Filmtagebuch: Vince

Besucht die Filmtagebücher unserer Männer, eröffnet Euer eigenes Tagebuch oder diskutiert einfach mit.

Moderator: SFI

Benutzeravatar
freeman
Expendable
Expendable
Beiträge: 61506
Registriert: 12.12.2004, 23:43
Wohnort: Rötha

Beitrag von freeman » 23.01.2013, 10:18

Vince hat geschrieben:während Tarantino mal kurz scheißen war.
Muhar har har, in Anlehnung an den Film hatte er dann wohl explosive diarrhoe!

:lol:

In diesem Sinne:
freeman
Bild

Benutzeravatar
LivingDead
Action Fan
Action Fan
Beiträge: 3774
Registriert: 06.06.2006, 14:13
Wohnort: Oldenburg

Beitrag von LivingDead » 23.01.2013, 21:47

Hannibal hat geschrieben:
The Tree Of Life
Bild
Ein Schelm, wer hier an Kubricks berühmte Knochenwurfmontage denkt... Terence Malick, zu dem ich nie wirklich einen Draht aufbauen konnte, spannt einen weiten und vor allem sehr gewagten Bogen über die Menschheitsgeschichte. Wer dazu bis zu den Dinosauriern ausholen muss, gibt sich auch mal schnell der Gefahr preis, als prätentiöser artsy fartsy movie maker dazustehen.
Und obwohl Malick im Anfangsteil tatsächlich unkommentierte Bilder von Farb- und Lichtspielen sich bildender Sterne und Vulkangestein zelebriert, sich wirklich minutenlang an diesen gott- und menschenverlassenen Szenarien labt, bis er schließlich den Spagat zur Gegenwart und zu den 50ern aufgreift - man nimmt ihm diesen Größenwahnsinn ab, weil er so auf den Punkt gebracht scheint, weil selbst noch so abstrakten Bildcollagen nie der Sinn abgeht. In der Konstruktion der Familienverhältnisse, die die Hauptfigur geprägt hat und ihr Jetztzeit-Ich erklären soll, bleibt Malick immer präzise und lässt keine Szene ohne Aussage. Kalt, schwer konsumierbar, aber nicht so verquaspelt wie man hat befürchten können.
:liquid8:
Da sind wir einer Meinung! Fand den auch trotz des prätentiös wirkenden Unterbaus erstaunlich gut!
Da schließe ich mich gerne an. Malick sehe ich eh immer gerne (auch seinem "The New World" konnte ich so einiges abgewinnen) und hier hat er sicherlich sein persönliches Opus magnum geschaffen.

Zu Harry Potter: Da habe ich letztens och alle Filme auf BD hintereinander gesehen. Und schlussendlich muss ich sagen, dass mir der dritte Teil immer noch am besten gefällt, die Reihe zum Schluss aber arg an Fahrt aufnimmt, und die beiden letzten Teile imo richtig gutes Fantasykino darstellen, auch wenn der Unterbau ("Gut vs. Böse") stets daran erinnert, dass die Filme auf Kinder-respektive Jugendbüchern basieren.
Zudem fiel mir auf, wie sehr die Columbus-Teile aus der Reihe heraus fallen, nicht nur, da das Schloss, und vor allem die Umgebung, gänzlich anders aussehen.
Mit freundlichem Gruß
LivingDead

Benutzeravatar
Vince
Actioncrew
Actioncrew
Beiträge: 20493
Registriert: 30.09.2005, 18:00
Wohnort: Aachen

Beitrag von Vince » 02.02.2013, 15:09

Jau, der letzte Teil hat mich dann doch nochmal gepackt:

Harry Potter und die Heiligtümer des Todes, Teil 2
Bild
Endlich kracht es mal bei den Potters. Die Endzeit war spätestens mit dem Halbblutprinzen angebrochen und wurde anschließend aufs Äußerste ausgedehnt. Was jetzt nach der relativ langatmigen 7.1-Kiste passiert, ist der befreiende Urknall, da fliegen in bester „Star Wars“-Manier die Funken und man wird endlich mal wieder aus seinem Halbschlaf gerissen. Fiennes überzieht köstlich und ist endlich der fiese Sack, der er sein sollte, diverse Nebenfiguren machen teils eklatante Wandlungen durch und wenn es mal Ruhepausen gibt, werden diese hervorragend zur weiteren Spannungsschürung genutzt. Der zweite Teil der „Heiligtümer“ ist vielleicht der beste Potter, ein zwar immer oberflächliches, aber durchaus befriedigendes Spektakel, eine würdige Spitze für ein Epos, das vom Kindermärchen zur Erwachsenen-Fantasy gereift ist und in dieser Entwicklung ihren größten Reiz besitzt.
:liquid8:

Adam Chaplin
Bild
Ein ekliger Wust wächst dem zombiegleichen Rächer seiner Frau aus dem Rücken und bringt ein bisschen „Basket Case“-Flair aus Italien mit. „Adam Chaplin“, ein Film, der schon als neue kleine Splattersensation gehypt wird, unter dem Strich abgesehen von der üblichen Liebe zur Tricktechnik aber nichts von Belang transportiert. Die Mittel, mit denen Köpfe zu Brei geschlagen und Körper zum Zerbersten gebracht werden, erinnern in ihrer Hysterie nicht umsonst an asiatische Funsplatterkanonen wie „Tokyo Gore Police“, während die mit grellen Farbfiltern bedeckte Optik mehrfach an die „Feast“-Filme denken lässt. Dem unmittelbaren, organischen, sehr direkten und nahbaren Splatterfeeling einer Referenz wie „Braindead“ kommt „Adam Chaplin“ aber niemals nahe, und so bleibt die Frage, was denn jetzt daran so besonders sein soll, dass man ihn derart über andere Filme seines Fachs stellen muss.
:liquid4:

The Blues Brothers
Bild
Wegen Tanz und Gesang jahrelang gemieden (oder zu meiden versucht; tatsächlich hat die Sichtung viele Szenen wieder in Erinnerung berufen, die man doch irgendwie schon gesehen hat), jetzt aufgrund gestiegender Gesang-und-Tanz-Toleranz nachgeholt und prächtig unterhalten worden. Um so absurder wirkt der Versuch, das Flair Jahre später mit „Blues Brothers 2000“ wiederholen zu wollen; „Blues Brothers“ lebt davon, ein Zeitdokument zu sein. Von der übertriebenen Euphorie in der Gospelkirche, vom Mief in der Countrybar, von der Spontaneität der Band, vom ganz eigenen Look des 80er-Jahre-New-Yorks. Der Plot nur ein fadenscheiniger Vorwand (Der Nonnenbesuch zu Filmbeginn stellt nochmal unter Beweis, wie ungebunden der Film ans Drehbuch ist und um wie viel konventioneller der in der Anlage ähnliche „Sister Act“ gestrickt ist), die Hauptfiguren von Coolness durchzogen. An den vielen Gastauftritten erkennt man zwar den Eventcharakter, der eine gewisse Oberflächlichkeit ausdrückt, aber der Drive ist einfach zu mitreißend, als dass „Blues Brothers“ bloß ein plakatives Liebesgeständnis an die Musik wäre.
:liquid8:

Tetsuo - The Bullet Man
Bild
Was in “The Iron Man” noch eine bizarre Transformation ins Unmenschliche war, erreicht in “The Bullet Man” nur noch Faschingsniveau. Papa verwandelt sich nach dem Verlust seines Kindes also in den Kugelmann und rächt sich an den Peinigern – na herzlichen Glückwunsch. Abgesehen von eher peinlichen Parallelziehungen, die das Original immer für sich gewinnt, fällt Tsukamoto nichts mehr ein, obwohl er doch in seinem Experimentalfilm von 1989 alle Register zog und die abstrakte Darstellung von Sexualität durchaus ähnliche Ebenen erreichte wie Gigers Alien-Design. „The Bullet Man“ ist leider flach, wirkt optisch billig und versteht es nicht, Kniffe einzubauen, um den Zuschauer ernsthaft bei der Stange zu halten.
:liquid3:

Tumbleweeds
Bild
Regisseur und Hauptdarsteller William S. Hart wird vor Filmbeginn gezeigt, wie er Jahre später und mit vielen Falten im Gesicht über den Wilden Westen und die Liebe um Filmemachen sinniert. Hart behandelt in seinem Stummfilm „Tumbleweeds“ von 1925 die Heimatlosigkeit und den Entdeckerdrang der Cowboys, die wie streunende Grasbüschel durch die Prärie zogen, um neues Land zu erschließen. Die Stimmung des Aufbruchs und Fortschritts bestimmt auch das Treiben in den Kleinstädten, und eine Romanze wird exemplarisch gezeigt, an der deutlich wird, was dieses Leben für die Zwischenmenschlichkeit zu bedeuten hat. Die Eindrücke fasst er immer wieder in kleinen Limericks zusammen, die in Form von Gesang mit Texttafeln zum Ausdruck gebracht werden. Unter dem Strich ein interessantes zeitgeschichtliches Dokument.
:liquid6:

Biutiful
Bild
Iñárritus legendäre bleierne Schwere nimmt auch „Buitiful“ wieder in Besitz, ein düsteres Portrait eines todkranken Mannes, der in seinen Versuchen, die zerrütteten Familienverhältnisse vor seinem Tod zu korrigieren, in eine Spirale des Verderbens rennt. Die Familienstruktur, die Iñárritu zeichnet, schreit geradezu vor Trostlosigkeit – im Zentrum eine vermüllte, karg eingerichtete Wohnung, in der sich der Familienvater mit seinen beiden Kindern zurechtfinden muss, davon ausgehend ein Netz aus Komplikationen, von der depressiven Ehefrau über den Bruder, mit dem sie ihn betrügt zu persönlichen Schicksalsschlägen. Wenn die Hauptfigur schließlich mit ihrem eigenen Ende konfrontiert wird, eröffnen sich Parallelen zu jenen Ingmar-Bergman-Filmen, die sich ebenfalls mit dem Tod auseinandergesetzt haben; „Wilde Erdbeeren“ etwa oder „Fanny und Alexander“. Javier Bardem spielt das herausragend, die Oscar-Nominierung hatte er sich verdient.
:liquid8:

Der Glückspilz
Bild
Kapitelweise, jeweils mit sarkastisch wirkenden Überschriften, setzt Billy Wilder seine Komödie auf und suggeriert damit eine teils vom Chaos, teils vom verqueren Geschäftssinn der Walter-Matthau-Figur in Gang gesetzte Abfolge von schrägen Ereignissen, die zunehmend die Unterschiede zwischen den beiden Hauptfiguren herausstellt. Matthau und Lemmon begründen hier auf eindrucksvolle Weise ihre ertragreiche Zusammenarbeit, die noch neun weitere gemeinsame Projekte zur Folge haben würde. Beide ergänzen sich ideal; Wilder spannt sie in ein Netz aus Hinterlist, Argwohn und Tücke, das einerseits die menschliche Gier entlarvt, gleichzeitig aber am Ende ein wunderbares Freundschaftsportrait entstehen lässt.
:liquid8:

Monster Brawl
Bild
Werwolf. Zombie. Vampir. Frankenstein. Hexe. Mumie. Das Ding aus dem Sumpf. Zyklop. Ikonen des Monsterfilms werden aus ihrer natülichen Umgebung gerissen und müssen sich im Wrestling-Ring um ihr Leben prügeln. Funktioniert so was? Jein; einerseits gelingt es Writer-Director Jesse T. Cook im Rahmen seiner Mittel, die Monsterfilmgeschichte mit deutlichem Augenzwinkern zu plündern und setzt gelungen kostümierte Trashmonster in den Ring, die ohne Sinn und Verstand (und ohne erkennbare Choreografie, dafür aber mit netten Spezialtricks) auf sich einprügeln. Dabei pflegt er jeder Figur einen eigenen Prolog zu widmen, der – reich an Zitaten – ihre Herkunft erklärt und es umso verrückter erscheinen lässt, sie plötzlich in einer Wrestlingshow als Protagonisten wiederzufinden. Der Ring selbst ist atmsophärisch gestaltet (d.h. ganz ohne Zuschauer und umringt von Waldhütten, Totengräbern und Bäumen) und wird mit flapsigen Kommentatoren, die dreist bei „Celebrity Deathmatch“ abgekupfert sind, geschmückt.
Soweit funktioniert die Zusammenkunft der acht Monster. Leider fällt der Film in seiner Struktur komplett in sich zusammen, als deutlich wird, dass abgesehen von den Prologen und den Kämpfen nichts weiter zu erwarten ist. „Monster Brawl“ ist mit Sicherheit der sinnloseste Film seit langer Zeit und selbst in seinen 80 Minuten fast schon zu lang – hat wohl auch Cook gemerkt, der aus sonst unerfindlichen Gründen nur zwei der Gewinner aus den ersten vier Matches gegeneinander zum Finalkampf antreten lässt und die beiden anderen Sieger einfach ind er Versenkung verschwinden lässt. Und man ist sogar froh darüber, denn spätestens nach drei Kämpfen ermüdet die ewig gleiche Abfolge enorm. Letztendlich doch irgendwo verschenktes Potenzial; ein Sequel mit richtigem Drehbuch wäre aber eine interessante Angelegenheit.
:liquid4:

The Raven
Bild
Wohl ein typischer Konsensfilm, über den man irgendwie kein schlechtes Wort, aber auch nicht unbedingt euphorische Worte verlieren kann. James McTeigue bewegt sich stilsicher durch „From Hell“-Pfade und legt darin ein spannendes Puzzlespiel mit einem herzhaft aufspielenden John Cusack an, der sichtbar Freude an seiner Rolle hat. Ich fühlte mich mehrmals an den „Masters Of Horror“-Beitrag „The Black Cat“ erinnert, ebenfalls eine Poe-Verfilmung, bei der Poe in seine eigene Geschichte gesogen wurde.
:liquid6:

Klute
Bild
Als Thriller per se nicht unbedingt effektiv, versteht „Klute“ es aber, über sehr geschmackvolle mise-en-cadres und eine packende Soundkulisse sogartig in die Handlung zu ziehen. Oft werden nur Bildausschnitte im dominierenden (in diesem Kontext ungewöhnlich modern und fast schon futuristisch wirkenden) Braun gezeigt, der Rest ist durch Überbelichtung oder im Weg stehende Gegenstände und Personen komplett in Schwarz getaucht, was immer den Eindruck zur Folge hat, dass man es nicht mit einem gewöhnlichen Cinemascope-Format zu tun hat, sondern mit einem organischen Ausschnitt aus dem Gesamten. Dort wird man von einer Jane Fonda empfangen, die verborgen unter einer relativ hässlichen, toupierten Frisur als biestiges, verletzbares und unberechenbares Call Girl emotionale Verwirrung stiftet, was auch auf Donald Sutherland abfärbt, der ähnlich wie in „Die Nadel“ oder „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ kalt wie ein Stein bleibt. In der Folge wandelt „Klute“ auf einem schmalen Grat zwischen dem Bedürfnis des Zuschauers, sich emotional in die Geschichte zu involvieren und seiner Unfähigkeit dazu. Das verleiht dem Film eine ganz besondere Atmosphäre, mit der er über seine gesamte Laufzeit zu bannen versteht.
:liquid7: ,5

The Wire - Season 3
Bild
Die Serie ist wieder zu den Drogenrevieren zurückgekehrt, und sollten am Ende nicht noch deutliche Bezüge auftauchen, muss sich „The Wire“ jetzt schon die Frage gefallen lassen, welchen Zweck die am Hafen Baltimores angesiedelte zweite Staffel nun für das Gesamtkonzept hatte, da sämtliche Protagonisten dieser Staffel diesmal nur noch in Nebensätzen erwähnt werden oder auch mal auf Plakaten bei Kamerafahrten durch die Stadtgebiete auffallen.
Inzwischen hat sich aber viel getan, und am Ende steht ein waschechter Skandal,e ine fast unwirklich erscheinende Szenerie, die aber im Verlauf der 13 Folgen so schlüssig erzählt wird, dass man sie gar nicht in Frage stellt. Als die Oberen der Polizei schließlich darüber unterrichtet werden, welche Entwicklungen sich in Baltimores Drogenrevieren entwickelt haben, wird man mit deren ungläubigen Gesichtern konfrontiert und beginnt erstmals zu realisieren, welches Paradox hinter dem Mikrokosmos „Hamsterdam“ steckt, der die Handlung von Staffel 3 bestimmt.
Doch nicht nur das, auch die zunehmende Erkenntnis, dass „The Wire“ tatsächlich keinerlei Protagonisten kennt (anfangs hatte ich noch Dominic West für einen solchen gehalten), sondern von einer Hauptfigur zur nächsten pendelt, ohne auf die Gegnerseiten zu achten, wodurch „The Wire“ eher das Portrait einer Stadt und nicht etwa einer Abhöreinheit ist, macht die dritte Staffel zur bis dato besten der Serie. Allerdings versprechen die ersten drei Folgen der vierten Staffel, die ich bislang gesehen habe, eine nochmalige Steigerung…
:liquid8: ,5

Weitere Sichtungen:
City Cobra
Tango & Cash
The Specialist
The Pact
Gangster Squad
New Kids Nitro

Benutzeravatar
Vince
Actioncrew
Actioncrew
Beiträge: 20493
Registriert: 30.09.2005, 18:00
Wohnort: Aachen

Beitrag von Vince » 03.02.2013, 12:48

The Descendants
Bild
Die Kulissen von Hawaii und Honolulu nutzt Alexander Payne geschickt, um einen Kontrast zum potenziell schweren Stoff herzustellen. Das Drama um die durch einen Unfall im Sterben liegende Ehefrau, eine Affäre und Geschäftliches, das in seiner Bedeutung die gesamte Insel betrifft, wird damit in einen lockeres Gewand gekleidet, so dass die Figuren zwar authentisch wüten und trauern dürfen, dem Zuschauer aber dennoch nicht der Klos im Hals stecken bleibt. So betont "The Descendants" am Ende die Familienwerte, ohne gleich die Individualität zu begraben, ohne aber auch zur karikaturistischen Freakshow aus schrägen Einzelgängern zu mutieren, wie bei "Little Miss Sunshine" geschehen; Payne gelingt dadurch und selbstverständlich mit Hilfe der hervorragenden Haupt- und Nebendarsteller ein enorm komplexes Familienportrait und ein perfekt ausbalancierter Ton zwischen Drama und lockerer Komödie, bei der keine noch so kleine Nebenrolle befürchten muss, unzureichend gezeichnet zu sein; nicht einmal der torfnasige Freund der rebellischen Tochter.
:liquid8:

21 Jump Street
Bild
In Unkenntnis der Serienvorlage entpuppt sich "21 Jump Street" als satirische High-School-Komödie, die ähnlich wie "Veronica Mars" den Anspruch hat, die amerikanische Jugendkultur zu entlarven, dabei aber ungleich klamaukartiger zu Werke geht: die Hauptdarsteller Tatum und Hill stolpern von einer Peinlichkeit in die nächste. Der klassische Rollentausch des Beliebten und des Nerds steht gar nicht mal so sehr im Vordergrund, es ist vielmehr die Hysterie der Performance, mit der "21 Jump Street" alle Zweifel beseitigen möchte. Mitunter verrennt er sich dabei zu sehr in Plumpheiten und postmodernen Ellipsen (Stichwort: "Ich dachte aber jetzt wirklich, dass der explodiert"), auch wenn er hier und da mal ein paar Glückstreffer einsacken kann und selbst zum Teil seines Beobachtungsobjekts wird. Das Hauptdarstellerpaar vermittelt immerhin auf nüchterne und ungewöhnliche Art eine alternative Buddy-Welt: Die Freunde müssen sich nicht erst zusammenraufen, sie sind sich im Grunde von Anfang an darüber im Klaren, dass sie zusammengehören.
:liquid5:

Bad Lieutenant
Bild
Was Nicolas Cage später unter Werner Herzog als surrealistisch gefärbte Psychopathie interpretierte, ist bei Harvey Keitel reinste Abgefucktheit. Als Low-Budget-Film teilt sich "Bad Lieutenant" ein New York mit Martin Scorsese, wie dieser es für "Taxi Driver" und "Hexenkessel" darstellte. Dabei zieht Abel Ferrara das von Drogen und Gewalt gezeichnete Großstadtleben radikal in eine Parallele mit dem Glauben und schreckt auch nicht vor grafischen Explizitheiten zurück, beziehen diese sich nun auf Nacktheit, Gewaltausübung oder auch religiöse Symbolik, die fast schon profan in die dreckigen Sets eingebettet wird. Einfacher und unmittelbarer als das Remake, aber eben auch eindringlicher.
:liquid8:

Cinefreak
Action Experte
Action Experte
Beiträge: 5296
Registriert: 26.07.2010, 08:59

Beitrag von Cinefreak » 03.02.2013, 12:51

21 Jump Street fand ich auch eher enttäuschend, gebe dir da recht. Hatte nach den Kritiken hier im Forum höhere Erwartungen

Benutzeravatar
McClane
Action Experte
Action Experte
Beiträge: 8324
Registriert: 07.10.2007, 15:02

Beitrag von McClane » 04.02.2013, 21:25

"The Wire" - Season 4: IMO die beste, freu dich drauf.

Schön, dass noch jemand die Stärken von "The Descendants" erkennt und nicht einfach mosert, dass Payne nicht an "About Schmidt" und "Sideways" heranreicht (der Film leistet das IMO nämlich). "21 Jump Street" fand ich im Gegensatz zu dir allerdings reichlich knorke, gerade die erste halbe Stunde ist vom Comedy-Timing her famos.
Jimmy Dix: "Du glaubst wohl nicht an die Liebe?" - Joe Hallenbeck: "Doch ich glaube an die Liebe. Ich glaube auch an Krebs." [Last Boy Scout]

Perry Van Shrike: "Look up 'idiot' in the dictionary. You know what you'll find?" - Harry Lockhart: "A picture of me?" - Perry Van Shrike: "No! The definition of the word idiot, cause that is what you fucking are!" [Kiss Kiss, Bang Bang]

Benutzeravatar
Vince
Actioncrew
Actioncrew
Beiträge: 20493
Registriert: 30.09.2005, 18:00
Wohnort: Aachen

Beitrag von Vince » 05.02.2013, 08:06

Jau, hab inzwischen drei weitere Folgen gesehen und würde dir da bisher zustimmen. Kann auch nur die ganzen Moserer bedauern, die die Serie vorzeitig abgebrochen haben, denn ich hatte auch ganz am Anfang das Gefühl "nee die ist mir irgendwie zu sperrig und spannungslos", bis sich dann irgendwann der Kick einstellte. Das Fehlen von Klischees und Filmkonventionen ist irgendwann total erfrischend.

Zu Descendants: Seh ich auch so. Bei den drei genannten Filmen fällt "About Schmidt" sogar für mich ab. "Sideways" und "The Descendants" würde ich momentan ungefähr gleichauf sehen, wobei "Sideways" damals ein extremer Grower war, nach der Erstsichtung war ich sehr enttäuscht.

Und "21 Jump Street" ist so ein Ding, wo ich einfach das Gefühl habe, rausgewachsen zu sein - ähnlich wie bei "Project X".

Benutzeravatar
Vince
Actioncrew
Actioncrew
Beiträge: 20493
Registriert: 30.09.2005, 18:00
Wohnort: Aachen

Beitrag von Vince » 10.02.2013, 14:19

Largo Winch II - Die Burma Verschwörung
Bild
Der zweite Teil um den Titelhelden aus reichem Hause lässt ein wenig mehr das Flair europäischer Comic- und Abenteuerromane erahnen (auf solchen basiert "Largo Winch" ja auch), allerdings verblasst der Charakter einmal mehr unter Tomer Sisleys eingeschränktem Minenspiel und der überstilisierten, zum hohlen Hochglanz aufgebauschten Kulisse, die alles gleichermaßen mit High-End-Attitüde einfängt, ob nun Edelbüros oder Dschungellandschaft. Herausstechend ist da allenfalls noch die Art und Weise, wie die immer noch attraktive Sharon Stone mit ihrer Lebensrolle aus "Basic Instinct" spielt. Action und Locations machen die Schauwerte aus, allerdings bleiben diese ein mehr als flüchtiges Vergnügen. Das liegt vor allem daran, dass es schlichtweg mehr Spaß macht, einer Lara Croft oder einem Bruce Wayne dabei zuzusehen, wie sie sich als Mill- und Billionäre gegen das System stellen, dem sie ihren Reichtum verdanken.
:liquid4:

Marty
Bild
Eigentlich schnell abgekurbelt in der Hoffnung, aus Steuergründen einen kommerziellen Flop zu landen, wurde "Marty" nicht nur achtmal für den Oscar nominiert, sondern gewann auch noch die vier wichtigsten davon (Film, Regie, Hauptdarsteller, Drehbuch). Gerade weil die Geschichte um den Fleischer Marty (Ernest Borgnine), der nur Pech mit den Frauen hat, so schlicht, ungeschönt und unvermittelt wirkte, feierte man ihn als realistisches Milieuportrait. Inzwischen erkennt man den moralisch erhobenen Finger, der damals unsichtbar gewesen zu sein schien, überdeutlich: Von Anfang an scheint "Marty" auf eine Message ausgerichtet zu sein. Gerade hier liegt aber der Reiz, sich den Film mit diesem Wissen aus heutiger Perspektive noch einmal anzusehen. Borgnine macht das Muttersöhnchen natürlich begnadet, zumindest das steht außer Frage.
:liquid6:

Massai, der grosse Apache
Bild
Aldrich stellt die Besiedelung des Westens durch die Weißen als quasi abgeschlossen dar und nimmt die Figur des letzten Apachenkriegers exemplarisch als Symbol des letzten Widerstands. Ohnehin ist es im Ganzen eine symbolische Geschichte, ein Mann, seine persönlichen und übergeordneten Bedürfnisse, er selbst als Liebender einer Frau und als Sinnbild für das Verschwinden der Indianer. Viele Szenen bestehen aus Flucht und Rechtfertigung, einmal wird Massai quer durch eine Stadt gejagt, weil er nicht ins Bild passte. Lancaster wirkt in seiner Rolle etwas ungewohnt; gerne hätte man einen urindianischen Darsteller in der Rolle gesehen, aber "Apache" war wohl Teil von Lancasters Plänen, nicht mehr so sehr auf den typischen Amerikaner festgenagelt zu werden...
:liquid5:

Headhunters
Bild
Ein bisschen fühlt man sich an "Jack Reacher" erinnert (oder umgekehrt): Thriller-Roman mit einer leicht exzentrisch wirkenden Hauptfigur wird in stilvollen Bildern mit einem Haken schlagenden, mitunter übertrieben wirkenden Drehbuch adaptiert, wobei Seriosität und Unterhaltungswert mitunter im Clinch zu stehen scheinen. Um es anders zu formulieren: Die hochwertige Regie und der anfangs rätselhaft anmutende Plot suggerieren skandinavisches Kino auf dem höchsten Niveau, jedoch zeigt die sich mit Off-Kommentaren durch die Handlung schlagende Hauptfigur mitunter krasse Richtungswechsel und eine bemerkenswerte Wandlung im Filmverlauf, die es teilweise schwer macht, die Nachvollziehbarkeit zu wahren. Nicht bestreiten kann man dabei aber den hohen Spannungsgrad, den Morten Tydlum mit jeder weiteren Minute zu entfesseln weiß. So lässt man also manche Ungereimtheit ungeahndet durchgehen, um sich an einem spannenden Thriller erfreuen zu können.
:liquid7:

Fighting
Bild
Lahme Straßenkämpfergurke mit Lovestory, Wettskandal und allem, was dazugehört. Es scheint nicht so, dass Tatum für seine Rolle großartig trainieren musste, da er stets wie ein Hund auf seine Gegner losrennt und planlos auf sie einprügelt. Passt einerseits zur Straßenthematik, andererseits: Wirklich räudig sieht das auch nicht aus. Man spürt den Eifer der Macher, ein wenig auf die organisierte Kriminalität in der Gegend hinzuweisen, aber auf eine gesellschaftskritische Komponente hinzuweisen, kann dem Film eher schaden als nützen. Besser nimmt man ihn als seichte Unterhaltung, da könnte er zumindest funktionieren, wenn man noch keinen der zahllosen Prügelfilme gesehen hat. Wenn doch, wird man die Weichheit des Films am ehesten registrieren. Wenn schon solche Filme, dann besser aus der B-Ecke mit spritzendem Blut und brechenden Knochen.
:liquid4:

ParaNorman
Bild
"Dass Animationsfilme nach Möglichkeit für Kinder und Erwachsene geeignet sein sollten, führt dieser Film in ein ganz neues Verständnis: Das Zielpublikum sind etwas größere Kinder, die an Halloween & Co. bereits ein wenig Spaß haben, aber Chris Butler und Sam Fell hauen hier nach Herzenslust Querverweise auf teilweise indizierte Splatterfilme rein, dass es einfach nur Freude macht. Optisch und thematisch ist ""ParaNorman"" ein Hochgenuss - Zombies werden auf nie dagewesene Art und Weise verniedlicht, die Klischees, die sie mit sich schleifen, werden ihnen als Stolperfallen vor die Füße gelegt und dann erfreut man sich gemeinschaftlich daran, wie die tölpelhaften Geschöpfe auf die Nase fallen. Knetanimation ist im Zweifelsfall sowieso immer die schönste Form der Animation, hier zahlt sich das aber ganz besonders aus, denn die Regisseure haben reinsten Spaß daran, mit Texturen und Konsistenzen zu spielen und verleihen ihrem Film genau das organische Feeling, das ein Film mit Zombies eben nun mal haben sollte. Dazu kommt ein absolut fantastisches Licht- und Farbenspiel mit giftgrünen Lichterwellen und tiefblauer Dunkelheit, edle Kamerafahrten und bildschirmfüllende Spezialeffekte.
Das Drehbuch fällt dabei etwas ab, gegen eine ""Coraline"" sieht es beispielsweise kein Land, denn dazu ist die Geschichte vom schrägen Jungen, der mit Geistern sprechen kann, zu gewöhnlich. Aber die herrlichen Anspielungen auf Zombie- und Geisterfilmklassiker und das wunderbare Gesamtdesign entschädigen dafür vollkommen."
:liquid8:

Troll Hunter
Bild
Die Norweger bringen mal etwas Spaß in das sonst so bitterernste Fach: Wenn die Handkamera im Dienste einer Mockumentary steht, dienen Witze normalerweise lediglich der Überspielung der eigenen Ängste - schließlich soll es geheimnisvoll und gruselig rüberkommen, wenn sich plötzlich etwas im Busch bewegt. "Troll Hunter" macht sich gerade damit einen riesigen Scherz, denn es sind Trolle, die hier von den sensationsgierigen Twens im Michael-Moore-Fieber gefilmt werden: Mal mit drei Köpfen, mal mehrere hundert Meter groß. Einfachste Vorkommnisse der norwegischen Landschaft werden dann mal eben auf die Existenz der Trolle heruntergebrochen; so seien die oberirdischen Stromleitungen tatsächlich Schutzzäune, um die Trolle in ihren Revieren zu halten. "Jurassic Park" lässt grüßen. Schnitttechnisch ergeben sich noch einige Defizite gegenüber vielen amerikanischen Pendants, die oft deutlich spannender zusammenmontiert sind. Aber die wunderschönen See- und Gebirgsflächen Norwegens entschädigen für Spannungslöcher und der banale Humor, der sich am Ende in einer absurden Rede vor TV-Kameras entlädt, macht einfach etwas her. Es wurde auch Zeit, dass man diesem Subgenre endlich mal das Lachen beibringt.
:liquid5:

The Wire - Season 4
Bild
Wohl der Höhepunkt einer herausragenden Serie - da vertraue ich mal dem McClane und eine nochmalige Steigerung kann ich mir auch gar nicht vorstellen. Die vierte Staffel fokussiert sich nun auf Bildung und Schulsystem, zieht geschickt Parallelen zum Treiben an den Straßenecken und zieht gleichzeitig einen Handlungsstrang über den Kampf um den Bürgermeisterposten. Nie hat eine Serie besser auf den Punkt gebracht, wie sich all diese Ebenen gegenseitig beeinflussen und wie Entscheidungen auf einer Ebene Konsequenzen für eine andere haben. Man kann darüber streiten, ob einige Positionsveränderungen (insbesondere diejenige der Ex-Polizisten, die plötzlich Lehrer sind) nicht zu plakativ in die Handlung eingebracht sind, aber irgendwo unterstützt es ja auch die Hauptaussage der Serie, dass Menschen nur Positionen in einem riesigen System besetzen, mit denen sie nicht zwangsläufig verkoppelt sind.
:liquid9:

Weitere Sichtungen:
Das Bourne Vermächtnis

Benutzeravatar
gelini71
DJ Mod
DJ Mod
Beiträge: 76745
Registriert: 27.09.2007, 15:27
Wohnort: zu Hause

Beitrag von gelini71 » 10.02.2013, 14:49

Die fünfte Staffel von "the Wire" ist tatsächlich keine Steigerung, ich fand aber den "Kniff" wie man das ganze enden läßt aber auch bei weiten nicht so schlimm wie es McClane geschildert hat.
Ich mache keine Rechtschreibfehler, ich gebe Wörtern lediglich eine individuelle Note

Benutzeravatar
McClane
Action Experte
Action Experte
Beiträge: 8324
Registriert: 07.10.2007, 15:02

Beitrag von McClane » 12.02.2013, 09:14

Ed Burns, der auch an der Serie mitgearbeitet hat, ist nach Ende seiner Dienstzeit bei der Polizei auch Lehrer geworden, war gewissermaßen das Vorbild für die Figur - natürlich "beschleunigt" die Serie diesen Positionswechsel aus dramaturgischen Gründen.
Jimmy Dix: "Du glaubst wohl nicht an die Liebe?" - Joe Hallenbeck: "Doch ich glaube an die Liebe. Ich glaube auch an Krebs." [Last Boy Scout]

Perry Van Shrike: "Look up 'idiot' in the dictionary. You know what you'll find?" - Harry Lockhart: "A picture of me?" - Perry Van Shrike: "No! The definition of the word idiot, cause that is what you fucking are!" [Kiss Kiss, Bang Bang]

Benutzeravatar
Seemi
Action Fan
Action Fan
Beiträge: 3335
Registriert: 06.12.2008, 14:28
Wohnort: München

Beitrag von Seemi » 12.02.2013, 22:26

Vince hat geschrieben:Largo Winch II - Die Burma Verschwörung
Das liegt vor allem daran, dass es schlichtweg mehr Spaß macht, einer Lara Croft oder einem Bruce Wayne dabei zuzusehen, wie sie sich als Mill- und Billionäre gegen das System stellen, dem sie ihren Reichtum verdanken.
Du Anarchist! :wink:
Bild
"Bevor ich mein Kaffee nicht hab, lass ich mich nicht foltern!" (Jackson)

Meine DVD-Sammlung

Benutzeravatar
Vince
Actioncrew
Actioncrew
Beiträge: 20493
Registriert: 30.09.2005, 18:00
Wohnort: Aachen

Beitrag von Vince » 17.02.2013, 09:27

McClane hat geschrieben:Ed Burns, der auch an der Serie mitgearbeitet hat, ist nach Ende seiner Dienstzeit bei der Polizei auch Lehrer geworden, war gewissermaßen das Vorbild für die Figur - natürlich "beschleunigt" die Serie diesen Positionswechsel aus dramaturgischen Gründen.
Jup, das war so ein bisschen mein Problem: Mir war bewusst, dass sehr viele Elemente der Serie autobiografische Hintergründe haben, die durch das Serienformat leider dann und wann etwas aufgesetzt wirkten - aber letztlich immer noch viel weniger als bei vergleichbaren Serien. Mir ist wie gesagt sonst keine Serie bekannt, die derartige Probleme so geschickt umschifft.

Red Lights
Bild
Man erwartet zwangsläufig einen übernatürlichen Thriller und diese Erwartungen münzt das Drehbuch in ein Spiel mit den Genreregeln um. Am Anfang ist immer der rational vorgehende Skeptiker, der am Ende unbedingt davon überzeugt werden muss, dass es mehr gibt als die Wissenschaft. "Red Lights" weiß um dieses Gesetz und spinnt daraus ein Netz von Erwartzungshaltungen und deren Brüchen, wozu auch das Genre selbst gehört: Als Gruselfilm, von einigen wenigen Szenen abgesehen, zutiefst ineffektiv, verlagert der Film seine Qualitäten auf ein anderes Level. Der Umgang mit dem Enthüllungseffekt und die Übertragung des Thematisierten auf die Filmstruktur selbst lässt vielmals an Christopher Nolans "Prestige" denken. Zwar kann die Auflösung nicht ganz der eigenen hohen Meßlatte entsprechen, auf dem Weg dahin lässt man sich aber gerne an der Nase herumführen. Ein ungewöhnlicher, schwer zu kategorisierender Film, der visuell immer kurz vor Brillanz steht und am Ende doch etwas Gewöhnliches hat, dessen Drehbuch immer einen Kniff über dem Genrestandard steht und dessen Darsteller qualitativ hochwertige Leute sind, die zwar nicht ihre besten Leistungen abliefern, aber auf ihre Art diesmal ganz besonders faszinieren.
:liquid6:

Shame
Bild
Eindringliche psychologische Studie eines Sexbesessenen, mit der sich Michael Fassbender endgültig als Charakterdarsteller etabliert haben sollte. McQueen stellt das zwanghafte Verhalten seiner Hauptfigur heraus und macht deutlich, welche Konsequenzen ein solcher Zwang für die anderen Facetten des Lebens haben kann. Eine enge Wechselwirkung besteht zur Urbanität, in der Fassbenders Charakter seinem Treiben nachgeht - U-Bahnen, Szenerestaurants und gefüllte Straßen sind die Kreuzpunkte, in denen McQueen die sexuelle Beutejagd von Großstädtern inszeniert wie ein spielerisches Imitat einer tödlichen Begegnung zwischen Löwe und Antilope. Von der Öffentlichkeit wird man auch nie weit weggeführt, die verglasten Fassaden der Skylines erübrigen Transparenz und sind paradoxerweise doch von sterilem und anonymen Charakter, was letztlich genau die Mischung ist, die ins Drama führt.
:liquid8:

Morning Glory
Bild
Seichte Komödie mit vermeintlichen Ansätzen von Medienkritik, die eine unglaublich nervige Rachel McAdams in der Hauptrolle hat, die eigentlich quirlig und putzig wirken soll. Tut sie nicht. Stattdessen leidet man mit ihren Dates, die sie totquatscht, und mit ihren Mitarbeitern, die sie auf der Arbeit ertragen müssen. Der Film legt ein hohes Tempo vor, mit dem die Schnellebigkeit und Oberflächlichkeit des Business aufgedeckt werden soll und zumindest das gelingt unter Inkaufnahme des Preises, dass der Film selbst die gleichen Antipathien erregt wie der Sender. Lichtblick ist ein wunderbar nörgeliger Harrison Ford in einer tragenden Nebenrolle, auch sonst hat man sich nicht gerade lumpen lassen, was prominente Namen in kleineren Rollen angeht.
:liquid5:

Killer Joe
Bild
Friedkins Groteske demontiert die amerikanische White-Trash-Familienstruktur mit einem Knalleffekt, der sich echt gewaschen hat. So psychopathisch die Rolle Killer Joes angelegt sein mag - ohne, dass sich die Familie selbst zerfleischen würde, wäre "Killer Joe" nur ein konventioneller Psychothriller. Friedkin aber lässt Passivität (Thomas Haden Church), Aggressivität / Verzweiflung (Emile Hirsch) und Egomanie (Gina Gershon) jeweils ins Leere laufen, was den Familienkern zum Bersten bringt, und projiziert das verheerende Resultat auf die Jüngste (Juno Temple), deren Unschuld schon zu Beginn des Films verloren ist. Die psychologische Härte des Films ist enorm, so sehr, dass sich der Wahnsinn mitunter in Komik zu flüchten scheint. Im Kopf entstehen aber unentwegt Bilder des Terrors, der in der letzten Szene, die mehr als abrupt abbricht, auf die Spitze getrieben werden. Schon mit "Bug" war Friedkin in die Form zurückgekehrt, jetzt ist er wieder einer der ganz Großen.
:liquid9:

Die fürchterliche Furcht vor dem Fürchterlichen
Bild
Großartige Idee, etwas verkorkste Umsetzung. Solange Simon Pegg als verlaustes Strichmännchen in Unterhosen in seiner Wohnung hockt und ihn jedes Geräusch und jedes Lichtspiel aufhorchen lässt, ist ""The Fantastic Fear Of Everything"" alles, was er verspricht - eine schräge Phobikerkomödie über die Phobie selbst. Die Wohnung ein Tempel des Kleinkrams, der unzählige Möglichkeiten für raffinierte Schattenspiele birgt, die auch gut genutzt werden, die Gestalt mittendrin bestehend aus zwei großen, ängstlichen Augen, der einzigen Lichtquelle in ewiger Düsternis.
Sobald dann aber die Phobie zu ergründen versucht wird, driftet das Drehbuch in tiefere Sphären ab. Mag man die Besuche beim Seelendoktor noch in die ""Kuckucksnest""-Schiene verorten, wird die unergründliche Angst vor dem Waschsalon am Ort des Schreckens selbst exorziert. Mit unbefriedigendem Ergebnis: Fast schon krimigleich wird die Geschichte zu Ende gebracht, wie ein alter Sherlock-Holmes-Streifen, nur weniger atmosphärisch, und als die Ursprünge entlarvt werden, macht sich Enttäuschung breit. Wieder ein Film, der all seine Magie aufs Spiel setzt, nur weil er Erklärungen finden möchte.
:liquid5:

Sons Of Anarchy - Season 2
Bild
Zu meinem Erstaunen wurde der Cliffhanger, der für Staffel 2 so viel brodelnde Unterschwelligkeit versprach, recht schnell beiseite geschoben, um für neue Handlungsstränge Platz zu schaffen. Charlie Hunnams Hauptfigur fällt immerhin zunehmend in eine persönliche Krise, die aus dem Zwiespalt zwischen den Wurzeln seines Vaters, seines eigenen Vaterdaseins und der neueren Entwicklung des Klubs entwächst. Darüber hinaus hat Katey Sagal wiederum die besten Szenen, die sie erneut mit der besten Leistung aller Beteiligten füllt. So unterhaltsam und teilweise packed die Serie aber auch geschrieben sein mag, zur oberen Klasse will sie einfach (noch) nicht gehören.
:liquid7:

Weitere Sichtungen:
The Last Stand
Stirb Langsam - Ein guter Tag zum Sterben

Benutzeravatar
Vince
Actioncrew
Actioncrew
Beiträge: 20493
Registriert: 30.09.2005, 18:00
Wohnort: Aachen

Beitrag von Vince » 23.02.2013, 09:33

American Pie - Das Klassentreffen
Bild
Der Originaltrilogie stehe ich zwiegespalten gegenüber; die ersten beiden Teile habe ich im Kino gesehen und als relativ gut gemachte Komödien empfunden, die aber offensichtlich auf meine Alterszielgruppe zugeschnitten waren, so wie einige andere Komödien, die zum gleichen Zeitpunkt gedreht wurden. Wirklich mit den Figuren identifizieren konnte ich mich damals nicht unbedingt, es war für mich eher distanzierte Unterhaltung, fast schon eher ein Blick auf meine Freunde und Klassenkameraden als auf mich selbst.
Nun kommt wie aus dem Nichts "Das Klassentreffen" und haut mich aus dem Stand um. Ich habe tatsächlich das Gefühl, dieser Film wurde ganz persönlich für mich gemacht, für mich und alle Gleichgesinnten aus den frühen 80er-Jahrgängen, die sich in einer Welt aus Justin-Bieber-Fans und iPod-Gangstern etwas fehl am Platz fühlen. Dieser Film zeigt zwar einerseits auf, wie alt man inzwischen geworden ist, andererseits ruft er einem aber auch zu: Du bist nicht alleine! Da werden die "Spice Girls" von einem jungen Mädel als Classic Rock eingestuft und man blickt sie mit dem gleichen Unverständnis an wie Jim. Dieser Film kitzelt nostalgische Emotionen derart geschickt, dass man sich ihm kaum entziehen kann, wenn man ein ähnliches Alter hat wie die Hauptdarsteller. Die frivole, hochnotpeinliche Art, Gags zu schreiben, wurde praktisch 1:1 aus den ersten drei Teilen übernommen und steht mit der Richtung, der der Comedy-Mahlstrom einschlägt, in einem Anachronismus. Man möchte eigentlich gar nicht wissen, was 16-Jährige heute über einen Film wie diesen denken; eher möchte man sich an Altersgenossen wenden und fragen, ob diese genauso sehr darüber nachdenken, wie die Zeit verflossen ist.
Für die Darsteller hat dieser Film leider gezeigt, dass sie wohl ewig mit ihren "American Pie"-Rollen verbunden werden bleiben und nichts mehr auf die Reihe kriegen dürften, bei dem man nicht an Stifler, Michelle, Vicky, Jim oder Jims Dad denken muss, aber das soll nicht unser Problem sein.
:liquid8:

9 Songs
Bild
Extrem langweilige Beschau von Geschlechtsteilen, wobei der Verschnitt privater Szenen aus dem eigenen Heim mit 9 Songs aus einem Konzert, auf dem sich die Verliebten erstmals trafen, hier als Kunst mißverstanden wird. "9 Songs" gehört zu den Ersten einer Welle von Filmen, die pornografische Elemente in einen Spielfilm einbauten - eine nicht zwangsläufig falsche Entwicklung, allerdings scheint in diesem Fall die Meinung vorzuherrschen, das alleine reiche aus, um etwas von Belang zu schaffen, um irgendwie zum Nachdenken anzuregen. Dass dem nicht der Fall ist, stellt "9 Songs" eindrucksvoll unter Beweis, denn tatsächlich geschieht hier nichts von Belang, nicht einmal Erotik weiß der Film zu übertragen.
:liquid2:

Pal Joey
Bild
Schwungvolles Musical, das Frank Sinatras Image als Entertainer endgültig zementierte. Neben ihm eine gut gereifte Rita Hayworth, die mit damals 39 Jahren in ihrer "Zip"-Aufführung so viel Erotik versprüht wie nicht einmal alle aktuellen Hollywood-Schauspielerinnen zusammen. Der Filmlook ist nicht so aufdringlich bunt wie bei "Es tanzt die Göttin", sondern in pastellenen Farben, teilweise fast schon Noir-angelehnt, der Plot einfach, aber wirkungsvoll.
:liquid7:

Weitere Sichtungen:
Transit
Ted
Parker
[Rec]³

Benutzeravatar
freeman
Expendable
Expendable
Beiträge: 61506
Registriert: 12.12.2004, 23:43
Wohnort: Rötha

Beitrag von freeman » 23.02.2013, 21:34

Full Ack zu dem todlangweiligen Überstinker 9 Songs. Das witzige ist, wenn bei meinem Arbeitgeber JOYclub die Mitglieder von niveauvollen Handlungs"Pornofilmen" fabulieren, wird dieser Film IMMER wieder genannt und man sitzt nur da und denkt sich: Niveau? Wat? Handlung? Hö? Einfach lächerlich. Und wenn man ihnen dann richtig gute Pornos empfiehlt, will man die nicht sehen, das seien ja nur selbstzweckhafte Sexfilme ...

Und irgendwie kicken net mal die Songs zwischen dem Geficke, obwohl da ja schon ordentliche Bands am Start sind.

In diesem Sinne:
freeman
Bild

Benutzeravatar
Vince
Actioncrew
Actioncrew
Beiträge: 20493
Registriert: 30.09.2005, 18:00
Wohnort: Aachen

Beitrag von Vince » 25.02.2013, 09:16

Mit der Mucke konnte ich auch rein gar nix anfangen. Ich mag zwar die Richtung an sich schon nicht so, aber richtig inszeniert hätte das trotzdem krachen können.

Bin mal gespannt, ob mir "Bedways" besser gefällt. Der hat zwar deutlich schlechtere Kritiken als "9 Songs", aber zumindest der Trailer hatte mich da mehr angesprochen...

Benutzeravatar
freeman
Expendable
Expendable
Beiträge: 61506
Registriert: 12.12.2004, 23:43
Wohnort: Rötha

Beitrag von freeman » 25.02.2013, 09:20

Zu dem hab ich auch mal was geschrieben:
Bedways ... bei dem isses net verkehrt, wenn man sich mit Kommunikationsmodellen auskennt ...

In diesem Sinne:
freeman
Bild

Benutzeravatar
Vince
Actioncrew
Actioncrew
Beiträge: 20493
Registriert: 30.09.2005, 18:00
Wohnort: Aachen

Beitrag von Vince » 25.02.2013, 09:54

Da ich sowas studiert hab, passt das ja wie Faust aufs Auge. Klingt jedenfalls deutlich besser als 9 Songs, was du da schreibst.

Benutzeravatar
Vince
Actioncrew
Actioncrew
Beiträge: 20493
Registriert: 30.09.2005, 18:00
Wohnort: Aachen

Beitrag von Vince » 02.03.2013, 09:38

Breakfast Club
Bild
Mikrosozialstudie in Selbsttherapie - der im Vergleich mit den Nachfolgejahrzehnten immer etwas nachdenkliche, melancholische Teeniefilm der 80er wird in "Breakfast Club" auf seine blanken Knochen reduziert und erlebt hier seine totale Entblößung. Eine leere Schule dient als Schauplatz; schnelle Wechselwirkungen werden somit aus der Gleichung gezogen. Übrig bleibt der Schüler mit seinem Spiegelbild. Er reflektiert das, was man in "Breakfast Club" nicht sieht, wohl aber in vielen anderen Filmen der damaligen Zeit - das Sozialsystem Schule und die Klassifizierung von Einzelnen durch Lehrer und Mitschüler im schulischen Alltag. Als diese fünf Musterbeispiele ihrer Art, vom Nerd über den Freak bis zum Sportler, im engen Kreis darüber nachdenken, warum sie von der Gesellschaft in Rollen gezwängt werden, lässt John Hughes das nie affektiert wirken, sondern nutzt die aufkeimende Selbsterkenntnis dazu, seinen Film zu einem der vielschichtigsten Vertreter seiner Gattung zu machen.
:liquid8:

Bad Ass
Bild
Ein Film, so unfreiwillig komisch, dass man die Unfreiwilligkeit schon wieder in Zweifel ziehen muss. Alleine der Umstand, dass Trejo zum "Bad Ass" hochstilisiert wird, weil er im Bus zwei Nazis fertigmacht, die einem alten Mann den Sitzplatz nehmen wollen ("The Specialist" lässt grüßen), gereicht kaum noch dem Anspruch einer Kritik an "Youtube" und Konsorten (der Vorfall wird über ein solches Medium verbreitet) - zu albern scheint die gesamte Anlage des Films. Und es wird nur schlimmer: der alte Mann scheint unbesiegbar wie Bud Spencer zu seinen besten Zeiten und kriegt mal eben problemlos eine hübsche, junge, alleinstehende Nachbarin ins Bett - mit Hilfe eines babyblauen Smokings und eines Blumenstraußes. Mißt man Filme nach ihrer Authentizität, überragt "Bad Ass" "Machete" um ein Vielfaches - zwischen Putzigkeit und Fremdscham erregt der Kampf eines alten Veteranen gegen den modernen Vorstadtkleinkrieg viele Emotionen, inwiefern diese aber intendiert waren, steht in den Sternen. Auf bizarre Art ein fragwürdiges Vergnügen, aber man muss eine Portion Mitleid für alle übrig haben, eine extragroße für Trejo. "Bad Ass", ein Film wie die erste Staffel Dschungelcamp: Handlungstrash und keine Sicht auf das Dahinterliegende.
:liquid5:

Trauma (aka Hipnos)
Bild
Zwar mit ausrangierten Motiven behafteter, dennoch effektiver Asylum-Schocker (der Handlungsort, nicht die Produktionsfirma!) aus Spanien, der ein sehr gutes Gespür für Bildkompositionen, Schnitt und Farbgebung aufweist. Das Drehbuch mag leicht durchschaut sein, allerdings war das schon für "Shutter Island" nicht wirklich ein Stolperstein; auch "Trauma" lebt in erster Linie von seinen Bildern und seiner packenden Machart denn von seiner Auflösung.
:liquid7:

The Psychopath
Bild
Das Drehbuch hätte sich für eine brauchbare Episode einer Horroranthologie empfohlen, ebenso der Regisseur: "The Psychopath" mutet mit seinem sehr reduzierten Cast (fast alles spielt in der Privatwohnung oder am Arbeitsplatz der Hauptfigur, Statisten gibt es kaum), der etwas biederen Regie und dem auf einen Dreh- und Angelpunkt fixierten Storyentwurf einen Tick zu lang an. Eine Stunde hätte ausgereicht, um auf dem Niveau über den Komplex von Sexualität und toten, dennoch menschlich wirkenden Gegenständen zu sinnieren, das der Film vorgibt. Rund um den etwas hölzernen Desmond Harrington (bekannt zB. aus "Wrong Turn" oder jüngst "Dexter") betreibt "The Psychopath" Analyse über einen sexuell Gestörten und schlachtet parallel dazu den Puppengrusel aus, der durch die Hauptfigur mit einer Portion Hitchcock behangen wird, andererseits aber auch eine Spur Science Fiction in sich trägt; Der Anspruch der ominösen Firma, möglichst lebensechte Sexpuppen zu bauen, will die Grenzen zwischen organischen Lebewesen und Replikanten ähnlich verschleiern wie etwa "Blade Runner" oder "Alien". Aufgrund beschränkter Mittel kann das natürlich nicht funktionieren, und es ist gerade dieser hohe Anspruch, universelle Themen zu ergreifen, ohne sie technisch adäquat umsetzen zu können, die so sehr an eine Reihe der Marke "Masters Of Horror" denken lässt.
:liquid5:

Weitere Sichtungen:
Six Bullets

Benutzeravatar
StS
Actioncrew
Actioncrew
Beiträge: 28365
Registriert: 04.10.2005, 21:43
Wohnort: Harsh Realm, Hannover

Beitrag von StS » 02.03.2013, 10:12

Zu "the Psychopath" hab ich auch noch ne ältere Kritik, die ich mal "entstauben" könnte - natürlich unter dem (wesentlich besseren) Originaltitel des Films, nämlich "Love Object". Fand den allerdings etwas besser als Du, Vince, und hatte ihn erstmalig (seinerzeit) auf´m FFF geschaut. "the Breakfast Club" ist indes wahrlich ein zeitloser Klassiker... :wink:

Benutzeravatar
gelini71
DJ Mod
DJ Mod
Beiträge: 76745
Registriert: 27.09.2007, 15:27
Wohnort: zu Hause

Beitrag von gelini71 » 02.03.2013, 13:06

Mensch - mußt Du immer so verschwurbelt schreiben ? Kannst Du nicht einfach mal sagen "Der Film ist geil !" ? :lol: :lol: :lol:
Ich mache keine Rechtschreibfehler, ich gebe Wörtern lediglich eine individuelle Note

Benutzeravatar
Vince
Actioncrew
Actioncrew
Beiträge: 20493
Registriert: 30.09.2005, 18:00
Wohnort: Aachen

Beitrag von Vince » 10.03.2013, 14:03

The Devil Inside
Bild
Schrecklich banaler und vollkommen obsoleter Film, selbst für Found Footage bzw. Exorzismusfilme. William Brent Bell (wenn ich mich recht erinnere, ein Writer-Director) weiß der ohnehin übergelaufenen Soße nicht im Geringsten etwas Neues zuzufügen, er käut einfach wieder, was andere vor ihm schon längst beackert haben. Exorzismusseminare, Streitgespräche über existenzielle Fragen, Kellerräume mit Besessenen, die ihre Gliedmaßen verdrehen und in fremden Zungen sprechen, irre Mütter in der Heilanstalt, wieso sollte man sich all das schon wieder zu Gemüte führen müssen, wenn es nicht wenigstens auf der handwerklichen Ebene neue Kniffe enthüllt? Durch und durch verzichtbar.
:liquid2:

Barney's Version
Bild
In Indie-Dramen ist Giamatti einfach am besten. "Barney's Version" ist die stark biografisch ausgerichtete Geschichte eines Mannes, der für die Liebe gegen jede Vernunft gehandelt hat und dabei ebensoviel gewonnen wie verloren hat. Der Film beginnt in der Gegenwart und geht dann etappenweise bis zu 30 Jahre zurück in die Vergangenheit, um sich dann wieder chronologisch vorwärts zu bewegen. Dabei weiß Giamatti unter der Regie von Richard J. Lewis in Nebensätzen und kleinen Gesten große Wahrheiten über das Leben zu vermitteln. Die Handlungsbereiche pendeln zwischen verschiedenen Frauen und damit verbunden dem schmalen Grat zwischen Kompliziertheit und Einfachheit. Alexander Payne bekommt hier mächtig Konkurrenz.
:liquid8:


Point Blank
Bild
Temporeicher, wendiger kleiner Actionthriller aus Frankreich, der aufgrund der Inszenierungsweise und des Themas gerne mit "96 Hours" verglichen wird, allerdings aufgrund blasser Darsteller nicht dessen Kraft aufbringen kann. Alles wirkt eine Nummer kleiner und unabhängiger, zugleich ist aber auch alles unvoreingenommener zu genießen. Denn man weiß ja, bei den Franzosen kann alles passieren...
:liquid6:

Savages
Bild
Oliver Stones Fingerübungen sind wahrscheinlich seine besten Filme. "Savages" mag romantisch verklärt sein, bringt aber wenigstens neue Sichtweisen ins Kino: Optisch eine Mischung aus "Man On Fire", "Bad Boys II" und "Spun", durchbricht Stone seine überzeichnete Sonnenschein-Optik regelmäßig mit extrem brutalen Einlagen, die der retrospektiv aus dem Off gesponnenen (und hier auch mit dem Medium Film bzw. der gebrauchten Erzähltechnik spielenden) Geschichte einen dramatischen Einschlag gibt, wenngleich der Gesamteindruck ebenso intensiv wie nostalgisch ist. Mit der Dreier-Beziehung bricht Stone außerdem ein gesellschaftliches Tabu. Auch diese Tatsache lässt er in den Dialogen der Erzählerin reflektieren, konfrontiert den Zuschauer mit eigenen Vorurteilen und zwingt ihn dazu, unbeeinflusst in die Handlung zu springen, in dem Bewusstsein, dass ihn hier keine objektive Darstellung von Fakten erwartet, sondern eine sehr subjektive Erzählung. Entsprechend dürfen die Darsteller schön vom Leder ziehen, und wer wäre da besser geeignet als John Travolta und Benicio Del Toro? Das Gespann der Hauptfiguren bleibt gegen diese Schwerkaliber des Overactings vergleichsweise blass, allerdings passt auch das wieder irgendwie in den Kontext, da die Erzählung ja eher auf die Bösartigkeit der Umwelt ausgelegt ist und man mit sich selbst im Reinen ist. Ein intensives Filmerlebnis, bei dem der Inhalt im Gegensatz zu vielen Bay- und Scott-Produktionen, die sich eines ähnlichen visuellen Stils bedienen, ähnlich fiebrig ist wie die Optik. Und die potenziell kitschige Romeo-und-Julia-Variation wird erfreulicherweise nicht einfach vom Film widerstandslos angenommen, sondern durchaus durch den Fleischwolf gedreht.
:liquid8:

Lautlos im Weltraum
Bild
Science-Fiction-Klassiker, dessen Atmosphäre zu einem wesentlichen Teil von der Einsamkeit bestimmt wird, in der sich der von Bruce Dern gespielte Raumfahrer ausgesetzt sieht. Diese ist zugleich ein Sinnbild für die Tücken des industriellen Fortschritts und des Verschwindens der Natur auf der Erde zugunsten der Industrie. "Lautlos im Weltraum" galt als sehr stilsicherer beitrag zum Genre; heute sind zwar sämtliche Bauten als Modelle zu entlarven, aber ihre Zeitlosigkeit haben sie behalten. Das watschelige Design der "Huey, Lewie & Dewey" getauften Hilfsroboter (benannt nach den Neffen Donald Ducks) bleibt in Erinnerung als eine Art Vorreiter des Volleyballs Wilson: Ein Ersatz für menschliche Emotionen mangels realer Alternativen in einer aussterbenden Welt. Pixar hat diesen Ansatz dann weitergeführt und mit "Wall-E" von der anderen Seite aus beleuchtet, von der Maschine nämlich.
:liquid8:

The Wire - Season 5
Bild
Wenn man kritisiert, wie radikal in der fünften Staffel zwei Polizisten das Recht in die eigene Hand nehmen, wäre natürlich zunächst mal wieder zu überprüfen, inwiefern dieser Handlungsstrang nicht doch auf realen Geschehnissen beruht. Tatsächlich wirkt das Vorgehen der Polizisten hier ein wenig over the top, andererseits wurde in der dritten Staffel durch eine Polizeieinheit ein ganzer Block für den Drogenverkauf legalisiert; ich möchte nicht behaupten, dass das weniger absurd wäre.
Was mich an der fünften Staffel mehr gestört hat, war die nur bedingt geglückte Integration der Medienlandschaft in das Ökosystem bestehend aus Drogenrevieren, Polizisten, Bürgern und Stadtämtern. Obwohl sich die Drehbuchautoren weit mehr als etwa in Stafel 2 bemühen, diesen neuen Bereich in das Bestehende zu integrieren, will es nicht vollständig gelingen, weil der Medienkomplex wieder ein ganz neues, prinzipiell auch vom Hauptbezugspunkt der Serie unabhängiges Universum ist, das eine eigene Serie verdient hätte.
Insgesamt bleibt aber auch Staffel 5 den Kernqualitäten der Serie treu und führt die vielen Charaktere noch tiefer fort. Der Handlungsstrang um Omar ist mit Abstand der interessanteste und hat so manche Überraschung parat, die man so nicht erwartet hätte. Bubbles entpuppt sich endgültig als das gute Gewissen der Serie und als ihr Hoffnungsschimmer, wobei "The Wire" ansonsten konsequent den Weg des Realistischen geht, was sich letztendlich auch in der Statistik der Verstorbenen niederlegt - während auf Seite der Polizisten kaum jemand zu Schaden kommt, fallen die Söhne der Straße wie die Fliegen. Weshalb "The Wire" zu einer der besten Serien überhaupt gezählt wird, ist ziemlich offensichtlich, nachdem nun die letzte Folge alles zu einem runden Abschluss gebracht hat. Wer die Serie wegen ihres langsamen Tempos und fehlenden Spannungsaufbaus ablehnt, hat nicht die geringste Ahnung, was er verpasst.
:liquid8:

Weitere Sichtungen:
American Horror Story - Season 1
Looper
Shootout - Keine Gnade
A Lonely Place To Die



gelini71 hat geschrieben:Mensch - mußt Du immer so verschwurbelt schreiben ? Kannst Du nicht einfach mal sagen "Der Film ist geil !" ? Lachen Lachen Lachen
Version für den gelini:
The Devil Inside
Voll scheiße, AltOr!
:liquid0:

Barney's Version
Voll Bio, ey!
:liquid10:

Point Blank
Voll 96 Hours, yo!
:liquid10:

Savages
Geil krass! Ugh Ugh!
:liquid10:

Lautlos im Weltraum
Voll EMO!!! Mit Raumschiffen!
:liquid10:

The Wire - Season 5
Medienmäßig krass man JUNGE!!!
:liquid10:

Benutzeravatar
gelini71
DJ Mod
DJ Mod
Beiträge: 76745
Registriert: 27.09.2007, 15:27
Wohnort: zu Hause

Beitrag von gelini71 » 10.03.2013, 14:14

:lol: :lol: Yo - jetzt kapier ichs auch :wink:

Wenigstens hast Du Humor. :wink:

"the Wire" würde ich als Gesamtwerk auch eine 10/10 geben, auch wenn die fünf Staffeln sich Qualitativ schon unterscheiden.
Ich mache keine Rechtschreibfehler, ich gebe Wörtern lediglich eine individuelle Note

Benutzeravatar
SFI
Expendable
Expendable
Beiträge: 103496
Registriert: 09.08.2004, 07:58
Wohnort: Suraya Bay
Kontaktdaten:

Beitrag von SFI » 10.03.2013, 15:33

Überlege mir ja die Wire Sache zu holen, aber diese Höchstwertungen bei LOST Fans ist mir einfach zu riskant.
PFALZBOTE | DVD-Profiler

„Fate: Protects fools, little children and ships named Enterprise.“

Benutzeravatar
gelini71
DJ Mod
DJ Mod
Beiträge: 76745
Registriert: 27.09.2007, 15:27
Wohnort: zu Hause

Beitrag von gelini71 » 10.03.2013, 15:46

SFI hat geschrieben:Überlege mir ja die Wire Sache zu holen, aber diese Höchstwertungen bei LOST Fans ist mir einfach zu riskant.
Vergiss Lost - ich gebe Lost auch nur eine 5/10 fürs Gesamtpaket.

The Wire ist dann was für Dich wenn Du es gerne etwas ausführlich magst und Du keine Angst davor hast mit unzähligen Personen und Namen zu tun zu haben. Es ist weniger eine TV Serie sondern eher wie ein Buch in Filmform - man muß dranbleiben, so am besten jeden Tag mindestens eine Folge sonst wirkt das ganze nicht.
Ansonsten halt eine ausführliche Krimiserie die alle Seiten beleuchtet und wo es keinen "Held" bzw Hauptfigur gibt und die eben realistisch ist. Freeman findet es halt langweilig, ich finde es geil.

PS: Der Vince ist auch kein Lost Fan :wink:

PS 2: Ich müßte mal meine Review von the Wire endlich mal fertig schreiben :lol:
Ich mache keine Rechtschreibfehler, ich gebe Wörtern lediglich eine individuelle Note

Benutzeravatar
Hannibal
Action Fan
Action Fan
Beiträge: 4021
Registriert: 12.08.2004, 11:33
Wohnort: Badem

Beitrag von Hannibal » 10.03.2013, 18:54

gelini71 hat geschrieben:
SFI hat geschrieben:Überlege mir ja die Wire Sache zu holen, aber diese Höchstwertungen bei LOST Fans ist mir einfach zu riskant.
Vergiss Lost - ich gebe Lost auch nur eine 5/10 fürs Gesamtpaket.

The Wire ist dann was für Dich wenn Du es gerne etwas ausführlich magst und Du keine Angst davor hast mit unzähligen Personen und Namen zu tun zu haben. Es ist weniger eine TV Serie sondern eher wie ein Buch in Filmform - man muß dranbleiben, so am besten jeden Tag mindestens eine Folge sonst wirkt das ganze nicht.
Ansonsten halt eine ausführliche Krimiserie die alle Seiten beleuchtet und wo es keinen "Held" bzw Hauptfigur gibt und die eben realistisch ist. Freeman findet es halt langweilig, ich finde es geil.
Meine Prognose ist, dass Timo sich bei The Wire zu Tode langweilt! ;)

Benutzeravatar
SFI
Expendable
Expendable
Beiträge: 103496
Registriert: 09.08.2004, 07:58
Wohnort: Suraya Bay
Kontaktdaten:

Beitrag von SFI » 10.03.2013, 18:59

Ich denke es wird Zeit die Stigmatisierungen vergangener Tage neu zu überdenken. Ich konnte mich ja auch an Game of Thrones ergötzen, bei welchem auch nicht passiert. :lol:
PFALZBOTE | DVD-Profiler

„Fate: Protects fools, little children and ships named Enterprise.“

Antworten

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 1 Gast