
Originaltitel: The Ruins
Herstellungsland: USA
Produktionsjahr: 2008
Regie: Carter Smith
Darsteller: Jonathan Tucker, Jena Malone, Laura Ramsey, Shawn Ashmore, Joe Anderson, Sergio Calderón, Dimitri Baveas u.a.
Die Wege der beiden Freundinnen Amy und Stacy werden sich wegen der Aufnahme eines Studiums an verschiedenen Universitäten demnächst unwiderruflich trennen. Um noch einmal ausgiebig Zeit miteinander zu verbringen, reist man mit den jeweiligen Boy Toys Jeff McIntire und Eric nach Mexiko und genießt das Leben in vollen Zügen. Da begegnen sie dem Deutschen Matthias. Dieser ist auf der Suche nach seinem Bruder Heinrich und dessen Freundin und überredet die vier Amerikaner, ihn bei seiner Suche zu begleiten. Diese führt ihn nämlich an ein altes Relikt aus der Mayazeit und erscheint den vier Freunden als lohnenswertes Ausflugziel. Gemeinsam mit dem Griechen Dimitri bricht man gen Mayapyramide auf. Kaum hier angekommen, wird Dimitri von Einheimischen gemeuchelt! Und schlimmer noch: Die Einheimischen machen nicht den Eindruck, als würden sie die fünf anderen Abenteurer die Mayapyramide wieder verlassen lassen. In der Hoffnung, dass das Reisebüro oder Verwandte umgehend nach Bemerken ihres Verschwindens Hilfe senden werden, fügt sich die kleine Reisegruppe in ihr Schicksal. Nicht ahnend, dass ihnen der wahre Horror von ganz anderer Seite droht …

Ruinen ist ein Film nach dem Buch „Dickicht“ von Scott Smith, auf das sich – man höre und staune - Ben Stiller eine Option sicherte und den folgenden Film mit produzierte. Scott Smith wandelte für den Streifen Ruinen seine eigene Vorlage in ein Drehbuch um und unterwandert mit selbigem so manche Erwartungshaltung des Publikums. Denn Ruinen beginnt, wie alle typischen Teenieslasher und Horrorstreifen der letzten Zeit auch: Frontalbabes und Modelltypen lungern am Strand rum, aalen ihre perfekten Körper in der Sonne, saufen, pimpern und sondern verdammt viel Dünnes ab. Dabei schafft es das Drehbuch nicht für einen Pfifferling, so etwas wie glaubwürdige Charaktere zu entwerfen oder auch nur ansatzweise wirklich interessante Szenen zu generieren. So beschleicht den Zuschauer recht schnell das ungute Gefühl, dass dieser Film sich mühelos in die Reihe an hirnlosen Teeniehorrorstreifen der letzten Dekade einreihen wird. Doch weit gefehlt.
Denn mit Ankunft der Reisegruppe an dem Mayarelikt beginnt sich Ruinen langsam aber stetig permanent zu steigern und den Zuschauer zu fesseln. Dabei ist es vor allem die Ausweglosigkeit, die dem Zuschauer einen Schauerabgang nach dem anderen versorgt. Denn die Gruppe kommt eben nicht nur nicht von der Pyramide weg, nein, obendrein muss sie sich einer noch viel größeren Bedrohung stellen, die eben genau auf dieser Pyramide wuchert. Diese Ausgangssituation ist so stark, dass sich sogar Regisseur Carter Smith voll und ganz auf sie einschießt und Probleme wie Wasser- und Lebensmittelknappheit nur minimal kurz anschneidet, ohne diese Elemente jemals als Spannungsverstärker einbinden zu müssen!

Aus dieser starken Ausgangssituation heraus generiert Smith dann so ziemlich das packendste und spannendste Stück Terrorkino, dass man seit langer Zeit auf der großen Leinwand gesehen hat und das voll ist von Szenen, die den Zuschauer unbewusst Luft durch die Vorderzähne ziehen lassen. Denn Smith geht mit seinen Protagonisten alles andere als zimperlich um und verleiht dem Begriff Leiden ganz neue Dimensionen. Diese Momente überzieht er aber nie. Lässt ihnen einen realistischen Anstrich und sorgt so für einen grausamen Realismus, der eine lang und breit ausgespielte Operation und diverse Selbstverstümmelungsaktionen so grausam beklemmend wirken lässt, dass man sich diesen Momenten niemals entziehen kann.
Ein wichtiger Punkt für das Gelingen dieser teils sehr harten Einlagen sind die unverbrauchten, beherzt und engagiert aufspielenden Jungdarsteller, bei denen eigentlich nur X-Men Star Shawn Ashmore die angeschlagene Pace nicht mitgehen kann, was aber auch in der Passivität seiner Rolle verankert ist. Wenn er dann irgendwann aus dem Film scheidet, schockt diese Einlage aber dennoch extrem, was beweist, dass man irgendwie auch mit der Figur des Eric so etwas wie Empathie empfunden hat. Und das, wo man von ihm wirklich nichts erfährt und das Drehbuch nicht einmal ansatzweise bereit ist, irgendwelche Fakten über ihn offen zu legen.

Ein Umstand der unisono auf alle Figuren zutrifft. Nur Jonathan Tuckers (The Black Donnellys) Jeff McIntire wird als Arzt verortet, weil man diesen Fakt für den Film benötigt. Und mit Tucker sind wir bei den wirklich starken Darstellern angelangt. Tuckers Jeff wird zu einer Art inoffiziellen Anführer der Gruppe und für den Zuschauer erscheint diese Entscheidung nur allzu logisch, da Tucker eine gewisse Autorität und Umsicht ausstrahlt, die ihm als Anführer sehr entgegen kommt. Die wirklich genialsten Momente hat Tucker aber immer dann, wenn die Kamera einfach nur seine entsetzt blickenden Augen abfilmt und der Zuschauer mehr Ahnung von dem erblickten Horror bekommt, als ihm liebe sein kann. So ist beispielsweise Jeffs Blick in Angesicht der Verletzungen von Matthias einer der Gänsehautmomente des Filmes.
Matthias Darsteller Joe Anderson ist bisher wie fast alle Darsteller des Streifens durch Indieproduktionen aufgefallen und beweist in Ruinen enorme Leidensfähigkeit. Sein intensives Spiel macht seine Leiden fast schon am eigenen Leibe spürbar. Auch Jena Malone als Amy kennt man bisher eher aus feinen Rollen in zumeist kleinen aber feinen Filmen wie Saved! Ruinen stellt damit eine Art ersten Gehversuch in Blockbustergefilden dar und bietet ihr einen wirklich guten Einstieg in Sachen Scream Queen. Auch wenn sie eher umsichtig und bedacht agieren darf und somit eine Art Powerfrau im Cast stellt.

Richtig beeindruckend fällt allerdings die Performance von Laura Ramsey als Stacy aus. Optisch ein Engel vor dem Herren leidet sie in den ersten 20 Minuten am meisten unter dem dünnen Drehbuch. Sie muss die miesesten Zeilen von sich geben und eben verdammt blond agieren. Die männliche Zuschauerschaft darf dann noch ihrem verdammt heißen, wundervoll nackten Körper huldigen und schon hat sie ihren Stempel des dummen Blondchens im Film weg. Doch wie der Film steigert sich Fräulein Ramsey mit zunehmender Laufzeit immer mehr, legt an Intensität in ihren Auftritten und ihrer Leinwandpräsenz mehr als nur ein wenig zu und zieht sämtliche Sympathien der Zuschauer auf sich, nur um gegen Ende eine Schockerszene an die nächste zu reihen und für eine Vielzahl an Klößen im Hals zu sorgen. Von dieser jungen Frau werden wir sicher noch verdammt viel hören!
Eine weitere sichere Bank an Ruinen ist seine technische Seite. Insbesondere Kameragott Darius Khondji verleiht dem Film einen ganz eigenen Look mit wirklich beklemmenden Qualitäten. Denn Licht und Helligkeit sind in diesem Film Mangelware. Und das, obwohl man in Regenwäldern agiert und immer wieder in sonnendurchfluteten Arealen agiert. Doch in Ruinen zieht niemals Helligkeit auf, die Farben sind immer gedeckt, alles wirkt wie in einem düsteren Nachtmahr und verleiht dem Streifen die optische Entsprechung dessen, was der Film bei seinem Zuschauer auslöst: kaltes Grausen. Obendrein gelingt es Khondji, den immer gleichen Schauplatz niemals langweilig wirken zu lassen, verzichtet Regisseur Smith doch durchgehend auf Schauplatzwechsel! Einmal an der Pyramide angelangt, verlagert der Film nicht einmal seinen Schauplatz. Werden in dem Hotel der Reisenden Suchtrupps organisiert? Egal! Wie leben die Einheimischen? Wen interessiert’s? Wie wäre es mit Flashbacks in die Vergangenheit der Charaktere? Braucht kein Mensch. Und so ist es an Khondji die Pyramide immer wieder aufs Neue bedrohlich erscheinen zu lassen, was er mühelos schafft.
Auch die Effektarbeit sitzt auf den Punkt und fällt eher durch Understatement und viele Handmadeeffekte auf. Eigentlich gibt es nur eine größer angelegte Effektszene, die herrlich organisch wirkt und einwandfrei funktioniert. Die musikalischen Glanzpunkte setzt dabei ein endlich mal wieder beherzt aufspielender Graeme Revell, der seit langem mal wieder einen richtig guten Score gestemmt bekommt!

Natürlich ist auch Ruinen nun kein echter Überfliegerfilm geworden. Dafür ist die Charakterzeichnung zu dünn, wirkt das im Vergleich zum Buch optimistischere Ende ein wenig unstimmig, gibt es einige Momente unfreiwilligen Humors und ist vor allem der Einstieg ein wenig zu belanglos geraten. Aber spätestens mit Ankunft an und auf der Pyramide entfaltet Ruinen eine Sogwirkung, die sich gewaschen hat, legt extrem an Drastik zu und entwickelt in seinen besten Momenten echte Panikqualitäten. Den größten Verdienst daran haben die hervorragend aufspielenden Darsteller, die trotz dünner Charakterzeichnung für ein enorm hohes Involvement sorgen und mit enormer Leidensfähigkeit ausgestattet ein ums andere Mal für verstörende Filmmomente sorgen … Dazu kommt eine extrem unbequeme und alles andere als Urlaubsfeeling verbreitende Optik … Stark!

In diesem Sinne:
freeman