Brimstone

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StS
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Brimstone

Beitrag von StS » 15.05.2017, 16:59

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Originaltitel: Brimstone
Herstellungsland: Holland-Frankreich-Deutschland-Belgien-Schweden-GB-USA
Erscheinungsjahr: 2016
Regie: Martin Koolhoven
Darsteller: Dakota Fanning, Guy Pierce, Carice van Houten, Emilia Jones, Kit Harington, …

Mit "Brimstone" hat der Niederländer Martin Koolhoven ein düsteres europäisches Western-Drama erschaffen, das sich klar dem Mainstream verweigert sowie mit guten Darstellern á la Dakota Fanning, Guy Pierce, Carice van Houten und Emilia Jones in den Hauptrollen aufzuwarten vermag…

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knappe :liquid6:

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freeman
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Beitrag von freeman » 15.05.2017, 18:31

Das die Europäer Western können, wissen wir ja. Zuletzt hat mich die TV-Ausstrahlung von "The Salvation" sehr beeindruckt. Vor allem formal. Dementsprechend werde ich den hier mal im Auge behalten.

In diesem Sinne:
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McClane
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Beitrag von McClane » 28.10.2018, 22:57

Wieder einer dieser "gehobenen" Filme, die sich fröhlich aus der zeigefreudigen Motivkiste des Horror- und des Exploitationkinos bedienen (siehe "Nocturnal Animals", "mother!" etc.), was sich in den krassen, umbarmherzigen Gewaltdarstellungen ebenso niederschlägt wie in der nahezu unkaputtbaren Schurkenfigur. Für den Subtext und die höheren Motive gibt es eine Abhandlung über Religion und Fanatismus, die ihr Anliegen auch in biblisch betitelte Kapitel unterteilt. Vor allem ist Koolhovens Film jedoch eine finstere wie brutale Tour de Force, die in ihrer direkten Art von der Rechtlosigkeit und dem Objektstatus der Frau in der Männerdomäne des Wilden Westens erzählt, ebenso wie von Rebellionsversuchen durch Damen wie Protagonistin Liz. Das ist starker Tobak, aber eine lohnenswerte Filmerfahrung für die weniger Zartbesaiteten, mit einem famosen Ensemble. Dakota Fanning beweist, dass sie an ihre geschätzten Performances als Kinderdarstellerin in Werken wie "Man on Fire" und "Krieg der Welten" auch im Erwachsenenalter anknüpfen kann, in Nebenrollen punkten bekannte Gesichter wie Carice van Houten und brillant ist Guy Pearce in der Rolle des sinistren Gottesmannes, der eher direkt aus der Hölle zu kommen scheint. Ihm und Fanning folgt man gern beim Abstieg in die Hölle menschlicher Abgründe, auch wenn der Film immer mehr an Faszination verliert je mehr man über die Hintergründe der Figuren weiß - der letzte Akt ist der schwächste, zumal der Schurke mit seinem Wiederaufstehen fast in die Gefilde von Michael, Jason und Freddy verirrt. Und doch ist "Brimstone" auf seine gleichzeitig fiebrige und doch nüchterne Art faszinierend, eine rabiate Abrechnung mit romantisierenden Vorstellungen des Wilden Westens.

:liquid7:
Jimmy Dix: "Du glaubst wohl nicht an die Liebe?" - Joe Hallenbeck: "Doch ich glaube an die Liebe. Ich glaube auch an Krebs." [Last Boy Scout]

Perry Van Shrike: "Look up 'idiot' in the dictionary. You know what you'll find?" - Harry Lockhart: "A picture of me?" - Perry Van Shrike: "No! The definition of the word idiot, cause that is what you fucking are!" [Kiss Kiss, Bang Bang]

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Vince
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Beitrag von Vince » 29.10.2018, 20:57

Zu dem hatte ich auch noch einen Kommentar:

Drastischer lässt sich Kritik am Christentum beinahe nicht darstellen. In "Brimstone" ist Religion die Lizenz zum Töten. Aber mehr noch als das: Sie heiligt das Ausleben sadistischer Triebe, mit denen Erfüllung im Leid Anderer gefunden wird. Sie rechtfertigt jede Art von Gewalt des gläubigen Mannes an jeder Frau, die ihm über den Weg läuft. Sie wäscht seine Hände rein. Mit ätzender Ironie tragen die Kapitel den Namen der Testamente und sind jeweils gefüllt mit Scheußlichkeiten der niederträchtigsten Art. Ihre Darstellung führt oft weit genug, dass man sie bereits in die Exploitation-Ecke verweisen kann. Guy Pearce verkörpert als von Narben gezeichneter Priester das ultimative Böse, völlig frei von Ambivalenzen; mit seinen bestialischen Auftritten strahlt er jene Aura aus, die normalerweise den dunklen Mächten in Horrorfilmen vorbehalten ist. In diesem Konstrukt entwickelt sich Hauptdarstellerin Dakote Fanning von der Überlebenden zum Racheengel, während der Neowestern um sie herum zum grimmigen Revenge-Thriller wird. Manipulativ spielt er mit dem Sinn für Gerechtigkeit, den er fortwährend hintergeht, um die Wut beim Miterleben der Gräueltaten zu steigern.

Martin Koolhoven kann es also nicht darum gehen, ein differenziertes Bild zu schaffen. Der Ertrag seiner Arbeit ist kein nüchternes Abbild religiöser Strukturen zu jener Zeit, sondern hartes, stark symbolisiertes Spannungskino, das den Phoenix in uns mit dem Streichholz kitzelt. Die Darsteller müssen in diesem Fall nach der Intensität ihrer Leistung beurteilt werden, nicht nach der Natürlichkeit oder Authentizität. Das Drehbuch danach, wie effektiv es das Adrenalin steigert, nicht wie es subtile Fäden zieht zwischen Religion und Gewalt. So kommen dann zumindest die Masochisten voll auf ihre Kosten.
:liquid6:

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