Piranha 3D
Originaltitel: Piranha 3D
Herstellungsland: USA
Erscheinungsjahr: 2010
Regie: Alexandre Aja
Darsteller: Elisabeth Shue, Christopher Lloyd, Eli Roth, Adam Scott, Richard Dreyfuss, Jerry O'Connell, Dina Meyer, Ving Rhames, Kelly Brook, Steven R. McQueen, Jessica Szohr, Riley Steele u.a.
1975 kam ein Film in die Kinos, nach dem das Schwimmen im offenen Meer einfach nicht mehr dasselbe war. Die Rede ist natürlich von „Der weiße Hai“. Dieser Film wurde stilprägend für eine ganze Folge von Filmen, die einfach den weißen Hai durch andere gar schreckliche Tiere wie Bären, Wölfe, Schnecken! und Frösche!! ersetzten. Nur kurz nach dem „Weißen Hai“ schickte 1978 der heute für seine schwarzhumorigen Filme bekannte Regisseur Joe Dante eine ganze Schar von Piranhas los, um nun den Leuten auch den Badespaß in Süßwassergefilden zu verleiden. Dieser Film wird von der Kritik gerne als ironischer Kommentar zum „Weißen Hai“ gesehen. Und wirklich bleiben einige schwarzhumorige Spitzen in Richtung des großen Vorbildes nicht aus. Letztlich ist er aber auch nur ein solider, definitiv nicht überragender Vertreter des Tierhorrorgenres. Dementsprechend entspannt sah die Filmwelt dem bereits zweiten Remake entgegen, das vom Original eigentlich nur die Piranhas und eine Menge Blut übrig lässt und diese Zutaten um den in Amerika beliebten Spring Break und Titten satt ergänzt.
Piranhas 3D beginnt dabei wie das Original mit einem echten Schmunzler. Wo im Danteoriginal die Hauptdarstellerin noch an einem „Weißer Hai“ Spielhallenautomaten zockt, darf im Remake mit dem angelnden Richard Dreyfuss sogar ein Hauptdarsteller aus dem „Weißen Hai“ den Eröffnungsschock des Remakes bestreiten. Ein eindeutiger Beweis, dass hier mit Alexandre Aja ein echter Horrorfreak am Werk ist, der sein Genre in und auswendig kennt und es bereits mit seinem Kracher „High Tension“ und den beiden Horrorremakes „The Hills Have Eyes“ und „Mirrors“ handwerklich sauber bediente. Bei seinem dritten Remake in Folge ließ er nun einmal so richtig die Sau raus und das in vielerlei Hinsicht.
Ein kleines Nest am Lake Victoria befindet sich im Ausnahmezustand. Tausende Jugendliche haben beschlossen, hier den alljährlichen Spring Break zu feiern und so richtig auf den Putz zu hauen. Wet-T-Shirt Contests, niveaulose Witzchen, Alkohol und Drogen satt, garniert mit viel zu viel Sex und nackter Haut machen die Heimat von Sheriff Julie Forester für Tage zu einem Wiedergänger von Sodom und Gomorrha. Doch es ist keine biblische Plage, die die Jugendlichen für ihre Verfehlungen bestrafen wird. Vielmehr ist es eine seit Jahrmillionen ausgestorben geglaubte Fischart. Diese wurde vor Ewigkeiten in einem unterirdischen Höhlensystem komplett von der Welt abgeschnitten und sicherte sich ihr Überleben durch Fortpflanzung und Kannibalismus. Doch irgendwann hat Mutter Natur ein Einsehen und lässt ein kleines Seebeben los. Dabei wird die die Fische einschließende Felsformation zerstört und hungrig schwärmen diese aus, um sich die kleinen Mägen voll zu stopfen.
Als Sheriff Forester die erste von den Piranhas übel zugerichtete Leiche auffindet, kann sie sich nicht erklären, was da passiert sein könnte und sie würde am liebsten die Spring Break Feierlichkeiten abbrechen. Doch weder kann noch will sich ihre Gemeinde einen solchen Abbruch leisten. Man braucht das Geld der sex- und feiergeilen Jugendlichen. Als ein Team von Wissenschaftlern auftaucht, das die seismischen Folgen des Seebebens untersuchen will, hängt sich Sheriff Forester an sie dran und wird Zeuge eines blutigen Gemetzels an den Forschern, die sich zu weit in die Piranhahöhlen hineinwagten. Nun hat sie genug und will im Alleingang die Spring Break Feierlichkeiten beenden. Daran hat sie inzwischen auch ein persönliches Interesse. Denn blöderweise befinden sich ihre drei Kinder auf einem für einen Pornodreh missbrauchten, leckgeschlagenen Boot im Brennpunkt der Fressattacken. Und genau jetzt blasen die kleinen Fressmaschinen zum ultimativen All You Can Eat ...
Alexandre Ajas Neuinterpretation des Piranha Originals beginnt ein wenig verhalten. Der Franzose fährt so viele Tierhorrorfilmklischees auf, dass man mit dem Zählen irgendwann gar nicht mehr hinterherkommt. Leider verpasst er dabei die Gelegenheit, diese richtig aufzubrechen oder zu ironisieren, weshalb man schnell den Eindruck bekommt, man schaue dem Regisseur zu, wie er eine Liste an Notwendigkeiten abhakt. Die Charaktere werden kurz verortet, es gibt ein paar effektive Piranhaattacken, es wird eine ganz witzige Mythologie für die Fische entworfen, die Helden stoßen auf die üblichen Ungläubigkeitsprobleme, viel zu viele Opfer verhalten sich einfach nur dämlich und es ist mehr als absehbar, was in den nächsten Minuten wohl passieren wird.
Doch Aja und die insgesamt sehr schlauen Vermarkter des Filmes haben zu keiner Zeit vorgegeben, dass ihr Streifen eine Neudefinierung des Genres werden oder durch hochtrabende Dialoge und ordentlich ausgearbeitete Charaktere überzeugen soll. Blood and Boobies haben sie versprochen und in den ersten 60 Minuten bekommt man vor allem Boobies im Überfluss. Wet-T-Shirt Contests in leinwandfüllendem 3D, an Gleitschirmen hängende Oben Ohne Girls, die über dem Wasser schweben, Mädels in knappsten Bikinis, die sie keine zwei Sekunden später auch noch wegwerfen ... Aja drehte hier den feuchten Traum eines jeden amerikanischen Teenagers, der sich den Spring Break wohl nur so und kein Deut anders ausmalen möchte.
Für die etwas stilvolleren Fleischbeschauer lancierte Aja dann eine der 3D Szenen der aktuellen Filmgeschichte. In jener schweben das britische Topmodel Kelly Brook und Pornosternchen Riley Steele so nackt wie Gott sie schuf und zum Greifen nah vor den Augen des Zuschauers und gewähren so manchen erstaunlich tiefen Einblick in ihre Anatomie. Darunter läuft die Gänsehautarie „Viens Mallika Sous le Dome Edais from Lakme“, die diese Szene dann so richtig rund macht. Von vor allem Kelly Brooks hinreißenden Rundungen ganz zu schweigen.
Doch abgesehen von diesen Einlagen fällt Aja zunächst nicht viel ein. Vor allem die Attacken der Piranhas wirken ein wenig zu sehr an das Original angelehnt und sind tricktechnisch auch nicht sonderlich interessant umgesetzt, bestehen sie doch beständig nur aus flink vorbeiflitzenden Fischen, die sich große Fleischstückchen aus ihren Opfern reißen. Das geht so schnell, dass das Gehirn beim Verarbeiten der 3D Informationen gar nicht nachkommt, eine Räumlichkeit überhaupt nicht mehr vorhanden ist und man im Grunde nichts sieht oder mitbekommt. So dankbar wie man(n) für die 3D Technik in den Nacktszenen ist, so wenig will sie bei einem Großteil der restlichen Filmszenen greifen.
Und genau zu dem Zeitpunkt, wo man spürt, dass neben den ganzen nackten Titten auch mal ein wenig mehr Ajascher Zauber nicht verkehrt wäre, drückt der Franzose das Gaspedal durchs Bodenblech und entfesselt ein irrwitziges, sprichwörtliches und in dieser Form vollkommen beispielloses Blutbad, das einen mit Wucht in den Sessel drückt und einem wahren Splatterinferno gleichkommt. Ohne Gnade, mit unglaublich echt wirkenden, größtenteils vollkommen handgemachten Effekten werden nun Menschen zerrissen, zerhackt, halbiert, von Außenbordern durchtrennt, skalpiert, von innen heraus aufgefressen und zermatscht. Und das in einem Tempo und in einer Ereignisdichte, dass man gar nicht mehr mit dem Geschehen auf der Leinwand Schritt halten kann.
Und Aja zelebriert dieses Splatterspektakel. Lang, ausgiebig, brachial, aber immer mit einem gewissen Augenzwinkern, ohne dass das hier abgebrannte Feuerwerk ein wenig zu sehr vom Grundton des Filmes abweichen würde. Dennoch bleiben einem aufgrund der formidabel gesetzten Musik und mancher Totalen des blutigen Treibens so manche Lacher mehr als nur unvermittelt im Halse stecken. Hier findet Aja genau die richtige Dosis aus Funsplatter und Szenen, die beim Hinschauen wirklich wehtun.
Und das Beste: Aja geht jetzt nicht mehr runter vom Gas. Das Tempo bleibt beständig irrwitzig hoch. Reaktion folgt auf Aktion folgt auf Reaktion. Eine Klettereinlage zwischen zwei Schiffen gerät Aja zum atemberaubenden Cliffhangermoment. Am Ende gönnt er dann sich und dem Publikum noch einen herzhaften Schlussgag und der Rest ist weiße Schrift auf blutrotem Grund.
In diesem ganzen Gebräu gehen die Darsteller allesamt ein wenig unter. Was auch daran liegt, dass Aja recht unfokussiert zwischen den Charakteren hin- und herswitcht, ohne einen einzigen auch nur ansatzweise etwas mehr zu vertiefen. So wird ein gewohnt cooler Ving Rhames ordentlich verheizt, gefällt Elisabeth Shue zwar in ihrer Sheriffrolle als Frau der Tat, ist einem ansonsten aber herzlich egal, was auch auf den verdammt blassen Darsteller Adam Scott zutrifft, der ihren Sohnemann gibt. Dessen Love Interest wird von Jessica Szohr gegeben, die zumindest gut ausschaut und sich im Spannungsteil bemüht, aber auch nicht sonderlich in Erinnerung bleibt. Vollkommen am Overacten sind Christopher Lloyd in einer vollkommen abseitigen Nebenrolle und Jerry O'Connell als dauergeiles, zugekokstes Zerrbild eines Pornoregisseurs. Und Kelly Brook und Riley Steele sind da, um nackt zu sein ... und das klappt hervorragend.
Aja selbst macht einen sehr guten Job. Vor allem seine Unterwasserfotographie macht ordentlich Laune, findet er doch großartige Perspektiven, die von unter Wasser auf Opfer über Wasser gerichtet sind. Die Inszenierung der großen Splattereinlage ringt einem dann nur Respekt ab, da er hier eine wirklich groß angelegte Chaosszene scheinbar mühelos beherrscht. Sein Stammschnittmeister Baxter sorgt für ein ordentliches Tempo in der Geschichte und Michael Wandmacher hat von horrorlastigen Instrumentalstücken bis zu sehr coolen Housetracks einen sehr stimmigen Soundtrack entwickelt. In technischer Hinsicht hätte man von dem 3D absehen sollen, da dieses größtenteils vollkommen überflüssig anmutet und sich über weite Strecken auch kein rechter Räumlichkeitseffekt einstellen will (Zur Entwarnung: Mit dem „Kampf der Titanen“ Debakel hat dieser Film hier nichts gemein!). Was man Aja zugute halten muss, ist, dass er den Effekt endlich auch entertainmenttechnisch einsetzt und ihn ergo nutzt, um den Spaß beim Publikum zu steigern. Ob die sexy Nacktnixenszene mit Kelly Brook oder in den Raum hineinragende Gegenstände, bei Piranha 3D geht man einige Male in Deckung oder streckt die Arme aus, um etwas zu berühren ;-). Auch für echte Geschmacklosigkeiten nutzt er den Effekt gar köstlich, denn einen abgebissenen Penis, der in Großaufnahme auf die Kamera zuschwebt, gefressen und wieder ausgekotzt wird, hat man wirklich noch nie gesehen.
Und damit ist auch klar, was Piranha ist und auch sein will. Mindless Fun ohne wirklichen Sinn und Verstand. Und das mit weithin hörbarer Ansage! Zunächst geht es eigentlich nur darum, so viele Brüste wie irgend möglich in den Film zu packen und diverse Tierhorrorfilmklischees abzuhaken. In der zweiten Hälfte wird der Film dann zur absolut irren Splatterbombe mit hektoliterweise Kunstblut, hervorragenden Splattereffekten und einigen eindrücklichen, heftigen Filmszenen, die einem über den Film hinaus noch eine Weile in Erinnerung bleiben. Das Ganze ist technisch absolut sauber umgesetzt, einzig man hätte den 3D Effekt auch mühelos weglassen können. Zumindest wird er sehr gewinnbringend für diverse Highlightszenen eingesetzt und die raumgreifenden Vorzüge einer nackten Kelly Brook können keine schlechte Werbung für 3D sein. Was man dem Film vorwerfen kann, ist, dass einem seine Figuren herzlich egal sind, er mit den ganzen Tierhorrorklischees auch gerne hätte Schlitten fahren können und er in der ersten Hälfte zu saft- und kraftlos daherkommt, was die Inszenierung der Piranhaattacken angeht. Während dem Film ist das allerdings ziemlich egal, da sitzen die großen Jungs nur mit verklärtem Gesicht und debil vor sich hingrinsend im Kinosaal und die weibliche Begleitung weiß nicht, ob das nun den perfekten 3D Titten oder dem wüsten Blutzoll geschuldet ist. So oder so werden sie „ihren“ Kerl mit anderen Augen sehen ... oder eben auch ihren Spaß haben. Man weiß ja nie. Zumal Horrorfilme ja beliebte Datefilme sind. Ach, und bevor ich es vergesse: ein Film, in dem das angebliche Horrorwunderkind Eli Roth endlich einmal kriegt, was es verdient, kann eigentlich gar nicht schlecht sein ... ;-)
In diesem Sinne:
freeman