Klug geschrieben, Vince, bin aber insgesamt etwas weniger optimistisch:
Arrival
Es ist ein wesentliches Merkmal der postmodernen Kunst im Film, dass sie nicht nur eine große Intertextualität birgt, sondern sich maßgeblich der Praxis des Zitierens verschreibt und eigentlich niedere Genres aufwertet, klassische Genreparameter außer Kraft setzt und in einer fast schon exzesshaften Herangehensweise eine demonstrative Künstlichkeit zur Schau stellt, die Arthouse-Richtungen mit Popeinflüssen vermengt. Wenn im 2016er Sci-Fi-Film "Arrival" 12 karge Raumschiffe sich an verschiedensten Orten der Welt wie zufällig positionieren, eine weltweite Massenpanik auslösen und nur eine Handvoll fachbezogener Experten zur Hoffnung der Menschheit werden, erinnert dies an zahlreiche Invasionsfilme, innerhalb der jüngeren Filmgeschichte am ehesten an Roland Emmerichs 20 Jahre zuvor erschienenen bildgewaltigen "Independence Day". Doch obgleich das Drehbuch zu "Arrival" auf der Kurzgeschichte "Story of your Life" des Autoren Ted Chiang basiert, ist es auch ein Cocktail aus unzähligen Genreeinflüssen von Visionären wie Isaac Asimov oder Philip K. Dick bis zu Harlan Ellison und den oft trashigen TV-Episoden der 60er Jahre Serie "Twilight Zone".
Der viel beachtete Regisseur Denis Villeneuve verneigt sich in seiner etwa 2 Stunden langen Erzählung immer wieder vor der klassischen philosophischen Science-Fiction, zitiert und plagiiert sich durch einen Berg an Genrevorbildern, ist in seiner schlussendlichen Ausrichtung aber am ehsten mit dem ebenfalls 2016 erschienenen impressionistischen Schneewestern "The Revenant" vergleichbar. Wie Alejandro G. Iñárritu predigt auch Villeneuve die suggestive Kraft der Entschleunigung in seinen Bildern und setzt zwischen dem extremen Kontrast von beängstigenden Größenverhältnissen und klaustrophobischen Engen stets das menschliche Handeln in den Vordergrund. Villeneuve fokussiert sich in exzersiver Auskostung von Ruhe und Intensität ganz auf Amy Adams starkes Minenspiel als Protagonistin, deren persönliche Entwicklung (die durch eine in der Exposition vorgebene Fallhöhe bereits vorher bestimmt wird) auf ganz intime Art mit dem Erstkontakt zu den Außerirdischen verbunden ist, auch wenn sich dieses labyrinthisch erzählte Geheimnis erst nach und nach narrativ entwirren lässt. "Arrival" tritt kompakt entschlankt auf, reduziert sich voll und ganz auf seine Aktuerin. Das Erleben der Umwelt des Kontakts mit einer außerirdischen Zivilisation bleibt nur am Rande thematisiert, das weltpolitische Poltern der Staatsoberhäupter verkommt zum nur seiner Notwendigkeit wegen enthaltenen Spannungskatalysator, spielt für die Regie jedoch keine besondere Rolle.
Lieber stellt "Arrival" die großen Fragen nach dem wahren Kern von Menschheit in einem Universum, in dem "wir" nicht mehr die einzigen denkenden Individuen sind und betont den Wert der Sprache und nonverbalen Kommunikation. Selbstredend will Villeneuve dies als Essay-haften Kommentar zur derzeitigen gesellschaftlichen Globalisierungsskepsis wissen, wenngleich der Mehrwert seiner recht konstruiert erscheinenden "Moral von der Geschicht'" zwar den Vorbildern gemäß frontal präsentiert wird, damit aber auch an Wirkung verliert. Spannung weiß er durch die permanente Unwissenheit von Zuschauer und filmischen Bezugspersonen zu erzielen. Das Ziel der extraterrestrischen Touristen bleibt lange im Verborgenen, das erste Aufeinandertreffen von Mensch und "Heptapoden" gerät gar zu einer ambivalent gehaltenen Begegnung, bei der auf beiden Seiten die Gleichberechtigung der jeweiligen Wesen hinterfragt scheint. Mit zwei Wissenschaftlern im erzählerischen Mittelpunkt bleibt auch "Arrival" trotz zwischen durch eingeschobenen Thrill-Sequenzen ein nüchtern gestalteter und bebildeter Film, der in seinen naturalistischen Panoramaaufnahmen fast schon wieder steril erscheinen mag. Wie ein Zugeständnis an das Massenpublikum wirkt die Herleitung der einzigen obligatorischen Detonation im Film, wobei man hier genauso auch deuten könnte, Villeneuve wollte das Leitmotiv der Kommunikation durch eine filmisch gängige Sprache nutzen, um mit dem gemeinen Kinogänger in Kontakt zu treten. Tatsächlich bleibt sein Film stets ein von außen betrachtetes Konstrukt ohne gewollten emotionalen Zugang, dass selbst in seinen zwischenmenschlichen Momenten bis auf den etwas erzwungenen selbstironischen Touch der Figur von Marvel-Star Jeremy Renner eher kalt und leblos bleibt.
Passend dazu übertönt Komponist Jóhann Jóhannsson mit seinem Soundtrack den Film eher, als dass er ihn kommentiert oder unterstreicht. Einen Kommentar erlauben sich Musik oder Regie nur durch Auslassung eines eben solchen, während sich ihre Spielereien zum reinen Selbstzweck einen Einfluss auf den Betrachter bemächtigen. Immer später erst formuliert "Arrival" langsam und (zu?) selbstbewusst sein eigentliches Anliegen, will sich weniger als Film über Kommunikation als über die Zeit verstehen und über das Schicksal beziehungsweise die Selbstbestimmung des Menschen im Falle einer konkreten Prophezeiung. Die damit einhergehenden tonalen Anklänge im letzten Akt wirken jedoch nicht ausreichend vorbereitet und ihrer offensiven Enthüllung zu aufgelöst und eindeutig. Villeneuve verpasst die Chance, die von ihm erwähnte Sapir-Whorf-Hypothese, nach der Denkmuster von Sprachen beeinflusst werden, früh genug als starkes Motiv zu etablieren, um sich zum Abschluss eine Offenheit zu bewahren, die aus "Arrival" einen nachhallenden Film mit Wiederschauwert gemacht und der gesetzten Sperrigkeit ein überzeugendes Subjet verliehen hätte. So wirkt das eindeutige Ende wie ein Kompromiss und erinnert an den Moment des Films, in dem Renners Charakter den beiden Aliens die Namen Abbott und Costello gibt, in Anlehnung an das legendäre Komiker-Duo der 1940er. Es zeigt sich einerseits der Drang, eine zwanghafte Fixierung unterzubringen, wie andererseits auch der Willen, durch einen (durchaus) geschickten Ausweg die eigentlichen Wahrheiten zu kostümieren oder in Villeneuves Fall zu entkleiden.
Fazit: "Arrival" ist ein interessanter Genrebeitrag des kanadischen Regie-Kritiker-Lieblings mit einer starken Hauptdarstellerin, der in bester Tradition postmoderner Kunst wie ein eigenwillig arrangiertes Potpurri zahlreicher Sci-Fi-Einflüsse daherkommt und für den Genrefan somit durch seine unzähligen Referenzen (besonders eindeutige filmische Vorbilder finden sich in Andrei Tarkowski und Stanley Kubrick) bereits den Kinogang wert ist. Alle anderen stehen vor einer gleichsweise nüchternen wie analytischen Dekonstruktion im Spiel mit den Erwartungen, die sich selbst im Schlussteil deutlich wichtiger und innovativer nimmt, als sie tatsächlich ausfällt.