
Originaltitel: Valhalla Rising
Herstellungsland: Dänemark / UK
Erscheinungsjahr: 2009
Regie: Nicolas Winding Refn
Darsteller: Mads Mikkelsen, Maarten Stevenson, Gordon Brown, Andrew Flanagan, Gary Lewis, Gary McCormack, Alexander Morton, Jamie Sives, Ewan Stewart, Mathew Zajac
Welch geschwätziges Kino uns in den 2000ern begleitet. Wie abhängig es vom Dialog zu sein scheint. Wie radikal das Reden dem Schweigen mit der Zeit sein Gold abspenstig gemacht hat – Nicolas Winding Refns majestätischer Kunstfilm "Valhalla Rising" drängt diese Erkenntnis mit Wucht in das kollektive Bewusstsein zurück und rehabilitiert Fotografie und Soundtrack als längst vergessene Geschichtenerzähler.
Mit Schottlands Gebirgs- Wald- und Flusslandschaften bekleidete Bilder dominieren nämlich das in sechs klassische Akte gegliederte Road Movie. Äußerlich geordnet und strukturiert scheinend, sind es surreal wirkende psychologische Manifestationen, die ein Bild der Unordnung entstehen lassen. Sie lassen sich zwischen den elementaren Stillleben in der visuellen Komponente und dem markerschütternden Score aus Ambient- und Drone-Collagen in der alles überragenden akustischen Komponente nieder.
Dabei ist der Weg zum Ziel ein gerader – stromlinienförmig wird die Reise des einäugigen Normannenkriegers, seines kindlichen Weggefährten und der christlichen Kreuzritter beschrieben. Letztere werden angetrieben von der Suche nach Erlösung und innerer Erkenntnis, die sie sich von Walhall erhoffen. Dabei macht der Film, angetrieben durch den einerseits protagonistisch aufgebauten, andererseits jedoch durchweg rätselhaft bleibenden Einauge, keinen Hehl daraus, dass der Tod sich als stummer Begleiter zu den Reisenden gesellt hat. Die schmutzig-graublauen Töne eines Vorgewitterstadiums bereiten der Stimmung einen angemessenen Boden. Einauges Visionen, verstörend mit knallroten Farben, plötzlichen Schnitten und lynchesken Überblendungen in den Fluss der Handlung getrieben, befeuern die Vorstellung von einer Hölle, die anstatt eines Walhalls am Ende auf die Krieger wartet.
Refn handelt die einzelnen Kapitel der Reise aber nicht einfach ab. Er begreift sie nicht als Durchgangsstationen, sondern verharrt in ihnen und macht sie zu Gemälden. Ein Film wie eine Vernissage entsteht, sich bildend aus sechs gerahmten Bildern, die einem größeren Konzept dienen.
Von dem Bestreben, die eigene Wohnung daraufhin mit Standbildern aus dem Film zu pflastern, lenkt zu diesem Zeitpunkt allenfalls noch der eingangs erwähnte Score ab. Auch wenn der Besetzungscoup mit den schottischen Postrock-Legenden Mogwai nicht gelang, die Soundartisten konstruieren hier düster pulsierende Welten, die das gesprochene Wort, das nur sporadisch in einzelnen Sätzen auftaucht, endgültig obsolet macht. Wenn radikale Handlungen wie die Kämpfe zu Anfang mit ihren provokanten Gewaltspitzen auftauchen, so sind sie nicht das Triebwerk, sondern allenfalls eine fiebrige Intensivierung der Geschichte, ein adrenalingetriebener Höhepunkt. Nötig hat "Valhalla Rising" aber nichts, was die Figuren auf der Leinwand tun – die hypnotisch wirkende Verschmelzung des großartigen Soundtracks mit dem Bild reicht aus, um ganze Bücher zu füllen. Wohl gesprochen ist das Einzelbild gemeint, nicht etwa die Bildabfolge, die eine Handlung wiedergibt. Der elegische Inszenierungsstil Refns macht "Valhalla Rising" zur Bilderstrecke, der die Passagen zwischen den einzelnen Bildern relativ wenig bedeuten.
Die so deutlich hervorstechenden Qualitäten von "Valhalla Rising" als technisches Erzählkino beschwören schnell den Vorwurf der Selbstverliebtheit eines prätentiös vorgehenden Regisseurs. Dazu mag auch passen, dass Refn weniger an der Geschichte der Wikinger gelegen ist als vielmehr daran, ein archaisches Selbstverständnis des Menschen transparent zu machen, für das sich die Wikingerzeit eben zufällig anbot. Wer jedoch mit einer derartigen Selbstverständlichkeit an die ursprünglichen Qualitäten des Kinos anzuknüpfen vermag, wer allein kraft des Szenenbilds und des Soundtracks so viel Tiefe erzeugt, der mag ein Meisterwerk erschaffen haben.
