Porcupine Tree - On the Sunday of Life
VÖ Jahr: 1992
Label: Delerium (ursprünglich) / K-Scope
Genre: Demo / Homerecording
Die Story ist ja wirklich zu putzig, die kann man sich so gar nicht besser ausdenken: Ein Teenager mit Namen Steven Wilson ist vom lieben Gott mit einem überdurchschnittlichen Musikalischen Talent gesegnet. So bringt sich klein Steven selber das spielen diverser Instrumente bei und bastelt Nachmittags nach der Schule in seinem Jugendzimmer mit Hilfe von Gitarre, Drummachine, Keyboard, Mischpult und Mehrspurtape eigene Songs zusammen. Hilfe bekommt er lediglich von einem Schulkameraden Namens Alan Duffy, der für einige Songs Texte schreibt. Nachdem Steven einige Songs zusammen hat werden diese auf Tapes überspielt, er bastelt ein Cover dazu, erfindet einige fiktive Mitspieler und gibt dem ganzen den Namen Porcupine Tree (nebenbei: der wohl blödeste Bandname den man sich vorstellen kann. Stachelschweinbaum ! Geht’s noch ?
) und bastelt dann noch als Krönung eine komplett erfundene Biografie dieser fiktiven Gruppe dazu. Insgesamt drei verschiedene Tapes entstehen, zwei davon jeweils in einer Auflage von nur 10 Stück, die entweder an Freunde verschenkt oder an potentielle Plattenfirmen verschickt werden. Tja – und eines Tages meldet sich tatsächlich das kleine Label Delerium und gibt Steven Wilson (mittlerweile Anfang 20 und schon mit der Gruppe No-Man aktiv) etwas Geld um seine Kreativität in einem Profitonstudio freien Lauf zu lassen. Der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte – aus Steven Wilson, dem Homeproduzenten wird der Erfolgreichste und auch Einflussreichste Indiemusiker der letzten Jahre und sogar so was wie eine Kultfigur.
„On the Sunday of Life“ ist strenggenommen kein richtiges Album sondern eine Art Best-of eben jener drei Homemade Tapes. Das gibt auch die grobe Richtung vor: Dies ist kein vollwertiges Album sondern ein Frühwerk im Demostyle, das muß man sich als Hörer von vornherein klar machen und auch eben keine falschen Erwartungen haben. Die Gefahr enttäuscht zu werden ist viel zu groß – vor allen wenn man nur mit dem neueren Werk der Gruppe vertraut ist und sich quasi rückwärts an die Anfänge hört.
Musikalisch ist das ganze ein ziemlich wilder Kraut- und Rübensalat aus diversen Einflüssen und Stilen. Viele der „Songs“ entstanden teilweise innerhalb weniger Stunden, zudem war die Studioausstattung teilweise eben recht dürftig was sich auch im Klangbild bemerkbar macht. Es sind eben Demos von einem sehr jungen, (noch) unerfahrenen Musiker der wild experimentiert und aus den bescheidenen Produktionsmittel das beste rausholt. Ein festen Musikalischen Stil gibt es nicht – von Rock über Ambientexperimente bis hin zu sowasähnlichen wie Pop ist alles dabei. Die Songs sind grob zu vier „Paketen“ zusammengefasst (den ursprünglichen 4 Vinylseiten) , zwischen den längeren Liedern befinden sich kleine Ambient Zwischenspiele welche die einzelnen Elemente verbinden. Man merkt direkt – Steven Wilson hatte schon in jungen Jahren den Tripcharakter seiner Musik im Sinn.
Es gibt in diesem Sammelsurium und Kuriositätenkabinett sogar richtig gute Songs – „Radioaktive Toy“ wird so was wie der erste Hit werden und der geht schon recht genau in die Richtung in die Porcupine Tree in den 90iger Jahren gehen werden. Das fast Instrumental „It will rain for a million Years“ klingt ziemlich stark nach Pink Floyd (die große Konstante im Wilson Frühwerk) und „the Nostalgia Factory“ ist ein ziemlich gut gelungener Pop-Rock Song geworden dessen größtes Manko die bescheidenen Produktionsmittel sind (Stichwort: Drumcomputer). Neben einigen netten Zwischenspielen wie der Flöteneinstieg „Music for the Head“ (bricht leider ziemlich abrupt ab) oder „Space Transmission“ mit seiner Roboterstimme gibt es aber auch reichlich Gewöhnungsbedürftiges wie „Jupiter Island“ oder „Linton Samuel Dawson“. Die Angewohnheit, seine eigene Singstimme durch diverse Effektgeräte zu jagen hatte Wilson auch schon in jungen Jahren, wobei ich die Helium Mickey Mouse Stimme von „Linton Samuel Dawson“ noch gar nicht mal als so lustig empfand. Lachen musste ich eher bei „Nine Cats“ wo es Wilsons sehr junge, noch untrainierte Stimme ohne Filter oder Effekte gibt – und das klingt wirklich reichlich dünn. Der Song als solches ist natürlich Klasse, ich persönlich bevorzuge allerdings die etwas reifere Fassung vom „Insignficance“ Album.
Wie will man das ganze nur bewerten ? Es ist schwierig, weil es eben nicht komplett ein Reinfall ist. Es sind eben (wie schon erwähnt) Demos – und die beweisen recht Eindrucksvoll das auch ein Steven Wilson mal ganz klein angefangen hat. Was mir persönlich gefällt ist die Rohheit, die Direktheit, das etwas Amateurhafte in der Musik. Viele Ideen bzw Richtungen werden später zur Perfektion hin weiterentwickelt, andere dagegen zum Glück wieder verworfen und nicht weiter verfolgt. Das Steven Wilson zu diesen frühen „Schandtaten“ steht und diese immer noch zum Verkauf anbietet macht ihn irgendwie sympathisch, denn viele andere Künstler hätten diese Frühwerke wohl für immer weggeschlossen. Das sich das ganze sogar über 20.000 mal verkauft hat ist dann doch verwunderlich – vor allen für Wilson selber.
Jeder der dieses Album als „Schrott“ oder gar als „Scheiße“ bezeichnet sollte sich mal vor Augen halten das genau diese Stücke es waren die Steven Wilson eine Weltkarriere ermöglicht haben – wer es also komplett blöd findet hätte als A&R Manager eines Musiklabels einen Potentiellen Erfolgsmusiker abgelehnt. Nur so als Gedankengang....
Ich gebe dem ganzen eine
, einfach weil es mir trotz aller Trashigkeit gefällt, ich das ganze irgendwie lustig finde und beim anhören gute Laune bekomme. Es hat irgendwie was von einem Mixtape mit seinen diversen Stimmungsschwankungen und einige Songs gefallen mir richtig gut. Einige Augen habe ich aber bei der Wertung auch zugedrückt und etliche fünfe gerade sein lassen
.
Ich mache keine Rechtschreibfehler, ich gebe Wörtern lediglich eine individuelle Note