
Originaltitel: The Long Kiss Goodnight
Produktionsjahr: 1996
Herstellungsland: USA
Laufzeit: ca. 120 Min
MPAA: Rated R for a substantial amount of strong bloody violence, and for strong language.
FSK: 16
Regie: Renny Harlin
Darsteller: Geena Davis, Samuel L. Jackson, David Morse, Brian Cox, Yvonne Zima, Craig Bierko, Tom Amandes, Patrick Malahide, Joseph McKenna, Dan Warry-Smith
1995 war das erste Gemeinschaftsprojekt von Actionfinne Renny Harlin und seiner damaligen Gattin Geena Davis böse nach hinten losgegangen: Der Versuch, das seit den 50er-Jahren tot auf dem Meeresgrund versunkene Korsarengenre mit dem Abenteuerspektakel „Die Piratenbraut“ zu reanimieren, geriet im Jahre acht vor Gore Verbinskis Überraschungshit „Pirates of the Caribbean“ zu einem der größten finanziellen Debakel, die Hollywood jemals gesehen hatte: Gerade mal ein Zehntel des stattlichen Budgets von 100 Millionen Dollar spielte das Seeräuberspektakel am Boxoffice wieder ein und sorgte dafür, dass die Produktionsgesellschaft Carolco Pictures Insolvenz anmelden musste. Keine guten Vorzeichen also für eine weitere Kollaboration des damaligen Paares Harlin/Davis. Das nächste und gleichzeitig letzte Gemeinschaftsprojekt erblickte jedoch bereits im Jahr darauf das Licht der Leinwand: Für den Actionfilm „Tödliche Weihnachten“ kehrte Harlin zurück auf sicheres Terrain und lieferte einen weiteren furiosen Beitrag zu einem Genre, das nicht nur im Gegensatz zu Seeräuberspektakeln oder Western nicht seit Jahrzehnten ausgestorben war, sondern in dem er auch zu den versiertesten Regisseuren der frühen 90er-Jahre zählte. Mit „Prison“ und dem vierten Teil der populären „Nigthmare on Elm Street“-Franchise um Klauenhand Freddy Krueger war der Finne nach seinem Debüt „Born American“ Ende der 80er zwar zweimal ins Horrorgenre exkursiert, konnte mit der Inszenierung des zweiten „Stirb langsam“-Abenteuers „Die Harder“ 1990 allerdings seinen Ruf als souveräner Genreregisseur zementieren und drei Jahre später mit einem weiteren namhaften Actionstar zusammenarbeiten: Sylvester Stallone, den Harlin durch die Bergsteigeraction „Cliffhanger“ lotste.
Es folgte „Die Piratenbraut“ und im Anschluss einer seiner letzten Erfolge: „The Long Kiss Goodnight“, in Deutschland mit dem einfallsreichen Titel „Tödliche Weihnachten“ bedacht, der von der finanziellen Warte aus gesehen zwar ebenfalls keine Bäuem ausriss und lediglich die Hälfte seiner Produktionskosten von gut 60 Millionen Dollar wieder einzuspielen vermochte, unter Genrefans aber verdient hohes Ansehen genießt und neben der drei Jahre später folgenden Hai-Trashgaudi „Deep Blue Sea“ Harlins letzten Kracher darstellt. Seit der Jahrtausendwende zeigte er zwar mit Filmen wie „Driven“ und „Mindhunters“ weiterhin Präsenz, ein Hit gelang ihm aber weder in finanzieller noch qualitativer Hinsicht. „The Long Kiss Goodnight“ thront da auf einem ganz anderen Niveau, zählt er doch nicht grundlos zu der Kategorie von X-Mas-Dauerbrennern, die man als Alternative zu kitschiger Komödienware pünktlich zum Fest in den Playern wandern lässt oder Jahr für Jahr auf Pro 7 begutachten kann. Schließlich stand Harlin für das blutige Vergnügen ein weiterer Genrespezialist zur Seite: Shane Black. Der hatte 1987 das Drehbuch für den Kultklassiker „Lethal Weapon – Zwei stahlharte Profis“ verfasst und im Anschluss das Skript zum Bruce-Willis-Hit „Last Boy Scout“ sowie der ironischen Schwarzenegger-Gaudi „Last Action Hero“ geliefert. Auch „Tödliche Weihnachten“ bestückte der gleichzeitig als Produzent fungierende spätere „Kiss Kiss Bang Bang“-Regisseur mit einer klassischen, vor coolen Sprüchen nur so überquellenden Crimestory.
Die Lehrerin Samantha Caine (Geena Davis) lebt ein glückliches amerikanisches Vorzeigeleben mit Haus, Freund und Partner, leidet allerdings unter Amnesie. Vor acht Jahren wurde sie an einem Strand gefunden und kann sich an nichts erinnern, was davor geschah. Seitdem sind Schnüffler wie der Privatdetektiv Mitch Hennessy (Samuel L. Jackson) ihrer Vergangenheit auf der Spur – bislang ohne jeden Erfolg. Als sich Samantha eines Tages auf einer im TV übertragenen Weihnachtsparade zeigt, wird sie allerdings von den Schatten der Vergangenheit eingeholt. Plötzlich stehen CIA-Killer und Verbrecher auf der Matte und trachten der Mutter nach dem Leben. Zusammen mit Mitch kommt sie einer furchtbaren Wahrheit auf die Spur: Samantha heißt in Wirklichkeit Charly Baltimore und zählte zu den Topkillern der Central Intelligence Agency – gut, dass ihr altes Ich auf der Flucht wieder zum Vorschein kommt, denn eine Häscherarmada im Nacken bedingt rohe Waffengewalt und alte Tötungsinstinkte…
Blacks Story erfindet sicherlich das Rad nicht neu, die Tatsache, dass über fünf Jahre später mit der „Bourne“-Trilogie eine sehr ählnliche Thematik zum gefeierten Kassenschlager avancieren konnte, beweist allerdings den unvergänglichen Reiz des Konzepts: Eine Frau mit Amnesie wird von den Dämonen einer dunklen Vergangenheit eingeholt – hier entwickelt sich daraus keine mit Kameragewackel ruinierte Agentenstory, sondern ein rasanter, ironischer Actionkracher in bester 80er-Jahre-Tradition, der dem geneigten Zuschauer ein wahres Feuerwerk cooler Sprüche und rasanter Krawallszenen kredenzt. Die titelgebende Weihnachtszeit spielt dabei eigentlich nur am Rande eine Rolle – anfangs als gekonntes Mittel eingesetzt, das portraitierte Familienidyll in eine dafür klassischerweise passende Umgebung einzubetten, spielt das Fest der Liebe abgesehen von den winterlichen Locations schnell keine Rolle mehr – mit dem Hinhalten der anderen Wange hat Charly Baltimore nämlich nicht wirklich viel am Hut, sondern greift lieber zu schweren Waffen, um Geheimdienst und Verbrechern ordentlich in den Hintern zu treten.

Und das bereitet dem Zuschauer einen Heidenspaß! Die Suche nach ihrer wahren Identität führt Samantha/Charly zu ehemaligen Zielpersonen, Verbündeten, Informanten und Verrätern – und letzten Endes gilt es, einen Anschlag zu verhindern, der Tausenden von Menschen das Leben kosten und den Arabern in die Schuhe geschoben werden soll. Das einzige, was man Blacks Skript ankreiden kann, ist, dass es gegen Anfang auf allzu viele Zufälle baut: Ein Autounfall, in folge dessen Samantha sich an ihr ehemaliges Ich zu erinnern beginnt, der Erfolg von Hennessys Detektei, eine Spur zu ihrer Vergangenheit zu entdecken und die Tatsache, dass ein Gefängnisinsasse die Ex-Killerin im Fernsehen während einer Weihnachtsparade erkennt, stoßen allzu unglaubwürdig in einem kurzen Zeitraum zusammen – dem flott heruntergekurbelten Fortgang der Story sei dank fällt das aber nicht weiter ins Gewicht. Zwar verläuft Samanthas Rückverwandlung in die knallharte Charly Baltimore ein wenig holprig, bietet aber andererseits die Gelegenheit für stilvolle Traumsequenzen, in denen sich beide Hälften ihrer Persönlichkeit gegenüberstehen und Charly Samantha zu verführen sucht. Was beim ersten Mal etwas befremdlich wirkt, erweist sich schnell als originelles und stylishes Element, das einen gleichermaßen kunstvollen wie trashigen Hauch von Fantasy ins Geschehen bringt.
Neben diesen surrealen Traumsequenzen garniert Black die Handlung vor allem mit den beiden Elementen, in denen er Meister ist: Witzige Oneliner und von Renny Harlin kongenial umgesetzte Actionszenen. „Tödliche Weihnachten“ ist weder eine Dauerkanonade an Krawallschauwerten noch hat der Film einen astronomischen Bodycount aufzuweisen, die herrlich altmodische Action tritt aber in stets ausreichendem Maße und makelloser Qualität auf, die für den geneigten Genrefan keine Wünsche offen lässt. Egal ob die gerade erst ihre alten Killerskills wiederentdeckende Samantha sich eines Attentäters in ihrem eigenen Haus erwehren muss und allerlei Interieur zu Bruch geht, sich das Treffen mit einem Informanten als verhängnisvolle Falle herausstellt, Charly gegen Ende Dutzende von Badguys niedersnipern darf oder die Pyrotechniker wahnsinnige Explosionen abfeuern dürfen – „The Long Kiss Goodnight“ lässt diesbezüglich keine Wünsche offen und garniert die Shootouts überdies mit einem ordentlichen Härtegrad, sodass der eine oder andere Badguy mit schön blutigen Durchschüssen über den Jordan wandert. Inszenatorisch bleibt Harlin hier ganz beim bewährten „Die Hard 2“-Stil, an den „Tödliche Weihnachten“ ohnehin stark erinnert – zumal Samuel L. Jackson als x-fach angeschossenem Helden wider Willen eigentlich nur Feinripp-Unterhemd und eine andere Hautfarbe zum perfekten Bruce-Willis-Äquivalent fehlen.
Jackson erweist sich überhaupt wie zu erwarten als schauspielerisches Glanzlicht des Films und mimt seinen Privatdetektiv, der unversehens in eine Menschenjagd auf Leben und Tod gerät, mit der Lässigkeit und Coolness, für die man ihn liebt und hat daher auch den Löwenanteil der göttlichen Sprüche auf seiner Seite, die in „The Long Kiss Goodnight“ im Minutentakt abgefeuert werden. Garniert mit zahlreichen humoristischen Highlights büßt Harlins Film dennoch nie seinen eher harten, düsteren Grundton ein. Geena Davis macht ihre Sache als Actionheldin überzeugend und in einer Nebenrolle als mysteriöser Dädalus ist auch David Morse mit von der Partie.
Fazit: Mit „Tödliche Weihnachten“ setzte Actionfinne Renny Harlin ein gekonntes Drehbuch von Genrespezialist Shane Black als witzige, spektakuläre Thriller-tour-de-Force um, die ihre klassische, unterhaltsame Amnesie-Story mit einem Feuerwerk witziger Sprüche und rasanter, harter Krawallszenen garniert und überdies auf das perfekt harmonierende Hauptdarstellerpaar Geena Davis / Samuel L. Jackson bauen kann. Ein klassisch guter, mit Witz gespickter Actionthriller, alle Jahre wieder das ideale filmische Kontrastprogramm zu kitschigen Weihnachtskomödien.

Auf DVD ist der Film ungekürzt mit einer FSK-16 von Warner/New Line oder VCL/MAWA zu haben.