
Originaltitel: Six-String Samurai
Herstellungsland: USA
Erscheinungsjahr: 1998
Regie: Lance Mungia
Darsteller: Jeffrey Falcon, Justin McGuire, Kim De Angelo, Stephane Gauger, Clifford Hugo, Oleg Bernov, Igor Yuzov, Zhenya Kolykhanov, George L. Casillas, Avi Sills, Monti Ellison, Kareem
Rock’n’Roll ist zeitlos, deswegen funktionieren psychedelische Entfremdungen von Elvis und Buddy Holly immer und immer wieder.
Vieles aus “Six-String Samurai” kommt einem bekannt vor - nicht nur, weil es sich um ein Sammelsurium von Zitaten und Anspielungen handelt, sondern auch deswegen, weil der Road Trip durch die amerikanischen Wüsten derart viele Stilbezüge in sich vereint, dass man mittendrin vor lauter Spirit auch mal den Überblick verlieren kann.
Man könnte sagen: Was Pulp Fictions “Jack Rabbit Slim’s” in der Theorie war, ist “Six-String Samurai” in der Praxis. Ein wortkarger Antiheld in unverkennbarer Buddy-Holly-Aufmachung schlägt sich Seite an Seite mit einem Balg durch die Wüste gen Las Vegas, das in jenen Zeiten als “Lost Vegas” bekannt ist. Aus einer schlichten Texttafel zu Beginn haben wir erfahren, dass Lance Mungia mit seinem vor allem auf Style und Flair ausgelegten Flick eine alternative Geschichtsschreibung entwickelt hat. In den Fünfziger Jahren hat irgendwer die falsche Abzweigung genommen, der Atomkrieg hat sich bewahrheitet und nach dem Super-GAU sitzt Elvis seit nunmehr 40 Jahren als “King” in der Weltmetropole Vegas, bis er stirbt und der Platz auf dem Thron frei geworden ist. Klar, dass sich alle Rock’n’Roller auf den Weg machen, Elvis’ Platz einzunehmen, inklusive dem Tod höchstselbst, dem coolsten Motherfucker on Earth...


“Mad Max”, “Tank Girl” und “El Mariachi” treffen hier aufeinander, und das ist gut so, denn hin und wieder weiß man gar nicht mehr wohin mit der ganzen aufgestauten Coolness. Jeffrey Falcon chillt als anzugtragender, gitarrespielender, katanaschwingender einsamer Wolf durch Nevada und ist dabei die Abgeklärtheit in Person. Gewissermaßen stellt das die Geschichte vor Probleme, denn aus welchem Grund sollte ein Mann mit den Charakterzügen eines Ronin - eines herrenlosen Samurai - den Thron in Vegas anstreben? Mit der Selbstbeschwörung, dass ja alles im Sinne des Rock’n’Roll geschieht, hat man das aber schnell akzeptiert und wandert bereitwillig mit Richtung Sündenpfuhl.
Auffällig ist es, wie geschickt Lance Mungia die Low Budget-Herkunft seines Streifens zu verschleiern imstande ist. Nimmt man es genau, besteht “Six-String Samurai” daraus, dass zwei Darsteller durch die Wüste wandern und immer wieder auf neue schräge Gestaltengruppen treffen. Es braucht hier keinerlei Kulissen, kaum Effekte und die Kostüme hätte ein talentierter Schneider aus ein paar Lumpen der Altkleidersammlung zaubern können.
Aufgebauscht wird dieser Minimalismus an Aufwand jedoch durch einen fast permanent dröhnenden, ziemlich fetten Soundtrack, Zeitlupen- und Schnitteffekte sowie die schiere Kuriosität der Einfälle. Will der Junge auf sich aufmerksam machen, stößt er einen wimmernden Laut (mit Schalleffekt) aus, der gleichbedeutend ist mit dem Satz “Lass mich nicht hier alleine.” Eine Gang angeführt von einem Zwergwüchsigen oder eine Familie aus Kannibalen, eine Horde von Killerastronauten in einem Feld aus Windrädern oder Kanalisationsbewohner, die Ringkämpfe mit Kindern veranstalten, sorgen mit ihren merkwürdigen Verhaltensweisen und ihrer bloßen Erscheinung für Verdutzen.
Das Resultat ist selbstverständlich immer das gleiche: Es kommt zum Schwertkampf und Buddy und sein nerviger kleiner Begleiter können weiterziehen.
Man sagt sich immer wieder, dass das im Grunde ziemlich monotoner Käse ist, und würde man das feststellen, hätte man das Ding auch tatsächlich an den Eiern gepackt. Aber Tatsache ist auch, selbst wenn man dem geradlinigen Plot böse sein möchte, man kann es nicht. Es ist einfach zu schräg, zu spaßig, was man zu sehen bekommt. Und zu dämlich ist es auch. “Six-String Samurai” ist - so lässt ja schon der Titel vermuten - so etwas wie ein Gegenentwurf zu den Style-over-Substance-Bomben asiatischer Overacting-Orgien. Die Kumulation schräger Einfälle wirkt hier anders, ist aber vom Prinzip das Gleiche. Manch einer wird 90 Minuten lang abrocken, andere werden nicht glauben, was für einen Mist sie da gerade zu Gesicht bekommen.
Schade, dass bei dieser gewaltigen künstlerischen Freiheit, die da beansprucht wird, die prinzipiell ansehnlichen Schwertkämpfe so kompromissbehaftet anmuten. Bei den Hieben hat man oft das Gefühl, zwischen Schwert und Gegner würde ohne Probleme eine dicke Frau aus Als Schuhladen passen. Blutgemetzel darf man hier keines erwarten, dabei hätte dem Streifen ein radikalerer Ton wirklich gut zu Gesicht gestanden. Nett anzuschauen bleiben die recht zahlreichen Infights trotzdem, da schön choreografiert; zudem heben sie das ohnehin durch den Soundtrack schon hohe Tempo nochmals beträchtlich an.


Dass Buddy die ganze Zeit über vom Tod (Zylinder, langes schwarzes Haar, ein von Schatten verborgener Totenschädel als Gesicht, bodenlanger Mantel und weiße Gitarre - das fetzt!) und seiner Band verfolgt wird, ist natürlich Ironie pur und folgt einem alten Westernmotiv als Gegenentwurf zum asiatisch inspirierten Swordsplay in den Medleys zwischen den einzelnen Passagen der Reise. Ob man das nun unbedingt zum Duell zweier musikalischer Strömungen stilisieren musste (es fällt der etwas peinliche Satz “Rock’n’Roll kann Heavy Metal niemals besiegen”), sei mal dahingestellt, aber einen akustischen Höhepunkt bekommt man dennoch zugespielt, bevor man letztlich in der Schlussszene am Horizont endlich die Tore von Lost Vegas aufblitzen sieht und man sich ergo bis zum Ende geschickt davor gedrückt hat, ans Produktionsdesign auch nur einen Penny zu verschwenden.
Fazit: Ziemlich coole, einfallsreich geschmückte alternative Version der Realität, was gewesen wäre, wenn die Russen mit dem Amerikanern in den 50ern “Nuke’em High” gespielt hätten und Elvis der King von Vegas geworden wäre (höhö). Die Low-Budget-Produktion kaschiert das lineare Drehbuch und die zweifelhafte Motivation des Protagonisten mit einer Reihe von höchst absurden Gestalten, die man nur schwer beschreiben kann und sich besser selbst mal vornimmt, um ein Urteil zu wagen. Der Soundtrack bombt die Hölle und Jeffrey Falcons Buddy rult alles weg. Schade, dass man in Sachen Gewalt so inkonsequent bleibt - das passt einfach nicht zum Flow - und der Bengel mit seinem Gequengele irgendwann auf den Zeiger geht.

Eine uncut-DVD (FSK12) gibt es von Starmedia. Sehr empfehlenswert ist die nicht unbedingt: Das Bild geht zwar halbwegs in Ordnung von der Qualität, ist aber mit ziemlicher Sicherheit im falschen Bildformat (4:3). Das fällt auch leider ziemlich auf, gerade zu Beginn; später gewöhnt man sich dran.
Der deutsche Ton liegt in 5.1 vor und geht in Sachen Bass auch ordentlich zur Sache - leider stimmt dann oft nicht die Abmischung mit den Stimmen, die in der Bassgewalt nicht selten untergehen. Der Originalton liegt in 2.0 vor. Extras gibt es abgesehen von Trailern und Slideshows keine.