
Originaltitel: Gwoemul
Herstellungsland: Südkorea
Erscheinungsjahr: 2006
Regie: Bong Joon-ho
Darsteller: Song Kang-ho, Byeon Hee-bong, Park Hae-il, Bae Du-Na, Ko Ah-seong, Oh Dal-soo, Lee Jae-eung, Lee Dong-ho, Yoon Je-moon, Lim Pil-seong u.a.
Hee-Bong besitzt am Fluss Han eine kleine Kioskbude, die er gemeinsam mit seinem Sohn Gang-Du leitet. Gang-Du liebt es, den gesamten Tag zu verschlafen, hat ansonsten aber das Herz am rechten Fleck und kümmert sich aufopferungsvoll um seine Tochter Hyun-seo. Hee-Bongs zweiter Sohn schlägt sehr nach Gang-Du. Allerdings verschläft er nicht den lieben langen Tag, sondern er versäuft ihn lieber. Die Schwester von Gang-Du und Hae-Il heißt Nam-Ju und ist eine Art Hoffnungsschimmer der Familie, steht sie doch bei den Weltmeisterschaften der Amateure im Bogenschießen im Viertelfinale. Dummerweise hat aber auch sie ein kleines Problem: Sie ist einfach zu zögerlich. Der Todesstoß für eine Goldmedaille. In diese "Idylle" platzt ein riesiges Ungeheuer, das Hyun-Seo eines schönen Tages verschleppt und scheinbar verspeist! In die daraus folgende Diskussion um Schuld und Unschuld der einzelnen Familienmitglieder an dieser Tragödie platzt ein Handyanruf von Hyun-Seo! Sie werde von der Kreatur in einer Art Kanal gefangengehalten und man solle ihr doch bitte helfen! Leider glaubt dem panisch reagierenden Gang-Du niemand ... außer seiner Familie, die nun im Alleingang aufbricht, um Hyun-Seo zu befreien.

Man muss den Koreanern in Bezug auf "The Host" (der im koreanischen Original im Übrigen einfach nur "Die Kreatur" heißt) für mehrere Punkte dankbar sein. Zum einen befreien sie den Asiahorror endlich einmal vom Muff des japanophilen, sich derzeit ständig wiederholenden Langweilerhorrors, der bis auf langhaarige Mädchen und lethargisch vor sich hin starrende Kinder nichts mehr zu bieten zu haben scheint und sich inzwischen sogar in seiner Paradedisziplin, dem Aufbau einer unheilschwangeren Atmosphäre, teils gründlichst verhebt. Zum zweiten beweisen sie, dass ein asiatisches Creature Feature nicht zwangsläufig mit einem tobenden Mann im Gummikostüm zu tun haben muss. Drittens strecken sie dem gesamten Subgenre den Mittelfinger entgegen und skandieren lauthals, dass man sich auch mit einem Monsterfilm nicht zwangsläufig auf den ausgetrampelten Pfaden vor allem amerikanischer Produktionen bewegen muss, um erstklassige Unterhaltung zu generieren.
Dementsprechend geht es in The Host auch eher weniger um die Fressgelage des Monsters. Vielmehr präsentiert man den Film vollkommen aus Sicht der teils hoffnungslos zerstrittenen Familie und lässt das Monster zu einer Art Nebenaspekt mutieren, der in die bestehenden - zerrütteten - Familienstrukturen einbricht, sie gehörig durcheinander würfelt und dabei allmählich zusammenwachsen lässt, was eigentlich nicht zusammen zu gehören scheint. Dieser Aspekt des Zusammenwachsens ist nun zwar nicht neu im Genre, schweißte doch schon so mancher Predator diverse eigensinnige Söldner zusammen, doch in The Host wird dieses Motiv niemals zur Nebensache oder zum Abfallprodukt der Menschenhatz, sondern es treibt den Film an und bestimmt Tempo und Stimmung des Streifens. Diese Auffrischung des Genres macht gehörigen Spaß und funktioniert hervorragend.

Dabei gönnte man sich sogar noch so manchen politischen Seitenhieb und füllt so die eigentlich simple Story hinter Host mit komplexeren Elementen auf, ohne dabei jemals über die Stränge zu schlagen. So klingen diverse kritische Punkte in Bezug auf den Umweltschutz an, ohne dass The Host irgendwie schulmeisternd oder belehrend wirken würde. Nehmen wir nur die Ausgangsprämisse zur Entstehung des Monsters: In einer US-Army Base (wo sonst ;-) ) beschließt man vollkommen eigensinnig, den Han-Fluss mit Abfällen chemischer Versuche zu verunreinigen. Diese Methode ist billig und es wird schon keiner merken. Als Nebenprodukt dieser Aktion entsteht durch Mutation das Monster des Streifens! Und bis auf die Geschichte um das Monster, ist diese Begebenheit wahr, wurde doch im Februar des Jahres 2000 ein koreanischer Untergegebener von einem Mitarbeiter einer US-amerikanischen Militärbasis angewiesen, mitten in Seoul Formaldehyd in den Han-Fluss zu kippen! Der Koreaner musste zwar gehorchen, wandte sich danach aber umgehend an die Öffentlichkeit und verstärkte mit seinen Ausführungen nur den Eindruck, den man in Korea von den teils etwas unbeherrscht auftretenden Amerikanern hatte. Bis heute wurde niemand für diese Tat belangt. Zeit also, zumindest die Natur in Form eines Monsters in dem Streifen The Host zurückschlagen zu lassen. Und so kommen die Amerikaner denn auch nicht sehr gut weg. Spätestens wenn gegen Ende "Agent Yellow" (sic!) vom Himmel regnet, das für Menschen absolut ungefährlich sei, holen die Koreaner massiv die Antiamerika Keule aus dem Sack und einen "Host" für einen angeblich vom Monster verbreiteten Virus gibt es ebenso wenig, wie Massenvernichtungswaffen in Irak. Aber, es ist ja nur ein Film ;-). Und immerhin bekommen die landeseigenen Institutionen ebenfalls gehörig einen auf den Deckel, denn anstelle die Umweltsünden einzubremsen, stehen sie nur machtlos daneben und unternehmen - wie damals im Februar 2000 - nichts!

Trotz dieser Fülle an interessanten Untertönen, wird man von The Host freilich auch auf genretypische Art hervorragend unterhalten. So machen die Koreaner hier auch wahrlich keinerlei Gefangene. Nach guten zehn Minuten hat das Biest seinen ersten Auftritt. Am hellichten Tage, komplett sichtbar ... als hätten die Koreaner den Spruch, dass am meisten Angst macht, was man nicht sieht, nie gehört. Und das ist auch gut so, denn Regisseur Bong Joon-ho hat absolut nichts verstecken. Sein Viech ist einfach eine grandiose Schöpfung moderner Digitaltechnik, für die man sich tatkräftige Unterstützung aus aller Herren Länder holte. So wirkte WETA (Herr der Ringe) ebenso an den - teilweise auch handgemachten - Effekten um die Kreatur mit, wie die Effektschmiede The Orphanage, die mit Kevin Rafferty (Der Magier hinter den Effektoverkills in MIB 2, Star Wars Episode I oder Jurassic Park) den VFX Supervisor von The Host stellte.

Dieses Team kreierte ein extrem agiles, garstiges, verdammt schnelles und riesiges Vieh, dem man einige Vorzüge spendierte, dank denen es sich an Land und zu Wasser extrem effektiv bewegen kann und zu verblüffend komplexen Bewegungsabläufen im Stande ist. Leider fand ich das Creature Design ein wenig misslungen. Die Kreatur entstand durch die Mutation eines Tieres in dem Han-Fluss, nur was das für ein Tier gewesen sein soll, kann man zu keinem Zeitpunkt auch nur erahnen. Ein Fisch? Ein Lurch? Eine Kaulquappe? Ein Delphin (für den das Vieh irrsinnigerweise auch gehalten wird!)? Ein Raketenwurm (an den vor allem das Maul frappierend erinnert)? Alle möglichen Wassertiere schienen der Kreatur Pate gestanden zu haben, nur wäre die Beschränkung auf eine Gattung wesentlich effektiver gewesen. Hat man sich jedoch erst einmal mit dem etwas eigentümlichen Look des Monsters angefreundet, macht es einfach riesigen Spaß, wie Regisseur Bong Joon-ho eine geniale Szene um das Vieh auf die andere türmt. Bereits der erste Auftritt des Unwesens setzt dabei die Pace verdammt hoch an: Zunächst schauen die Besucher des Han Parkes ungläubig zu, wie sich ein Klumpen "Etwas" von einer Brücke in den Fluss hinablässt. Man diskutiert, was es sein könnte, da bricht es schon aus dem Wasser. Ungläubig staunend beginnen die ersten Menschen die Flucht anzutreten. Diese Fluchtsituation weitet sich zu einer massiven Panik aus ... und mittendrin das Vieh, das Leute zermalmt oder durch bloße Berührung meterweit fortschleudert. Die ganze Szene wird immer eskapistischer, überdrehter und hektischer und auf einmal geraten Hyun-Seo und Gang-Du in den Fokus des Regieinteresses. Die nimmt auf einmal jegliches Tempo aus der Szenerie und lanciert eine ewig lang anmutende, megaedle Zeitlupenstudie der sich nun ereignenden tragischen Geschehnisse. Am Ende des ersten Auftrittes des Monsters schaut man ebenso ungläubig und geschafft auf das Monster und seine Missetaten wie Gang-Du und man weiß, dass man soeben Zeuge einer der eindringlichsten Szenen der jüngeren Monsterfilmgeschichte wurde, an der eigentlich alles stimmte!

Glücklicherweise steht diese Szene im Film nicht alleine da und wird durch den hochemotionalen und einigen Erwartungen zuwiderlaufenden Showdown noch getoppt. Hier trifft nämlich kein Arnold Schwarzenegger mit einem Schlachtplan auf seinen Widersachen, sondern hier prallen die Reste einer inzwischen wieder zusammengewachsenen Familie auf einen schier übermächtigen Gegner. Dementsprechend unbeholfen wirken ihre Aktionen und dementsprechend aussichtslos scheint der Kampf, der ein unerwartetes Opfer fordert und dank klassischer Musikuntermalung und erneut megaedler Zeitlupenstilisierung zu ganz großem Kintopp gerät. Leider offenbart genau dieser Showdown die gröbste Effektschwäche des Filmes, hat man doch mit der Darstellung von Feuer anscheinend seine liebe Not gehabt. Wirklich abschwächen kann dieses Manko den tollen Showdown allerdings nicht.
Dennoch sind wir mit diesem Punkt bei den Schwächen des Streifens angelangt. Natürlich gibt es trotz der eingehenden Effektlobpreisung die eine oder andere Szene, die ein wenig zu sehr nach Computer ausschaut - so wirkt die Oberfläche des Monsters ab und an zu glatt und perfekt, um wirklich real existieren zu können. Doch diese Effektmankos sind reine Makulatur. Viel schwerer wiegt die Tatsache, dass die Koreaner in The Host in einigen wenigen Szenen zu sehr ihrem heißgeliebten Overacting frönen. Die Folge sind aus westlicher Sicht teils schon irritierend seltsame und überzogene Momente, die in einer fast schon slapstickartig inszenierten Beerdigungsszene ihren "Höhepunkt" finden, da diese einen eher peinlich berührten denn amüsierten Zuschauer zurücklässt. Zwar betonte der Regisseur im Umfeld der Pressearbeit zu The Host mehrfach, dass derartige Szenerien so oder so ähnlich wirklich im Reallife der Koreaner stattfinden würden, wirklich abmildern kann diese Aussage den befremdlichen Aspekt der Szene allerdings nicht.

Darstellerisch ging Bong Joon-ho auf Nummer sicher und arbeitete mit vielen Darstellern, die er bereits aus seinen beiden Vorgängerfilmen Barking Dogs Never Bite und Memories Of Murder kannte. Dabei trägt vor allem Byun Hee-bong als Gang-Du massiv zu meinen Overacting Vorwurf bei. Sein ohnehin als nicht besonders hell angelegter Charakter beginnt dann doch ziemlich schnell extrem zu nerven und vor allem zum Ende hin darf er dann auch noch so richtig aufdrehen. Glücklicherweise fängt er sich vor dem großartigen Showdown wieder, ansonsten hätte die Aktion The Host ganz schön vor den Baum gehen können. Dagegen zeigt der Rest des Castes eine mehr als beeindruckende Ensembleleistung und vor allem die Familienmitglieder von Gang-Du werden teils mit viel Understatement von großartigen Mimen verkörpert, wobei vor allem die kleine Hyun-seo Darstellerin Ko Ah-sung sehr überzeugend aufzuspielen versteht und es schwer macht, nicht um ihr Leben zu bangen.
Mein letzter Kritikpunkt dürfte vermutlich von Zuschauer zu Zuschauer anders wahrgenommen werden. Denn, wie allmählich klar geworden sein dürfte, ist The Host alles andere als das typische 08/15 Creature Feature geworden. Die Konzentration auf das Familiäre, die gesellschaftskritischen Einsprengsel, die Verschiebungen in Richtung Slapstickkomödie ... all das bewirkt, dass Host zunehmend aus dem Fokus eines reinen Monsterfilmes herauslaviert wird. Die Folge davon sind dann aber auch - je nach Empfinden - einige Tempoprobleme und ein etwas unentschlossen wirkender Storyfortlauf. Obendrein kommt The Host ohne jeglichen Schockeffekt aus. Es gibt natürlich Momente mit sehr bedrohlichem und spannendem Einschlag, aber sowohl echte Spannungsspitzen als auch blutige Schockeffekte bleiben komplett außen vor! Mich persönlich störte dieser Umstand nicht sonderlich, allerdings glaube ich gerne, dass der eine oder andere Zuschauer je nach Erwartungshaltung an ein Monstermovie sich daran deutlich mehr stören könnte!

Was bleibt ist ein interessantes Creature Feature, das ab und zu dem eigenen Genre komplett zuwiderzulaufen scheint. Trotz teils befremdlicher - typisch asiatischer - Einlagen wie dem überzogenen Overacting ist The Host ein über weite Strecken stark gespielter, überraschend witziger, mit interessanten gesellschaftskritischen Untertönen angereicherter, grandios getrickster, optisch perfekter/wunderschöner, musikalisch bombastisch untermalter und zum Ende hin immer emotionaler werdender Horrorstreifen, der die eine oder andere Länge dank der druckvollen Auftritte des Monsters mühelos überspielen kann.

Die deutsche DVD kommt mit einer FSK 16 uncut von dem Label MFA+. Diese weist eine gelungene Synchronisation auf (die den Overactingaspekt sogar ein wenig abfedert!) und hat auch das eine oder andere Extra (unsinnigerweise leider nicht untertitelt im jeweiligen Originalton - teilweise Englisch und Koreanisch) an Bord.
In diesem Sinne:
freeman
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Vince schnabuliert:
Wenn ein Monster in deinem Vorgarten steht...
Monster Movies sind traditionell Zentrifugalkräfte. Sie greifen an einem großen Körper, der im Zentrum steht (das Monster), und von dort aus wirbelt die Dynamik die umstehenden Teilchen (die kreischenden Menschen-Ameisen) rund. Jene Teilchen versuchen dann, sich vom Körper im Zentrum weg zu orientieren. Das “fugal” in “Zentrifugalkraft” rührt nicht umsonst vom lateinischen “fugere” her, was so viel bedeutet wie “flüchten” - und die Flucht ist bekanntlich der wichtigste Antrieb eines jeden “Godzilla”-Filmes, aber auch schon eines amerikanischen “King Kong”.
Die Flucht misslingt jedoch stets auf Neue. Die Ameisen können rennen, so viel sie wollen, am Ende sind sie dem riesigen Ungetüm ja doch ausgeliefert. Hier kommt die Zentripetalkraft ins Spiel - eine Fliehkraft, die dafür sorgt, dass die umstehenden Teilchen in ihren zentrifugalen Bemühungen oval um den Korpus in der Mitte herumschleudern. Praktisch wider Willen werden sie an ihn gepresst. Das “petal” - man ahnt es schon - stammt vom lateinischen “petere” und bedeutet so viel wie “aufsuchen, anstreben”.
Eine cineastische Dynamik, die seit den frühen Dreißiger Jahren das Massenpublikum bannt und fasziniert, gibt der südkoreanische “Host” endlich, nach all den langen Jahren der japanischen Schreckensherrschaft durch Männer in Gummianzügen, die Miniaturbauten niedertrampeln, auf. Endgültig. Er ist nicht der Erste, der das macht; einige Monsterfilmmacher vor ihm wählten einen ähnlichen Weg. Selbst der aufgrund seiner fragilen Erzählstruktur verpönte “Jurassic Park 2" emanzipierte sich auf diese Weise von seinem ebenso traditionellen wie erfolgreichen Vorgänger, indem die Dinosaurier von der “InGen”-Problematik konterkariert wurden, was die CGI-Sensationen von Industrial Light & Magic ihre zentralfokussierte Position kostete. Dabei endet “Jurassic Park 2" ausgerechnet mit einer Hommage an “King Kong” (1933), einem der Archetypen des klassischen Monsterfilms.
Ohnehin noch verschleiert von typisch asiatischen Konventionen, die im Westen immer als Nachteil ausgelegt werden (Stichwort: Overacting im Trauersaal), wurden in “The Host” nun oftmals negative Dinge festgestellt, die den Streifen zu einem ambivalenten Erlebnis werden ließen: Er schwanke unentschlossen zwischen den Genres, es gebe nicht einen einzigen Surprise-Effekt, der narrative Aufbau sei brüchig und fehlerhaft und überhaupt wisse der Regisseur ja eigentlich gar nicht so genau, was er hier eigentlich erzählen wolle. Dabei sind das alles nur Begleitumstände einer nahezu revolutionären Erfrischungswelle, die das dürr gewordene Genre endlich wieder durchflutet. Auf kurze Sicht ist vielleicht noch gar nicht erkennbar, wie sehr wir diesen in seiner wissenschaftlichen Anlage noch so konservativen Monsterschinken (wieder sind radioaktiv verseuchte Gewässer Ursache für die Panik) brauchen.
Die erste große Angriffsszene lässt nicht lange auf sich warten und ihre Anatomie gibt Zeugnis davon ab, dass die mutierte Flusskreatur - eine gewöhnungsbedürftige Mischung aus Kaulquappe, Aal, Lurch, Kraken und Forelle - eher Katalysator eines anderen Korpus sein wird als selbst unmittelbarer Gegenstand der Aufmerksamkeit. “The Host” ist ein Sonnensystem mit einer Sonne, die wesentlich kleiner ist als der Jupiter, so dass man den Jupiter möglicherweise für die Sonne halten wird - der er aber nicht ist.
So ist der erste große Auftritt des Wesens von unverhohlener Art, womit dem insbesondere von Steven Spielberg propagierten Leitspruch zuwidergelaufen wird, dass dasjenige, was man nicht sieht, am Furchterregendsten ist. Ein Leitspruch, der in “Der weiße Hai” und “Jurassic Park” zur Geltung kam und den Bong Joon-ho nun mit Absicht ins Gegenteil verkehrt. Im Gegensatz zu Roland Emmerich, der auch gegen Spielbergs Leitspruch verstieß, seinen “Godzilla” jedoch aus reiner Sensationsgier so überdeutlich inszenierte, hat Joon-ho einen besseren Grund für die Offensichtlichkeit: Er überrumpelt das friedlich dahintölpelnde Leben der Flussansässigen mit einer grotesken Selbstverständlichkeit, die es gar erlaubt, dass das Monster unverhohlen am hellichten Tage unter einer Brücke ein Mittagsschläfchen hält und die Zivilisten lediglich interessiert herüberschauen.
Während der bald folgenden Attacke wird die Kreatur nun mitnichten von der präzise sitzenden Kameraarbeit ins Zentrum gesetzt, sondern irgendwie spielt das Geschehen immer abseits dessen, wo sich das Monster aufhält - und man erhascht nur mal eben den über Land rennenden und Menschen verschlingenden Fisch, der fast zufällig durchs Bild läuft. Die perspektivische Ausrichtung ist auf den von Song Kang-ho gespielten Verlierertypen Park Kang-du ausgerichtet, der nur lethargisch dabei zuschaut, wie sich das Gewässer aufwühlt, in welches die Besucher Lebensmittel werfen. Als er durch ein dumpfes Pochen abgelenkt nach rechts schaut, trampelt das Vieh bereits auf ihn zu in einer unberechenbaren Laufbahn, der auszuweichen einem Glücksspiel gleichkäme. Wo ein Emmerich nun also das majestätische und bedrohliche Auftauchen aus dem Gewässer mit pompöser Musik und klatschenden Soundeffekten als Warnung für Park Kang-du vorweggenommen hätte, wird man hier vor vollendete Tatsachen gestellt. Auch die Fressszene im abgeschlossenen Container wäre normalerweise von innen gefilmt worden, weil es wichtig gewesen wäre zu zeigen, was das Vieh anstellt - hier sieht man nur einen rumpelnden Container in der Außenansicht.
Denn wie gesagt: Das Monster ist nicht länger Zentrum der Aufmerksamkeit. Es ist ein Katalysator.
Der Katalysator ist ausgerichtet auf eine dysfunktionale Familie, die von ihren tiefsten Wurzeln aus zerrissen scheint und die in “The Host” zum Gegenstand ausgeprägter Gesellschaftskritik wird. Das Monster dient als Wachrüttler, einem Mittel, das vor allem in Katastrophenfilmen gerne zur Anwendung kommt, oft gekoppelt mit einer Umweltbotschaft, wie auch Herr Emmerich wieder wissen dürfte. Die Botschaft alleine ist aber nicht das Bemerkenswerte an der vorliegenden Arbeit, schließlich waren schon die Monsterfilme der Fünfziger Jahre eine Angstbewältigung vor Atomtests und dem Kalten Krieg, und doch drehte sich alles um Riesenameisen und Super-Taranteln, nicht etwa darum, wie sich diese Vorkommnisse auf den sozialen Status Quo in US-amerikanischen Haushalten auswirken würde. Als Unterhaltung geht der Film neue Wege, schafft innerhalb des Genres neue Alternativen, weil er eine neue Perspektive bietet.
Dabei mögen in der Darstellung der Familie einige Dinge überzogen sein; weniger im Miteinander, das abzüglich des typisch asiatischen Gewöhnungsbedarfs recht gut gezeichnet wurde, und auch die gelegentlich dargestellte gesellschaftliche Ebene, besonders ersichtlich in der Behandlung der Infizierten, passt noch. Der Umgang der Familie mit dem Monster hingegen folgt manchmal zu sehr den Mustern des klassischen Monster Movies, wenn ein tumber Faulpelz über sich hinauswächst, um seine Tochter zu retten, wenn das erste Opfer aus den eigenen Reihen das zugleich logischste ist oder wenn die im Wettbewerb noch versagende Bogenschiesserin ihre Fähigkeiten gegen die Kreatur endlich voll einsetzt und dabei zur Actionheroine mutiert.
Ansonsten wird jedoch konsequent dem Weg gefolgt, der “The Host” mit Recht zu einem Publikumsrenner im eigenen Lande machte, ungeachtet von kleineren Schwächen im Detail wie der guten, aber neueren, vergleichbaren US-Filmen wie Peter Jacksons “King Kong” meilenweit unterlegenen Computeranimation des Geschöpfes. Hierzulande wird es wesentlich mehr Einspruch geben gegenüber einer nicht zusammenpassenden Mixtur aus Drama und Komödie, einem abgehakten Erzählfluss, asiatischem Overacting, fehlender Schockszenen, generell zu wenig Monsterszenen, kurz: einem Film, der “nicht weiß, was er eigentlich will”. Das ändert jedoch nichts daran, dass man “The Host” für seine erfolgreichen Bemühungen um eine Alternative zu gelungenen (“King Kong”) und weniger gelungenen (“Godzilla”) “zentrifugalen Monster Movies” zu Dank verpflichtet sein sollte.
