Eigentlich war "Don't Look Up" ja als Parodie auf den Umgang mit dem Klimwandel gedacht, wurde dann aber aufgrund des Veröffentlichungsdatums (auch) als Parodie auf den Umgang mit der Pandemie verstanden - was durchaus für die Universalität des Ansatzes spricht. Gerade wenn man sich anschaut, dass Republikaner wie Ron DeSantis Debatten über Homosexualität aktuell mit irgendwelchen "Don't Say Gay"-Gesetzen wegignorieren wollen, dann klingt einem die Phrase "Don't Look Up" in den Ohren. Von daher bin ich bei Vince: In einer Zeit, in der die Realität teilweise dermaßen schrill ist, muss eine Satire wohl alle Regler auf 11 drehen, um das Ganze überhaupt noch zu überzeichnen. "Don't Look Up" ist eine dieser lobenswerten Satiren, die zwar in viele Richtungen austeilt, aber doch ein klare Botschaft hat - im Gegensatz zu unkontrollierten Rundumschlägen wie "Team America" oder "The Hunt", die beim wilden Austeilen in alle Richtungen sich irgendwann nur noch selbst in die Fresse hauen. So wird die Parteizugehörigkeit von Meryl Streeps Präsidentin nie genannt, gemeinsame Fotos mit Steven Seagal und Bill Clinton kann man in die eine oder andere Richtung deuten, doch der Auftritt mit der roten "Don't Look Up"-Kappe zeigt letzten Endes, wer mit dieser Figur gemeint ist. Auch sonst wird hier munter draufgehauen. Die Moderatoren einer Morgenshow wollen vor allem eine unterhaltsame Sendung machen und die Nachricht vom möglichen Ende der Welt als nicht zu großen Bummer verkaufen. Ein Popsternchen (Ariane Grande quasi als sie selbst) klaut erst wichtige Sendezeit und Aufmerksamkeit mit ihrem Beziehungskram, macht aber später Betroffenheitssongs als Aufmerksamkeitskampagne. Eine Hollywood-Actionstar (Chris Evans quasi als er selbst) verkauft das neueste Crash-Boom-Bang-Multimillionen-Dollar-Knallbonbon als politisches Statement zum Weltuntergang. Nie explizit genannt, aber doch im Hintergrund präsent: Eine apathische Öffentlichkeit, die viel zu lange zusieht und erst dann aktiv wird, wenn es (fast) zu spät ist.
Dramaturgisch ist bei weitem nicht alles rund. Dass DiCaprio beim White-House-Meeting der murmelnde Idiot, Lawrence dagegen die Souveräne ist, die Situation sich beim Morgenshow-Auftritt um 180 Grad dreht, hat nie eine richtige Erklärung in der Handlung. DiCaprios Affäre mit Blanchett führt als Subplot nirgendwo hin. Die vollkommen dämlich Finalsequenz mit der Präsidentin ist nicht witzig, sondern ebenso unnötig wie doof nach dem eigentlichen, sehr konsequenten Ende. Und der Subplot um Chalamet ist eigentlich nur da, um Chalamet eine (vollkommen überflüssige) zuzuschustern. Sowieso: "Don't Look Up" ist bis zum Exzess vollgepackt mit bekannten Namen und Gesichtern, dass man teilweise Gefahr läuft wen zu verpassen, wenn man zu lange blinzelt (z.B. Michael Chiklis). Ja, "Don't Look Up" ist kein runder Film, er ist teilweise ungeschliffen, und doch ist er die wohl konsequenteste und vielleicht auch einzige mögliche Satire auf den alltäglichen Wahnsinn der Ära Trump und deren Nachwirkungen. Zudem mit teilweise famosen Darstellerleistungen, etwa Mark Rylance als Steve Jobs/Elon Musk mit quasi-autistischen Zügen.

Jimmy Dix: "Du glaubst wohl nicht an die Liebe?" - Joe Hallenbeck: "Doch ich glaube an die Liebe. Ich glaube auch an Krebs." [Last Boy Scout]
Perry Van Shrike: "Look up 'idiot' in the dictionary. You know what you'll find?" - Harry Lockhart: "A picture of me?" - Perry Van Shrike: "No! The definition of the word idiot, cause that is what you fucking are!" [Kiss Kiss, Bang Bang]