![Bild](http://img520.imageshack.us/img520/4514/thhe1av5.jpg)
Originaltitel: The Hills Have Eyes
Herstellungsland: USA
Erscheinungsjahr: 1977
Regie: Wes Craven
Darsteller: Susan Lanier, Robert Houston, Martin Speer, Dee Wallace, Russ Grieve, John Steadman, James Whitworth,Virginia Vincent, Lance Gordon, Michael Berryman, Janus Blythe, Cordy Clark
Vince gähnt:
Sicherlich kann man Wes Cravens Frühwerk “The Hills Have Eyes” legitimerweise als einen der tragenden Eckpfeiler des prägenden amerikanischen Horrorkinos der Siebziger Jahre betrachten. Gerade aus der schmuddeligen Exploitation der amerikanischen Weiten heraus entwuchs die Essenz des gesellschaftlich angetriebenen Horrors, einst eingeleitet mit George A. Romeros Meilenstein “Night of the Living Dead” noch während des Vietnamkriegs Ende der Sechziger, und mit ihm und Tobe Hoopers “Texas Chainsaw Massacre” zusammen kann man gar soweit gehen, Cravens Arbeit als Teil des stellvertretenden Triptychons für eine Horrorfilmepoche zu betrachten, die eine anonyme Angst vor den unbekannten Gefahren des Kalten Kriegs auszeichnet. Die Verbreitung des Films über den Videomarkt Anfang der Achtziger wird dazu beigetragen haben, dem “Hügel der blutigen Augen” die Aufmerksamkeit zuteil werden zu lassen, die er heute als bereits erfolgreich geremaketer Klassiker genießt. Ich selbst habe diesen Kult, wie ich zugeben muss, nie am eigenen Leibe gespürt, sondern ihn erst nachträglich unbeeinflusst als filmhistorisch Interessierter sehen können. Das war allerdings auch bei Romeros und Hoopers Referenzwerken der Fall, und im Gegensatz zu diesen konnte ich nun Wes Cravens Pendant als filmische Arbeit nicht allzu viel abgewinnen. Zu improvisiert, zu ungeordnet prasselt die Geschichte mit ihren ungelenk wirkenden Bildern heute auf mich ein, als dass ich ihr aus dem Stand zutrauen würde, dass die subversiven Elemente in der Masse tatsächlich allesamt intentionaler und nicht unbewusster Herkunft wären.
Diesen möglicherweise unberechtigten Schluss ziehe ich weniger aus der Grundidee, denn diese dient mit einer stilprägenden Konstellation: der durchschnittlichen amerikanischen Kleinstadtfamilie, die inmitten einer Einöde aus unbekannten Gefahren aus ihrer zivilen Lebensordnung gerissen und mit dem Schrecken des Abnormalen konfrontiert wird, das jedoch durchaus von Menschenhand erschaffen wurde. Menschenfressende Außenseiter im Exil, Ausgestoßene aus einer Gesellschaft, welche nur in großen außenpolitischen Dimensionen denkt und im Sinne der Erhaltung der jeweils eigenen Souveränität handelt.
Erfreulich, dass Craven auch die “Monster” des Films charakterisiert und ihnen Zeit zugesteht, sich menschlich zu entwickeln. Die Kannibalenfamilie ist nur kurzzeitig mit dem klassischen Horrorschema des sich dem menschlichen Verstand Verwehrenden geschlagen - nur so lange, wie die Familie beim Tankwart gastiert, der als letzter Vorposten zur “Hölle” Warnungen ausstößt und das Unaussprechliche hinter den Hügeln dämonisiert. Doch alsbald bricht Craven mit den Erwartungen des Zuschauers an einen Horrorfilm und zeigt die Monster als Abbild der vorbildlich wirkenden und sich zur Identifikation anbietenden Familie um Dee Wallace Stone und Robert Houston. Dem Zuschauer soll es schwierig gemacht werden, sich uneingeschränkt mit der Familie zu identifizieren, die unverschuldet in einen Alptraum geraten ist, da das Schicksal auch ihren Gegenspielern, obgleich diese den offensiven Part in der blutigen Konfrontation übernehmen, übel zugespielt hat. Von der Idee her funktioniert die Parabel auf gesellschaftliche Sachverhalte also durchaus, sticht sie doch deutlich und vor allem differenziert aus der Masse der Horrorfilme heraus.
Rein technisch betrachtet jedoch erscheinen mir diese vielversprechenden Ansätze wenigstens aus heutiger Sicht nur mangelhaft umgesetzt. So schön man Cravens Werk auch umschreiben kann, so viel Bedeutung ihm man auch beimessen möchte, so interessant er sich nach dem obigen Ansatz auch anhören mag, das tatsächliche Bild- und Tonmaterial gibt leider nur wenig davon wieder und enttäuscht hochgesteckte Erwartungen. Storytechnisch ausgesprochen dröge wird man durch die Monotonie der orangefarbenen Wüste geführt und mit stakkatohaften, zufällig wirkenden Ereignisketten überrumpelt, die jeglicher Dramaturgie entbehren. Das mag man authentisch nennen, man kann es als bewusste Anklage gegen das normalisierte Vergnügen eines Filmevents auslegen gerade mit seinem rücksichtslosen, abrupten Ende, doch zugleich entbehrt es einer bewussten Aussage, die man direkt dem Filmmaterial entnehmen kann. “The Hills Have Eyes” ist für sich betrachtet übelster Trash, uninteressant in seinem Ablauf, niederste exploitative Begierden befriedigend, der unter anderen gesellschaftlichen Umständen identisch von einem nur bedingt begnadeten Filmstudenten hätte umgesetzt werden können. Ein gewisses Grundgefühl für Kameraeinstellungen, Schnittmontagen und Bildkompositionen traut man fast jedem zu, der überhaupt in die glückliche Lage kommt, etwas drehen zu dürfen. Hier sind keine Besonderheiten zu erkennen. Und dass es ja eben nicht, so könnte man mir unterstellen, unter anderen gesellschaftlichen Umständen, sondern unter genau diesen entstanden ist, macht es noch lange nicht zu einem Meisterwerk.
Sowohl die Camperfamilie als auch die Hinterwäldler leiden unter zu oberflächlicher Charakterisierung. Macht man sich schon die Mühe und gibt Einblick in den privaten Kreis letztgenannter Gruppe, wäre es auch wünschenswert gewesen, ihre Position als von der Gesellschaft zurückgedrängtes Opfer deutlicher herauszustellen. Wäre nicht der charismatische Michael Berryman und hätte mit seinem unverwechselbaren Glatzkopf eine ähnliche Ikone geschaffen wie Angus Scrimm zwei Jahre später mit dem “Tall Man”, die Gesichtslosigkeit der Angreifer, des bedrohenden Elements, wäre erschreckend gewesen.
Umgekehrt bleibt gerade Robert Houston als rebellierender Bobby ausgesprochen blass und unglaubwürdig in seiner Rolle. Ansonsten möchte man sich auch mit niemandem identifizieren; weniger wegen der Gegenkonzeption der Ausgestoßenen, vielmehr wegen der Figurenzeichnung und Darstellung der Camper, die in einem zentralen Angriff auf den Wohnwagen auf wenige Verbliebene dezimiert werden. Dee Wallace Stone weist als einzige annähernd Charisma auf.
Kann der Einbau der beiden Hunde ausnahmsweise mal als sinnvoll und gelungen bezeichnet werden, wo sie doch mehr Zweck erfüllen als nur eine erste Vorwarnung, wie kaltblütig die Gegner zu Werke gehen, so ist die mit der Gegenseite sympathierende Figur fehlplatziert ausgerechnet in Bezug darauf, dass sie die dramatischen Plätze eines Unterhaltungsfilms ausfüllt, die Craven ansonsten so bemüht ist, zu verhindern. Dafür spricht wenigstens die äußerst verdrehte, teils irrationale, nicht nachvollziehbare Art, wie sich das Drehbuch seinen Weg zum auf Höhepunkt getrimmten Ende bahnt. Sollte mit der unregelmäßigen Ereigniskette tatsächlich Realismus wiedergespiegelt werden, so macht dem die Unglaubwürdigkeit mancher Verhaltensfolgen einen Strich durch die Rechnung.
Sicherlich entbehrt “The Hills Have Eyes” nicht vollständig einer Individualität, die durchaus in ihren Bann zu ziehen mag. Wären Filme Drogen, wäre dieser für die Menschen von heute dennoch eine sehr weiche Droge, denn zu schwer ist es, sich wirklich auf diesen Wust aus Staub und Ödland einzulassen. Dass die Schraube für die Darstellung von Brutalität in den letzten Jahren stark gelockert wurde, beweist das diesjährige Remake, und insofern fasziniert heute allenfalls noch der gesellschaftliche Diskurs, den das Original bei näherer Betrachtung zu entfesseln vermag. Weiterhin noch der Vergleichswert mit dem Remake für jüngere Generationen und vielleicht noch der Kuriositätenwert, dem auch Michael Berryman angehört. Ansonsten ein unterhaltungstechnisch ausgesprochen lauer Geschichtsbeitrag. Alexandre Ajas Loyalität zu Cravens Vorlage darf damit gar angezweifelt werden; vielleicht hat er einfach nur die Chance gesehen, ein Remake-Projekt anzugehen, das sich ausnahmsweise mal wirklich lohnt.
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In Deutschland gibt es den Film uncut nur als Bootleg; Laser Paradise bietet eine geschnittene DVD an. In Österreich wurde jedoch von NSM/Laser Paradise Box eine uncut-Box mit em Sequel und "Mindripper" veröffentlicht.