Penelope

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Penelope

Beitrag von Vince » 30.07.2010, 10:21

Penelope

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Originaltitel: Penelope
Herstellungsland: USA
Erscheinungsjahr: 2006
Regie: Mark Palansky
Darsteller: Christina Ricci, James McAvoy, Catherine O'Hara, Richard E. Grant, Peter Dinklage, Reese Witherspoon, Michael Feast, Ronni Ancona, Simon Woods, Paul Herbert, Nick Frost

Krach! Klirr! Splitter! Eine Schnittmontage zeigt, wie wieder und wieder ein Fenster im Anwesen der Wilhelms explodiert. Die Scherben fliegen nach draußen, hindurch stürmt ein Junggeselle nach dem anderen, flüchtend vor dem Ungetüm, das sie "Penelope" nennen.

Ja, hier wird wie einst in "Dumbo" mit dem guten alten Stilmittel der Übertreibung gearbeitet. Überreaktionen der Umwelt auf einen – für unsere Augen – eher niedlichen als erschreckenden Anblick bestimmen das Bild. Wenn Penelope ins Rampenlicht tritt, reagiert der Zuschauer völlig anders als das Umfeld im Film. Er sieht eine Schönheit mit Makel, während die Werbenden eine Schönheit erwarten und ein Schweinemonster mit Fangzähnen zu Gesicht bekommen. Eine alternative, rational nicht nachvollziehbare Wahrnehmung wird geschaffen, die dem märchenähnlichen Aufbau der Handlung entgegen kommt. Der Ursprung des Fluchs der Penelope, deren Vorfahren es sich mit einer Hexe verscherzten, liegt wie in einer weit entfernten, sagenumwobenen Welt. Doch die Gegenwart, in der "Penelope" angesiedelt ist, mit all der modernen Medienberichterstattung, fühlt sich nicht weniger weit entfernt an.

So lässt das Drehbuch Gruppen um Gruppen von Menschen mit dem Anblick Penelopes kollidieren, immer wieder mit dem gleichen Resultat der radikalen Ablehnung. Das Leben des Mädchens, das von seiner Aristokratenfamilie zum vermeintlichen Selbstschutz in einen goldenen Käfig gesteckt wird, gleicht einem ewig währenden Trial & Error. Auf diese Weise fährt der Film eine beinahe erschlagende Masse an interessanten Figuren auf, welche bei Catherine O'Hara, die einst als "Kevin"-Mutter das andere Extrem spielte und die somit den Protektionismus ihrer Figur ein Stück weit verständlich macht, beginnt und letztlich bei James McAvoy, dem – nach Märchen-Maßstäben – Ritter in strahlender Rüstung aufhört.

Den Stereotypen, wie man sie aus tausend und einem Märchen kennt, laufen sämtliche Figuren aber weit genug davon, dass sie zumindest als verschrobene Variante durchgehen. Hier muss man in der Nebendarstellergarde neben O'Hara in erster Linie zwei Schauspieler nennen: Peter Dinklage ("Station Agent"), der für komödiantische Highlights der Extraklasse sorgt (Stichwort: Dialog mit Nick Frost im Gefängnis) und vor allem Reese Witherspoon als spontane Herzlichkeit in Person, die vor dem subjektiven Monsterblickwinkel der Bevölkerung gefeit zu sein scheint. Man kann zwar nicht umhin, die von ihr zur Schau gestellte Authentizität in Frage zu stellen, dennoch wirkt ihr allürenfreier Auftritt durch und durch erfrischend.

Im Zentrum steht aber sicher Christina Ricci, deren "Penelope" zwar keine Neuheit in der Filmgeschichte mehr darstellt, die aber zweifellos ihren ganz eigenen Charme versprüht. Sei es durch das verschlossene Outfit mit langem Mantel und gelb-lilafarbenem Wabenmusterschal, das den Fokus auf die ohnehin schon ausdrucksstarken Augen Riccis legt; sei es durch die geisterhafte, defensive, lautlose und unsichtbare Gestik, mit der sich Ricci durch das Wilhelm-Anwesen und später durch die Menschenmenge bewegt.

James McAvoys Erlöserfigur ist insofern auch interessant angelegt, als dass ihr zahllose Schwächen zugestanden werden. McAvoy füllt seine Rolle mit massig Charakter und dennoch steht er stellvertretend für die eine große Schwäche des Films im Schlussakt. Entgegen aller Vernunft nämlich muss der ambivalente Märchentwist, wie es scheint, unbedingt zu einem runden Ende gebracht werden. Etwas mehr Mut zur Lücke hätte hier sicher nicht geschadet, zumal der tolerante Grundansatz zugunsten von Märchenkonventionen ausgehebelt wird.

Weder dies noch die grundsätzliche Tatsache, dass bloß die alte Außenseitergeschichte noch mal neu erzählt wird, inklusive aller darin enthaltenen moralischen Essenzen, kann den warmen Eindruck verwässern, den "Penelope" macht. In einem harmonischen Bilderbogen bringt uns Mark Palansky eine weitere Identifikationsfigur nahe, mit der sich eigene Makel besser akzeptieren lassen. Immerhin ist Penelopes Nase annähernd so liebenswert wie die Ohren des Zirkuselefanten Dumbo.
:liquid7:

Blu_ray und DVD sind ab 6 Jahren freigegeben. Bei der DVD gibt es auch noch eine "Alles Liebe"-Edition, inwiefern die sich von der normalen Variante unterscheidet, ist mir nicht bekannt.

LadyC

Beitrag von LadyC » 30.07.2010, 10:29

klingt supi, wie was für mich. gleich ma auf die leihliste gesetzt. thx!

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Beitrag von Vince » 30.07.2010, 10:32

Jup, bin eigentlich relativ sicher, dass der dir gefallen wird.

LadyC

Beitrag von LadyC » 30.07.2010, 10:34

bin ich auch. vor allem weil ich die christina sehr gern mag und reese ebenfalls.

hab nur noch nie was davon gehört...

is schön dass ihr auch ma rosa reviews macht, denn da kommen immer filme für mich ans licht :lol:

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Beitrag von freeman » 02.08.2010, 09:46

Bei mir hatte der seinerzeit null gezündet ... Filmtagebucheintrag:

Penelope
Tim Burton? Barry Sonnenfeld? Diese Namen kommen einem, wenn Penelope beginnt. 10 Minuten später weiß man: Es ist nur ein Stümper am Werk, der seinen Vorbildern nachahmen will. Denn Penelope wäre gern märchenhaft, skurril, romantisch und ist letztendlich nichts davon. Allenfalls ist er bemüht, all das soeben Genannte zu sein. So wirkt er ein wenig anstrengend und vor allem wenig rund. Christina Ricci spielt gut, McAvoy sowieso, doch Penelope macht nichts daraus, lässt die Charaktere der Beiden (zwischen denen die Chemie auf den Punkt passt) nur nebeneinander her agieren, aber nicht miteinander. Der peinliche Auftritt von Reese Witterspoon tut gleich mal doppelt weh (zumal sie nur ihr Vorbild Meg Ryan imitiert - wie immer). Schade, der Trailer versprach einen deutlich schrägeren Spaß ...
:liquid4:

In diesem Sinne:
freeman
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LadyC

Beitrag von LadyC » 02.08.2010, 17:49

morgen krieg ichs, dann kann ich urteilen 8-)

LadyC

Beitrag von LadyC » 03.08.2010, 21:53

soooo schön! danke vince. perfekter filmabend für die kleene claudi gewesen.

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Beitrag von Vince » 03.08.2010, 23:13

Na also. Freut mich doch. ;)

@freeman: Wenig rund fand ich ihn auch, stören tat mich das aber erst zum Ende hin und Anbiederung an Vorbilder hab ich nun auch nicht gesehen, obwohl natürlich gewisse Anlehnungen an den Burton-Stil da waren... imo aber nicht offensichtlich genug, um ihm wirklich auf die Füße zu treten.

LadyC

Beitrag von LadyC » 04.08.2010, 11:22

also ich als voller burton fan, sehe da null burton drin...wüßt nich wo. dafür isses net düster genug.

und reese kopiert meg ryan? lol...wat? niemals im leben würd ich je bei reese ihrem gespiele an meg ryan denken...*grübel*

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Beitrag von freeman » 06.08.2010, 08:56

Also in Bezug auf meinen Vorbilderspruch:

Burtonstyle: Betrifft vor allem die Story. Figur mit Missbildung, abgeschottet von der Aussenwelt, entdeckt irgendwann die weite Welt für sich und die Liebe --> Edward mit den Scherenhänden in weiblich! Auch die Figur des Pinguins in Batman II kann man hier wiedererkennen und ganz ehrlich: Wenn euch jemand fragt, wer DER Regisseur für Filme mit skurrilen Außenseiterfiguren ist, wird mir hier hoffentlich keiner sagen wollen, ihm käme NICHT Burton in den Sinn ... und zwar stande pede ...

Sonnenfeld: hat ebenfalls ein großes Herz für skurrile Figuren und Geschichten, er liefert imo bei Penelope aber eher den optischen Unterbau. Muss man ja nur seine Serie Pushing Daisies heranziehen und schon sollten sich dank der bonbonbunten Bilderwelten Parallelen auftun ;-) ... Addams Family würde rein vom Storyton her aber besser passen ...

Also sonderlich abwegig find ich beide Vergleiche nicht wirklich. BEIDE kamen mir beim schon beim Betrachten des Trailers in den Sinn, vor allem Burton wurde in zeitgenössischen Kritiken gerne bemüht ... und in beiderlei Hinsicht scheitert der Film imo ...

In diesem Sinne:
freeman
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LadyC

Beitrag von LadyC » 06.08.2010, 10:20

du meinst vom thema her...achso..ich mein optisch sieht er net nach burton aus...aber pushing daisies passt optisch, das stimmt.

na und edward mit den scherenhänden is nune ma burton total, du brauchst ja bei burton so grau, trist und düster mit gegensatz zu bonbonbunt...mir kam er bei penelope echt net in den sinn und was soll ich sagen, ich find die net wirklich häßlich mit ihrem schweinenäschen...ich find die eigentlich voll niedlich, selbst mit dem ding im gesicht. da is der scheren-eddi schon nen ganz anderes kaliber.

aber ich versteh was du meinst thematisch...mir wär burton trotzdem net in den sinn gekommen beim gucken.

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Beitrag von Vince » 07.08.2010, 13:19

LadyC hat geschrieben: ich find die net wirklich häßlich mit ihrem schweinenäschen...ich find die eigentlich voll niedlich, selbst mit dem ding im gesicht. da is der schweren-eddi schon nen ganz anderes kaliber.
Das ist ein wichtiger, wenn nicht der wichtigste Punkt, weshalb ich mich zwar an Burton, na sagen wir "gemahnt" fühlte, aber immer noch weit mehr als genug Distanz zu Burtons Figuren gesehen habe. Burton beschreibt richtige Freaks mit Elementen, die auch der Zuschauer als absurd bezeichnen würde. Penelope dagegen wirkt überhaupt nicht absurd. Allerhöchstens würde man ihr eine Behinderung andichten, sie war mir aber insgesamt zu menschlich für Burton-Maßstäbe, vom ganzen Auftreten her. Deswegen: dezente Verwandtschaft? Ja, klar. Ein Grund, den Film als Möchtegern-Burton abzutun? Imo nein.

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