
Originaltitel: Penelope
Herstellungsland: USA
Erscheinungsjahr: 2006
Regie: Mark Palansky
Darsteller: Christina Ricci, James McAvoy, Catherine O'Hara, Richard E. Grant, Peter Dinklage, Reese Witherspoon, Michael Feast, Ronni Ancona, Simon Woods, Paul Herbert, Nick Frost
Krach! Klirr! Splitter! Eine Schnittmontage zeigt, wie wieder und wieder ein Fenster im Anwesen der Wilhelms explodiert. Die Scherben fliegen nach draußen, hindurch stürmt ein Junggeselle nach dem anderen, flüchtend vor dem Ungetüm, das sie "Penelope" nennen.
Ja, hier wird wie einst in "Dumbo" mit dem guten alten Stilmittel der Übertreibung gearbeitet. Überreaktionen der Umwelt auf einen – für unsere Augen – eher niedlichen als erschreckenden Anblick bestimmen das Bild. Wenn Penelope ins Rampenlicht tritt, reagiert der Zuschauer völlig anders als das Umfeld im Film. Er sieht eine Schönheit mit Makel, während die Werbenden eine Schönheit erwarten und ein Schweinemonster mit Fangzähnen zu Gesicht bekommen. Eine alternative, rational nicht nachvollziehbare Wahrnehmung wird geschaffen, die dem märchenähnlichen Aufbau der Handlung entgegen kommt. Der Ursprung des Fluchs der Penelope, deren Vorfahren es sich mit einer Hexe verscherzten, liegt wie in einer weit entfernten, sagenumwobenen Welt. Doch die Gegenwart, in der "Penelope" angesiedelt ist, mit all der modernen Medienberichterstattung, fühlt sich nicht weniger weit entfernt an.
So lässt das Drehbuch Gruppen um Gruppen von Menschen mit dem Anblick Penelopes kollidieren, immer wieder mit dem gleichen Resultat der radikalen Ablehnung. Das Leben des Mädchens, das von seiner Aristokratenfamilie zum vermeintlichen Selbstschutz in einen goldenen Käfig gesteckt wird, gleicht einem ewig währenden Trial & Error. Auf diese Weise fährt der Film eine beinahe erschlagende Masse an interessanten Figuren auf, welche bei Catherine O'Hara, die einst als "Kevin"-Mutter das andere Extrem spielte und die somit den Protektionismus ihrer Figur ein Stück weit verständlich macht, beginnt und letztlich bei James McAvoy, dem – nach Märchen-Maßstäben – Ritter in strahlender Rüstung aufhört.
Den Stereotypen, wie man sie aus tausend und einem Märchen kennt, laufen sämtliche Figuren aber weit genug davon, dass sie zumindest als verschrobene Variante durchgehen. Hier muss man in der Nebendarstellergarde neben O'Hara in erster Linie zwei Schauspieler nennen: Peter Dinklage ("Station Agent"), der für komödiantische Highlights der Extraklasse sorgt (Stichwort: Dialog mit Nick Frost im Gefängnis) und vor allem Reese Witherspoon als spontane Herzlichkeit in Person, die vor dem subjektiven Monsterblickwinkel der Bevölkerung gefeit zu sein scheint. Man kann zwar nicht umhin, die von ihr zur Schau gestellte Authentizität in Frage zu stellen, dennoch wirkt ihr allürenfreier Auftritt durch und durch erfrischend.
Im Zentrum steht aber sicher Christina Ricci, deren "Penelope" zwar keine Neuheit in der Filmgeschichte mehr darstellt, die aber zweifellos ihren ganz eigenen Charme versprüht. Sei es durch das verschlossene Outfit mit langem Mantel und gelb-lilafarbenem Wabenmusterschal, das den Fokus auf die ohnehin schon ausdrucksstarken Augen Riccis legt; sei es durch die geisterhafte, defensive, lautlose und unsichtbare Gestik, mit der sich Ricci durch das Wilhelm-Anwesen und später durch die Menschenmenge bewegt.
James McAvoys Erlöserfigur ist insofern auch interessant angelegt, als dass ihr zahllose Schwächen zugestanden werden. McAvoy füllt seine Rolle mit massig Charakter und dennoch steht er stellvertretend für die eine große Schwäche des Films im Schlussakt. Entgegen aller Vernunft nämlich muss der ambivalente Märchentwist, wie es scheint, unbedingt zu einem runden Ende gebracht werden. Etwas mehr Mut zur Lücke hätte hier sicher nicht geschadet, zumal der tolerante Grundansatz zugunsten von Märchenkonventionen ausgehebelt wird.
Weder dies noch die grundsätzliche Tatsache, dass bloß die alte Außenseitergeschichte noch mal neu erzählt wird, inklusive aller darin enthaltenen moralischen Essenzen, kann den warmen Eindruck verwässern, den "Penelope" macht. In einem harmonischen Bilderbogen bringt uns Mark Palansky eine weitere Identifikationsfigur nahe, mit der sich eigene Makel besser akzeptieren lassen. Immerhin ist Penelopes Nase annähernd so liebenswert wie die Ohren des Zirkuselefanten Dumbo.

Blu_ray und DVD sind ab 6 Jahren freigegeben. Bei der DVD gibt es auch noch eine "Alles Liebe"-Edition, inwiefern die sich von der normalen Variante unterscheidet, ist mir nicht bekannt.