Dann biete ich mal noch kurz mein Review an:
Chappie
Im Jahre 2016 ist die Korruption und Brutalität auf den Straßen Johannesburgs soweit voran geschritten, dass Polizei-Roboter eingesetzt werden müssen, um den Verbrechern Einhalt zu gebieten. Was wie eine düstere Zukunftvision eines modernen George Orwells klingt, ist in Wahrheit die Ausgangssituation des Sci-Fi-Thrillers "Chappie" von Regisseur Neill Blomkamp. Dieser wurde eigentlich für seinen dokumentationsartigen Look bekannt, erzählt "Chappie" allerdings durchgehend in der üblichen Hollywood-Hochglanzoptik, sofern man angesichts der Zustände in Johannesburg von "Hochglanz" sprechen kann. Die Coming of Age Handlung über einen Roboter, der zwischen Moral und Gangstermilieu hin und her gerissen ist und die zusätzliche Thematik über künstliche Intelligenz und dem Fortbestehen des Bewusstseins nach dem Tod machen dabei auf den ersten Blick einiges her, dennoch verlässt man "Chappie" leider trotzdem mit einem ziemlichen faden Beigeschmack.
Inszenatorisch macht Blomkamp eigentlich gar nicht so viel verkehrt. Die Handlung ist angenehm aufgebaut und erfreulicherweise überraschend rasch und schnell eingeleitet, ohne den Zuschauer aber zu sehr an die Hand zu nehmen. Die erste halbe Stunde gestaltet sich zwar etwas wacklig, da einiges an Vorbereitung für das Publikum noch keinen erkennbaren Zweck erfüllt, doch wenn dann alle Charaktere in Position gebracht sind und der titelgebende Chappie auftaucht, dann ist der Film voll in seinem Element. Chappie selbst wird durch das Motion-Capture-Verfahren von Sharlto Copley verkörpert und das funktioniert, weil die Effekte doch wirklich grandios aussehen und so die Interaktion mit den Darstellern funktionieren. Die wesentlichen Protagonisten sind im Mittelteil die Mitglieder der Rap-Band Die Antwoord, hier Watkin Tudor Jones, Jose Pablo Cantillo und Yolandi Visser, welche knallharte Gangster überzeugend porträtieren und Chappie in ihre Kreise ziehen. Das führt zu mehr als nur amüsanten Momenten (das Durchführen mehrerer Grand Theft Autos oder das Üben von Beschimpfungen) und die Beziehung der Gangster zu Chappie, die mehr und mehr durch ihn gezwungen werden, ihr eigenes Handeln zu hinterfragen und einem so immer weiter ans Herz wachsen, ist das Herzstück des Filmes.
Genauso ist auch Chappie toll anzusehen, wenn er anfangs in der Kindesphase einem scheuen Reh ähnelt und später als "Jugendlicher" die prolligen möchtegern-coolen Verhaltensweisen seiner Bezugspersonen nachäfft. Nein, der Gangster-Teil des Filmes ist ein großer Spaß und lässt dennoch immer leichte gesellschaftskritische Züge erkennen, was das ganze sogar noch um eine Ecke raffinierter macht. Zusammen mit der staubigen Atmosphäre Johannesburgs und dem tollen und für ihn sehr ungewöhnlichen, aber absolut druckvollen Soundtrack von Hans Zimmer hätte das für einen guten Film gereicht. Leider gibt es da aber noch die andere Seite des Filmes, rund um Chappies Entwickler Deon. Und Deon-Darsteller Dev Patel hat leider erschreckend wenig Leinwandpräsenz, muss aber der Geschichte wegen immer wieder in den Gangster-Plot eingreifen und die moralisch vertretbare Seite spielen. Dass eine solche Figur von Nöten ist, sollte klar sein, doch sein Verhältnis zu Chappie ist zu schnell aufgebaut, zu schnell wieder zerstört und die beiden teilen sich (weil Blomkamp den Film eben auf die Macho-Gangster fokussiert) auch zu wenig Szenen, damit man ihnen die tiefe Verbundenheit abkaufen kann.
Dennoch ist "Chappie" in den ersten neunzig Minuten gute und unterhaltsame Sci-Fi-Kost. Leider ist die letzte halbe Stunde ziemlich misslungen. Das beginnt damit, dass der bereits vorher unnötige Nebenpart über "X-Men"-Star Hugh Jackman, bei dem man bereits nach wenigen Minuten weiß, worauf alles hinauslaufen wird, tatsächlich genau so verläuft, wie man es erwartet, was in einem leider mehr als seelenlosen und konventionell gemachten Actionfinale endet, dass man so schon hundert Mal gesehen hat und das in der Form niemanden mehr vom Hocker reißen wird (auch wenn Jackman sichtlich Spaß am fies sein hat). Ganz übel ist, wie ein vorher sich als effizienter Regisseur erwiesener Mann wie Blomkamp hier plötzlich auf übelsten Kitsch zurückgreifen muss und damit beinahe ungewolltes Lachen im Kinosaal aufkommen lässt. Zwar ist man durch die Bindung an die Figuren weiterhin in das Geschehen involviert und handwerklich ist besonders die Kameraführung zu loben, doch über die eindeutige Einfallslosigkeit der Geschichte kann das nicht hinwegtäuschen. Noch peinlicher ist aber, was "Chappie" sich nach dem Showdown erlaubt. Blomkamp bemüht sich zwar, das Thema "Bewusstsein" und "Verbleib der Seele" einen vernünftigen Abschluss zu geben, verliert sich aber in einer Mischung aus esoterischem Blödsinn und absurder Rührseligkeit. Mit einem persönlicheren und mutigeren Finale wäre hier viel mehr drin gewesen.
Fazit: Ein wenig zeigt Blomkamp mit "Chappie" ziemlich genau auf, wie schnell aus dem Eindruck eines passablen und unterhaltsamen Filmes der eines missratenen werden kann, wenn man den Zuschauer mit dem falschen Gefühl entlässt. Deswegen muss man bei der Bewertung am Ende auch etwas differenzieren. Denn die ersten drei Viertel des Abenteuers sind überzeugend, witzig und machen Spaß, weil sie einerseits durch die interessante Dynamik zwischen den Hauptcharakteren und andererseits durch die mal etwas anders erzählte Version der üblichen Coming-of-Age-Storys einen angenehmen Schwung haben, dem Blomkamps schnelles Erzähltempo und Zimmers abgedrehte Musik zu Gute kommen. Doch das Ende ist nun mal ein Dämpfer und zwar ein ganz gewaltiger. Und ob seiner gravierenden Auswirkungen auf die letztendliche Stimmung des Filmes ein ungemein gewichtiger. Natürlich sollen die letzten fünfundzwanzig Minuten nicht die vorherigen anderthalb Stunden völlig unvergessen machen, doch angesichts der puren Einfallslosigkeit und geballten Unkreativität, mit der das zudem auch noch wenig intelligente Finale aufwartet, geht man schon leicht verärgert aus dem Kino. Und wenn man das Kino mit einer Stimmung nicht verlassen will, dann mit Ärger.
,5