Between the Buried and Me - The Great Misdirect
Und nun mal ein etwas gereifteres Urteil: Ich bin weggeblasen! ;)
"The Great Misdirect" ist ein schieres Ungetüm und für mich eines der progressivsten Alben die mir bekannt sind...und zwar im eigentlichen Wortsinn. Denn "Between the Buried and Me" schlagen auf diesem Werk Brücken in andere Sphären, wüten in den unterschiedlichsten Genres, lassen alle Konventionen außen vor und kreieren Soundwelten, von denen man nicht zu träumen gewagt hat. Das Album, welches mit einem disharmonischen, traurigen Clean-Song mit Tarantino-Einschlag beginnt, entwickelt sich bereits mit Track 2 zu einem wütenden Technik-Donnerschlag, der sich brutal in Growl-Vocals und Blast-Beats suhlt, seinen übergroßen Bombast-Chorus aber mit derart vielen abgefahrenen Zwischenspielen irgendwo zwischen Zirkus-Musik, Jazz und Folk so dezent vorbereitet, dass die großartige Hookline des spät auftauchenden Refrains auf Anhieb vertraut wirkt. Track 3 ist noch brutaler, bricht den abgrundtiefen Hass aber mit grandios-atmosphärischen Zwischenspielen a la "Opeth" auf, um wenig später ein zweistimmiges Lead-Gitarren-Solo zu etablieren, dessen Melodie einen bis zum Songende nicht mehr loslässt, vor welchem man es aber nicht versäumt, noch einen Kinderchor mit Blast Beats zu kombinieren!
Track 4 beginnt mit verschmitzt-schleppenden Zirkus-Melodien, steigert sich in einen wüsten, enorm groovenden Extrem-Orkan, welchen man organisch mit einer sich episch steigernden Beatles-Bridge verwebt, die man zu einem gigantischen, übergroßen Finale auftürmt. Es folgt eine Country-Ballade, die das Niveau mit fantastisch-präzisen Akustik-Gitarren und großartigem Earcatcher-Gesang hoch hält und alles andere als der übliche Lückenfüller ist, bevor der finale 17-Minüter anbricht, der "Mastodon"-ähnlichem Gesang über organische Lead-Riffs legt, brutal ausbricht, dann asiatische Folk-Themen integriert, sie mit abgefuckten Takt-Breaks kombiniert, alles in gigantisch-aufgetürmte Soli steigern lässt, Blast-Beats über Melodien stülpt....
"The Great Misdirect" ist eines der originellsten und verrücktesten Alben, die ich seit langem gehört habe und trotz überlangen Songs (6, davon 4 um die 10-Minuten oder länger) unglaublich abwechslungsreich, unvorhersehbar, interessant und vor allem sowohl in den abgrundtief brutalen Extrem-Passagen, als auch in den unterschiedlichsten Zwischenspielen unglaublich versiert, heimisch, perfekt...egal ob Jazz-Groove, Beatles-Hooks oder asiatischen Passagen. Vollkommen unglaublich! Sagenhaft ist, dass sämtliche verrückte Einfälle hier regelrecht natürlich wirken, als wäre es das normalste Blastbeat-unterlegte Kinderchöre mit anbetungswürdigen Double-Lead-Soli oder extremen Growl-Gesang mit chilligen Lounge-Parts zu kombinieren...keine Passage wirkt selbstgefällig, wie es im Progressive Metal nicht gerade unüblich ist. Hier ran sollten sich John Petrucci & Co, mal ein Beispiel nehmen, denn es liegt eigentlich nicht in der Bedeutung des Genres in jedem Lied einfach so viele 32tel-Soli zu verpacken, wie möglich. Als Metal-Neuling sind "Between the Buried and Me" dennoch mit Vorsicht zu genießen, da die explodierende Aggression mit abgrundtief brutalen Growl-Vocals mit Sicherheit nicht massentauglich ist...
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The Human Abstract - Digital Veil
"The Human Abstract" sind ein noch recht unbekannter Bestandteil der momentanen, technischen Core-Welle, finden mit neoklassischen Elementen, Muse- und Queen-lastigen Gesangssphären und kompakt-abwechslungsreichem Songwriting aber durchaus ihre eigene Nische. Die Technik ist beeindruckend, besonders wenn ultrapräzise Nano-Breakdowns das Abstoppen von Gitarrensaiten geradezu revolutionieren, der Gesang, klassisch zwischen Growls und earcatchigen Chorus-Melodien schwankend, überzeugt. Das Melodieverständnis der Jungs ist großartig, die Ideen auch, letztendlich hätte man sich von all dem aber noch viel mehr gewünscht, denn nach einer guten halben Stunde ist der Technik-Orkan schon vorbei. Hier versteckt sich ungeheures Songwriting-Potenzial, was die Tech-Metaller aus L.A. mit "Digital Veil" aber noch nicht ganz ausreizen können. Der unglaublich abwechslungsreiche und großartig komponierte Track "Complex Terms" gehört aber schon auf Anhieb zu meinen Lieblingssongs des Jahres...