Chappie

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freeman
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Chappie

Beitrag von freeman » 10.03.2015, 09:00

Chappie

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Originaltitel: Chappie
Herstellungsland: Mexiko, USA
Erscheinungsjahr: 2015
Regie: Neill Blomkamp
Darsteller: Hugh Jackman, Sigourney Weaver, Sharlto Copley, Dev Patel, Miranda Frigon, Jose Pablo Cantillo, Yo-Landi Visser, Ninja, Janus Prinsloo, Robert Hobbs u.a.

“Chappie” ist ein ausrangierter Polizeiroboter, der von seinem Schöpfer Deon ein künstliches Bewusstsein aufgespielt bekommt. Das sehen vor allem die Auftraggeber Deons nicht gern und machen Jagd auf die denkende “Waffe”. Diese ist derweil mehr damit beschäftigt, ihre Umwelt komplett neu zu entdecken…
:liquid5:

Zur "Chappie" Kritik

In diesem Sinne:
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Vince
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Beitrag von Vince » 27.07.2015, 11:03

Was für eine schöne Erkenntnis: Es gibt noch Filmemacher, die aus ihren Fehlern lernen. Mit „Elysium“ jedenfalls hatte sich Neill Blomkamp gehörig verzettelt. Eine Version alleine, aufgeblasen zu einem überdimensionalen Schlüsselbild, bürgt noch längst nicht für Qualität. Also geht der Südafrikaner einen Schritt zurück und dreht der wirren Schusseligkeit seines Debüts „District 9“ wieder das Gesicht zu.

Gerade in den ersten Minuten von „Chappie“ denkt Blomkamp in kleineren Bildern als zuletzt, ohne dazu jemals das Produktionsdesign verlassen zu müssen, das längst zu einer Marke des Regisseurs geworden ist; man muss meinen, etwas anderes als sepiafarbenen Südafrika-Schrottplatz-Steampunk mit bunten Metallpartikeln und starken Bezügen zum Präsens kann und will er gar nicht liefern.

Mag man hier auch visuelle Beschränktheit unterstellen, so lässt sich doch behaupten: Gerade wegen des hohen visuellen Wiedererkennungswertes hat die nicht gerade neuartige Geschichte um die Verpflanzung von Bewusstsein in einen Roboter eine echte Chance. Mögen Nr. 5 & Co. bereits ihre Spuren hinterlassen haben, so ist „Chappie“ doch irgendwie ein ganz eigenes Ding. Die Entwicklung vom naiven Kleinkind zum selbstständigen Denker wird schludrig und in Sprüngen erzählt, philosophische Aspekte ergeben sich irgendwie nebenbei, fast so, als seien sie ein unbeabsichtigtes Nebenprodukt, doch irgendwie gelingt Blomkamp dadurch sogar eine Imitation des Lebens selbst, das manchmal ähnlich unlogisch, in gewissen Momenten aber auch wieder klischeehaft erscheint.

Natürlich ist „Chappie“ mit Kalkül designt wie ein großes Baby mit seinen Löffeln, die bei Gefahr defensiv zurückgelegt werden, aber es hat im Kontext seine Berechtigung. Geht man ins Detail, sieht man nur ausdruckslose Metallteile, Kabel und Gewinde; die Gesamterscheinung jedoch weckt den Beschützerinstinkt beim Betrachter, auch weil der Roboter mit dem gewöhnungsbedürftigen Namen eine gesunde Mischung aus vertrauter Filmmotivik und einzigartigen Charakterzügen darstellt.
Erzählerisch nutzt Blomkamp indes gewagte Wege, löst beispielsweise die Kunstfigur in der wichtigsten Phase ihrer Entwicklung vom positiven Einfluss des Erschaffers und liefert sie der Willkür einer kleinen Gruppe von Kleingangstern aus, gerade um diesen Charakteren unverhoffte Eigenschaften zu entziehen. Dabei nimmt er gewisse Längen im Mittelteil billigend im Kauf; die Verhältnismäßigkeit zwischen den Szenen im Lager bei „Mommy“ und „Daddy“ und anderen Schauplätzen erscheint nicht ausgewogen. Auch Hugh Jackman spielt alles andere als einen klassischen Bösewicht, sondern sorgt ganz im Gegenteil für einen zwar explosiven, aber dennoch völlig antiklimatischen Showdown.
Zwar ist auch Blomkamps dritter Film im Grunde genommen wieder dümmer als die Prämisse, die ihm unterliegt, doch gerade daraus lässt sich der Reiz des Unschuldigen ziehen, mit der man nach Abspann Diskurse verfolgt, die aus dem Nichts entstanden zu sein scheinen.
:liquid6: ,5

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Beitrag von Wallnuss » 27.07.2015, 13:03

Vince hat geschrieben:Auch Hugh Jackman spielt alles andere als einen klassischen Bösewicht
Ganz stark geschrieben, hier widerspreche ich allerdings: Jackman ist der absolute Standard-Klischee-Bösewicht, weshalb ich den Film auch mit einem Punkt weniger als du bewerten würde.

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Beitrag von SFI » 27.07.2015, 18:09

Der Film der schlechten Frisuren garniert mit einer gewaltigen Portion Anthropomorphismus hat mir trotz mannigfaltiger gegenteiliger Stimmen ganz gut gefallen. Vielleicht hätte man auf das abgedroschene Handlungsmotiv von Vokuhila Jackman verzichten können, ja vielleicht auch auf die Alibi Börsen Tante Weaver, aber wie so oft kriegt man nur den Finger. Gerade die beiden Stars sind relativ blass, was vielleicht auch an ihren stereotypen Rollen liegen mag. Die größte Charakterentwicklung machen hierbei die Lumpen durch, die zwar überzeichnet agieren, stellenweise auf trashige Arte nerven, aber doch Indentifikationspotential vorweisen können. Die Action samt Härtegrad wissen zu gefallen, so hätten sich wohl alle das Robocop Reboot vorgestellt, der Score rumpelt ordentlich und das Ende ist schön kitschig, was man freilich mögen muss.

:liquid7: +
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Beitrag von Vince » 27.07.2015, 18:26

Wallnuss hat geschrieben:
Vince hat geschrieben:Auch Hugh Jackman spielt alles andere als einen klassischen Bösewicht
Ganz stark geschrieben, hier widerspreche ich allerdings: Jackman ist der absolute Standard-Klischee-Bösewicht, weshalb ich den Film auch mit einem Punkt weniger als du bewerten würde.
Kommt wahrscheinlich drauf an, wie man die Figur betrachtet: Ihr Handeln ist schon das eines typischen Baddies, allerdings ist sie letztlich nur ein über die Stränge schlagender, sich in fremde Angelegenheiten mischender Arbeitskollege. Von der Regie wird das auch wunderbar hervorgehoben, weil das Schicksal der Jackman-Figur so herrlich antiklimatisch ausfällt und eben eines Bösewichts irgendwie unwürdig.

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Beitrag von Wallnuss » 27.07.2015, 22:21

Dann biete ich mal noch kurz mein Review an:

Chappie

Im Jahre 2016 ist die Korruption und Brutalität auf den Straßen Johannesburgs soweit voran geschritten, dass Polizei-Roboter eingesetzt werden müssen, um den Verbrechern Einhalt zu gebieten. Was wie eine düstere Zukunftvision eines modernen George Orwells klingt, ist in Wahrheit die Ausgangssituation des Sci-Fi-Thrillers "Chappie" von Regisseur Neill Blomkamp. Dieser wurde eigentlich für seinen dokumentationsartigen Look bekannt, erzählt "Chappie" allerdings durchgehend in der üblichen Hollywood-Hochglanzoptik, sofern man angesichts der Zustände in Johannesburg von "Hochglanz" sprechen kann. Die Coming of Age Handlung über einen Roboter, der zwischen Moral und Gangstermilieu hin und her gerissen ist und die zusätzliche Thematik über künstliche Intelligenz und dem Fortbestehen des Bewusstseins nach dem Tod machen dabei auf den ersten Blick einiges her, dennoch verlässt man "Chappie" leider trotzdem mit einem ziemlichen faden Beigeschmack.

Inszenatorisch macht Blomkamp eigentlich gar nicht so viel verkehrt. Die Handlung ist angenehm aufgebaut und erfreulicherweise überraschend rasch und schnell eingeleitet, ohne den Zuschauer aber zu sehr an die Hand zu nehmen. Die erste halbe Stunde gestaltet sich zwar etwas wacklig, da einiges an Vorbereitung für das Publikum noch keinen erkennbaren Zweck erfüllt, doch wenn dann alle Charaktere in Position gebracht sind und der titelgebende Chappie auftaucht, dann ist der Film voll in seinem Element. Chappie selbst wird durch das Motion-Capture-Verfahren von Sharlto Copley verkörpert und das funktioniert, weil die Effekte doch wirklich grandios aussehen und so die Interaktion mit den Darstellern funktionieren. Die wesentlichen Protagonisten sind im Mittelteil die Mitglieder der Rap-Band Die Antwoord, hier Watkin Tudor Jones, Jose Pablo Cantillo und Yolandi Visser, welche knallharte Gangster überzeugend porträtieren und Chappie in ihre Kreise ziehen. Das führt zu mehr als nur amüsanten Momenten (das Durchführen mehrerer Grand Theft Autos oder das Üben von Beschimpfungen) und die Beziehung der Gangster zu Chappie, die mehr und mehr durch ihn gezwungen werden, ihr eigenes Handeln zu hinterfragen und einem so immer weiter ans Herz wachsen, ist das Herzstück des Filmes.

Genauso ist auch Chappie toll anzusehen, wenn er anfangs in der Kindesphase einem scheuen Reh ähnelt und später als "Jugendlicher" die prolligen möchtegern-coolen Verhaltensweisen seiner Bezugspersonen nachäfft. Nein, der Gangster-Teil des Filmes ist ein großer Spaß und lässt dennoch immer leichte gesellschaftskritische Züge erkennen, was das ganze sogar noch um eine Ecke raffinierter macht. Zusammen mit der staubigen Atmosphäre Johannesburgs und dem tollen und für ihn sehr ungewöhnlichen, aber absolut druckvollen Soundtrack von Hans Zimmer hätte das für einen guten Film gereicht. Leider gibt es da aber noch die andere Seite des Filmes, rund um Chappies Entwickler Deon. Und Deon-Darsteller Dev Patel hat leider erschreckend wenig Leinwandpräsenz, muss aber der Geschichte wegen immer wieder in den Gangster-Plot eingreifen und die moralisch vertretbare Seite spielen. Dass eine solche Figur von Nöten ist, sollte klar sein, doch sein Verhältnis zu Chappie ist zu schnell aufgebaut, zu schnell wieder zerstört und die beiden teilen sich (weil Blomkamp den Film eben auf die Macho-Gangster fokussiert) auch zu wenig Szenen, damit man ihnen die tiefe Verbundenheit abkaufen kann.

Dennoch ist "Chappie" in den ersten neunzig Minuten gute und unterhaltsame Sci-Fi-Kost. Leider ist die letzte halbe Stunde ziemlich misslungen. Das beginnt damit, dass der bereits vorher unnötige Nebenpart über "X-Men"-Star Hugh Jackman, bei dem man bereits nach wenigen Minuten weiß, worauf alles hinauslaufen wird, tatsächlich genau so verläuft, wie man es erwartet, was in einem leider mehr als seelenlosen und konventionell gemachten Actionfinale endet, dass man so schon hundert Mal gesehen hat und das in der Form niemanden mehr vom Hocker reißen wird (auch wenn Jackman sichtlich Spaß am fies sein hat). Ganz übel ist, wie ein vorher sich als effizienter Regisseur erwiesener Mann wie Blomkamp hier plötzlich auf übelsten Kitsch zurückgreifen muss und damit beinahe ungewolltes Lachen im Kinosaal aufkommen lässt. Zwar ist man durch die Bindung an die Figuren weiterhin in das Geschehen involviert und handwerklich ist besonders die Kameraführung zu loben, doch über die eindeutige Einfallslosigkeit der Geschichte kann das nicht hinwegtäuschen. Noch peinlicher ist aber, was "Chappie" sich nach dem Showdown erlaubt. Blomkamp bemüht sich zwar, das Thema "Bewusstsein" und "Verbleib der Seele" einen vernünftigen Abschluss zu geben, verliert sich aber in einer Mischung aus esoterischem Blödsinn und absurder Rührseligkeit. Mit einem persönlicheren und mutigeren Finale wäre hier viel mehr drin gewesen.

Fazit: Ein wenig zeigt Blomkamp mit "Chappie" ziemlich genau auf, wie schnell aus dem Eindruck eines passablen und unterhaltsamen Filmes der eines missratenen werden kann, wenn man den Zuschauer mit dem falschen Gefühl entlässt. Deswegen muss man bei der Bewertung am Ende auch etwas differenzieren. Denn die ersten drei Viertel des Abenteuers sind überzeugend, witzig und machen Spaß, weil sie einerseits durch die interessante Dynamik zwischen den Hauptcharakteren und andererseits durch die mal etwas anders erzählte Version der üblichen Coming-of-Age-Storys einen angenehmen Schwung haben, dem Blomkamps schnelles Erzähltempo und Zimmers abgedrehte Musik zu Gute kommen. Doch das Ende ist nun mal ein Dämpfer und zwar ein ganz gewaltiger. Und ob seiner gravierenden Auswirkungen auf die letztendliche Stimmung des Filmes ein ungemein gewichtiger. Natürlich sollen die letzten fünfundzwanzig Minuten nicht die vorherigen anderthalb Stunden völlig unvergessen machen, doch angesichts der puren Einfallslosigkeit und geballten Unkreativität, mit der das zudem auch noch wenig intelligente Finale aufwartet, geht man schon leicht verärgert aus dem Kino. Und wenn man das Kino mit einer Stimmung nicht verlassen will, dann mit Ärger.

:liquid5: ,5

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McClane
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Beitrag von McClane » 30.07.2015, 09:54

Vielleicht sollte Neill Blomkamp seine Stärken erkennen und in Zukunft einfach Ballerfilme ohne gehobenen Anspruch drehen, die zwei großen Shoot-Outs, eines zu Beginn, eines kurz vor Ende, sind noch die stärksten Szenen von "Chappie". Erzählerisch ist das Crossover aus "Nummer 5 lebt" und "RoboCop" hingegen reichlich unausgewogen, weiß mit den meisten seiner Figuren kaum etwas anzufangen: Weaver als Konzernchefin kommt kaum über Cameostatus hinaus und könnte aus dem Film gestrichen werden, Jackman als Baddie ist eindimensional wie uninteressant, während Dev Patel als wohlmeinender Erschaffer Chappies nie ganz im Film ankommt. Am besten kommen da noch die (schauspielerisch eher najaen) Rapper von Die Antwoord weg, deren Figuren noch eine Entwicklung durchmachen dürfen, die noch das einnehmendste an dem Film ist und die vom Film mit Humor als überforderte Gernegroße gezeigt werden (etwa die "richtige" Waffenhaltung beim Schießen). Das führt auch zu den amüsantesten Momenten des Films, gerade in der "Wiederbeschaffung" der "geklauten" Autos, ist aber nur eine Facette des Kraut-und-Rüben-Drehbuchs. Philosophische Debatte übers Menschsein (die aber nie funktioniert), Thrillerelemente (die aber nie spannend sind) und die besagten Actionszenen werden in den Pott geworfen, ehe Blomkamp im Abgang dann jedwede Kohärenz und Glaubwürdigkeit für seine versuchten Meditationen und ein gutes Ende im Bösen über Bord wirft. Der Werdegang Chappies geht dem Zuschauer (trotz tollem Design der Figur) nie so nahe wie er sollte und das aufdringliche In-Szene-Setzen von Red Bull und Die-Antwoord-Shirts (inklusive entsprechenden Songs auf dem Soundtrack) ist viel zu nervig und offensichtlich um noch als Schleichwerbung durchzugehen. Immerhin: Der Look hat was, die Effekte sind für den eher schmalen Geldbeutel gut getrickst, aber sonst ist das hier schon ein ziemlich heilloses Kuddelmuddel.

:liquid4:
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