechter » 25.01.2021, 10:49

Ich lese immer deine Tagebucheinträge und denke mir: "Ach, im Sinne des Bestrebens nach (filmischer( Weiterbildung setz ich mir macnhes mal auf die Liste, weil... kann ja nicht schaden! ;-))" Dann kommt da draußen die Realität, Verpflichtungen und Stress und ich denke mir: "Ne, das brauch ich jetzt nicht auch noch!" Und schon landet der nächste Handkantenfilm im Player... :00000694
"Nur der verrückte glaubt er sei nicht verrückt!" Zenmeister Taisen Deshimaru

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