
... oder wie ein gebrochener Kriegsheimkehrer über den "Vietnam im Alleingang-Gewinner" zu einer Comicfigur mutiert ... und 20 Jahre später wieder ein klein wenig die Kurve bekommt.
Sylvester Stallone war gerade mit den beiden Rocky Filmen zu DEM Superstar seiner Zeit geworden, als eine kleine Welle an Flops seine Reputation arg in Bedrängnis brachte. Zunächst war dem Meisterregisseur John Houston, der immerhin Hits wie "Schatz der Sierra Madre", "Der Malteser Falke" und "African Queen" gedreht hatte, der Fußballfilm "Flucht oder Sieg" vollkommen misslungen ... alleine die Choreographie der Fußballszenen zeigte bereits das volle Unverständnis des Regisseurs für diesen Sport ... von der Story ganz zu schweigen. Der Misserfolg des fast gleichzeitig angelaufenen "Nachtfalken" überraschte dann sogar die Branche, denn bei diesem Film stimmte eigentlich fast alles. Die Leute waren aber anscheinend noch nicht bereit für einen Sly, der nicht den Rocky gab und so lancierte er den dritten Teil der Boxsaga, um seinen Starstatus zu festigen.
Genau in dieser Phase traten Andrew Vayna und Mario Kassar an ihn heran. Sie hatten ein Drehbuch namens "Blood Knot" aufgetan, dass seit 10 Jahren in den Warnerarchiven vor sich hingammelte. Vayna und Kassar wollten, nachdem sie jahrelang als Agenten für verschiedene Studios gearbeitet hatten, selber unter die Produzenten gehen und hielten dieses Projekt am geeignetsten, um erfolgreich durchzustarten. Clint Eastwood und Burt Reynolds verwarf man als Hauptdarsteller, weil sie zu alt waren. Die gerade im Aufstieg begriffenen Stars Richard Gere und William Hurt lehnten ab, da ihnen das Projekt in seiner Aussage zu riskant erschien. Also gehen sie auf Sylvester Stallone zu, versprechen eine damals recht spektakuläre Gage von 3,5 Millionen Dollar und geben ihm die Zusage, dass er das Drehbuch nach seinem Gutdünken umschreiben dürfe. Sly sagt sofort zu und der Rest ist Actionlegende und soll uns in diesem Fred nun interessieren. Steigen wir also ein in die Reihe, die das Actionkino der 80er und 90er entscheidend prägen wird ...
Rambo

Originaltitel: First Blood
Herstellungsland: USA
Erscheinungsjahr: 1982
Regie: Ted Kotcheff
Darsteller: Sylvester Stallone, Brian Dennehy, Richard Crenna, Bill McKinney, Jack Starrett, Michael Talbott, Chris Mulkey, John McLiam, Alf Humphreys, David Caruso, David L. Crowley u.a.
John J. Rambo ist ein Vietnamveteran und in seiner Heimat Amerika auf der Suche nach ehemaligen Mitgliedern seiner Einheit in Vietnam. Bisher hat er nicht viele Überlebende ausfindig machen können. Auch diesmal hat er keinen Erfolg ... ein weiterer Kamerad lebt nicht mehr. Er starb an Krebs, den er sich dank Agent Orange in Vietnam geholt hatte, als Schatten seiner selbst. Desillusioniert zieht Rambo weiter und gelangt so in eine kleine Stadt namens Hope. Hier läuft er dem Sheriff des Ortes über den Weg, der ihm ziemlich unmissverständlich klar macht, dass er Rambo nicht in seiner Stadt haben will. Er kutschiert ihn zum Ausgang von Hope und schmeißt ihn aus seinem Auto. Doch Rambo denkt gar nicht daran, sich in seinem eigenen Land Vorschriften machen zu lassen und geht zurück in die Stadt. Daraufhin sieht der Sheriff rot und sperrt Rambo ein.
Die Gehilfen des Sheriffs durchbrechen bei ihrer Behandlung Rambos allerdings eine unsichtbare Grenze und in Rambo kommen unschöne Erinnerungen an den Vietnamkrieg hoch. Er dreht durch und kämpft sich im Handumdrehen seinen Weg aus der Polizeistation. Insbesondere der Sheriff sieht in Rambo eine große Gefahr und macht dessen Ergreifung zur Tagesordnung ... Rambo hat sich mittlerweile in die Weiten der Natur um das Bergstädtchen zurückgezogen und denkt gar nicht daran, sich zum Opfer einer Menschenjagd machen zu lassen. Er geht in die Offensive und kämpft auf ihm vertrauten Terrain gegen einen erneut gesichtslosen und erbarmungslosen Gegner. Am Ende wird Rambo den Krieg auch in die Stadt hineintragen und dem Sheriff eine Lektion fürs Leben erteilen ...
"Hör auf, oder du hast einen Krieg, den du nie begreifen wirst."


Wer ist dieser Rambo?
John J. Rambo ist ein Veteran des Vietnamkrieges. Unter dem Kommando von Colonel Trautman kämpfte er für sein Land in einem Krieg, für den sich Amerika irgendwann aufgehört hatte zu interessieren. Am Ende des Krieges ist Rambo in Vietnam durch die Hölle gegangen. Diese bestand aus Folter, Kriegsgräuel und traumatisierenden Ereignissen wie den Tod eigener Kameraden, die bald mehr waren als eben nur simple Mitstreiter in einem sinnlosen Krieg. Zurückgekehrt in die USA trifft er auf eine Mauer der Ablehnung. Nicht nur findet er sich nicht mehr in der amerikanischen Gesellschaft zurecht, nein, die Gesellschaft will auch gar nichts mehr von ihm wissen! So ist Rambo in seinem eigenen Land ein Entwurzelter, der rast- und heimatlos durch das Land zieht, immer auf der Suche nach früheren Freunden und damit auf der Suche nach Vertrautheit, dem Zusammengehörigkeitsgefühl aus Vietnamzeiten und ein Stück weit natürlich auch auf der Suche nach einer Heimat. John Rambo wird zu Beginn von Teil eins ein gebrochener Vietnamveteran sein und er ist es auch am Ende. Er ist kein Held, er möchte auch gar keiner sein! Er will akzeptiert werden, er hat nichts falsches getan. Er hat Befehlen gehorcht in einem Krieg dessen Legitimation irgendwann vollkommen verloren gegangen zu sein scheint, und bei dem irgendwann niemand mehr wusste, worum eigentlich gekämpft wurde. Er wurde zum Opfer von Begehrlichkeiten internationaler Politik, doch für den Krieg konnte er nichts. Rambo wird am Ende des Filmes keinen Frieden gefunden haben, nein, er wird gar eingesperrt werden ...


Ich denke an dieser kurzen Charakterisierung der Hauptfigur merkt man schon, dass man es hier eben nicht mit einer hohlen "Ein Mann sieht rot" Variante zu tun hat. Insbesondere in Rambo - First Blood schwingt soviel Zeitgeist und Sozialkritik mit, wie in kaum einem anderen Actionfilm. Dass insbesondere die Eins in großen Teilen der Bevölkerung mit den zugegebenermaßen sehr reißerischen Fortsetzungen immer über einen Kamm geschoren wird, zeugt von Unverständnis und vor allem auch Intoleranz. Ich selber bin schon mehrmals auf Leute getroffen, die Rambo - diesen Prollhelden, der für Amerika im Alleingang Kriege gewinnt - niemals anschauen würden. Eben weil sie mit der Figur des Rambo vor allem die Teile 2 und 3 verbinden. Selber schuld, kann man da nur sagen. Denn die gesamte Metaphorik des Filmes funktioniert insbesondere bezogen auf die Darstellung der Kriegsheimkehrerthematik auf den Punkt. Die Weiten der Natur um das Örtchen stehen für den Dschungel Vietnams, aus dem eines Tages Rambo herauskommt, um in die USA, hier verkörpert durch die Kleinstadt Hope, zurückzukehren. Und genau wie Tausende Vietnamheimkehrer in den USA stößt Rambo in dem Städtchen auf Ablehnung. Keiner sieht in ihm einen Helden, er ist ein Störenfried, einer der sich vermutlich für seine Dienste für das Land Dank oder dergleichen erwartet. Dass sich ausgerechnet die Staatsmacht in Person des Sheriffs mit dem Einzelkämpfer anlegt, steht freilich für die damalige Ohnmacht des Staates die Ströme an Kriegsheimkehrern wieder zu integrieren, in Jobs zu verfrachten und für versehrte Heimkehrer aufzukommen. Dies war und ist ein wunder Punkt in den USA. Bei keinem anderen Krieg hatte sich eben die Reintegration der Soldaten in die Gesellschaft als so schwierig erwiesen. Vor Jahren hatte man die eigenen "Jungs" in den Krieg geschickt und diese kamen wieder als Verkrüppelte, Drogenabhängige (bei keinem Krieg war gerade dieser Punkt so extrem!) Psychopathen und Traumatisierte ... sie hatten NICHTS von den Helden, die einst Europa befreiten oder die Japaner niederrangen. Der Vietnamkrieg war nicht populär, bei niemanden. Und das bekommt man hier unmissverständlich klar gemacht. Das Rambo sich wieder in die Wälder flüchten wird, drückt seine Unsicherheit und Angst vor der Heimat aus. Er will zurück dahin, wo er erwachsen wurde, wo er sich auskennt, wo jede Entscheidung etwas Endgültiges hatte und wo keine Zeit war für Scharmützel, wie sie der Sheriff nun an ihn herantrug. Bis zu diesem Zeitpunkt funktioniert Rambo und die im Grunde recht dünne Geschichte hervorragend und auf den Punkt. Mit dem erneuten Eindringen Rambos in die Kleinstadt, diesmal bis an die Zähne bewaffnet, wird es allerdings ein wenig heikel. Denn wenn man sich überlegt, ist Rambo an dieser Stelle aus dem gröbsten raus. Alle halten ihn für tot und er könnte unbehelligt weiterziehen, DOCH er kehrt in die Stadt zurück, um seinen Kleinkrieg zu beenden. Und hier schlägt dann eben der Actionfilmgenreunterbau gnadenlos zu und macht mit einem Wimpernschlag Rambo zu genau dem, was der Sheriff in ihm gesehen hat: Eine reflexartig und instinktiv handelnde Killermaschine. Klar, Rambo wird am Ende für seine Taten bestraft werden ... immerhin ballert er das halbe Städtchen zu Klump ... aber es ist schade, dass seine Figur - ausgerechnet seine Figur - keinen anderen Ausweg zu sehen scheint, als eben den kriegerischen. In Teil Zwei wird Rambo sagen: "Um im Krieg zu überleben, musst du selbst zum Krieg werden ..." ein Konzept, dass er anscheinend nicht mehr aus seinen Handlungen heraushalten kann. Natürlich kann man darin Anspielungen darauf sehen, dass ein Soldat eben irgendwo niemals aufhört ein Soldat zu sein, im Gesamtkontext des Filmes Rambo und seines Anliegens, ist das Ende aber ein wenig too much in Richtung Exploitainment inszeniert und soll eigentlich nur den Actionhunger der anvisierten - vornehmlich männlichen Zuschauerschar befriedigen. Hier wird leider viel verschenkt ...


Im übrigen ist der hehre Ansatz hinter Rambo ein Verdienst von Stallone, umschrieb das Ur-Drehbuch "Blood Knot" seine Figur doch eher als psychopathischen Killer, der alles und jeden umbringt, um am Ende von seinem Colonel Trautman gerichtet zu werden. Man findet da nicht viel von dem angeknacksten Helden, den man nun in dem Film vorfindet. Respekt dafür, Herr Stallone. Nach "Rocky 3" hatte Stallone keine Lust erneut Regie zu führen und vermachte den Job Ted Kotcheff. Der hatte bei dem Film mit einigen Problemen zu kämpfen. Zunächst verschwand Kirk Douglas - der Trautman spielen sollte - wütend vom Set, als er sah, was von seiner Rolle nach Slys Drehbuchänderungen übrig geblieben war, dann spielte das Wetter nicht mit, wurden Waffen vom Set gestohlen, bricht sich Stallone drei Rippen bei dem Baumsprung!!! (wer braucht schon Stuntman), verbrennt sich die Hand bei der Bergwerksexplosion und bricht sich Brian Dennehy drei Rippen beim Glasdachsturz (Stuntman?). Am Ende hatte Kotcheff all seine Nerven aufgebraucht und einen geradlinigen, spannenden, actionreichen und unterhaltsamen Film geschaffen, der gleichzeitig eine Botschaft transportieren konnte und in Deutschland das Prädikat: Besonders Wertvoll erhalten wird. Kotcheff hatte also alles richtig gemacht. Die Story hat er immer im Griff, die aufgefahrene Optik der zerklüfteten Natur um das Bergstädtchen (Drehort war in Kanada) erschafft eine eigene, ungemein raue, stimmige Atmosphäre. Die Actionszenen gehen ihm leicht von der Hand und er setzt sie imposant in Szene. Einige Stunts - wie der bereits erwähnte Baumsturz - sind auch noch heute mehr als beeindruckend und wenn Rambo am Ende in der Kleinstadt aufräumt, setzt es Kugeln und Explosionen satt. Denn Kotcheff will letztendlich sein Publikum unterhalten und das schafft er auch.
Dabei kann er sich vor allem auf seine Darsteller verlassen. Sylvester Stallone hat sich die Rolle des wortkargen Helden ganz offensichtlich selbst auf die - zumeist stumme - Brust geschrieben. Und auch wenn Rambo nicht viel redet, wächst er einem schnell ans Herz, definiert er sich doch mehr über seine Handlungen und eben seinen traurigen Background. Die physische Seite kann Stallone dabei mühelos darstellen und überraschenderweise trumpft er auch in der einen wirklich emotionalen Szene zum Schluss darstellerisch auf. Reife Leistung. Doch wie so oft, ist der Held nur so gut, wie sein Gegenspieler und hier brilliert Brian Dennehy als sturer, engstirniger Kleinstadtcop, der mit jeder Faser seines Körpers alles nur noch schlimmer zu machen wollen scheint. Richard Crenna, der Kirk Douglas ersetzte, hat eine recht kleine Rolle bekommen, die auch in den Fortsetzungen nicht viel größer werden wird und schon gar nicht irgendwelche neue Facetten bekommt. Er ist im Grunde der Begründer der "er ist kein Held, er ist eine unbesiegbare Kampfmaschine, die kommen wird und euch tüchtig den Arsch aufreißt" Reden, die man daraufhin in einigen Filmen von den unterschiedlichsten Figuren serviert bekommen wird und die den Helden des Filmes immer mythisch überhöht. Highlight ist hier der Spruch: "Nur Gott weiß, welchen Schaden er noch anrichten wird!" Nach seiner eindrucksvollen Darstellung in dem Streifen "Body Heat" kann man Crenna hier im Grunde nur als verschenkt betrachten. Doch Crennas Karriere wird durch Rambo "verflucht" werden, denn zeitlebens wird er Colonel Trautman bleiben. In einer kleinen Rolle bekommt man hier auch noch Hollywoods derzeit berühmtesten Rotschopf zu sehen: David Caruso ist einer der Hilfssheriffs, die zu Beginn Rambos Flucht initiieren werden.


Die Musik von John Goldsmith untermalt das Geschehen trefflich und hat sehr schöne Themen an Bord, die dem Film obendrein einen eigenen Stempel aufdrücken. In Erinnerung bleibt aber vor allem der Gänsehaut erregende Eightys Style Rocksong von Dan Hill. Man sieht, Rambo bietet Qualität an allen Fronten. Diese erschloss sich aber nicht jedem sofort und so darbte der Film zunächst eine ganze Weile verleihlos vor sich hin. Universal, Paramount und Warner zögern trotz Stallone als Hauptdarsteller zu lange und so sprang die neu gegründete Orion in die Presche. Diese Wartezeit sollte Rambo zum Vorteil gereichen, denn in den USA selber standen große Veränderungen an: Ronald Reagan und ein neuer Patriotismus inklusive eines wieder erwachenden Interesses an vornehmlich amerikanischen Themen brachen sich Bahn und Rambo schlägt auf der großen Leinwand voll ein. Trotz des teilweise Amerikakritischen Untertones wird Rambo als neuer Held gefeiert und Stallone zum absoluten Superstar seiner Zeit. Nicht ganz unverdient!
Rambo ist und bleibt ein Klassiker des Actionkinos, der sauber inszeniert und mit tadelloser Action aufwartend eine Story mit Herz und Hirn zu erzählen vermag und dem nur der nicht ins Gesamtkonzept passende unschlüssige Showdown etwas von seiner Wucht nimmt ...

Eine ungeschnittene DVD mit der FSK 16 in mehr als ordentlicher Bild- und Tonqualität ist von Kinowelt erschienen und sei jedem Nichtkenner des Filmes vertrauensvoll ans Herz gelegt.
In diesem Sinne:
freeman