Demonlover

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Demonlover

Beitrag von StS » 01.05.2006, 11:42

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Originaltitel: Demonlover
Herstellungsland: Frankreich
Erscheinungsjahr: 2002
Regie: Olivier Assayas
Darsteller: Connie Nielsen, Charles Berling, Chloë Sevigny, Gina Gershon, Jean-Baptiste Malartre, Dominique Reymond, ...


„Never judge a book by its cover“ besagt eine alte Weisheit – dass das auch für DVDs gelten kann, beweist das deutsche Cover von Olivier Assayas´„Demonlover“ eindrucksvoll: Auf diesem sieht man eine weibliche Gestalt in einem Latex-S/M-Anzug zusammen mit dem Slogan „ein Horrortrip aus abartigen Phantasien“. Wer dann noch der Inhaltsangabe Schlagworte wie „Internet-Pornos“ oder „illegale Foltersite“ entnimmt, kommt schnell auf die Idee, es würde sich um einen reißerischen B-Film im Fahrwasser von „8mm“ oder „Jill Rips“ handeln – umso größer die Überraschung, wenn man sich dann mit einem Arthouse-Wirtschaftsthriller konfrontiert sieht, der die genannten Elemente vornehmlich im Hintergrund abhandelt. Wer jedoch gleich zum RC1-„Director´s Cut“ greift, erhält zumindest eine von der Aufmachung her angepasste DVD-Auswertung mitsamt besserer Qualität und Ausstattung, welche dem Inhalt letztendlich angemessener gerecht wird…

Im Auftrag des erfahrenden Volf (Jean-Baptise Malartre) werden für dessen französische Firmengruppe die beiden Executives Herve (Charles Berling) und Diane (Connie Nielsen) nach Japan gesandt, um die Rechte an dem Material eines Unternehmens namens „Tokyo Anime“ aufzukaufen, welches sich hauptsächlich auf klassische asiatische Sex- und Gewalt-Zeichentrickfilme spezialisiert hat. Während die „Volf Group“ mit dem Deal ihre Markstellung ausbauen will, benötigen die Japaner neues Kapital, um eine zukunftsweisende 3D-Technologie zu finanzieren sowie weiterzuentwickeln, durch die sich der heiß umkämpfte Anime-Markt lukrativ revolutionieren ließe. Nach erfolgreichen Verhandlungen kehren Diane und Herve nach Frankreich zurück und bereiten den zweiten Teil der Strategie vor: Die erworbenen Lizenzen sollen nun weiterverkauft bzw Dritten zur Verfügung gestellt werden – eine Delegation der amerikanischen Firmengruppe „Demonlover.com“, welche ein breites Netzwerk pornographischer Websites betreibt, trifft dazu in wenigen Tagen ein, um noch vor ihrem größten Mark-Rivalen („Mangatronics“) einen Vertrag zu unterzeichnen.

Während die Verhandlung zwischen Diane und der US-Vertreterin Elaine (Gina Gershon) noch an einigen legalen Hürden stockt, stellt sich heraus, dass erstere in Wahrheit von „Mangatronics“ angeworben wurde, um den Deal zu sabotieren, und als jene nachts ins Hotelzimmer der Gegenpartei einbricht, um vertrauliche Daten zu stehlen, kommt es zu einer folgenschweren Konfrontation, nach der sich die Regeln des Spiels völlig verändern: Wohlmöglich hat Diane Elaine getötet, doch alle Spuren wurden beseitigt und sie kann sich an nichts mehr erinnern. Dafür scheinen nun aber die Leute von „Demonlover“ die Kontrolle über sie fest in der Hand zu haben, denn es gibt Videoaufnahmen von der Tat sowie belastende Infos über ihre Verbindung zur Konkurrenz. Ausgerechnet ihre Assistentin Elise (Chloe Sevigny) scheint dabei eine Schlüsselrolle zu spielen, und als Diane den Anweisungen nicht bedingungslos Folge leistet, muss sie schmerzhaft am eigenen Leibe erfahren, wozu die Leute im Hintergrund eigentlich fähig sind – und sie unter Drogen zu setzen ist dabei noch eine der harmloseren Vorgehensweisen…

Es ist schon eine Kunst für sich, einen interessanten Film abzuliefern, in dem keine einzige Figur vorkommt, mit welcher der Zuschauer sympathisieren oder sich wirklich identifizieren kann, doch „Demonlover“ gelingt dies aufgrund der Tatsache, dass die Handlung sowie die Interaktionen der einzelnen Charaktere die nötige Spannung generieren, um das Interesse über die gesamte Laufzeit hinweg zu halten. Diane wird von Anfang an als knallharte, berechnende Geschäftsfrau eingeführt, die in ihrer ersten Szene eine Kollegin betäubt sowie kurz darauf entführen lässt, nur um deren Platz bei den Verhandlungen in Japan einzunehmen. Auf jeder Ebene dominiert die Kälte: Die Unternehmen besitzen keine Werte, Skrupel oder ethische Bedenken, ihre Angestellten gehen sprichwörtlich über Leichen, um Ziele zu erreichen. Gefühle oder Emotionen gelten als Schwäche in jener nüchternen (Business-) Welt voller Konkurrenz und Macht, die sich nur um Profite inklusive eigener Vorteile dreht, weshalb man schon mal der Versuchung nachgibt, bei einem besseren Angebot dank fehlender emotionaler Bindung die Seiten zu wechseln. Regisseur Olivier Assayas (“Les destinees“/“Irma Vep“) setzte die Geschehnisse dementsprechend zurückhaltend, nahezu distanziert und anfangs gar fast dokumentarisch in Szene. Jede Art von Wärme oder Geborgenheit scheint aus den Schauplätzen verbannt, welche sich ohnehin überwiegend nur aus sterilen Konferenzräumen, Hotelzimmern, Privatjets oder grauen Großstadtschluchten zusammensetzen. Die Kameraarbeit von Denis Lenoir („the Clearing“) unterstützt die gewollte Atmosphäre mit düsteren Bildkompositionen sowie der Verwendung kalter, bläulicher Farbfilter.

In der ersten Hälfte wird der Zuschauer in die betreffende Industrie eingeführt, in welcher die Unternehmen tätig sind: Man erhält Einblicke in Fertigungsweisen von „Hentai“-Cartoons sowie die Art der Verbreitung des pornographischen Materials (Pay per View, Internet etc), bekommt internationale juristische Hürden aufgezeigt (die gezeichneten Charaktere dürfen in Japan etwa keine Schambehaarung aufweisen, da man diese sonst zensieren würde, während in Frankreich eine haarlose Präsentation den Verdacht von Kinderpornographie erwecken könnte, da die Zeichner wohlmöglich Minderjährige als Vorbilder nutzten) und wird mit der virtuellen Welt mitsamt einer Auswahl seiner Abarten (u.a. interaktive S/M- oder Foltersites) konfrontiert, welche für die Betreiber eine reine Form des Geldverdienens darstellen. Wirtschaftliche Interessen und Verhandlungen werden vor der befremdlich-faszinierenden Kulisse der Neonstadt Tokio präsentiert, eingebettet in der modernen fernöstlichen Kultur. Nach dem brutalen Kampf auf Leben und Tod zwischen Diane und Elaine verlässt der Film gegen Halbzeit dann aber seinen gradlinigen, eher konventionellen Erzählstil zugunsten einer (Alb-) Traum-artigen, Drogen-verschleierten sowie bizarren Inszenierung, ähnlich wie man sie aus Werken der beiden „Davids“ (Cronenberg & Lynch) kennt. Nach der Wendung treten Intrigen und Lügen an die Oberfläche, die brutale, düstere Mentalität wird anhand von Entführungen und Erpressungen deutlich aufgezeigt sowie in Form der Foltersite „Hell Fire Club“ auf die Spitze getrieben. Unterstützt von der stimmigen „Sonic Youth“-Musikuntermalung, driftet der Film merklich in den Fluss artverwandter Werke wie „Lost Highway“ ab, verstört und zeigt konsequent auf, dass man sich mit den Hintermännern jener Branche besser nicht anlegt…

Die Darsteller sind allesamt hervorragend: Connie Nielsen (“Gladiator“/“Basic“) überzeugt als eiskalte Businessfrau, bevor sie im Verlauf selbst zum Opfer ihrer Umwelt wird. Der entscheidende Moment wird dabei wie der Neustart eines Computerspiels dargestellt, nach welchem komplett andere Bedingungen vorherrschen. Chloe Sevigny (“Kids“/“Dogville“) ist fantastisch als Assistentin voller Geheimnisse, die auch mal nackt Playstation spielt und so fast schon selbst wie eine mädchenhafte Fantasie jener Industrie wirkt. Gina Gershon (“Showgirls“/“Bound“) und Charles Berling („Stardom“) runden die gute Besetzung mit ansehnlichen Leistungen ab.

Die feministische Note (dank der vielen starken Geschäftsfrauen) ist unübersehbar, doch keine Figur ist frei von Schwächen oder Makel. Nackte Haut wird dem Zuschauer zwar geboten, doch nie auf eine platte Art und Weise (animierte Penetrationsszenen sind übrigens im ungekürzten „Director´s Cut“ ebenfalls verpixelt). Das Finale stößt sicher auf ein geteiltes Echo, da es etwas nihilistisch und plakativ wirkt, aber nochmals ansehnlich vor Augen führt, dass auch in gutbürgerlichen Haushalten derartiges Material per Internet konsumiert wird, wo Teens schon mal ihre Sex- und Vergewaltigungsphantasien bezüglich Lara Croft oder Mitgliedern der „X-Men“ (zumindest via Bildschirm im Netz) ausgelebt sehen möchten…

Fazit: „Demonlover“ ist ein teils verwirrender, letztendlich aber schlüssiger und interessanter Wirtschafts-Thriller vor dem Hintergrund des extrem lukrativen Geschäfts mit verschiedenen Arten von Internetpornographie, welcher in seiner zweiten Hälfte einen zunehmend bedrohlich-bizarren Verlauf à la Lynch oder Cronenberg einschlägt…

:liquid7:

Die deutsche DVD von "Concorde" ist ungeschnitten ("Unrated") mit einer KJ-Freigabe zu haben, besitzt allerdings eine recht schwache Bildqualität sowie ein reißerisches Covermotiv. In den USA ist ein geringfügig längerer Director´s Cut von "Palm" erschienen, der keinen Grund zur Klage heraufbeschwört:
So stelle ich mir eine rundum absolut gelungene DVD-Veröffentlichung vor: Über 2 ½ Stunden Bonusmaterial, welches zudem auch qualitativ überzeugen kann, eine angepasst gelungene Covergestaltung (wer die deutsche DVD kennt, weiß, was ich damit meine), ansehnlich arrangierte Menüs sowie eine hervorragende Bild- und Tonqualität (allen bisherigen VÖs klar überlegen). Verteilt hat man alles auf 2 DVDs, welche sich in einer breiteren Amaray-Hülle befinden (von der Stärke her vergleichbar mit den (dt.) 2-DVD-Editionen von „Perdita Durango“ oder „Dagon“). Es gibt eine ganze Reihe verschiedener Fassungen des Films auf dem Markt (allein in den USA existieren neben dieser noch je eine mit dem R- und Unrated-Cut, beide übrigens von „Lionsgate“) – das hier ist jedoch (soweit mir bekannt ist) die bislang einzige auflegte Version des „Director´s Cuts“ (bei der französischen bin ich mir allerdings nicht sicher)." (StS)

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Beitrag von Samir » 01.05.2006, 18:29

jo den hab ich sogar letztes mal gesehen wo er auf TELE 5 lief, schlecht war er nicht aber auch nicht so toll, würd ihm gute :liquid5: geben

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Beitrag von StS » 01.05.2006, 18:31

... da hatte ich auch per Zufall reingeschaltet. :wink:

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Beitrag von Samir » 01.05.2006, 18:53

eins muss ich ja noch sagen, ich fand ja das Connie Nielsen nie besonders toll aussaah, also Gladiator und vorallem in Basic (schreck lass nach) aber hier mit den schwarzen Haaren, das erste mal das die richtige geil aussieht, allein deswegen lohnt sich der Film ;)

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Beitrag von StS » 01.05.2006, 18:56

Mit dunklen Haaren sieht eigentlich jede Frau besser und zudem intelligenter aus, das ist ja klar, aber in "Devil´s Advocate" sah sie mit roter Haarpracht ebenfalls umwerfend aus... :wink:

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Beitrag von Samir » 01.05.2006, 18:58

StS hat geschrieben:Mit dunklen Haaren sieht eigentlich jede Frau besser und zudem intelligenter aus, das ist ja klar, aber in "Devil´s Advocate" sah sie mit roter Haarpracht ebenfalls umwerfend aus... :wink:
oh man da erwischst du mich auf dem falschen Fuss ist ne ewigkeit her das ich ihn gesehen habe und ich muss sagen aufgefallen ist sie mir nicht, aber naja kennen tu ich sie sowieso erst seit Gladiator, also namentlich!

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Beitrag von StS » 01.05.2006, 19:02

Schwach... :roll:

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Beitrag von Samir » 01.05.2006, 19:04

hhmm ja ich glaub ich muss mir mal den Film noch kaufen, aber eigentlich wart ich seit eweigkeiten auf ne mögliche SE, aber anscheinend vergebens, naja mal gucken. Kann auch sein das ich von der Theron abgelenkt war ;)

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Beitrag von MysteryBobisCREEPY » 02.05.2006, 10:34

Möööp, ich dachte immer die dt. DVD währe cut????
Wollt Ihr 'nen Ritt auf meinem Discostick?
Putzt euch die Zähne mit 'ner bottle of shit
Nein Mann ich will noch nicht gehen
Ich will weiter auf dich schiffen
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Beitrag von StS » 02.05.2006, 10:42

MysteryBobisCREEPY hat geschrieben:Möööp, ich dachte immer die dt. DVD währe cut????
Nein. :wink:

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Beitrag von MysteryBobisCREEPY » 09.05.2006, 20:05

Mkay, dann wird demnächst zugeschlagen.... :)
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Re: Demonlover

Beitrag von deBohli » 08.08.2021, 18:53

Betreffend der Erwähnung in meinem Tagebuch hier meine kurze Meinung zum Film:

Assayas hat mit "Demonlover" ein Streifen gedreht, der sich auf verwirrende und keineswegs zimperlicher Weise mit Medienkonsum und Sexdarstellung beschäftigt und dabei damalig geltende Grenzen sprengt. Nicht in der Weise, wie er seine Figuren in Szenen und Albträume schlittern lässt, sondern in dem er Moralvorstellungen und Gewohnheiten auf den Kopf stellt. Das Drehbuch selbst ist in der zweiten Hälfte ein Fiebertraum, sich von Kohärenz und Standards verabschiedet und somit herausfordert. Ein Film, den ich gerne mit "Videodrome" vergleiche, da sich beide mit ähnlichen Themen beschäftigen und die Stringenz auf geschickte und der Erzählung dienender Weise in den Wind schiessen.

:liquid8:
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