Mortdecai - Der Teilzeitgauner

Die Abstellkammer für Reviews, die woanders nix zu suchen haben.
Antworten
Benutzeravatar
Wallnuss
Action Prolet
Action Prolet
Beiträge: 1779
Registriert: 01.09.2010, 08:04

Mortdecai - Der Teilzeitgauner

Beitrag von Wallnuss » 01.02.2015, 21:50

Mortdecai - Der Teilzeitgauner

Bild

Originaltitel: Mortdecai
Herstellungsland: USA
Erscheinungsjahr: 2015
Regie: David Koepp
Drehbuch: Eric Aronson
Musik: Mark Ronson, Geoff Zanelli
Kamera: Florian Hoffmeister
Schnitt: Derek Ambrosi, Jill Savitt
Darsteller: Johnny Depp, Gwyneth Paltrow, Jeff Goldblum, Jonny Pasvolsky, Paul Bettany, Ewan McGregor, Olivia Munn, Ulrich Thomsen...

Bild

Ein überaffektierter Aristokrat mit buschigem Gesichtsaccessoire jettet um die Welt, um ein verschwundenes Gemälde zu retten? Das schreit doch nahezu nach einer Komödie mit Gesichtsakrobatiker Johnny Depp, nicht wahr? So kam es auch, als Regisseur David Koepp für seine Verfilmung der Roman-Trilogie von Kyril Emanuel George Bonfiglioli nach der Idealbesetzung für den schrulligen Protagonisten Ausschau hielt. Dass Depp Grimassen schneiden kann, wie kein anderer in Hollywood, dürfte bekannt sein. Dementsprechend ist "Mortdecai" auch voll und ganz auf seinen Hauptdarsteller zugeschnitten. Stören sollte das allerdings niemanden, denn der ist mit reichlich Spaß bei der Sache und macht wie immer eine gute Show. Das ist auch bitter nötig, denn unterm Strich ist "Mortdecai" ein kurzweiliges Vergnügen, aber leider auch ziemlich ideenlos.

Inhalt: Charlie Mortdecai (Johnny Depp) ist ein versnobter Kunsthändler mit Schulden, der hin und wieder auch mal mit seiner eigenen Ware illegale Geschäfte macht oder sich selbst beklaut. Nebenbei steht er außerdem unter den Pantoffeln seiner wunderschönen Frau Johanna (Gwyneth Paltrow), die ihn allerdings aufgrund seines neuen Schnurbartes nicht mehr küssen mag. Um aus seiner finanziellen Misere rauszukommen, bekommt Mortdecai bald Gelegenheit, als MI5-Agent Alistair Martland (Ewan McGregor) vor seiner Tür steht und ihn damit beauftragt, ein verschwundenes Gemälde von Francisco de Goya zu finden, mit welchem ein Haufen skrupelloser Terroristen plant, eine Revolution zu finanzieren. Charlie ist gewillt, diesen Auftrag anzunehmen und sich auf eine Reise um die Welt zu begeben - nicht jedoch, ohne seinen treuen Diener Jock (Paul Bettany) an seiner Seite, der ihm im Ernstfall aus jeder brenzligen Situation heraus hilft...

Bild

Johnny Depp ist - wie erwähnt - mal wieder bester Laune und albert sich gekonnt und grinsend durch das Abenteuer. Dabei hat er eigentlich mit einem ziemlichen Problem zu kämpfen, denn im Gegensatz zu den charmanten Nebenfiguren ist sein Lord Mortdecai selbst eine recht unsympathische Figur, die wenig Identifikationspotenzial mit sich bringt. Depp gelingt es aber, mit seinem natürlichen Charme das Publikum an sich zu binden und beweist ohnehin ein gutes Timing in den Gags. An seiner Seite begeistert vor allem Ewan McGregor, der als James-Bond-Verschnitt locker aufspielt und in seinen besten Momenten der wunderschönen Gwyneth Paltrow hinterher schmachtet, die hier unter Beweis stellt, dass man auch mit 42 immer noch zu den attraktivsten Frauen des Filmgeschäfts gehören kann. In einigen Dialogen spielt sie Depp förmlich an die Wand, hat aber unabhängig davon meist die schlechteren Witze abbekommen. Als heimlicher Sympathieträger überzeugt außerdem Paul Bettany als Mortdecais Diener Lock, der auf der einen Seite die meisten Actionszenen spielen darf und damit bereits relativ aktiv auf der Leinwand zu sehen ist, dessen Charakter allerdings auch noch für einen amüsanten Running-Gag sorgt, schließlich nagelt der gute Lock in diesem Film häufiger als die Römer im neuen Testament.

Dies mag erst einmal billig klingen und ist es vielleicht auch. Aber deshalb noch lange nicht unwitzig. Fest steht nämlich, "Mortdecai" bedient sich haufenweise am heute typischen Fäkalhumor. Doch Koepps Film ist insgesamt dennoch, auch durch seine britischen Attribute, sehr charmant und verkauft selbst die flachsten Gags mit einer entlarvenden Würde, sodass man sich ungeniert traut, darüber zu lachen. Natürlich funktioniert das aber nicht immer und so gehen etwa 30 Prozent dieser Witze daneben, dafür gibt es aber über die gesamte Laufzeit verteilt auch ungemein clevere Späße. Einige Stellen sind gelungene satirische Bemerkungen, in der zweiten Hälfte erlaubt sich Depps Mortdecai sogar Seitenhiebe auf das moderne US-amerikanische Selbstverständnis, was den britischen Charakter des Filmes enorm steigert. Schön ist auch, dass Koepp eben nicht einfach nur abfilmt, sondern mit bunter Effektspielerei, meist bei der Reise Mortdecais von einer Stadt zur anderen, sich auch hin und wieder mal bemerkbar macht. Was man "Mortdecai" allerdings vorwerfen muss, ist, dass er bei aller Leichtigkeit auch immer etwas gezwungen daherkommt. Besonders in den oberflächlich gesehen dramatischeren Phasen beschreit man die heitere Stimmung des Filmes etwas zu sehr, was den Zuschauer eher stört, als das es das Lachen fördern würde.

Bild

Das wirklich gravierende Problem des Filmes liegt aber woanders. Während besonders die erste Hälfte noch ein hohes Tempo bereithält und mit vielen sehr guten Gags aufwarten kann, gerät man im Mittelteil in Not, ein wenig von der Geschichte erzählen zu müssen, um die es oberflächlich gesehen geht. Und eine solche ist hier wirklich nie vorhanden. Da ist ein verschollenes Goya-Gemälde, da sind böse Russen (Gähn!), die dieses stehlen wollen, da sind drei oder vier weitere interessierte Parteien, da tauchen mit Olivia Munn und dem Cameo von Jeff Goldblum wichtige Charaktere viel zu spät auf. Daher muss man leider immer, wenn es Richtung Handlung geht, leidenschaftslos den Kopf schütteln. Eine Komödie wie "Mortdecai" braucht nicht mehr als einen kleinen Anreiz und ein paar schrullige Figuren könnte man meinen, aber nicht einmal das bekommt das Drehbuch vernünftig geordnet. Schlimmer noch, der episodenhaften Aneinanderreihung von Geschehnissen, die meist in - immerhin souverän inszenierten - Actionszenen ihren Höhepunkt finden, fehlt es völlig an einem roten Faden. Wer wo mit wem gerade weshalb was eigentlich erlangen will, wird nie so recht deutlich. Hier hätte man wesentlich kompakter und damit effektiver erzählen müssen, stattdessen verliert man den Zuschauer so zwischendurch immer mal wieder für ein paar Minütchen. Ein Glück, dass nach einer längeren Durststrecke am Ende der Humor wieder goldrichtig sitzt und so der Abschluss versöhnlich geraten ist.

Fazit: Muss man sich fragen, ob man zu hohe Ansprüche gehabt hat, wenn man bei einer Gaunerkomödie wie "Mortdecai" zumindest ein wenig Handlung im Vorfeld voraussetzte? Nein, muss man nicht, denn unterfordert werden will man auch in lustigen Filmen nicht. Unterforderung langweilt. Und zumindest das tut "Mortdecai" nicht. Dies liegt zwar weniger an der Verbindung unzusammenhängender Gags, welches im Abspann fälschlicherweise als Drehbuch bezeichnet wurde, sondern mehr an der spaßigen Atmosphäre des betont britischen Abenteuers, welche einem auch die niveauloseren Witze schmackhaft macht und an den perfekt aufgelegten Darstellern, bei denen zwar ein gewohnt großartiger Johnny Depp heraussticht, sich aber das restliche Ensemble sicher nicht vor ihm zu verstecken braucht. "Mortdecai" ist kurzweilig und amüsant und erfüllt damit genau die Erwartungen seines Publikums. Die wirre Story dürfte daher kaum jemanden stören. In diesem Zusammenhang passen auch die Worte des antiken lateinischen Schriftstellers Aulus Gellius: "Ich sehe einen Bart und einen Mantel, aber noch keinen Philosophen." Dafür sitzen Bart und Mantel immerhin.

:liquid6:

Benutzeravatar
Vince
Actioncrew
Actioncrew
Beiträge: 20493
Registriert: 30.09.2005, 18:00
Wohnort: Aachen

Beitrag von Vince » 25.06.2015, 08:37

Klischeehafte Hochglanz-Krimikomödie, die auf allen erdenklichen Klischees zum britischen Adel fußt und dabei so sehr auf Johnny Depps Kauzigkeit vertraut, dass der Plot dahinter völlig zu verschwinden droht. Mortdecai und sein „Mustasch“, dieses Duett ist sich selbst und damit auch dem Film genügsam. Hinter plastikartigen 3D-Stadtmodellen, die der Landkarten-mit-Richtungspfeil-Illustration alter Abenteuerschinken mit CGI den Garaus macht, würde man aufregende Erlebnisse vermuten, doch letztlich führen alle Wege zum gezwirbelten Oberlippenbärtchen. Selbst Autoverfolgungsjagden scheint der drahtige Gesichtsschmuck wie ein Stempel aufgedrückt zu sein, von den Running Gags ganz zu schweigen.
Was für ein Glück, dass der Hauptdarsteller einigermaßen gut aufgelegt ist und man wenigstens dann gut über ihn lachen kann, wenn man der endlosen Sparrow-Variation noch nicht völlig überdrüssig ist. Denn tatsächlich gelingt Depp so manche Gesichtsverrenkung, die unverhofft die Bäckchen aufzucken lässt.
Die eigentliche Freude bereiten aber Nebendarsteller wie Paul Bettany oder Gwyneth Paltrow, die der Hauptfigur gegenüber traditionsgemäß heimliche Missachtung entgegenbringen müssten; dass sie es nicht tun und in gewisser Weise immer ihre Loyalität und ihre Fassung bewahren, macht ihre Charaktere unheimlich interessant und lässt eine durchschnittliche Albernheit von einem Film zu herzhafter Unterhaltung reifen.
:liquid6:

Antworten

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 3 Gäste