
Kommen wir zu einer lustigen Besonderheit der 80er und frühen 90er Jahre. Hier entstanden so viele Film-Serien wie selten zuvor: Born to Fight, Born to Win, Tiger Cage, Hard Game oder das bekannteste Beispiel Karate Tiger 1-X aus deren dritten Teil auch noch eine weitere Serie namens Kickboxer 1-5 hervorging. Diese Filme vereinte meist nie viel mehr als eine Gemeinsamkeit: Sei es die Thematik, Martial Arts, ein gemeinsamer Regisseur, ein gemeinsamer Darsteller oder ein gemeinsames Herstellungsland. Insbesondere eben von asiatischen Filmen gibt es einige derartige "Serien". Ursache war freilich, dass sich den Verleihern die Frage stellte, wie sie diese Filme vermarkten sollten. Denn damals schaute nur eine kleine Fangemeinde gen Asien und wusste um die Qualitäten von deren Filmen. Und so versuchte man einen Film – meist in die Videotheken – zu pushen und lancierte weitere – meist thematisch vollkommen andere - Filme unter dem gleichen nun halbwegs etablierten Titel.
Ein sehr prominentes Beispiel dürfte die Cover Hard Reihe sein, deren einziges verbindendes Element der Regisseur Ringo Lam darstellt. In Wirklichkeit handelt es sich um die Filme: Cover Hard I = Full Contact, Cover Hard II = City on Fire, Cover Hard III = The Adventurers.
Full Contact:

Originaltitel: Xia dao Gao Fei
Herstellungsland: Hongkong
Erscheinungsjahr: 1993
Regie: Ringo Lam
Darsteller: Chow Yun-Fat, Simon Yam, Anthony Wong Chau-Sang, Ann Bridgewater,
Bonnie Fu u.a.
Jeff ist Rausschmeißer in einer Bar in Bangkok und vermutlich The Coolest Motherfucker in Town. Sein Cousin Sam dagegen ist in der Coolnessskala deutlich weiter unten angeordnet und leidet an einer gewissen Spielsucht, die ihm immer wieder aufs Neue Ärger einbringt. Diesmal schuldet er einem „Wettbüro“ (also einer chinesischen Gang) 40 000 Dollar. Jeff boxt seinen Cousin aus der misslichen Lage heraus. Allerdings haben sie nun die ganze Gang gegen sich und suchen nach einem Ausweg. Sie beschließen sich aus der Situation freizukaufen. Deshalb heuert Jeff bei Sinos Bande an, die einen Transporter überfallen soll.
Der Coup gelingt, doch Auftraggeber des Überfalls ist genau die Bande, die Jeff und Sam gegen sich haben. Sino, der dies freilich wusste und zusätzlich den Auftrag hatte, Jeff und Sam der Bande auszuliefern, erschießt Jeffs Bruder, der an dem Überfall teilgenommen hatte und versucht auch Jeff zu töten. Bei dem folgenden mittleren Massaker verliert Jeff seinen Abzugsfinger und versucht sein eigener Cousin Sam ihn zu töten. Zusammengeschossen kann Jeff entkommen ...
Sam bandelt derweil mit Jeffs Ex an, die annimmt, Jeff sei tot. Jeff versucht inzwischen wieder zu Kräften zu kommen, trainiert seine schwache Linke zur Schusshand und bereitet sich auf den unausweichlichen Showdown vor ...
Jeder der von sich selbst meint, ein Actionfan zu sein, muss diesen Film gesehen haben. Und das, wo er in gewisser Weise den untypischsten Film seines Regisseurs darstellt. Denn wo Ringo Lam sonst immer auf Realismus in allen Lagen setzt, erschuf er hier einen Film, der derart over the top ist, dass man es gesehen haben muss, um es zu glauben. Die Charaktere sind überlebensgroß, die Geschichte auf das absolut nötigste reduziert und trotzdem zupackend und spannend. Jede Szene wirkt extrem durchgestylt und die Bildkompositionen sind für einen Lam Film ungewöhnlich brillant. Die Action ist so ziemlich das derbste, was man in einem Film geboten bekommen kann. Die Shootouts sind hart und blutig, dabei Lam-typisch frei von Zeitlupenspielereien und dennoch hervorragend choreographiert, die Schlägereien geraten kurz und ungemein effektiv, die Explosionen druckvoll und die von Ringo Lam gezwungenermaßen erwartete Auto Action macht auch Spaß. In ihrer Konsequenz ist die Action aber selbst für Hongkongverhältnisse fast schon zu extrem: Es gibt megaderbe Durchschüsse, Gliedmaßen werden abgetrennt, Menschen werden von einer Vielzahl an Kugeln durchsiebt, Wangen aufgeschlitzt und unbeteiligte Familien werden schon mal komplett ausradiert. In einer Ballerei präsentiert Lam dann auch die ersten, genial umgesetzten, Bullettime Effekte der Filmgeschichte. Und die Inszenierung des Showdowns ist in seiner westernartigen Überstilisierung nur noch der Hammer!
Einen cooleren Film hat Chow Yun Fat vermutlich nie gemacht. Alleine sein Auftreten in Rockerklamotten und schnittiger Frisur rockt die Bude. Wenn er sich dann noch vor jedem Gefecht über den Daumen leckt, mit einer fetten Harley angebraust kommt oder mitten im Fight mit seinem Butterfly posed und Regentropfen das Blut von der Schneide waschen lässt, erstarrt der Bildschirm vor Coolness. Dem steht Simon Yam in nichts nach. Mit seiner Schlangenlederjacke, aus der er immer neue Waffen hervorschnellen lässt, und seiner durchgeknallten Attitüde ist er das geniale Gegenstück zum obercoolen Chow Yun Fat.
Somit ist der Film die Show dieser beiden Antagonisten, die mit ihrem Spiel alles an die Wand drücken. Das Problem ist nun, dass sämtliche Nebendarsteller so dermaßen überzogen chargieren, dass es teils weh tut. Insbesondere Sinos Bande ist einen Tick zu exaltiert geraten (Highlight ist Virgin, die sich schon mal mitten in einem laufenden Überfall selbst befriedigt).
Was für ein Film. Knallhart, überzogen, überlebensgroß und mit Bildern, die über eine solche Wucht und Dynamik verfügen, dass einem auch heute noch die Luft wegbleibt. Chow Yun Fat gibt den Mr. Eisschrank mit einer Lässigkeit, die einen die Kinnlade runterklappen lässt und Simon Yam war selten besser als als schwuchteliger Bad Ass. Grandioser Actionhammer!
:5of5: