Filmtagebuch: Vince
Moderator: SFI
Tusk
Nach „Red State“ ein weiterer Smith jenseits der Comfort Zone. Das Groteske der Horrorfilm-Reminiszenzen, die nun zum zweiten Mal hintereinander ein Thema sind, reizt der Regisseur bis zum Äußersten aus; einen ersten Antiklimax erreicht er schon früh in der offensichtlichen CGI-Realisierung eines abgeschnittenen Beins, die als plumper Schockeffekt in einen komödiantischen Rahmen eingebettet gedacht war. Wie natürlich überhaupt in der kongenialen Besetzung einer Nebenfigur mit Haley Joel Osment etwas zutiefst Groteskes steckt, insbesondere, weil seine Figur auch noch „Teddy“ heißt, den er mit unveränderten Kinderaugen an einem plumper gewordenen Körper spielt und als Best Buddy die Freundin der Hauptfigur trösten darf.
Dieser wird von Justin Long gespielt, der eine weitere Groteske als Schnäuzer im Gesicht kleben hat und sich davon abgesehen durch Anstandslosigkeit gegenüber seinen Mitmenschen auszeichnet. Smith gelingen seine besten Szenen unmittelbar nach Longs Ankunft in Kanada, als der querulante Podcast-Moderator frisch mit Land und Leuten in Kontakt gerät. Ganz speziell das erste Aufeinandertreffen mit Michael Parks lebt von der Dynamik zwischen jugendlicher Vertrotteltheit auf der einen Seite, Alterswürde auf der anderen und einem intellektuellen Band, das die ungleichen Interviewpartner wie durch ein Wunder verbindet. Obwohl Smith im späteren Verlauf arge Probleme mit der Länge seiner Szenen bekommt, die manchmal pointenfrei ins Leere laufen, ist hier noch keine Minute verschenkt, obgleich vermeintlich wenig auf dem Bildschirm geschieht.
Die Verwandlung in ein Walross und die diesem Einfall zugrundeliegende Geschichte ist natürlich auf satirischen Pfeilern gebaut. Sie nimmt zuerst die Internet- und Podcast-Kultur auf die Schippe (tatsächlich soll „Tusk“ Auftakt einer neuen Thementrilogie werden) und stürzt sich dann konkret in die Kino-Eisen, um den pervertierten Neo-Mad-Scientism nach Vorbild von „The Human Centipede“ zu parodieren.
Wie vom Regisseur nicht anders gekannt, geschieht das mit dem Brecheisen und darf nicht weiter seziert werden, setzt aber in den Schlüsselmomenten Energien frei, mit denen sich Kino und Medienlandschaft gleichermaßen reflektieren lassen, bis nur noch blasse Phantombilder aus den Schmerzen unvollkommener Regieführung gepaart mit absurden Ideen übrig bleiben.
Der Richter
Eine ländliche Seifenoper unter der Robe eines Gerichtsdramas. Verträumt, verklärt und nostalgisiert, löst sich die idyllische Darstellung nicht genug von den üblichen Filmklischees, um als Kleinstadterzählung vollends zu überzeugen, auch wenn es sicher interessant anzusehen ist, Robert Downey Jrs. stets professionell aufrecht gehaltene Iron-Man-Maske (die er bei weitem nicht nur als Iron Man trägt) mal zerbröckeln zu sehen. Der Gerichtsfall selbst verspricht vieles, als er sich mit einem unerwarteten Fund entwickelt, gerade weil er die alteingesessenen Strukturen der Justiz aufzubrechen verspricht. Zumindest wird verständlich,w arum dieser Film überhaupt gemacht werden sollte. Doch der menschliche Einfühlungsfaktor bleibt unterentwickelt, die Gesichter hinter dem Verbrechen blass wie die Historie, in der sie geschehen sind. Schade, ein markantes Gesicht wie dasjenige Duvalls an derart seichtes Erzählen verschenkt zu sehen, wo er ein stärkeres Drehbuch als Entsprechung seiner Leistung verdient gehabt hätte. Von Vera Farmiga oder Billy Bob Thornton gar nicht erst zu sprechen – Gefangene in Rollenspielgefängnissen.
Bleibt die traumhafte Sicht aus dem Lokal auf einen beeindruckenden Sturzbach, der Sehnsüchte nach Landgeheimnissen weckt, von denen „Der Richter“ eines der belangloseren Sorte ausgräbt.
Get On Up
Eine Frage, die man bei Biografien stets vermeiden sollte, ist die nach der Vollständigkeit oder Adäquatheit, mit der eine Person oder seine Ära eingefangen wird. Zu bewerten ist letztlich ganz banal, was gezeigt wird.
Tate Taylor zeigt vor allem Tempo. Sein James Brown ist einer mit Hummeln im Hintern, was dann auch in etwa dem Bild entspricht, das man sich von ihm eingeprägt hat. Achronologisch stürzt Brown von einer Szene in die nächste, springt wild durch die Dekaden wie mit einer Zeitmaschine, um immer wieder dieselben Bedingungen vorzufinden. „Get On Up“ ist gefüllt mit Szenerien, die sich die Hauptfigur gewaltsam aneignen muss, weil sie sonst an ihm vorbeiziehen würden, ohne von ihm Notiz zu nehmen; ob nun Vater und Mutter Tauziehen um ihn veranstalten, ob ihm die jungen Rolling Stones als Hauptact vor die Nase gesetzt werden oder ob jemand in den 80ern einfach seine Toilette benutzt.
Mit fortlaufender Zeit entwickelt sich so das Bild eines Amerikas der Chancenungleichheit, in dem es Browns größter Charakterzug gewesen sei, diese Ungleichheit mit unbändigem Selbstentfaltungsdrang auszugleichen. „Get On Up“ ist bunt, action- und abwechslungsreich, stellt dabei aber vor allem die These, dass er all dies nicht wäre, wenn er diesen Musiker nicht zum Hauptgegenstand hätte.
Was Chadwick Boseman daraus macht, ist schon ziemlich phänomenal, denn er stellt glaubwürdig dar, dass es in der Natur Browns lag, an vorderster Position zu stehen. Dass er Brown auch noch perfekt imitiert, ist im Zuge dieser Erkenntnis kaum mehr als eine Randnotiz.
Sicher wird für kleine Gags publikumswirksam mit dem Wissen um musikhistorische Entwicklungen gespielt, auch bleibt Taylor beim Erwartbaren, wenn er pflichtschuldig Szenen einbaut, in denen ein paar unschöne Charakterzüge Browns thematisiert werden, doch die energetische Umsetzung spricht für sich.
Ich seh ich seh
Von unerwarteter Seite aus spannen Veronika Franz und Severin Fiala die Zügel an. Nicht nur bekennen sie sich nicht vollständig zum Horrorfilm, sondern bleiben im Genre-Zwielicht mit Reichweite zu Thriller, Drama und nicht zuletzt Experimentalfilm. Auch geht die Bedrohung nicht, wie die Synopsis suggeriert, ausschließlich von der bandagierten Mutter aus, obgleich sie die besonders ausgeprägte Urangst vor der Verfremdung des uns Bekannten schürt. „Ich seh ich seh“ wird bald zum Tauziehen der Machtverhältnisse und damit zu einer hochinteressanten Psychostudie. Weder inhaltlich mit seiner von Plotwendungen getriebenen Struktur, noch stilistisch mit den leeren, weiten Aufnahmen der asymmetrischen Innenarchitektur des Apartments, zeigt sich der Film völlig unvorhersehbar, hält aber stets eine unnachgiebige Spannung in der Frage nach der Umsetzung: Wie wird sich das nächste Ereignis auf den weiteren Verlauf auswirken und was fällt dem Duo in der Regie visuell dazu ein?
Hin und wieder werden zur befriedigenden Beantwortung dieser Fragen spürbare Brüche in Kauf genommen, wenn beispielsweise eine surreale Traumsequenz im Wald in die ansonsten spröde Narration geschoben wird, wenn eine fast schon komödiantische Zwischenepisode um zwei Mitarbeiter vom roten Kreuz ein typisches Horrorklischee herauskitzelt oder eine kurze, aber recht brutale Sequenz am Ende aus der Fassung reißt. Gerade aus diesen Rahmensprüngen, die überhaupt erst durch die trockene, beobachtende Inszenierung möglich werden, bezieht das Werk mit dem auf positive Weise irritierenden Titel seine suggestiven Reize.
Am Sonntag bist du tot
Traumhafte irische Landstriche, die man als „place to live“ bezeichnen würde, konterkarieren die Schatten einer individuellen Leidensgeschichte, verursacht durch Vertreter der Kirche. Die Institution erfährt in dem stillen Drama eine Verurteilung aufgrund von Interessenlosigkeit, Kurzsichtigkeit oder Handlungsunfähigkeit angesichts der im Stillen vorgehenden Verbrechen. Die Handlung setzt erst viele Jahre später ein und verhindert so eine konkrete Schilderung der auslösenden Geschehnisse und verlagert diese als Clou sogar auf Personen, die selbst in keinerlei Zusammenhang mit Tätern oder Opfern stehen.
Obgleich Regisseur McDonagh dabei manchmal zu dem ruppigen, zynischen Ton seines Vorgängerfilms „The Guard“ greift, der an dieser Stelle nicht zwangsläufig als passend empfunden werden muss, gelingt es ihm durch den Zeitsprung und das vermeintlich gewachsene Gras über der Angelegenheit, die weitreichenden Konsequenzen der initialen Handlungen sowie deren Leugnung zu veranschaulichen.
Anfangs scheint die countdownartige Herunterzählung der Tage bis zum neuerlichen Sonntag ein aufgesetztes Stilmittel zu sein, später erweist sie sich aber als dienlich gegenüber der episodenartigen Anhäufung von Ereignissen, aber auch der Inszenierung von ruhigen Schauplätzen der Ortschaft, die im Abspann auf beeindruckende Art und Weise nochmals als Stilleben zusammengetragen werden.
Natürlich trägt Brendan Gleeson den Film wieder auf beiden Schultern und sorgt für einen Überschwang an Empathie. Weitere Darsteller prägen die Stimmung auf eine düstere Mischung zwischen Melancholie (Kelly Reilly), Sarkasmus (Aidan Gillen), Mißverstandenheit (Chris O’Dowd), „Fargo“-ähnliche Begriffsstutzigkeit (David Wilmot) und Jim-Jarmusch-Kuriosität (Isaach de Bankolé). Wer von dieser Mischung angesprochen wird, hat bei dieser Wochenerzählung gute Chancen.
From Dusk Till Dawn – Season 1
Bevor der “Titty Twister“ erreicht wird, haben sich längst alle Vorbehalte gegenüber einer „From Dusk Till Dawn“ TV-Serie bewahrheitet. Was im Tarantino-Rodriguez-Kinofilm als bewusst geraffter Genrezwitter so hervorragend funktionierte, wird in der Serie zunächst 1:1 neu erzählt und mit völlig redundanten Neuzudichtungen verwässert. Paradox ist, dass die Figur des Richard Gecko am meisten unter der Verwässerung leidet und Darsteller Zane Holtz dennoch gegenüber Originaldarsteller Tarantino als Gewinn zu verzeichnen ist. So ringt er dem verrückten Gecko-Bruder einerseits neue Facetten ab, andererseits wird der Wahnsinn von den zusätzlichen Szenen, die mitunter wirken wie einem verunglückten Extended Cut des Films entzogen, völlig neutralisiert.
Das Casting fällt ansonsten insgesamt ordentlich aus und hat seine größten Stärken eigentlich immer dann, wenn es sich von der Vorlage abhebt, was neben Zane Holtz insbesondere im Fall von Madison Davenport als Katie Fuller gilt, die nicht ganz das Dummchen präsentiert, das Juliette Lewis stets so vortrefflich darzustellen wusste. Jake Busey als Sex Machine ist allerdings Geschmackssache; Eiza González weiß den Bikini ähnlich gut zu tragen wie Salma Hayek. Direkte Verweise auf den Tarantino-Rodriguez-Kosmos werden derweil wie Easter Eggs in den Verlauf eingeflochten; ob es sich dabei nun um den Big Kahuna Burger handelt oder auch einen Robert Patrick, der mit der Reihe immerhin vorher bereits Bekanntschaft gemacht hat.
Die Faustregel „je anders, desto besser“ lässt sich im Grunde auf die komplette erste Staffel übertragen. Nachdem in Episode 7 endlich der Knoten platzt, löst sich das Skript notgedrungen auch endlich vom Film und funktioniert plötzlich als mystisch angehauchter, teils unbeholfen auf cool getrimmter Mexicana-Horrortrash. Das Design der Vampire beweist immerhin durch seinen okkulten Ansatz durchgehend Eigenständigkeit, wobei die groteske Anmutung der Originalvampire weiterhin unerreicht bleibt.
Diese letzten paar Folgen retten der ersten Staffel zu einer Serie, die eigentlich ohnehin von Anfang an eine Schnapsidee war, den Arsch. Die zweite Staffel ist nun gezwungen, sich völlig von der Vorlage zu emanzipieren und eigene schreiberische Wege zu gehen, was schon mal eine gute Basis ist. Ob diese dann allerdings auch genutzt wird, ist wieder eine andere Frage.
Weitere Sichtungen:
Star Wars Episode VII: Das Erachen der Macht
You’re Next
Nach „Red State“ ein weiterer Smith jenseits der Comfort Zone. Das Groteske der Horrorfilm-Reminiszenzen, die nun zum zweiten Mal hintereinander ein Thema sind, reizt der Regisseur bis zum Äußersten aus; einen ersten Antiklimax erreicht er schon früh in der offensichtlichen CGI-Realisierung eines abgeschnittenen Beins, die als plumper Schockeffekt in einen komödiantischen Rahmen eingebettet gedacht war. Wie natürlich überhaupt in der kongenialen Besetzung einer Nebenfigur mit Haley Joel Osment etwas zutiefst Groteskes steckt, insbesondere, weil seine Figur auch noch „Teddy“ heißt, den er mit unveränderten Kinderaugen an einem plumper gewordenen Körper spielt und als Best Buddy die Freundin der Hauptfigur trösten darf.
Dieser wird von Justin Long gespielt, der eine weitere Groteske als Schnäuzer im Gesicht kleben hat und sich davon abgesehen durch Anstandslosigkeit gegenüber seinen Mitmenschen auszeichnet. Smith gelingen seine besten Szenen unmittelbar nach Longs Ankunft in Kanada, als der querulante Podcast-Moderator frisch mit Land und Leuten in Kontakt gerät. Ganz speziell das erste Aufeinandertreffen mit Michael Parks lebt von der Dynamik zwischen jugendlicher Vertrotteltheit auf der einen Seite, Alterswürde auf der anderen und einem intellektuellen Band, das die ungleichen Interviewpartner wie durch ein Wunder verbindet. Obwohl Smith im späteren Verlauf arge Probleme mit der Länge seiner Szenen bekommt, die manchmal pointenfrei ins Leere laufen, ist hier noch keine Minute verschenkt, obgleich vermeintlich wenig auf dem Bildschirm geschieht.
Die Verwandlung in ein Walross und die diesem Einfall zugrundeliegende Geschichte ist natürlich auf satirischen Pfeilern gebaut. Sie nimmt zuerst die Internet- und Podcast-Kultur auf die Schippe (tatsächlich soll „Tusk“ Auftakt einer neuen Thementrilogie werden) und stürzt sich dann konkret in die Kino-Eisen, um den pervertierten Neo-Mad-Scientism nach Vorbild von „The Human Centipede“ zu parodieren.
Wie vom Regisseur nicht anders gekannt, geschieht das mit dem Brecheisen und darf nicht weiter seziert werden, setzt aber in den Schlüsselmomenten Energien frei, mit denen sich Kino und Medienlandschaft gleichermaßen reflektieren lassen, bis nur noch blasse Phantombilder aus den Schmerzen unvollkommener Regieführung gepaart mit absurden Ideen übrig bleiben.
Der Richter
Eine ländliche Seifenoper unter der Robe eines Gerichtsdramas. Verträumt, verklärt und nostalgisiert, löst sich die idyllische Darstellung nicht genug von den üblichen Filmklischees, um als Kleinstadterzählung vollends zu überzeugen, auch wenn es sicher interessant anzusehen ist, Robert Downey Jrs. stets professionell aufrecht gehaltene Iron-Man-Maske (die er bei weitem nicht nur als Iron Man trägt) mal zerbröckeln zu sehen. Der Gerichtsfall selbst verspricht vieles, als er sich mit einem unerwarteten Fund entwickelt, gerade weil er die alteingesessenen Strukturen der Justiz aufzubrechen verspricht. Zumindest wird verständlich,w arum dieser Film überhaupt gemacht werden sollte. Doch der menschliche Einfühlungsfaktor bleibt unterentwickelt, die Gesichter hinter dem Verbrechen blass wie die Historie, in der sie geschehen sind. Schade, ein markantes Gesicht wie dasjenige Duvalls an derart seichtes Erzählen verschenkt zu sehen, wo er ein stärkeres Drehbuch als Entsprechung seiner Leistung verdient gehabt hätte. Von Vera Farmiga oder Billy Bob Thornton gar nicht erst zu sprechen – Gefangene in Rollenspielgefängnissen.
Bleibt die traumhafte Sicht aus dem Lokal auf einen beeindruckenden Sturzbach, der Sehnsüchte nach Landgeheimnissen weckt, von denen „Der Richter“ eines der belangloseren Sorte ausgräbt.
Get On Up
Eine Frage, die man bei Biografien stets vermeiden sollte, ist die nach der Vollständigkeit oder Adäquatheit, mit der eine Person oder seine Ära eingefangen wird. Zu bewerten ist letztlich ganz banal, was gezeigt wird.
Tate Taylor zeigt vor allem Tempo. Sein James Brown ist einer mit Hummeln im Hintern, was dann auch in etwa dem Bild entspricht, das man sich von ihm eingeprägt hat. Achronologisch stürzt Brown von einer Szene in die nächste, springt wild durch die Dekaden wie mit einer Zeitmaschine, um immer wieder dieselben Bedingungen vorzufinden. „Get On Up“ ist gefüllt mit Szenerien, die sich die Hauptfigur gewaltsam aneignen muss, weil sie sonst an ihm vorbeiziehen würden, ohne von ihm Notiz zu nehmen; ob nun Vater und Mutter Tauziehen um ihn veranstalten, ob ihm die jungen Rolling Stones als Hauptact vor die Nase gesetzt werden oder ob jemand in den 80ern einfach seine Toilette benutzt.
Mit fortlaufender Zeit entwickelt sich so das Bild eines Amerikas der Chancenungleichheit, in dem es Browns größter Charakterzug gewesen sei, diese Ungleichheit mit unbändigem Selbstentfaltungsdrang auszugleichen. „Get On Up“ ist bunt, action- und abwechslungsreich, stellt dabei aber vor allem die These, dass er all dies nicht wäre, wenn er diesen Musiker nicht zum Hauptgegenstand hätte.
Was Chadwick Boseman daraus macht, ist schon ziemlich phänomenal, denn er stellt glaubwürdig dar, dass es in der Natur Browns lag, an vorderster Position zu stehen. Dass er Brown auch noch perfekt imitiert, ist im Zuge dieser Erkenntnis kaum mehr als eine Randnotiz.
Sicher wird für kleine Gags publikumswirksam mit dem Wissen um musikhistorische Entwicklungen gespielt, auch bleibt Taylor beim Erwartbaren, wenn er pflichtschuldig Szenen einbaut, in denen ein paar unschöne Charakterzüge Browns thematisiert werden, doch die energetische Umsetzung spricht für sich.
Ich seh ich seh
Von unerwarteter Seite aus spannen Veronika Franz und Severin Fiala die Zügel an. Nicht nur bekennen sie sich nicht vollständig zum Horrorfilm, sondern bleiben im Genre-Zwielicht mit Reichweite zu Thriller, Drama und nicht zuletzt Experimentalfilm. Auch geht die Bedrohung nicht, wie die Synopsis suggeriert, ausschließlich von der bandagierten Mutter aus, obgleich sie die besonders ausgeprägte Urangst vor der Verfremdung des uns Bekannten schürt. „Ich seh ich seh“ wird bald zum Tauziehen der Machtverhältnisse und damit zu einer hochinteressanten Psychostudie. Weder inhaltlich mit seiner von Plotwendungen getriebenen Struktur, noch stilistisch mit den leeren, weiten Aufnahmen der asymmetrischen Innenarchitektur des Apartments, zeigt sich der Film völlig unvorhersehbar, hält aber stets eine unnachgiebige Spannung in der Frage nach der Umsetzung: Wie wird sich das nächste Ereignis auf den weiteren Verlauf auswirken und was fällt dem Duo in der Regie visuell dazu ein?
Hin und wieder werden zur befriedigenden Beantwortung dieser Fragen spürbare Brüche in Kauf genommen, wenn beispielsweise eine surreale Traumsequenz im Wald in die ansonsten spröde Narration geschoben wird, wenn eine fast schon komödiantische Zwischenepisode um zwei Mitarbeiter vom roten Kreuz ein typisches Horrorklischee herauskitzelt oder eine kurze, aber recht brutale Sequenz am Ende aus der Fassung reißt. Gerade aus diesen Rahmensprüngen, die überhaupt erst durch die trockene, beobachtende Inszenierung möglich werden, bezieht das Werk mit dem auf positive Weise irritierenden Titel seine suggestiven Reize.
Am Sonntag bist du tot
Traumhafte irische Landstriche, die man als „place to live“ bezeichnen würde, konterkarieren die Schatten einer individuellen Leidensgeschichte, verursacht durch Vertreter der Kirche. Die Institution erfährt in dem stillen Drama eine Verurteilung aufgrund von Interessenlosigkeit, Kurzsichtigkeit oder Handlungsunfähigkeit angesichts der im Stillen vorgehenden Verbrechen. Die Handlung setzt erst viele Jahre später ein und verhindert so eine konkrete Schilderung der auslösenden Geschehnisse und verlagert diese als Clou sogar auf Personen, die selbst in keinerlei Zusammenhang mit Tätern oder Opfern stehen.
Obgleich Regisseur McDonagh dabei manchmal zu dem ruppigen, zynischen Ton seines Vorgängerfilms „The Guard“ greift, der an dieser Stelle nicht zwangsläufig als passend empfunden werden muss, gelingt es ihm durch den Zeitsprung und das vermeintlich gewachsene Gras über der Angelegenheit, die weitreichenden Konsequenzen der initialen Handlungen sowie deren Leugnung zu veranschaulichen.
Anfangs scheint die countdownartige Herunterzählung der Tage bis zum neuerlichen Sonntag ein aufgesetztes Stilmittel zu sein, später erweist sie sich aber als dienlich gegenüber der episodenartigen Anhäufung von Ereignissen, aber auch der Inszenierung von ruhigen Schauplätzen der Ortschaft, die im Abspann auf beeindruckende Art und Weise nochmals als Stilleben zusammengetragen werden.
Natürlich trägt Brendan Gleeson den Film wieder auf beiden Schultern und sorgt für einen Überschwang an Empathie. Weitere Darsteller prägen die Stimmung auf eine düstere Mischung zwischen Melancholie (Kelly Reilly), Sarkasmus (Aidan Gillen), Mißverstandenheit (Chris O’Dowd), „Fargo“-ähnliche Begriffsstutzigkeit (David Wilmot) und Jim-Jarmusch-Kuriosität (Isaach de Bankolé). Wer von dieser Mischung angesprochen wird, hat bei dieser Wochenerzählung gute Chancen.
From Dusk Till Dawn – Season 1
Bevor der “Titty Twister“ erreicht wird, haben sich längst alle Vorbehalte gegenüber einer „From Dusk Till Dawn“ TV-Serie bewahrheitet. Was im Tarantino-Rodriguez-Kinofilm als bewusst geraffter Genrezwitter so hervorragend funktionierte, wird in der Serie zunächst 1:1 neu erzählt und mit völlig redundanten Neuzudichtungen verwässert. Paradox ist, dass die Figur des Richard Gecko am meisten unter der Verwässerung leidet und Darsteller Zane Holtz dennoch gegenüber Originaldarsteller Tarantino als Gewinn zu verzeichnen ist. So ringt er dem verrückten Gecko-Bruder einerseits neue Facetten ab, andererseits wird der Wahnsinn von den zusätzlichen Szenen, die mitunter wirken wie einem verunglückten Extended Cut des Films entzogen, völlig neutralisiert.
Das Casting fällt ansonsten insgesamt ordentlich aus und hat seine größten Stärken eigentlich immer dann, wenn es sich von der Vorlage abhebt, was neben Zane Holtz insbesondere im Fall von Madison Davenport als Katie Fuller gilt, die nicht ganz das Dummchen präsentiert, das Juliette Lewis stets so vortrefflich darzustellen wusste. Jake Busey als Sex Machine ist allerdings Geschmackssache; Eiza González weiß den Bikini ähnlich gut zu tragen wie Salma Hayek. Direkte Verweise auf den Tarantino-Rodriguez-Kosmos werden derweil wie Easter Eggs in den Verlauf eingeflochten; ob es sich dabei nun um den Big Kahuna Burger handelt oder auch einen Robert Patrick, der mit der Reihe immerhin vorher bereits Bekanntschaft gemacht hat.
Die Faustregel „je anders, desto besser“ lässt sich im Grunde auf die komplette erste Staffel übertragen. Nachdem in Episode 7 endlich der Knoten platzt, löst sich das Skript notgedrungen auch endlich vom Film und funktioniert plötzlich als mystisch angehauchter, teils unbeholfen auf cool getrimmter Mexicana-Horrortrash. Das Design der Vampire beweist immerhin durch seinen okkulten Ansatz durchgehend Eigenständigkeit, wobei die groteske Anmutung der Originalvampire weiterhin unerreicht bleibt.
Diese letzten paar Folgen retten der ersten Staffel zu einer Serie, die eigentlich ohnehin von Anfang an eine Schnapsidee war, den Arsch. Die zweite Staffel ist nun gezwungen, sich völlig von der Vorlage zu emanzipieren und eigene schreiberische Wege zu gehen, was schon mal eine gute Basis ist. Ob diese dann allerdings auch genutzt wird, ist wieder eine andere Frage.
Weitere Sichtungen:
Star Wars Episode VII: Das Erachen der Macht
You’re Next
Nebraska
Alexander Paynes Schwarzweißfilm ist eigentlich eine Vater-Sohn-Tragikomödie, portraitiert aber durch die Road-Movie-Konstruktion zugleich den gesamten Mittleren Westen der Vereinigten Staaten. Fast ebenso wichtig wie die Hauptfiguren sind die vielen Episodenbegleiter auf ihrem Weg, die manchmal liebenswert, meist schrullig-beschränkt, aber auch oft missgünstig, raffgierig und egoistisch gezeichnet sind. Trotzdem ragt Bruce Dern mit seiner Darstellung eines verwirrten alten Säufers weit in den Mittelpunkt und vermittelt zwischen den Zeilen die Sehnsucht nach einem besseren Leben, idealerweise einem Neuanfang. Die Jagd nach dem vermeintlichen Millionenpreisgewinn ist ein Witz mit weit voraussehbarer Pointe und symbolisiert die Naivität im Glauben an Besserung, doch Payne vermag die aussichtslose Zeichnung der Zukunft mit der Kraft eines guten Happy Ends zu vermischen, so dass sich ein silberner Streif am Horizont zeigt. Dazu trägt auch der zweite Hauptdarsteller Will Forte bei als Sohn, der mit beiden Beinen in der Realität verankert ist und dennoch die Bereitschaft aufbringt, sich in die verquere Welt seines Vaters zu begeben, um Frieden mit ihm zu schließen.
Nicht so beißend zynisch wie „About Schmidt“, nicht so philosophisch wie „Sideways“, nicht so verspielt wie „The Descendants“, fügt Payne seinem Oeuvre einmal mehr eine neue Note bei, deren melancholischer bis irreversibler Ton sich am ehesten noch mit David Lynchs „The Straight Story“ überschneidet.
Magic Mike XXL
Wenn man irgendwo einen dermaßen platten Road-Movie-Ablauf mit schematischem Show-Act-Finale verzeihen kann, dann wohl gerade bei der Fortsetzung zum Campytainment “Magic Mike”, die in ihrem Wesenszug nicht weniger campy ausgefallen ist als das Original, sondern eher noch mehr. An Peinlichkeiten, begleitet vom herzhaften Lächeln der Selbstironie, soll es wieder nicht mangeln; das beginnt bei der zuschauerlosen Tatum-Werkstatt-Nummer und findet ihr frühes Highlight schon kurz danach in einer Tankstelle, wo eine mürrische Angestellte mit der vollen Ladung Charme zum Lachen gebracht werden soll. Der sozialkritische Ton, den Soderbergh noch als notwendig erachtete, ist scheinbar nicht mehr vonnöten.
Doch den fehlenden Tiefgang, den spürt man in der Endabrechnung. „Magic Mike XXL“ ist ein purer Frauenfilm für die Nichtromantikerfraktion (ein Fünkchen Romantik allerdings muss man wohl in jedem Frauenfilm erwarten), eine prall gefüllte Tube Spaß zum Ausdrücken - mit erstaunlich viel Leerlauf allerdings. Das Skript schleppt sich von endlosen Verbrüderungsorgien über aufgesetzte Wiedersehen mit alten Freunden, die auch noch schlecht gecastet sind (Jada Pinkett Smith stakst so bemüht und verkrampft durch ihre Szenen, dass man sich Andie MacDowell, die einzige wirklich gute Nebenbesetzung, an ihrer Stelle gewünscht hätte), nur um schließlich bei einer großen Show zu landen, die zu alldem auch noch viel undynamischer wirkt als in Soderberghs Film.
Die kreischende Meute wird das sicher nicht großartig stören, solange die Muskeln im Öl glänzen, aber „Magic Mike XXL“ bleibt dann doch weit hinter seinem Vorgänger zurück und erweist sich als verzichtenswert.
Pixels
Wer die immer etwas verschworen wirkenden Sandler-Filme der letzten Jahre verfolgt hat, wird in „Pixels“ wieder eine familienkonformere Ausrichtung feststellen, was einerseits an Regisseur Chris Columbus liegen mag, der bisher noch nicht zur Sandler-Clique gehörte, andererseits an den weit über 80 Millionen Dollar Budget, die zu Sicherheit verpflichten. Doch die Sicherheit macht eigentlich bei der Oberfläche halt. Mag die Vervoxelung getroffener Ziele in kleine quadratische Klötzchen aus effekttechnischer Sicht auch beinahe schon originell aussehen (aber auch nur beinahe, da Michael Bays Zerstörungsorgien mit den Transformers einen ähnlich digitalen Look haben), bekommt Columbus seinen Star Sandler und sein immergleiches Schauspielerpack im Kern nicht zu greifen. Da schwirren aufwändig animierte Riesentausendfüßler, gelbe Mondgesichter und Fässer schleudernde Riesenaffen durch die Gegend, doch die Herrschaften gockeln durch die Gegend, als befänden sie sich am Set von „Kindsköpfe 3“. Kevin James wird gar zum Präsidenten hochgejazzt, was im Grunde eine dermaßen hirnverbrannte Idee darstellt, dass man sie kaum für real halten mag, zumal James seine Rolle keineswegs autoritär spielt, sondern wie ein verängstigtes kleines Kind, das mit seinem Lollipop eine ganze Süßigkeitenfabrik lahmgelegt und sich den Ärger von Willy Wonka zugezogen hat. Das greift nicht einmal mehr als Parabel auf inkompetent besetzte, hochrangige US-Ämter, so sehr ist das an der Realität vorbei – und damit wieder der typische Brachialhumor Sandlers, der selbst übrigens als körperlich aufgedunsener, schwer gealterter Antiheld in Erscheinung tritt, dessen Running Gag daraus besteht, eine Runde Zähneputzen ausgelassen zu haben.
Ein bisschen Anarchie schadet zwar eigentlich nie, hier lenkt sie aber von der eigentlichen Mission des Filmes ab, die darin gelegen hätte, den alten Pixelautomaten zu huldigen, was weniger gut gelingt. Einen Anachronismus herzuleiten, indem man minimalistische Vektorspiele einem digitalen Transfer unterzieht und sie mit modernen Computereffekten plastisch macht, kann jede halbwegs gescheite Produktion mit ein paar Milliönchen in der Hand zustande bringen; den alten Geist vermag hier aber nicht einmal der 80er-Jahre-Vorspann aufzubieten, der im Grunde ebenso bunt und stylish gestaltet ist wie die behauptete Gegenwart, nur dass es damals eben ein paar hässliche Frisuren mehr gab.
Immerhin sind ein paar der Gags dann doch gelungen und wenigstens die Pacman-Episode hat dank der (allerdings stark an „The Italian Job“ erinnernden) „Geister“ ein paar originelle Momente in petto. Die Effekte erweisen dem vorausgehenden Kurzfilm von Patrick Jean aus dem Jahr 2010 Gerechtigkeit und kurzweilig ist das Ganze auch noch, weshalb von einem Totalausfall nicht die Rede sein kann. Aber es macht sich doch Enttäuschung in der wichtigsten aller Angelegenheiten breit: Wer damals selbst in den Spielhallen die Monitore beäugt hat, bekommt von „Pixels“ kaum Flashbacks.
Sherlock Holmes – Gespenster im Schloss
Rathbone ermittelt im Herrenhaus, ach was ist das schön! Erinnerungen an den ersten und bis dahin immer noch besten Film der Reihe werden wach, die Atmosphäre strömt langsam zurück in den Körper, der von allzu penetranten Modernisierungsversuchen ausgemergelt schien.
Gerade nach „Die Verhängnisvolle Reise“ ist der Kontrast erschlagend. Einmal noch das Kapitol und das Washington Monument bei bestem Wetter aus dem Flieger beobachtet, führt man uns nun wieder zurück in die hohen, kühlen Gemäuer eines alten Gebäudes bei Nacht und verbarrikadiert uns mit den Leichen Unglückseliger. Noch dazu die Verwandlung Nigel Bruces, der im Vorgänger nutzloser Tourist war und diesmal szenenweise regelrecht autoritär herüberkommt.
Dass auf NS-Bezüge fast vollständig verzichtet wird, kommt derweil der Spannungsdichte zugute und ermöglicht autarke Rätsel im besten Adventure-Stil, so etwa eine Schachpartie auf großen Bodenfliesen, die wie die gesamte Kulisse ein bildhafteres Betrachten ermöglichen. Selbst auf Holmes Schlussfolgerungsfähigkeiten scheint dies positive Wirkung auszuüben, denn er wirkt bei weitem nicht mehr so angestaubt wie noch vor zwei, drei Filmen. Die Auflösung des Whodunit dreht nach einer knackigen Stunde noch ein, zweimal den Spieß und lässt das Gefühl zurück, dass Universal den Dreh jetzt endlich heraushaben könnte.
Der Prozess
Kafka geht aus einem Vergleich mit Welles als der Coolere heraus. Die Unüberschaubarkeit der Bürokratie wird in seinem Roman über eine trockene, kalte Betrachtung vermittelt, obgleich es die verwirrte Hauptfigur ist, aus deren Blickwinkel er erzählt. Doch egal, wie viele Informationen Herrn K. vorenthalten werden und wie sehr der Fall zum undurchdringlichen Exempel aufgeblasen wird, der Ton bleibt ruhig, regelrecht gelassen – ein Umstand, aus dem Kafka bei all dem verstörenden Surrealismus auch einen gewissen Bestand an Humor zog.
Die Verfilmung wird gerne als Auftragsarbeit ohne direkten Bezug zum Material missverstanden, doch bei genauer Betrachtung wird schnell deutlich, dass Welles sehr wohl über einen persönlichen Zugang verfügt haben muss. Wo Kafka das Chaos in der Ordnung suchte, löst Welles es in Asymmetrien auf. Er huldigt dem Expressionismus, indem er einfache Türen zu antiproportionalen, überdimensionalen Portalen verrückt, einen Gerichtssaal strategisch unlogisch mit Hunderten von Menschen füllt, Schatten sich auf langen Pflasterstraßen dehnen lässt, Stühle zum wirren Mikado übereinander stapelt. Dazu geht er offensiv die Darstellung anrüchiger Sexualität an. Er ist mit einem aggressiven, keineswegs nüchternen Verve bei der Sache und wird der Vorlage damit nicht gerecht, fügt andererseits aber dennoch die Teile für einen großen Film zusammen, stellt unter anderem einen unverkennbaren Einfluss für Terry Gilliams Dystopie „Brazil“ her. Die berauschende Emotionalität, mit der er den umstrittenen Hauptdarsteller Anthony Perkins durch das Labyrinth aus alienesken Bienenstöcken jagt, legitimiert nicht unbedingt den Status als Literaturverfilmung, als Welles-Film jedoch absolut. Wenn man nämlich Werkstreue nicht als unabdingbare Voraussetzung für ein Gelingen betrachtet, gehört „Der Prozeß“ zu Welles’ stärksten Arbeiten.
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The Art Of Steal
Kurt Russell geht irgendwie immer. In diesem Fall wird er Zuschauer angezogen haben, obwohl die schon vorher wussten, dass etwas Generisches auf sie zukommen würde. Es dauert dann auch nicht lange, da legen sich Namen stilisiert unter die Charaktere, wie sie cool oder bedröppelt dastehen und Fotomotive bilden. Eine Gaunerchose, wie sie seit dem jungen Guy Ritchie im Buche steht. Und je länger „The Art Of Steal“ mit seinem langweilig konstruierten Titel andauert, desto mehr legt er sein Wesen als niedrig budgetierter „Ocean’s 11“-Abklatsch offen. Statt teurer Casinos liefern eben Seitengassen, Labore, Parkplätze und zugegeben ein schickes Apartment mit Wasserfall-Ausblick die Kulisse, statt lässigem Jazz-Funk wird undefinierbarer Brei gespielt, statt Matt Damon wird Matt Dillon serviert. Doch das Prinzip bleibt gleich: Gauner mit unterschiedlichen Ursprüngen raffen sich zusammen und bestehlen Bonzen, die nicht zu schätzen wissen, was sie haben.
Unterhaltungstechnisch geht das in Ordnung, solange man nicht erwartet, in irgendeiner Hinsicht überrascht zu werden. Die Inszenierung ist solide, das Tempo ausgewogen, nur ist es bei einer Trickkiste wie dieser problematisch, wenn man als Zuschauer immer schon weiß, welchen Joker die Regie als nächstes aus der Box hüpfen lässt. Es ist dann wirklich gut, dass man den menschlichen Faktor Schauspieler hat, denn obwohl dem Cast etwas Zweitklassiges anhaftet, hat er doch in Aktion ein bisschen was zu bieten und hilft über viele vorhersehbare Passagen hinweg. Skript und Regie alleine wären in ihrer grauen Einfallslosigkeit zum Scheitern verurteilt gewesen.
Fargo – Season 1
Und noch ein Serienkonzept, das sich an die Lorbeeren eines erfolgreichen Films klammert. Doch wieder straft uns die Skepsis Lügen und beschert uns tatsächlich die beste Serienstaffel des vergangenen Jahres.
Hatte „Hannibal“ noch den Figurenmythos, um sich im neuen Format nach Herzenslust um diesen einen zentrierten Titelcharakter herum auszutoben, nutzt „Fargo“ die Freiheit, ungebunden an spezielle Charaktere eine ganz neue Geschichte zu erzählen und übernimmt nur den Erzählton der Vorlage. Darüber hinaus ist der Fall vergleichbar mit „American Horror Story“ oder „True Detective“ nach einer Staffel abgeschlossen und macht Platz für Neues, was jeder weiteren Staffel eine gleichwertige neue Chance verpasst.
Doch was schon in Season 1 abgefeuert wird, müssen künftige Staffeln erstmal übertreffen. Ihre Kunst liegt darin, die typischen Muster der Vorlage auf das neue, breitere Format zu übertragen, ohne den Spannungsbogen zu zerdehnen. Tatsächlich legen die fünf Regisseure ihre fünf Doppelfolgen dramaturgisch wie einen langen Film an, der abgesehen von einem Zeitsprung mit anschließendem Prolog-Element keinerlei spürbare Nähte aufweist. Obgleich die Handlung auf dem Papier einige Klischees aufweist, formt das Zusammenspiel aus Kamera, Schnitt, Regie und Schauspielern zu pointierten Abfolgen tragikomischer Momente, die von simplen, im Verdeckten aber ungemein detailreich geschriebenen Gemütern getragen werden. Ja, Martin Freeman ist für die Hauptrolle (im Sinne des Dreh- und Angelpunktes) eine nahe liegende Wahl, belohnt die Investition in ihn aber mit einer vortrefflichen Beobachtung der Ursprungsfiguren; sein permanentes Gefangensein in Zwickmühlen und Paradoxien verhilft der Handlung zu herausragenden Momenten. Colin Hanks ist als gutes Gewissen der Staffel ebenso gut gecastet, insbesondere, wenn man sich den Kontrast zu seiner Rolle in „Dexter“ ins Gedächtnis ruft; Neuentdeckung Allison Tolman beerbt ganz direkt Frances McDormands unvergessene Darstellung von 1996, ohne sie starr zu kopieren. Und Billy Bob Thornton gelingt mit seinem enigmatischen Auftreten als eiskalter Killer die wohl beste Leistung des gesamten Jahres. Von den unzähligen hochwertigen Nebendarstellern wie Bob Odenkirk, Keith Carradine, Oliver Platt, Adam Goldberg und anderen gar nicht zu sprechen.
Der Serientitel wird also eingelöst, indem Skurrilitäten und Verstrickungen im abgesteckten Rahmen kleiner verschneiter Ortschaften im Mittleren Westen der USA mit einem Timing für schwarzen Humor geboten werden, das dem der Vorlage in nichts nachsteht. Zugleich wird das Dilemma umgangen, mit dem die erste Staffel „From Dusk Till Dawn“ auf der anderen Seite des Landes zu kämpfen hatte, der Langweiligkeit einer Nacherzählung des bereits Bekannten. Sollten Drehbuch, Casting und andere Aspekte des Filmemachens nicht nachlassen, steckt in „Fargo“ noch eine lange Lunte.
Weitere Sichtungen:
The Marine 4
Fantastic Four (2015)
Alexander Paynes Schwarzweißfilm ist eigentlich eine Vater-Sohn-Tragikomödie, portraitiert aber durch die Road-Movie-Konstruktion zugleich den gesamten Mittleren Westen der Vereinigten Staaten. Fast ebenso wichtig wie die Hauptfiguren sind die vielen Episodenbegleiter auf ihrem Weg, die manchmal liebenswert, meist schrullig-beschränkt, aber auch oft missgünstig, raffgierig und egoistisch gezeichnet sind. Trotzdem ragt Bruce Dern mit seiner Darstellung eines verwirrten alten Säufers weit in den Mittelpunkt und vermittelt zwischen den Zeilen die Sehnsucht nach einem besseren Leben, idealerweise einem Neuanfang. Die Jagd nach dem vermeintlichen Millionenpreisgewinn ist ein Witz mit weit voraussehbarer Pointe und symbolisiert die Naivität im Glauben an Besserung, doch Payne vermag die aussichtslose Zeichnung der Zukunft mit der Kraft eines guten Happy Ends zu vermischen, so dass sich ein silberner Streif am Horizont zeigt. Dazu trägt auch der zweite Hauptdarsteller Will Forte bei als Sohn, der mit beiden Beinen in der Realität verankert ist und dennoch die Bereitschaft aufbringt, sich in die verquere Welt seines Vaters zu begeben, um Frieden mit ihm zu schließen.
Nicht so beißend zynisch wie „About Schmidt“, nicht so philosophisch wie „Sideways“, nicht so verspielt wie „The Descendants“, fügt Payne seinem Oeuvre einmal mehr eine neue Note bei, deren melancholischer bis irreversibler Ton sich am ehesten noch mit David Lynchs „The Straight Story“ überschneidet.
Magic Mike XXL
Wenn man irgendwo einen dermaßen platten Road-Movie-Ablauf mit schematischem Show-Act-Finale verzeihen kann, dann wohl gerade bei der Fortsetzung zum Campytainment “Magic Mike”, die in ihrem Wesenszug nicht weniger campy ausgefallen ist als das Original, sondern eher noch mehr. An Peinlichkeiten, begleitet vom herzhaften Lächeln der Selbstironie, soll es wieder nicht mangeln; das beginnt bei der zuschauerlosen Tatum-Werkstatt-Nummer und findet ihr frühes Highlight schon kurz danach in einer Tankstelle, wo eine mürrische Angestellte mit der vollen Ladung Charme zum Lachen gebracht werden soll. Der sozialkritische Ton, den Soderbergh noch als notwendig erachtete, ist scheinbar nicht mehr vonnöten.
Doch den fehlenden Tiefgang, den spürt man in der Endabrechnung. „Magic Mike XXL“ ist ein purer Frauenfilm für die Nichtromantikerfraktion (ein Fünkchen Romantik allerdings muss man wohl in jedem Frauenfilm erwarten), eine prall gefüllte Tube Spaß zum Ausdrücken - mit erstaunlich viel Leerlauf allerdings. Das Skript schleppt sich von endlosen Verbrüderungsorgien über aufgesetzte Wiedersehen mit alten Freunden, die auch noch schlecht gecastet sind (Jada Pinkett Smith stakst so bemüht und verkrampft durch ihre Szenen, dass man sich Andie MacDowell, die einzige wirklich gute Nebenbesetzung, an ihrer Stelle gewünscht hätte), nur um schließlich bei einer großen Show zu landen, die zu alldem auch noch viel undynamischer wirkt als in Soderberghs Film.
Die kreischende Meute wird das sicher nicht großartig stören, solange die Muskeln im Öl glänzen, aber „Magic Mike XXL“ bleibt dann doch weit hinter seinem Vorgänger zurück und erweist sich als verzichtenswert.
Pixels
Wer die immer etwas verschworen wirkenden Sandler-Filme der letzten Jahre verfolgt hat, wird in „Pixels“ wieder eine familienkonformere Ausrichtung feststellen, was einerseits an Regisseur Chris Columbus liegen mag, der bisher noch nicht zur Sandler-Clique gehörte, andererseits an den weit über 80 Millionen Dollar Budget, die zu Sicherheit verpflichten. Doch die Sicherheit macht eigentlich bei der Oberfläche halt. Mag die Vervoxelung getroffener Ziele in kleine quadratische Klötzchen aus effekttechnischer Sicht auch beinahe schon originell aussehen (aber auch nur beinahe, da Michael Bays Zerstörungsorgien mit den Transformers einen ähnlich digitalen Look haben), bekommt Columbus seinen Star Sandler und sein immergleiches Schauspielerpack im Kern nicht zu greifen. Da schwirren aufwändig animierte Riesentausendfüßler, gelbe Mondgesichter und Fässer schleudernde Riesenaffen durch die Gegend, doch die Herrschaften gockeln durch die Gegend, als befänden sie sich am Set von „Kindsköpfe 3“. Kevin James wird gar zum Präsidenten hochgejazzt, was im Grunde eine dermaßen hirnverbrannte Idee darstellt, dass man sie kaum für real halten mag, zumal James seine Rolle keineswegs autoritär spielt, sondern wie ein verängstigtes kleines Kind, das mit seinem Lollipop eine ganze Süßigkeitenfabrik lahmgelegt und sich den Ärger von Willy Wonka zugezogen hat. Das greift nicht einmal mehr als Parabel auf inkompetent besetzte, hochrangige US-Ämter, so sehr ist das an der Realität vorbei – und damit wieder der typische Brachialhumor Sandlers, der selbst übrigens als körperlich aufgedunsener, schwer gealterter Antiheld in Erscheinung tritt, dessen Running Gag daraus besteht, eine Runde Zähneputzen ausgelassen zu haben.
Ein bisschen Anarchie schadet zwar eigentlich nie, hier lenkt sie aber von der eigentlichen Mission des Filmes ab, die darin gelegen hätte, den alten Pixelautomaten zu huldigen, was weniger gut gelingt. Einen Anachronismus herzuleiten, indem man minimalistische Vektorspiele einem digitalen Transfer unterzieht und sie mit modernen Computereffekten plastisch macht, kann jede halbwegs gescheite Produktion mit ein paar Milliönchen in der Hand zustande bringen; den alten Geist vermag hier aber nicht einmal der 80er-Jahre-Vorspann aufzubieten, der im Grunde ebenso bunt und stylish gestaltet ist wie die behauptete Gegenwart, nur dass es damals eben ein paar hässliche Frisuren mehr gab.
Immerhin sind ein paar der Gags dann doch gelungen und wenigstens die Pacman-Episode hat dank der (allerdings stark an „The Italian Job“ erinnernden) „Geister“ ein paar originelle Momente in petto. Die Effekte erweisen dem vorausgehenden Kurzfilm von Patrick Jean aus dem Jahr 2010 Gerechtigkeit und kurzweilig ist das Ganze auch noch, weshalb von einem Totalausfall nicht die Rede sein kann. Aber es macht sich doch Enttäuschung in der wichtigsten aller Angelegenheiten breit: Wer damals selbst in den Spielhallen die Monitore beäugt hat, bekommt von „Pixels“ kaum Flashbacks.
Sherlock Holmes – Gespenster im Schloss
Rathbone ermittelt im Herrenhaus, ach was ist das schön! Erinnerungen an den ersten und bis dahin immer noch besten Film der Reihe werden wach, die Atmosphäre strömt langsam zurück in den Körper, der von allzu penetranten Modernisierungsversuchen ausgemergelt schien.
Gerade nach „Die Verhängnisvolle Reise“ ist der Kontrast erschlagend. Einmal noch das Kapitol und das Washington Monument bei bestem Wetter aus dem Flieger beobachtet, führt man uns nun wieder zurück in die hohen, kühlen Gemäuer eines alten Gebäudes bei Nacht und verbarrikadiert uns mit den Leichen Unglückseliger. Noch dazu die Verwandlung Nigel Bruces, der im Vorgänger nutzloser Tourist war und diesmal szenenweise regelrecht autoritär herüberkommt.
Dass auf NS-Bezüge fast vollständig verzichtet wird, kommt derweil der Spannungsdichte zugute und ermöglicht autarke Rätsel im besten Adventure-Stil, so etwa eine Schachpartie auf großen Bodenfliesen, die wie die gesamte Kulisse ein bildhafteres Betrachten ermöglichen. Selbst auf Holmes Schlussfolgerungsfähigkeiten scheint dies positive Wirkung auszuüben, denn er wirkt bei weitem nicht mehr so angestaubt wie noch vor zwei, drei Filmen. Die Auflösung des Whodunit dreht nach einer knackigen Stunde noch ein, zweimal den Spieß und lässt das Gefühl zurück, dass Universal den Dreh jetzt endlich heraushaben könnte.
Der Prozess
Kafka geht aus einem Vergleich mit Welles als der Coolere heraus. Die Unüberschaubarkeit der Bürokratie wird in seinem Roman über eine trockene, kalte Betrachtung vermittelt, obgleich es die verwirrte Hauptfigur ist, aus deren Blickwinkel er erzählt. Doch egal, wie viele Informationen Herrn K. vorenthalten werden und wie sehr der Fall zum undurchdringlichen Exempel aufgeblasen wird, der Ton bleibt ruhig, regelrecht gelassen – ein Umstand, aus dem Kafka bei all dem verstörenden Surrealismus auch einen gewissen Bestand an Humor zog.
Die Verfilmung wird gerne als Auftragsarbeit ohne direkten Bezug zum Material missverstanden, doch bei genauer Betrachtung wird schnell deutlich, dass Welles sehr wohl über einen persönlichen Zugang verfügt haben muss. Wo Kafka das Chaos in der Ordnung suchte, löst Welles es in Asymmetrien auf. Er huldigt dem Expressionismus, indem er einfache Türen zu antiproportionalen, überdimensionalen Portalen verrückt, einen Gerichtssaal strategisch unlogisch mit Hunderten von Menschen füllt, Schatten sich auf langen Pflasterstraßen dehnen lässt, Stühle zum wirren Mikado übereinander stapelt. Dazu geht er offensiv die Darstellung anrüchiger Sexualität an. Er ist mit einem aggressiven, keineswegs nüchternen Verve bei der Sache und wird der Vorlage damit nicht gerecht, fügt andererseits aber dennoch die Teile für einen großen Film zusammen, stellt unter anderem einen unverkennbaren Einfluss für Terry Gilliams Dystopie „Brazil“ her. Die berauschende Emotionalität, mit der er den umstrittenen Hauptdarsteller Anthony Perkins durch das Labyrinth aus alienesken Bienenstöcken jagt, legitimiert nicht unbedingt den Status als Literaturverfilmung, als Welles-Film jedoch absolut. Wenn man nämlich Werkstreue nicht als unabdingbare Voraussetzung für ein Gelingen betrachtet, gehört „Der Prozeß“ zu Welles’ stärksten Arbeiten.
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The Art Of Steal
Kurt Russell geht irgendwie immer. In diesem Fall wird er Zuschauer angezogen haben, obwohl die schon vorher wussten, dass etwas Generisches auf sie zukommen würde. Es dauert dann auch nicht lange, da legen sich Namen stilisiert unter die Charaktere, wie sie cool oder bedröppelt dastehen und Fotomotive bilden. Eine Gaunerchose, wie sie seit dem jungen Guy Ritchie im Buche steht. Und je länger „The Art Of Steal“ mit seinem langweilig konstruierten Titel andauert, desto mehr legt er sein Wesen als niedrig budgetierter „Ocean’s 11“-Abklatsch offen. Statt teurer Casinos liefern eben Seitengassen, Labore, Parkplätze und zugegeben ein schickes Apartment mit Wasserfall-Ausblick die Kulisse, statt lässigem Jazz-Funk wird undefinierbarer Brei gespielt, statt Matt Damon wird Matt Dillon serviert. Doch das Prinzip bleibt gleich: Gauner mit unterschiedlichen Ursprüngen raffen sich zusammen und bestehlen Bonzen, die nicht zu schätzen wissen, was sie haben.
Unterhaltungstechnisch geht das in Ordnung, solange man nicht erwartet, in irgendeiner Hinsicht überrascht zu werden. Die Inszenierung ist solide, das Tempo ausgewogen, nur ist es bei einer Trickkiste wie dieser problematisch, wenn man als Zuschauer immer schon weiß, welchen Joker die Regie als nächstes aus der Box hüpfen lässt. Es ist dann wirklich gut, dass man den menschlichen Faktor Schauspieler hat, denn obwohl dem Cast etwas Zweitklassiges anhaftet, hat er doch in Aktion ein bisschen was zu bieten und hilft über viele vorhersehbare Passagen hinweg. Skript und Regie alleine wären in ihrer grauen Einfallslosigkeit zum Scheitern verurteilt gewesen.
Fargo – Season 1
Und noch ein Serienkonzept, das sich an die Lorbeeren eines erfolgreichen Films klammert. Doch wieder straft uns die Skepsis Lügen und beschert uns tatsächlich die beste Serienstaffel des vergangenen Jahres.
Hatte „Hannibal“ noch den Figurenmythos, um sich im neuen Format nach Herzenslust um diesen einen zentrierten Titelcharakter herum auszutoben, nutzt „Fargo“ die Freiheit, ungebunden an spezielle Charaktere eine ganz neue Geschichte zu erzählen und übernimmt nur den Erzählton der Vorlage. Darüber hinaus ist der Fall vergleichbar mit „American Horror Story“ oder „True Detective“ nach einer Staffel abgeschlossen und macht Platz für Neues, was jeder weiteren Staffel eine gleichwertige neue Chance verpasst.
Doch was schon in Season 1 abgefeuert wird, müssen künftige Staffeln erstmal übertreffen. Ihre Kunst liegt darin, die typischen Muster der Vorlage auf das neue, breitere Format zu übertragen, ohne den Spannungsbogen zu zerdehnen. Tatsächlich legen die fünf Regisseure ihre fünf Doppelfolgen dramaturgisch wie einen langen Film an, der abgesehen von einem Zeitsprung mit anschließendem Prolog-Element keinerlei spürbare Nähte aufweist. Obgleich die Handlung auf dem Papier einige Klischees aufweist, formt das Zusammenspiel aus Kamera, Schnitt, Regie und Schauspielern zu pointierten Abfolgen tragikomischer Momente, die von simplen, im Verdeckten aber ungemein detailreich geschriebenen Gemütern getragen werden. Ja, Martin Freeman ist für die Hauptrolle (im Sinne des Dreh- und Angelpunktes) eine nahe liegende Wahl, belohnt die Investition in ihn aber mit einer vortrefflichen Beobachtung der Ursprungsfiguren; sein permanentes Gefangensein in Zwickmühlen und Paradoxien verhilft der Handlung zu herausragenden Momenten. Colin Hanks ist als gutes Gewissen der Staffel ebenso gut gecastet, insbesondere, wenn man sich den Kontrast zu seiner Rolle in „Dexter“ ins Gedächtnis ruft; Neuentdeckung Allison Tolman beerbt ganz direkt Frances McDormands unvergessene Darstellung von 1996, ohne sie starr zu kopieren. Und Billy Bob Thornton gelingt mit seinem enigmatischen Auftreten als eiskalter Killer die wohl beste Leistung des gesamten Jahres. Von den unzähligen hochwertigen Nebendarstellern wie Bob Odenkirk, Keith Carradine, Oliver Platt, Adam Goldberg und anderen gar nicht zu sprechen.
Der Serientitel wird also eingelöst, indem Skurrilitäten und Verstrickungen im abgesteckten Rahmen kleiner verschneiter Ortschaften im Mittleren Westen der USA mit einem Timing für schwarzen Humor geboten werden, das dem der Vorlage in nichts nachsteht. Zugleich wird das Dilemma umgangen, mit dem die erste Staffel „From Dusk Till Dawn“ auf der anderen Seite des Landes zu kämpfen hatte, der Langweiligkeit einer Nacherzählung des bereits Bekannten. Sollten Drehbuch, Casting und andere Aspekte des Filmemachens nicht nachlassen, steckt in „Fargo“ noch eine lange Lunte.
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The Marine 4
Fantastic Four (2015)
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Grand Piano
Der Typ dieser spanischen Produktion ist einfach zu ermitteln. „Nicht auflegen“, „Spiel auf Zeit“ und ähnliche Thriller auf engem Raum, bei dem unsichtbare oder unerreichbare Erpresser im Hintergrund operieren, sind die Gleichgesinnten. „Grand Piano“ nimmt den Kniff hinzu, dass das Opfer zu einer unmöglich erscheinenden Aufgabe live vor großem Publikum gezwungen wird und dichtet ihm, einem einstmals erfolgreichen Pianisten, noch Lampenfieber aufgrund einer traumatischen Erfahrung hinzu, damit es auch so richtig knistert.
Sobald sich Elijah Wood in einer Limousine zum Konzertsaal aufmacht, sich dort gleichzeitig umzieht und ein Telefoninterview gibt, vermittelt Eugenio Miras Regie den Eindruck, fortwährend sich ablösende Konzept- und Planszenen zu inszenieren, die mit dem Echtzeitelement spielen. In der Hektik des Moments darf er sich auch die ein oder andere Unglaubwürdigkeit oder Schwarzweißzeichnung leisten. Wie es im Film so schön heißt: „Der Zuschauer bekommt es sowieso nie mit“. So müssen zwei Freunde des Pianisten und seiner schauspielernden Freundin schon als absolute Kulturbanausen gezeichnet werden („gibt’s denn hier keine Vorband?“), damit sie als weißer Hase über das Feld hüpfen und den Fuchs ablenken dürfen.
Natürlich wächst der Pianist am Flügel über sich hinaus und hat gleichzeitig noch die Muße, gegen seinen Widersacher (nur gefühlte drei Minuten im Bild: John Cusack) anzutreten und seine beschränkten Mittel auf der Bühne so gut auszunutzen wie es nur geht. Das mag alles realitätsfern sein, ist aber hochgradig spannend und erfreut als Schmankerl auch noch mit musikalischer Virtuosität, die im spürbar komplexesten finalen Stück ihr Grande Finale erlebt. Mag die Motivation des Gegners auch bis zum Abspann vernebelt bleiben und sich das Drehbuch etwas zu sehr auf generische Muster verlassen, so ist „Grand Piano“ doch ein schwer unterhaltsames Vergnügen, von dem man den Blick nur schwer abwenden kann.
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The Revenant
Regisseure, denen es gelang, die Masse mit individuellen, leicht experimentell gefärbten Filmen wie “Birdman” zu begeistern, legen oft Filme wie “The Revenant” nach: Mit Stars gespickt, sowohl vor als auch hinter der Kamera, Experimente oder kreative Wagnisse diesmal zugunsten des Perfektionismus völlig auslassend. Genreware, die sich einerseits bewundernd gegenüber seinesgleichen zeigt, andererseits aber selbstgerecht den Genrestandard anheben möchte.
Leonardo DiCaprio greift ein weiteres Mal auf diese Weise nach dem Oscar, bis er die Academy irgendwann endlich weichgekocht hat. Jedes Streben in diesem historischen Survival-Thriller folgt dem Prinzip der Anstrengung, das gepaart mit Können in vollendeter Meisterschaft aufgeht. Anders kann man die Bilder wohl nicht bezeichnen, die von der Leinwand reflektiert werden: Als meisterlich. Was Emmanuel Lubezki da an Landschaft einfängt, ist überhaupt nicht in Worte zu fassen; die Tiefe, die er seinen Bildern gibt, führt in malerische Modellandschaften, die selbst als Standbilder betrachtet kraftvolle Geschichten von der Besiedlung Amerikas erzählen. Meist geht das Sterben eines Menschen oder Tiers in diesen Stillleben vor sich, oft irgendwo am Bildrand, unmelancholisch, eine universelle Akzeptanz ausstrahlend. Die kalte Sonne steht immerzu irgendwo in einem eckförmigen Ausschnitt des wohlbedacht eingeteilten Bildkaleidoskops und verändert fortwährend die Struktur des Schnees, den die Trapper und Indianer, sich gegenseitig jagend, zu durchqueren versuchen. Zugleich tröstet sie das verendete Wesen und lässt es wissen, dass sein Ende nicht das Ende der Welt bedeutet, weil die Schönheit der Natur fortwährt. Der Tod wird als Fundament des Aufbaus und Fortschritts dargestellt und vom natürlichen Lauf abgesegnet. Begegnungen, die in Kämpfen resultieren, lässt der Regisseur als Momente der Entscheidung darstellen, wobei insbesondere der schmerzhaft packende Kampf mit dem Bären herausragt, der für die Narration einen Wendepunkt darstellt – denn hier widerstrebt etwas dem Lauf der Dinge auf der Suche nach Rache und Vergeltung. Womöglich handelt „The Revenant“ letztlich vom Aufbegehr gegen die Natur und den ersten Schritten zur Durchsetzung einer industrialisierten Zivilisation mit der Scheinabwesenheit urtümlicher Gefahren des Lebens.
All diese Informationen stecken nur in den impressionistisch nachwirkenden Bildern und nicht im Drehbuch selbst, das relativ simple Rache- und Survival-Elemente miteinander zu einer einfachen Vergeltungsgeschichte verknüpft. Iñárritu selbst lässt viele der Tugenden schleifen, die seine bisherigen Filme ausgemacht haben und muss sich nun den Vorwurf gefallen lassen, er habe einen Film gedreht, den jeder begabte Regisseur mit dem richtigen Team im Rücken hätte drehen können. Nur noch wenig lässt auf seine persönliche Handschrift schließen. Physisches Schauspielkino dargebracht in technisch formvollendeten Panoramen, das Nachfühlen einer Zeit, die vor 200 Jahren stattfand – all das hat nicht so viel mit dem mexikanischen Regisseur zu tun, weshalb sich „The Revenant“ dem Wesen nach etwas distanziert anfühlt, auch längst nicht so relevant wie „Birdman“.
Dennoch ist es erlaubt, DiCaprios glaubhafte Vermittlung von Leiden und Kampfgeist zu genießen, mit ihm in die blanke Sonne zu starren und in ihr eine Überlebensbotschaft zu lesen, die schwächeren Lebewesen verborgen blieb. Seine eigenen Finger nicht mehr zu spüren, wenn er mit seinen eigenen aus dem ausgehöhlten Brustkorb eines verendeten Pferdes in den rotweißen Schneematsch greift, nachdem ihm das Pferd in der Nacht Unterschlupf und somit einen letzten Gefallen gewährt hat. Aber auch den Purismus zu spüren, mit dem sich verschiedene Menschengruppen damals begegnet sind, ohne sich hinter politischen Verzweigungen zu verstecken. Nicht zuletzt die Vielfalt an Schönheit zu atmen, die die Welt an Land, zu Wasser und in der Luft zu bieten hat. Weitere Filme des Jahres werden es schwer haben, die Natur so traumhaft einzufangen – obwohl sich mit „The Hateful Eight“ noch in diesem Monat ein weiterer in ähnlicher Kulisse daran versuchen wird…
Ruhet in Frieden – A Walk Among The Tombstones
Das beste Neeson-Vehikel seit „The Grey“ von 2012, was auch daran liegt, dass es diesmal nicht nur ein Neeson-Vehikel ist. Scott Frank beschwört den Pessimismus uralter Noir-Krimis herauf und bietet ein Stadtbild voller abgehalfterter Ziegelsteingebäude, das unter grellweißem Himmel und kahlen Herbstbäumen wie verlassen aussieht – und verirrt sich doch mal eine Gestalt auf die Straße, so ist es selten eine gutmütige.
Die Entwicklungen in der nicht ganz geradlinigen Entführungsgeschichte lassen auch an den Nicolas-Cage-Thriller „8MM“ denken, weil sich in beiden Fällen ein Ermittler in Abgründe menschlicher Perversion und Dämonie verirrt. Der Neeson-Faktor kommt insofern zum Tragen, als dass er seinen mit „96 Hours“ etablierten Rollentypus einmal mehr solide variiert und somit eine abgeklärte Figur ins Spiel schickt, derweil Cage den Gräueltaten mit emotionaler Betroffenheit begegnete. Die Hauptfigur ist die Abläufe also gewöhnt, was „A Walk Among The Tombstones“ ein Stück weit distanziert wirken lässt. Dann aber ist er wiederum mit vereinzelten Schockmomenten und Situationswendungen von einer Absurdität durchsetzt, wie sie sich eigentlich nur in der Realität ereignen können, fußend auf Hochmut, Trauer, Hass, Verblendung und anderen Gefühlsregungen, die das Urteilsvermögen einschränken. Weiterhin wird der Hauptfigur, ähnlich wie jüngst in „The Equalizer“, ein Protegé an die Hand gelegt, das nicht nur fleißig Romandetektive rezitieren kann, sondern außerdem als emotionaler Anker für den Zuschauer fungiert.
Mit einem anderen Hauptdarsteller, einem möglichst unbeschriebenen Blatt, hätte der Film womöglich noch besser funktioniert, weil man in dem Fall nicht versucht gewesen wäre, ihn als B-Actioner zu kategorisieren, der er gar nicht ist. Dank des getragenen Tonfalls, der atmosphärisch dichten Bilder und der angenehm hakeligen und doch irgendwie geradlinigen Geschichte funktioniert er trotzdem.
Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe
In der Retrospektive bietet Dario Argentos Regiedebüt bereits alle Zutaten, die ihn den Giallo mitbegründen ließen. Im Gegensatz zum diesbezüglich dezenteren und konventionelleren Nachfolger „Die neunschwänzige Katze“ erhebt sich die Bildsprache lustvoll experimentierend vom grauen Kriminalfilm, dessen Tümpel jedoch als Keimzelle fungiert. Eröffnung und Finale, beide jeweils sorgsam über irritierende Schnitte und Kamerawinkel aufgebaut, scheinen weitreichend geplant, dazwischen häufen sich aber allerhand Verkettungen, die einer rein assoziativen Logik zu folgen scheinen und dem 31-Jährigen den Raum für mehr geben als nur ein paar Wallace’sche Handschuhe, um optische Reize zu setzen. Schon jetzt erreichen Stadtbild und generell Kulissen eine höhere Prägnanz als die überwiegend farblosen Darsteller (Ausnahme: Mario Adorf als durchgeknallter Maler) – ein typisches Merkmal von Argentos Arbeiten. Auch die Lösung situativer Wendungen mit schnellen Schnitten und fehlender Szenenübersicht lässt sich in perfektionierter Form in den bekannteren Spätwerken wieder finden.
Angesichts der vollendeten Aura eines Werkes wie „Suspiria“ muss „The Bird With The Crystal Plumage“ wie eine erste grobe Fingerübung wirken, eingebettet in den damaligen Kontext bietet Argento jedoch den mutigen ersten Schlag in eine noch weitestgehend unversehrte Mauer.
Cheap Thrills
Durchaus mitreißende Bestandsaufnahme einer Gesellschaft, die permanent mit Ekel- und Realityshows gefüttert wird und die Ausschlachtung von allem Abnormen zur Zelebration der eigenen (vermeintlichen) Normalität pflegt. Billiger Thrill als Kompensation verloren gegangener Urinstinkte in einer primitiven Abfolge sich steigernder Mutproben – „Cheap Thrills“ fehlt es aufgrund des gewählten Themas selbst ein wenig an Substanz, mutet die Viermann-Party um Geld und fragwürdige Aufgaben doch wie Film gewordenes Mikado an, das im Grunde nur aus den Stäben und der Spannung vor ihrer Ablage besteht.
Ein Segment in einem Episodenfilm wie „Wild Tales“ wäre das gefühlt sinnvollere Format gewesen. Allerdings machen es die Darsteller wirklich einfach, ihnen auch knapp 90 Minuten bei ihrer Orgie zuzusehen. Insbesondere Pat Healy und David Koechner agieren stark miteinander, wobei überhaupt die Gruppendynamik das wohl einzig wirklich komplexe Element des Filmes darstellt.
Regiedebütant E.L. Katz muss gar nicht so viel machen, stellt aber immerhin sicher, dass Klischees nur angedeutet, dann aber vermieden werden. Insbesondere die von Koechner dargestellte Figur gewinnt damit an Tiefe und Rätselhaftigkeit, weil er eben nicht nur der primitive Geldsack ist, der ein bedeutungslos gewordenes Leben mit seiner jungen Frau durch schnelle Adrenalinschübe zu kompensieren versucht.
Dramaturgisch darf man sich eben nicht zu viel von „Cheap Thrills“ erwarten, ebenso wenig von der Pointe, auf die im Grunde die gesamte Handlung zusteuert. Der Filmtitel ist zugleich als Gebrauchsanwendung zu verstehen. Gegebenenfalls zu Tage tretende Tiefsinnigkeiten nimmt man dann eben mit, sofern man welche entdeckt.
Nicht mein Tag
Spießiger Bankangestellter und Ruhrpottprolet werden durch eine von letzterem an ersterem durchgeführte Geiselnahme best buddies – typischer Thorwarth-Stoff soweit. Klischees im Halfter und keine Angst, sie zu benutzen. Begonnen bei der „das bin ich jetzt – das war ich vor 72 Stunden“-Eröffnung des erzählerischen Rahmens bis zu den Figuren als solchen. Dass man dem tatsächlich stocksteifen und auch nicht sonderlich sympathischen Axel Stein (inzwischen in der Ausführung L) keine Rockstarvergangenheit zutraut, darf da nicht stören; dass Bleibtreu den Proleten hingegen mal wieder recht überzeugend gibt, darf hingegen nicht beunruhigen oder erschrecken. Gehört alles zum Programm. Irgendwie.
Ein Missverständnis eint viele deutsche Komödien. Oft suchen sie Tabubrüche im Äußern von Gossensprache und dem Zeigen nackter Tatsachen, um sich im Geiste eines empfundenen europäischen Liberalismus von der Prüderie des US-Kinos abzuheben; tatsächlich verzerren sie aber oft den Ton ins Unpassende und pflegen außerdem noch Bigotterie, wenn sie trotzdem deren erfolgreiche Rezepturen kopieren. Thorwarth steckt ebenfalls in einer solchen Bredouille. Technisch stark imitiert er die egoperspektivischen Drogen- und Vernebelungseffekte aus „Hangover“, lässt aber den karikaturistischen Effekt dieser Filme vermissen und steht letztlich da mit einem braven Angestellten, der plötzlich vollkommen ausflippt – ohne sich die Mühe gemacht zu haben, die Sehnsucht nach dem alten Rockstarleben zu verdeutlichen. Zwar wird immerzu davon gesprochen, wie unzufrieden der Mann zu Hause ist, aber was wird an Axel Stein selbst unternommen, an seinem Gesichtsausdruck oder seinen Handlungen, um diese Sehnsucht zu untermauern?
Die Dramaturgie ist ebenfalls ein Griff ins Klo, wobei das noch zu verschmerzen ist angesichts der Tatsache, dass der Road Trip als Kuriositätensammlung durchaus eine gute Figur macht. Von der biederen Angestelltenfeier über brennende Autos, Geiselnahmen, Deals mit Albanern, einem akzeptablen Cameo des Mitproduzenten Til Schweiger, viele viele andere Cameos und eine grundlegende Verwechslungssituation à la „Nix zu verlieren“ ist eine Menge dabei, woraus man sich die Rosinen picken kann, wobei ein Navigationsgerät mit Tom-Gerhardt-Dialekt wohl zu den gelungensten Elementen zu zählen ist. Aber es befindet sich eben auch viel Unlustiges in dem Film, der übrigens einen schlechten Schnitt aufweist und von unaufgeräumten Bildkompositionen in zu grellen Farbpaletten dominiert wird.
Nicht mein Film.
Penny Dreadful – Season 1
“Penny Dreadful” ist ein alter englischer Begriff für Groschenromane. Ein wenig führt das in die Irre, wenigstens was die Machart betrifft: Würde man intuitiv von einer pulpigen, hastig abgedrehten Scareshow ausgehen, vielleicht sogar von einem postmodernen Ansatz, so wird die Produktion gegenteilig von geschmackvollem Interieur und Kostümen bestimmt, die zum gestiegenen Anspruch des heutigen Serienpublikums passen. Dabei kommt bourgeoise Ausstattung im Theatermilieu ebenso zur Geltung wie das Rustikale der niederen Klassen, die im Aufbruch befindliche Industrialisierung und sogar ein Hauch von abseitigem Westernflair.
Packt man Vampire, Werwölfe, Exorzismus, Frankenstein und Dorian Gray in eine Staffel, kann die inhaltliche Klasse freilich mit der ästhetischen nicht mehr mithalten, und so bildet sich schon bald ein gewaltiges Problem: Die Handlungsgeflechte greifen ineinander, verkomplizieren sich und werden ein Stück weit albern, ohne dass man sich durch die Inszenierung zu dieser Albernheit bekennen würde. Anstatt das Durcheinander von Handlungssträngen also als kreative Verrücktheit zu feiern, kommt man nicht umhin, ihre fast zufällig erscheinende Anordnung zu kritisieren.
Von unterschiedlicher Qualität und Intensität sind dann auch die diversen Themen: Während Werwölfe nur am Rande vorkommen, werden die Vampire als größte, wenngleich schlafende Macht inszeniert, die vor allem in der ersten und letzten Episode eine tragende Rolle spielen. Der Frankenstein-Part birgt erwartungsgemäß den größten Drama- und geringsten Horror-Anteil. Bezeichnend, dass die Hauptdarsteller Eva Green und Josh Hartnett mit all diesen Strängen irgendwie in Verbindung stehen, aber gar nicht mal zentral in ihnen verkehren: Green bieten sich allerhand Gelegenheiten zum extremen Overacting, verwandelt sich ihr Gesicht speziell in einer Séance- und einer Austreibungsszene doch in eine Fratze des Wahnsinns mit irre rollenden Augen. Sie ist Gegenstand einer eigenen Psychoanalyse und nimmt am Restgeschehen, den eigentlichen Groschengeschichten, nur abseitig teil, wirkt durch ihre stetige Wandlung vor allem in jeder Episode wie eine andere Person; mal der Vamp, mal die Unschuldige, mal die Unzurechnungsfähige. Auch Hartnett hat im Grunde seines Herzens anderes zu tun als Vampire zu jagen, ist doch eine Liebesgeschichte mit Billie Piper als sterbender Prostituierter an ihn gebunden.
Dabei sind die darstellerischen Leistungen im Grunde ebenso stark wie die Präsentation der Serie. Abgesehen von den Hauptakteuren ist beispielsweise Reeve Carney als Dorian Gray genau richtig gecastet – gutaussehend, charmant, Sehnsüchte ausstrahlend und dennoch von kalter, toter Aura umgeben. Die beiden Darsteller der Frankensteinmonster sind ebenfalls herauszuheben, gerade auch der kürzer in Erscheinung tretende Alex Price, der die wohl einzige wirklich positive Figur der Serie spielt.
Neben dem kunstvollen Vorspann weiß sich die erste Staffel außerdem über Highlight-Momente hervorzuheben, die oftmals durch gelungene Kameratricks realisiert werden, wenn etwa ein abgetrennter Kopf im Fokus steht und plötzlich an anderer Stelle etwas hervortritt, oder wenn ein Vampir mit einem gelungenen Kameraschwenk innerhalb von Sekunden seine Position auf unnatürliche Weise verändert. Greens gelegentliches Überziehen, das auf bizarre Weise dann doch dem Titel gerecht wird, kann man durchaus ebenfalls zu den Schauwerten zählen. Doch trotz der handwerklich starken Umsetzung wäre ein Bekenntnis zu einer Ausrichtung wünschenswert gewesen: Entweder Groschenroman oder Hochliteratur.
Weitere Sichtungen:
Cooties
Lone Survivor
The Voices
Der Typ dieser spanischen Produktion ist einfach zu ermitteln. „Nicht auflegen“, „Spiel auf Zeit“ und ähnliche Thriller auf engem Raum, bei dem unsichtbare oder unerreichbare Erpresser im Hintergrund operieren, sind die Gleichgesinnten. „Grand Piano“ nimmt den Kniff hinzu, dass das Opfer zu einer unmöglich erscheinenden Aufgabe live vor großem Publikum gezwungen wird und dichtet ihm, einem einstmals erfolgreichen Pianisten, noch Lampenfieber aufgrund einer traumatischen Erfahrung hinzu, damit es auch so richtig knistert.
Sobald sich Elijah Wood in einer Limousine zum Konzertsaal aufmacht, sich dort gleichzeitig umzieht und ein Telefoninterview gibt, vermittelt Eugenio Miras Regie den Eindruck, fortwährend sich ablösende Konzept- und Planszenen zu inszenieren, die mit dem Echtzeitelement spielen. In der Hektik des Moments darf er sich auch die ein oder andere Unglaubwürdigkeit oder Schwarzweißzeichnung leisten. Wie es im Film so schön heißt: „Der Zuschauer bekommt es sowieso nie mit“. So müssen zwei Freunde des Pianisten und seiner schauspielernden Freundin schon als absolute Kulturbanausen gezeichnet werden („gibt’s denn hier keine Vorband?“), damit sie als weißer Hase über das Feld hüpfen und den Fuchs ablenken dürfen.
Natürlich wächst der Pianist am Flügel über sich hinaus und hat gleichzeitig noch die Muße, gegen seinen Widersacher (nur gefühlte drei Minuten im Bild: John Cusack) anzutreten und seine beschränkten Mittel auf der Bühne so gut auszunutzen wie es nur geht. Das mag alles realitätsfern sein, ist aber hochgradig spannend und erfreut als Schmankerl auch noch mit musikalischer Virtuosität, die im spürbar komplexesten finalen Stück ihr Grande Finale erlebt. Mag die Motivation des Gegners auch bis zum Abspann vernebelt bleiben und sich das Drehbuch etwas zu sehr auf generische Muster verlassen, so ist „Grand Piano“ doch ein schwer unterhaltsames Vergnügen, von dem man den Blick nur schwer abwenden kann.
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The Revenant
Regisseure, denen es gelang, die Masse mit individuellen, leicht experimentell gefärbten Filmen wie “Birdman” zu begeistern, legen oft Filme wie “The Revenant” nach: Mit Stars gespickt, sowohl vor als auch hinter der Kamera, Experimente oder kreative Wagnisse diesmal zugunsten des Perfektionismus völlig auslassend. Genreware, die sich einerseits bewundernd gegenüber seinesgleichen zeigt, andererseits aber selbstgerecht den Genrestandard anheben möchte.
Leonardo DiCaprio greift ein weiteres Mal auf diese Weise nach dem Oscar, bis er die Academy irgendwann endlich weichgekocht hat. Jedes Streben in diesem historischen Survival-Thriller folgt dem Prinzip der Anstrengung, das gepaart mit Können in vollendeter Meisterschaft aufgeht. Anders kann man die Bilder wohl nicht bezeichnen, die von der Leinwand reflektiert werden: Als meisterlich. Was Emmanuel Lubezki da an Landschaft einfängt, ist überhaupt nicht in Worte zu fassen; die Tiefe, die er seinen Bildern gibt, führt in malerische Modellandschaften, die selbst als Standbilder betrachtet kraftvolle Geschichten von der Besiedlung Amerikas erzählen. Meist geht das Sterben eines Menschen oder Tiers in diesen Stillleben vor sich, oft irgendwo am Bildrand, unmelancholisch, eine universelle Akzeptanz ausstrahlend. Die kalte Sonne steht immerzu irgendwo in einem eckförmigen Ausschnitt des wohlbedacht eingeteilten Bildkaleidoskops und verändert fortwährend die Struktur des Schnees, den die Trapper und Indianer, sich gegenseitig jagend, zu durchqueren versuchen. Zugleich tröstet sie das verendete Wesen und lässt es wissen, dass sein Ende nicht das Ende der Welt bedeutet, weil die Schönheit der Natur fortwährt. Der Tod wird als Fundament des Aufbaus und Fortschritts dargestellt und vom natürlichen Lauf abgesegnet. Begegnungen, die in Kämpfen resultieren, lässt der Regisseur als Momente der Entscheidung darstellen, wobei insbesondere der schmerzhaft packende Kampf mit dem Bären herausragt, der für die Narration einen Wendepunkt darstellt – denn hier widerstrebt etwas dem Lauf der Dinge auf der Suche nach Rache und Vergeltung. Womöglich handelt „The Revenant“ letztlich vom Aufbegehr gegen die Natur und den ersten Schritten zur Durchsetzung einer industrialisierten Zivilisation mit der Scheinabwesenheit urtümlicher Gefahren des Lebens.
All diese Informationen stecken nur in den impressionistisch nachwirkenden Bildern und nicht im Drehbuch selbst, das relativ simple Rache- und Survival-Elemente miteinander zu einer einfachen Vergeltungsgeschichte verknüpft. Iñárritu selbst lässt viele der Tugenden schleifen, die seine bisherigen Filme ausgemacht haben und muss sich nun den Vorwurf gefallen lassen, er habe einen Film gedreht, den jeder begabte Regisseur mit dem richtigen Team im Rücken hätte drehen können. Nur noch wenig lässt auf seine persönliche Handschrift schließen. Physisches Schauspielkino dargebracht in technisch formvollendeten Panoramen, das Nachfühlen einer Zeit, die vor 200 Jahren stattfand – all das hat nicht so viel mit dem mexikanischen Regisseur zu tun, weshalb sich „The Revenant“ dem Wesen nach etwas distanziert anfühlt, auch längst nicht so relevant wie „Birdman“.
Dennoch ist es erlaubt, DiCaprios glaubhafte Vermittlung von Leiden und Kampfgeist zu genießen, mit ihm in die blanke Sonne zu starren und in ihr eine Überlebensbotschaft zu lesen, die schwächeren Lebewesen verborgen blieb. Seine eigenen Finger nicht mehr zu spüren, wenn er mit seinen eigenen aus dem ausgehöhlten Brustkorb eines verendeten Pferdes in den rotweißen Schneematsch greift, nachdem ihm das Pferd in der Nacht Unterschlupf und somit einen letzten Gefallen gewährt hat. Aber auch den Purismus zu spüren, mit dem sich verschiedene Menschengruppen damals begegnet sind, ohne sich hinter politischen Verzweigungen zu verstecken. Nicht zuletzt die Vielfalt an Schönheit zu atmen, die die Welt an Land, zu Wasser und in der Luft zu bieten hat. Weitere Filme des Jahres werden es schwer haben, die Natur so traumhaft einzufangen – obwohl sich mit „The Hateful Eight“ noch in diesem Monat ein weiterer in ähnlicher Kulisse daran versuchen wird…
Ruhet in Frieden – A Walk Among The Tombstones
Das beste Neeson-Vehikel seit „The Grey“ von 2012, was auch daran liegt, dass es diesmal nicht nur ein Neeson-Vehikel ist. Scott Frank beschwört den Pessimismus uralter Noir-Krimis herauf und bietet ein Stadtbild voller abgehalfterter Ziegelsteingebäude, das unter grellweißem Himmel und kahlen Herbstbäumen wie verlassen aussieht – und verirrt sich doch mal eine Gestalt auf die Straße, so ist es selten eine gutmütige.
Die Entwicklungen in der nicht ganz geradlinigen Entführungsgeschichte lassen auch an den Nicolas-Cage-Thriller „8MM“ denken, weil sich in beiden Fällen ein Ermittler in Abgründe menschlicher Perversion und Dämonie verirrt. Der Neeson-Faktor kommt insofern zum Tragen, als dass er seinen mit „96 Hours“ etablierten Rollentypus einmal mehr solide variiert und somit eine abgeklärte Figur ins Spiel schickt, derweil Cage den Gräueltaten mit emotionaler Betroffenheit begegnete. Die Hauptfigur ist die Abläufe also gewöhnt, was „A Walk Among The Tombstones“ ein Stück weit distanziert wirken lässt. Dann aber ist er wiederum mit vereinzelten Schockmomenten und Situationswendungen von einer Absurdität durchsetzt, wie sie sich eigentlich nur in der Realität ereignen können, fußend auf Hochmut, Trauer, Hass, Verblendung und anderen Gefühlsregungen, die das Urteilsvermögen einschränken. Weiterhin wird der Hauptfigur, ähnlich wie jüngst in „The Equalizer“, ein Protegé an die Hand gelegt, das nicht nur fleißig Romandetektive rezitieren kann, sondern außerdem als emotionaler Anker für den Zuschauer fungiert.
Mit einem anderen Hauptdarsteller, einem möglichst unbeschriebenen Blatt, hätte der Film womöglich noch besser funktioniert, weil man in dem Fall nicht versucht gewesen wäre, ihn als B-Actioner zu kategorisieren, der er gar nicht ist. Dank des getragenen Tonfalls, der atmosphärisch dichten Bilder und der angenehm hakeligen und doch irgendwie geradlinigen Geschichte funktioniert er trotzdem.
Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe
In der Retrospektive bietet Dario Argentos Regiedebüt bereits alle Zutaten, die ihn den Giallo mitbegründen ließen. Im Gegensatz zum diesbezüglich dezenteren und konventionelleren Nachfolger „Die neunschwänzige Katze“ erhebt sich die Bildsprache lustvoll experimentierend vom grauen Kriminalfilm, dessen Tümpel jedoch als Keimzelle fungiert. Eröffnung und Finale, beide jeweils sorgsam über irritierende Schnitte und Kamerawinkel aufgebaut, scheinen weitreichend geplant, dazwischen häufen sich aber allerhand Verkettungen, die einer rein assoziativen Logik zu folgen scheinen und dem 31-Jährigen den Raum für mehr geben als nur ein paar Wallace’sche Handschuhe, um optische Reize zu setzen. Schon jetzt erreichen Stadtbild und generell Kulissen eine höhere Prägnanz als die überwiegend farblosen Darsteller (Ausnahme: Mario Adorf als durchgeknallter Maler) – ein typisches Merkmal von Argentos Arbeiten. Auch die Lösung situativer Wendungen mit schnellen Schnitten und fehlender Szenenübersicht lässt sich in perfektionierter Form in den bekannteren Spätwerken wieder finden.
Angesichts der vollendeten Aura eines Werkes wie „Suspiria“ muss „The Bird With The Crystal Plumage“ wie eine erste grobe Fingerübung wirken, eingebettet in den damaligen Kontext bietet Argento jedoch den mutigen ersten Schlag in eine noch weitestgehend unversehrte Mauer.
Cheap Thrills
Durchaus mitreißende Bestandsaufnahme einer Gesellschaft, die permanent mit Ekel- und Realityshows gefüttert wird und die Ausschlachtung von allem Abnormen zur Zelebration der eigenen (vermeintlichen) Normalität pflegt. Billiger Thrill als Kompensation verloren gegangener Urinstinkte in einer primitiven Abfolge sich steigernder Mutproben – „Cheap Thrills“ fehlt es aufgrund des gewählten Themas selbst ein wenig an Substanz, mutet die Viermann-Party um Geld und fragwürdige Aufgaben doch wie Film gewordenes Mikado an, das im Grunde nur aus den Stäben und der Spannung vor ihrer Ablage besteht.
Ein Segment in einem Episodenfilm wie „Wild Tales“ wäre das gefühlt sinnvollere Format gewesen. Allerdings machen es die Darsteller wirklich einfach, ihnen auch knapp 90 Minuten bei ihrer Orgie zuzusehen. Insbesondere Pat Healy und David Koechner agieren stark miteinander, wobei überhaupt die Gruppendynamik das wohl einzig wirklich komplexe Element des Filmes darstellt.
Regiedebütant E.L. Katz muss gar nicht so viel machen, stellt aber immerhin sicher, dass Klischees nur angedeutet, dann aber vermieden werden. Insbesondere die von Koechner dargestellte Figur gewinnt damit an Tiefe und Rätselhaftigkeit, weil er eben nicht nur der primitive Geldsack ist, der ein bedeutungslos gewordenes Leben mit seiner jungen Frau durch schnelle Adrenalinschübe zu kompensieren versucht.
Dramaturgisch darf man sich eben nicht zu viel von „Cheap Thrills“ erwarten, ebenso wenig von der Pointe, auf die im Grunde die gesamte Handlung zusteuert. Der Filmtitel ist zugleich als Gebrauchsanwendung zu verstehen. Gegebenenfalls zu Tage tretende Tiefsinnigkeiten nimmt man dann eben mit, sofern man welche entdeckt.
Nicht mein Tag
Spießiger Bankangestellter und Ruhrpottprolet werden durch eine von letzterem an ersterem durchgeführte Geiselnahme best buddies – typischer Thorwarth-Stoff soweit. Klischees im Halfter und keine Angst, sie zu benutzen. Begonnen bei der „das bin ich jetzt – das war ich vor 72 Stunden“-Eröffnung des erzählerischen Rahmens bis zu den Figuren als solchen. Dass man dem tatsächlich stocksteifen und auch nicht sonderlich sympathischen Axel Stein (inzwischen in der Ausführung L) keine Rockstarvergangenheit zutraut, darf da nicht stören; dass Bleibtreu den Proleten hingegen mal wieder recht überzeugend gibt, darf hingegen nicht beunruhigen oder erschrecken. Gehört alles zum Programm. Irgendwie.
Ein Missverständnis eint viele deutsche Komödien. Oft suchen sie Tabubrüche im Äußern von Gossensprache und dem Zeigen nackter Tatsachen, um sich im Geiste eines empfundenen europäischen Liberalismus von der Prüderie des US-Kinos abzuheben; tatsächlich verzerren sie aber oft den Ton ins Unpassende und pflegen außerdem noch Bigotterie, wenn sie trotzdem deren erfolgreiche Rezepturen kopieren. Thorwarth steckt ebenfalls in einer solchen Bredouille. Technisch stark imitiert er die egoperspektivischen Drogen- und Vernebelungseffekte aus „Hangover“, lässt aber den karikaturistischen Effekt dieser Filme vermissen und steht letztlich da mit einem braven Angestellten, der plötzlich vollkommen ausflippt – ohne sich die Mühe gemacht zu haben, die Sehnsucht nach dem alten Rockstarleben zu verdeutlichen. Zwar wird immerzu davon gesprochen, wie unzufrieden der Mann zu Hause ist, aber was wird an Axel Stein selbst unternommen, an seinem Gesichtsausdruck oder seinen Handlungen, um diese Sehnsucht zu untermauern?
Die Dramaturgie ist ebenfalls ein Griff ins Klo, wobei das noch zu verschmerzen ist angesichts der Tatsache, dass der Road Trip als Kuriositätensammlung durchaus eine gute Figur macht. Von der biederen Angestelltenfeier über brennende Autos, Geiselnahmen, Deals mit Albanern, einem akzeptablen Cameo des Mitproduzenten Til Schweiger, viele viele andere Cameos und eine grundlegende Verwechslungssituation à la „Nix zu verlieren“ ist eine Menge dabei, woraus man sich die Rosinen picken kann, wobei ein Navigationsgerät mit Tom-Gerhardt-Dialekt wohl zu den gelungensten Elementen zu zählen ist. Aber es befindet sich eben auch viel Unlustiges in dem Film, der übrigens einen schlechten Schnitt aufweist und von unaufgeräumten Bildkompositionen in zu grellen Farbpaletten dominiert wird.
Nicht mein Film.
Penny Dreadful – Season 1
“Penny Dreadful” ist ein alter englischer Begriff für Groschenromane. Ein wenig führt das in die Irre, wenigstens was die Machart betrifft: Würde man intuitiv von einer pulpigen, hastig abgedrehten Scareshow ausgehen, vielleicht sogar von einem postmodernen Ansatz, so wird die Produktion gegenteilig von geschmackvollem Interieur und Kostümen bestimmt, die zum gestiegenen Anspruch des heutigen Serienpublikums passen. Dabei kommt bourgeoise Ausstattung im Theatermilieu ebenso zur Geltung wie das Rustikale der niederen Klassen, die im Aufbruch befindliche Industrialisierung und sogar ein Hauch von abseitigem Westernflair.
Packt man Vampire, Werwölfe, Exorzismus, Frankenstein und Dorian Gray in eine Staffel, kann die inhaltliche Klasse freilich mit der ästhetischen nicht mehr mithalten, und so bildet sich schon bald ein gewaltiges Problem: Die Handlungsgeflechte greifen ineinander, verkomplizieren sich und werden ein Stück weit albern, ohne dass man sich durch die Inszenierung zu dieser Albernheit bekennen würde. Anstatt das Durcheinander von Handlungssträngen also als kreative Verrücktheit zu feiern, kommt man nicht umhin, ihre fast zufällig erscheinende Anordnung zu kritisieren.
Von unterschiedlicher Qualität und Intensität sind dann auch die diversen Themen: Während Werwölfe nur am Rande vorkommen, werden die Vampire als größte, wenngleich schlafende Macht inszeniert, die vor allem in der ersten und letzten Episode eine tragende Rolle spielen. Der Frankenstein-Part birgt erwartungsgemäß den größten Drama- und geringsten Horror-Anteil. Bezeichnend, dass die Hauptdarsteller Eva Green und Josh Hartnett mit all diesen Strängen irgendwie in Verbindung stehen, aber gar nicht mal zentral in ihnen verkehren: Green bieten sich allerhand Gelegenheiten zum extremen Overacting, verwandelt sich ihr Gesicht speziell in einer Séance- und einer Austreibungsszene doch in eine Fratze des Wahnsinns mit irre rollenden Augen. Sie ist Gegenstand einer eigenen Psychoanalyse und nimmt am Restgeschehen, den eigentlichen Groschengeschichten, nur abseitig teil, wirkt durch ihre stetige Wandlung vor allem in jeder Episode wie eine andere Person; mal der Vamp, mal die Unschuldige, mal die Unzurechnungsfähige. Auch Hartnett hat im Grunde seines Herzens anderes zu tun als Vampire zu jagen, ist doch eine Liebesgeschichte mit Billie Piper als sterbender Prostituierter an ihn gebunden.
Dabei sind die darstellerischen Leistungen im Grunde ebenso stark wie die Präsentation der Serie. Abgesehen von den Hauptakteuren ist beispielsweise Reeve Carney als Dorian Gray genau richtig gecastet – gutaussehend, charmant, Sehnsüchte ausstrahlend und dennoch von kalter, toter Aura umgeben. Die beiden Darsteller der Frankensteinmonster sind ebenfalls herauszuheben, gerade auch der kürzer in Erscheinung tretende Alex Price, der die wohl einzige wirklich positive Figur der Serie spielt.
Neben dem kunstvollen Vorspann weiß sich die erste Staffel außerdem über Highlight-Momente hervorzuheben, die oftmals durch gelungene Kameratricks realisiert werden, wenn etwa ein abgetrennter Kopf im Fokus steht und plötzlich an anderer Stelle etwas hervortritt, oder wenn ein Vampir mit einem gelungenen Kameraschwenk innerhalb von Sekunden seine Position auf unnatürliche Weise verändert. Greens gelegentliches Überziehen, das auf bizarre Weise dann doch dem Titel gerecht wird, kann man durchaus ebenfalls zu den Schauwerten zählen. Doch trotz der handwerklich starken Umsetzung wäre ein Bekenntnis zu einer Ausrichtung wünschenswert gewesen: Entweder Groschenroman oder Hochliteratur.
Weitere Sichtungen:
Cooties
Lone Survivor
The Voices
A Girl Walks Home Alone At Night
Ohne gleich Superhelden-Allüren zu bemühen, entwirft dieser thematisch ungewöhnliche, wenn nicht sogar einzigartige Film ein realistisch-spröde gefilmtes, aber doch surreales Universum, das in einer Art Übergang vom iranischen Alltag in popkulturellen Eskapismus angesiedelt ist. An den Wänden hängen Poster von Madonna und Michael Jackson, zugleich imitiert das Leben die Kunst – Jugendfilm der 50er, Noir-Western und nosferatischer Horror kreuzen ihre Wege in einer losen Abfolge von Momenten, die bewusst ereignislos und stillschweigend angelegt sind. Kleidung, Gesten, Kulissen und Requisiten erzählen die Geschichten.
Ana Lily Amirpour verweilt gerne in den Arrangements, die sie präpariert. Eine Unterhaltung in einem Zimmer oder Auto kann schon einmal eine Ewigkeit andauern, die besonders schnell verfliegt, wenn im Hintergrund stolz eine abendliche Industrieanlage thront. Spannungssequenzen verfliegen dafür schnell; so erweist sich die Dramaturgie wenigstens als gewöhnungsbedürftig.
Natürlich muss ein Film mit derartigem Inhalt (und schon Titel) vornehmlich in aufklärender Funktion verstanden werden. Die Wirkung verliert dadurch an Kraft, dass dies keineswegs eine iranische Produktion ist, sondern eine amerikanische; gedreht auf kalifornischen Ölfeldern von einer in London geborenen und in den USA aufgewachsenen Regisseurin mit iranischen Wurzeln. Jedoch macht „A Girl Walks Home Alone At Night“ über weite Strecken keinen aufdringlichen Eindruck; eine Konzentration auf Missstände im Umgang mit Frauen ist spürbar, ohne dass deswegen US-Ideale herausgekramt werden müssten.
Ob hier wirklich ein Instant Classic verborgen ist, muss die Zeit zeigen; das Potenzial ist wegen des gewagten Themas, wegen der spannenden Verknüpfung mit Themen der Phantastik und wegen des surrealen Genremixes vorhanden, selbst wenn die Angewohnheit, den Figuren scheinbar willkürlich für beliebig lange Zeit zu folgen und sich dann wieder von ihnen zu trennen, enervierend wirken kann.
Automata
Visuell gar nicht so unspannend, erweist sich „Automata“ inhaltlich aber doch als leere Zitatesammlung aus Dick, Asimov & Co., deren ungelenke Montage keinen echten SciFi-Kenner aus der Deckung holen dürfte. Die an „I, Robot“ angelehnte Prämisse um Roboter, die plötzlich gegen ihre eigenen Sicherheitsprotokolle verstoßen, trifft auf einen Erzählrahmen, der Ermittlungen als Antrieb verwendet und damit Detektiv- und Noir-Anleihen, die ihn mit „Blade Runner“ in Verbindung bringen.
Reflektiert werden diese bunt gemischten Ansätze kaum, sondern vielmehr für eine allgemein gehaltene Kritik an der Selbstzerstörung der Menschheit eingesetzt und mit eher schlecht als Recht umgesetzten Totalen einer verseuchten Metropole illustriert.
Antonio Banderas ist gemessen an den Dimensionen der Produktion genau der richtige Star am richtigen Platz, greift er aus den Niederungen seines Faches doch noch einmal nach einem Genre, das ihn auf eher ungewohntem Boden zeigt – immerhin dürfte die spanisch-bulgarische Koproduktion in seiner sehr umfangreichen Filmografie doch möglicherweise der erste echte Science-Fiction-Film sein. Unter seiner „THX 1138“ (und jüngst „Elysium“) zertifizierten Glatze beweist er Offenheit und schauspielerische Ambitionen, wenn auch keine außergewöhnliche Leistung.
Das Design und die On-Set-Umsetzung der Androiden gehört zu den Dingen, die man an diesem Werk ohne Reue genießen kann, obwohl man Originalität auch bei ihnen vergeblich sucht. Tatsächlich strömen sie in ihrer Artenvielfalt aber mehr Charakter aus als die meisten
Nebendarsteller, zu denen immerhin Melanie Griffith, Robert Forster und Dylan McDermott gehören.
Reicht für akzeptable Unterhaltung mit punktueller Action und hohem Dialoganteil, erfordert aber nicht zwingend eine Sichtung.
The Zero Theroem
Schwer zu argumentieren, dass „The Zero Theroem“ nicht mit „Brazil“ und „12 Monkeys“ eng verzahnt wäre. Wieder kleidet Terry Gilliam eine bürokratische Alptraumwelt in einen technokratischen Ameisenhaufen und bietet die Traumgebilde der Fantasie als einzigen Fluchtweg. Nachempfindbare Sorgen eines gewöhnlichen Büroangestellten werden so weit übersteigert, dass Karikaturen zum Vorschein kommen und die Waage von Komödie und Tragödie auf beiden Seiten schwer belasten.
Die Stimmung schwankt permanent zwischen agoraphoben und autophoben Tendenzen, die typisch für Gilliam mit einer grenzenlos schwankenden Kamera dargestellt werden, welche asymmetrische, unangenehm nahe Bilder erzeugt. Das Habitat der Hauptfigur ist passenderweise eine alte Kirche, die allerdings mit haufenweise elektronischem und nichtelektronischem Krempel zugestellt ist. Christoph Waltz stellt mit völlig enthaartem Köpf die allmähliche Verflüchtigung der Individualität dar, und das macht er mit einer geradezu ekstatischen Abhebung von den Rollen, zu denen er normalerweise seit „Inglourious Basterds“ verpflichtet ist.
Wie originell dieser kauzige Trip in ein schwierig zu verortendes Paralleluniversum ist, sei mal dahingestellt. Gesetzt den Fall, dass man mit Gilliams Eigenarten keine Probleme hat, ist „The Zero Theorem“ aber ein visuell prachtvolles, immer in Bewegung befindliches Wunderwerk, das zwar nicht zu seinen originellsten Beiträgen seit „Fear and Loathing in Las Vegas“ (1998) gehört. Aber mit Sicherheit bietet es seither die höchste Immersion, wenn man bedenkt, wie fabelartig und unnahbar seine Arbeiten in den 00er Jahren waren.
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The Salvation – Spur der Vergeltung
Dieser Neowestern gewinnt vornehmlich aus seinen Nuancen, die etwa in den Gesichtern der hervorragend besetzten Darsteller zu finden sind. Jeffrey Dean Morgan greift relativ spät in die Handlung ein, jedoch nicht spät genug, um seine Präsenz nicht mehr ausspielen zu können. Eva Green ruft ein völlig anderes Set an Facetten auf als in ihren bekannteren Filmen. Doch insbesondere Mads Mikkelsen ragt einmal mehr heraus. Als dänischer Einwanderer bringt er einen Hauch Exotik ins Genre, verhilft der minimalistischen Einleitung also zu einem Spannungsantrieb, und drückt der Handlung einen Stempel süßer Verbitterung auf, noch bevor der eigentliche Plot Point am Ende des ersten Akts die Verhältnisse für den weiteren Verlauf zurechtrückt. Danach dann erst recht.
Die Außenseiterperspektive, die Kristian Levring auf das Amerika des 19. Jahrhunderts wirft, ist dennoch unbestritten der immer noch geltenden Post-Unforgiven-Ära (1992) zuzuordnen. Die rudimentären Strukturen der Kleinstadt Black Creek sorgen für atmosphärische Bilder einsamer, staubiger Wege und im Auf- oder Abbau begriffener Holzbauruinen, von denen einige bereits zu Holzkohlen verkümmert sind – schade, dass diese Intimität gegen Ende mit einigen wenigen CGI-Shots von Feuer oder Ölpumpen aufgebrochen wird.
Das Thema des Films ist ein altes und kann dank Mikkelsens eindringlicher Performance immer noch packen, allerdings ist schon früh nur allzu offensichtlich, wohin die Wege führen. Ob man sich nun in tiefere Komplexität gewagt oder einen noch puristischeren Weg gesucht hätte, in jedem Fall wäre es von Vorteil gewesen, die klischeehafte Dramaturgie besser aufzulösen. Die Positionen der Darsteller sind ähnlich einfach abzulesen wie im Schach, lassen dabei aber strategische Züge vermissen, die überraschen.
Allerdings ist „The Salvation“ mit eineinhalb Stunden nicht allzu lang und lässt sich so als stilvoller Adrenalinauslöser gut aushalten.
Menschen im Hotel
Stars und Überlebensgröße wollte man sehen, als die Große Depression wütete. Der Realität eben entfliehen, ob nun in Unterhaltungsetablissements, an der Bar oder im Kino. Die größte Errungenschaft des Oscargewinners von 1932 ist fraglos seine damals ungewöhnliche Allstar-Konstellation. Greta Garbo, Joan Crawford, die Barrymore-Brüder John und Lionel und viele, viele andere in einer Produktion vereint – was musste das für ein schöner Ort gewesen sein, an dem so viele Stars zueinander fanden.
Der Romanvorlage gemäß versammeln sie sich zu einer Zeit an einem Ort und gehen vor dem Abspann wieder auseinander. Der Stoff löst sich nicht vollständig von der Realität, wie etwa „King Kong und die weiße Frau“ ein Jahr später, aber er behält sich Eskapismus in dem Sinne vor, dass er tröstlichen Einblick in eine feudale Mikrokultur gewährt, einen exklusiven Zugang, der einem gewöhnlichen Arbeiter im wahren Leben nicht vergönnt ist. Der große Auftritt ist freilich der Garbo vorbehalten, doch die dahingehend wichtigste Rolle spielt vielleicht Lionel Barrymore, dessen Rolle mit dem Hauptteil der Bevölkerung eine Herkunft teilte und somit als Identifikationsfigur taugte.
Die Handlung mäandert, flott geschnitten und von smarten Humoreinlagen durchsetzt, leise vor sich hin, um als Pointe auf nichts Besonderes hinauszulaufen, doch gerade aus dieser Tatsache lässt sich der größte Trost ziehen: Das offensichtliche Unterhaltungstheater birgt auch keinen Sinn, der über jenen der Wirklichkeit hinausgeht, sondern allenfalls ein Vorbild dafür, das eigene Schicksal locker zu nehmen.
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Ride Along
„Ride Along“ ist eine dieser völlig einfallslosen Buddy-Comedies im Polizeimilieu, für die man den Machern nun wirklich keinen Dank schuldet, verlassen sie sich doch mehr oder weniger blind darauf, dass die Chemie irgendwie stimmt. Was hier immerhin so weit der Fall ist, dass die Plakate zur Fortsetzung bereits in den Kinos aushängen.
Tim Story, eine Art Spike Lee für die seichte Massenunterhaltung, hat mit jeder Art von afroamerikanischem Schauspieler irgendwie schon zu tun gehabt, eben auch mit Ice Cube („Barbershop“) und Kevin Hart („Denk wie ein Mann“). Die beiden zusammenzupacken ist wie eine Flamme an einen Eiswürfel zu halten. Chemisch ist das Ergebnis einfach auszurechnen. Harts Hartnäckigkeit passt eben im Sinne der Buddy-Etikette gut zu Cubes Reserviertheit und sorgt auf dem Papier für Reibungen, die einen konfliktreichen Mittelteil ebenso zuverlässig versprechen wie die Offenlegung eines weichen Kerns am Ende.
Als Bindeglied wird dann eben die Schwester des Grummeligen ins Spiel gebracht, die mit dem Aufstrebenden liiert ist. Der wiederum ist außerdem ein passionierter Computerspieler, versucht aber auch in der Realität Fuß zu fassen und den Partner wider Willen dadurch zu beeindrucken, dass er eine Karriere als Polizist anstrebt – das Newbie-Element ist also auch vorhanden und führt zu einer Reihe von „Training Day“-Verweisen, vermutlich um sich aus dem Verdacht zu befreien, ein Comedy-Remake desselben zu sein.
Also noch ein paar Verbrechervisagen (egal, auf welcher Seite sie stehen) wie John Leguizamo, Bruce McGill und Laurence Fishburne ins Spiel gebracht, einen Dicke-Autos-Fetisch à la „Bad Boys“ und die Nummer läuft. Kommt man halbwegs mit der Angepisstheit des einen und der Chris-Tucker-Attitüde des anderen zurecht, kann man „Ride Along“ tatsächlich zu den brauchbaren Vertretern seiner Art zählen.
Hot Tub Time Machine 2
Zugegeben, “Hot Tub Time Machine” hat ja irgendwo einen Nerv getroffen. Nur lag das vor allem an den 80er-Jahre-Bezügen, weniger daran, wie sympathisch die Herrschaften aus dem Whirlpool wirkten und wie sehr man sie begleiten wollte.
John Cusack ist in der Fortsetzung nicht mehr dabei, oder nur noch in Form einer Fotografie. Bei der Qualität des Drehbuchs ist es aber beachtlich, dass nicht noch viel mehr Darsteller geflüchtet sind. Nicht nur wurde die schöne Reise in die Vergangenheit gegen eine lieblose Zukunftsdarstellung eingetauscht, auch der Humor wurde gleich mal mehrere Etagen tiefer gelegt: Ein paar weggeschossene Eier liefern letztlich den Grund für die Reaktivierung der unorthodoxen Zeitmaschine, und ab diesem Zeitpunkt kommen die Männer vom Thema Sex gar nicht mehr ab, was sich bis zu einer (virtuellen) analen Beglückung im Reality-TV steigert.
Schon weit am Anfang werden pflichtschuldig die Reminiszenzen an „Zurück in die Zukunft“, Terminator“, aus den jüngeren Büchern auch „Looper“ oder „Fringe“ in einem Redeschwall abgefeuert – dann ist Zeit für Nonsens. Der Rest ist vollgestopft mit Party und nutzlosen Zukunftsgadgets. Klar trifft auch mal ein Gag ins Ziel, bei der Feuerrate wäre es allerdings auch erbärmlich, wenn dem nicht so wäre. Und das vermeintlich paradoxe Spiel mit verschiedenen Zeitebenen und Paralleluniversen löst sich letztlich auf dem Niveau gängiger Sandler-Komödien auf. Hätte doch nur er einen Cameo gefeiert anstatt schon wieder der arme Chevy Chase, das wäre würdevoller gewesen…
Nicht, dass sich der zweite Whirlpoolfreigang nicht wenigstens für eine primitive Besoffski-Zeremonie eignen würde, das gute Feeling des ersten Teils kloppt er aber mutwillig in die Tonne.
Open Grave
Fast jeder Film, dessen Plot aus Schichten sich entblätternder Geheimnisse besteht, beginnt mit einem Zoom Out aus den Augen des Protagonisten. „Open Grave“ hat an der Geheimniskrämerei besondere Freude und schickt Hauptdarsteller Sharlto Copley, anfangs noch alleine, in ein Verwirrspiel, dessen Indizien auf skurrile Experimente mit vielen Toten hindeuten, zumal die Schauplätze durchweg abgelegen erscheinen – überall nur Wälder und Berge. Recht schnell greift das Drehbuch zur Petrischale sozialen Experimentierens. Typen werden eingeführt, solche wie Thomas Kretschmann eben; aufbrausend, misstrauisch. Dann andere wie Josie Ho, die über verborgenes Wissen zu verfügen scheint, durch ihre Stummheit allerdings an der Kommunikation gehindert ist.
Ein besonderes Augenmerk liegt darauf, welcher der Charaktere gut gesonnen ist und welcher nicht, was besonders im Fall von Copleys Figur relevant ist, wird er doch von der ersten Einstellung an als Schlüssel zur Auflösung gekennzeichnet. Ein gewisses Interesse erzeugt das Konstrukt dadurch, dass die zombie-ähnliche Bedrohung in den abgeschiedenen Sets schwer einzuordnen ist. Man will schon irgendwie wissen, woher dieses absonderliche, teils schon fast okkult anmutende Verhalten der Angreifer stammt und wie die Überlebenden mit ihnen im Zusammenhang stehen. Sonderlich klug wird der schwelende Aufbau in der zweiten Hälfte allerdings nicht aufgelöst. Dramaturgisch zeigt der spanische Regisseur einige Unzulänglichkeiten, mit denen die Spannung gemindert wird. Da auch die Sets nicht viel mehr hergeben als ein herkömmlicher Low-Budget-Horrorfilm (auch wenn sie besser inszeniert sein mögen), bleibt „Open Grave“ als mediokres Genrewerk mit interessanter Prämisse und verschenktem Potenzial in Erinnerung.
Into The Badlands – Season 1
Nachdem “The Walking Dead” so erfolgreich war, versucht man sich bei AMC an einer weiteren Dystopie und bemüht dazu chinesische Mythologie gepaart mit westlicher Motivik, um die ersten sechs Stufen auf dem Weg zu einem Endzeitepos zu nehmen. Doch bis hierhin ist das Ergebnis noch eine mehr als krude Angelegenheit, die gemischte Gefühle hinterlässt.
Was nicht für die Martial-Arts-Sequenzen gilt, denen in der Produktion offenbar die höchste Aufmerksamkeit zuteil wurde. „Into The Badlands“ zeigt eine Welt mit verkrampften Regeln, die man sich im Ambiente rund um abgesteckte Grenzen eigentlich nur schwer vorstellen kann – sieben Regimente, keine Schusswaffen, dafür aber Motorräder, coole Mäntel, Schlagwaffen und vor allem hohe Kampfkunst. Ein bis zwei größer angelegte Actionszenen bietet jede der sechs Folgen der ersten Staffel – Momente, die man während der Dialogsequenzen, die der Klasse der „Game Of Thrones“-Intrigen nacheifern und sie niemals erreichen, regelrecht herbeisehnt. Was das Team hier in verschiedenen Kulissen bietet, lässt viele thematisch ähnliche Filmproduktionen alt aussehen und hält allerhöchstes Niveau in jeder Hinsicht. Choreografie, Schnitt und Kamera ergeben ein fließendes Ganzes mit ausdefinierter Variabilität. Auf diesem Niveau ist das im Bereich TV-Serien sicherlich ein Novum, zumal die Kämpfe auch im Ausgang keine Gnade kennen und konsequent die roten Säfte fließen lassen.
Der Rest ist da schon von spröderer Struktur. Waldgebiete, Ödland, Mohnfelder, Forts und Burgruinen dominieren die Landschaft und werden inkonsistent mal in strahlenden Farben, mal ausgeblasst dargestellt. Indem etwa auch gezeigt wird, wie Mohnkapseln geschnitten werden, indem man also ganz nah an die Beschaffenheit dieser Zukunftsvision geführt wird, fühlt sie sich zwar einerseits realistischer an. Andererseits ist sie in vielerlei Hinsicht zu unglaubwürdig oder schlichtweg uninteressant.
Dass die Darsteller einander dennoch mit bedeutungsschwangerer Mimik begegnen, während sie ihre persönlichen Führungs- oder Lebensstile verkörpern, macht die Serie in gewisser Hinsicht sogar zum Trash. Marton Csokas kann man nun nicht vorwerfen, dass er als rätselhafter Baron keinen Eindruck hinterließe, und doch können weder er noch sein gewöhnungsbedürftiger Zottelbart etwas gegen die nur mäßig spannenden Konflikte unternehmen, denen sie ausgesetzt sind. Was zudem anfangs eine weitestgehend frauenlose Serie zu werden scheint, holen sich durchweg starke Frauencharaktere später mit aller Gewalt zurück – einerseits eine schöne Entwicklung, die andererseits in ihrer Durchgängigkeit aber auch wieder steril und uninteressant erscheint. Hauptdarsteller Daniel Wu hingegen könnte sich hiermit in den USA endlich mal einen Namen machen. Seine meditative Ausstrahlung ist jedenfalls der notwendige Ruhepol in dieser von Misstrauen und Vorsicht begleiteten Kreuzung von Menschenwegen, wobei es sicherlich auch interessant gewesen wäre, welchen Weg die Handlung angenommen hätte, wäre die Hauptrolle mit einem totalen Maniac besetzt worden.
In der zweiten Staffel kann „Into The Badlands“ nun viele Formen annehmen. Der ersten Staffel jedenfalls möchte man nicht absprechen, dass sie Voraussetzungen für eine positive Entwicklung schafft, für sich genommen bietet sie aber nur eine halbgare Zukunftsvision mit allerdings hochklassigen Martial Arts.
Weitere Sichtungen:
It Follows
Creed
Ohne gleich Superhelden-Allüren zu bemühen, entwirft dieser thematisch ungewöhnliche, wenn nicht sogar einzigartige Film ein realistisch-spröde gefilmtes, aber doch surreales Universum, das in einer Art Übergang vom iranischen Alltag in popkulturellen Eskapismus angesiedelt ist. An den Wänden hängen Poster von Madonna und Michael Jackson, zugleich imitiert das Leben die Kunst – Jugendfilm der 50er, Noir-Western und nosferatischer Horror kreuzen ihre Wege in einer losen Abfolge von Momenten, die bewusst ereignislos und stillschweigend angelegt sind. Kleidung, Gesten, Kulissen und Requisiten erzählen die Geschichten.
Ana Lily Amirpour verweilt gerne in den Arrangements, die sie präpariert. Eine Unterhaltung in einem Zimmer oder Auto kann schon einmal eine Ewigkeit andauern, die besonders schnell verfliegt, wenn im Hintergrund stolz eine abendliche Industrieanlage thront. Spannungssequenzen verfliegen dafür schnell; so erweist sich die Dramaturgie wenigstens als gewöhnungsbedürftig.
Natürlich muss ein Film mit derartigem Inhalt (und schon Titel) vornehmlich in aufklärender Funktion verstanden werden. Die Wirkung verliert dadurch an Kraft, dass dies keineswegs eine iranische Produktion ist, sondern eine amerikanische; gedreht auf kalifornischen Ölfeldern von einer in London geborenen und in den USA aufgewachsenen Regisseurin mit iranischen Wurzeln. Jedoch macht „A Girl Walks Home Alone At Night“ über weite Strecken keinen aufdringlichen Eindruck; eine Konzentration auf Missstände im Umgang mit Frauen ist spürbar, ohne dass deswegen US-Ideale herausgekramt werden müssten.
Ob hier wirklich ein Instant Classic verborgen ist, muss die Zeit zeigen; das Potenzial ist wegen des gewagten Themas, wegen der spannenden Verknüpfung mit Themen der Phantastik und wegen des surrealen Genremixes vorhanden, selbst wenn die Angewohnheit, den Figuren scheinbar willkürlich für beliebig lange Zeit zu folgen und sich dann wieder von ihnen zu trennen, enervierend wirken kann.
Automata
Visuell gar nicht so unspannend, erweist sich „Automata“ inhaltlich aber doch als leere Zitatesammlung aus Dick, Asimov & Co., deren ungelenke Montage keinen echten SciFi-Kenner aus der Deckung holen dürfte. Die an „I, Robot“ angelehnte Prämisse um Roboter, die plötzlich gegen ihre eigenen Sicherheitsprotokolle verstoßen, trifft auf einen Erzählrahmen, der Ermittlungen als Antrieb verwendet und damit Detektiv- und Noir-Anleihen, die ihn mit „Blade Runner“ in Verbindung bringen.
Reflektiert werden diese bunt gemischten Ansätze kaum, sondern vielmehr für eine allgemein gehaltene Kritik an der Selbstzerstörung der Menschheit eingesetzt und mit eher schlecht als Recht umgesetzten Totalen einer verseuchten Metropole illustriert.
Antonio Banderas ist gemessen an den Dimensionen der Produktion genau der richtige Star am richtigen Platz, greift er aus den Niederungen seines Faches doch noch einmal nach einem Genre, das ihn auf eher ungewohntem Boden zeigt – immerhin dürfte die spanisch-bulgarische Koproduktion in seiner sehr umfangreichen Filmografie doch möglicherweise der erste echte Science-Fiction-Film sein. Unter seiner „THX 1138“ (und jüngst „Elysium“) zertifizierten Glatze beweist er Offenheit und schauspielerische Ambitionen, wenn auch keine außergewöhnliche Leistung.
Das Design und die On-Set-Umsetzung der Androiden gehört zu den Dingen, die man an diesem Werk ohne Reue genießen kann, obwohl man Originalität auch bei ihnen vergeblich sucht. Tatsächlich strömen sie in ihrer Artenvielfalt aber mehr Charakter aus als die meisten
Nebendarsteller, zu denen immerhin Melanie Griffith, Robert Forster und Dylan McDermott gehören.
Reicht für akzeptable Unterhaltung mit punktueller Action und hohem Dialoganteil, erfordert aber nicht zwingend eine Sichtung.
The Zero Theroem
Schwer zu argumentieren, dass „The Zero Theroem“ nicht mit „Brazil“ und „12 Monkeys“ eng verzahnt wäre. Wieder kleidet Terry Gilliam eine bürokratische Alptraumwelt in einen technokratischen Ameisenhaufen und bietet die Traumgebilde der Fantasie als einzigen Fluchtweg. Nachempfindbare Sorgen eines gewöhnlichen Büroangestellten werden so weit übersteigert, dass Karikaturen zum Vorschein kommen und die Waage von Komödie und Tragödie auf beiden Seiten schwer belasten.
Die Stimmung schwankt permanent zwischen agoraphoben und autophoben Tendenzen, die typisch für Gilliam mit einer grenzenlos schwankenden Kamera dargestellt werden, welche asymmetrische, unangenehm nahe Bilder erzeugt. Das Habitat der Hauptfigur ist passenderweise eine alte Kirche, die allerdings mit haufenweise elektronischem und nichtelektronischem Krempel zugestellt ist. Christoph Waltz stellt mit völlig enthaartem Köpf die allmähliche Verflüchtigung der Individualität dar, und das macht er mit einer geradezu ekstatischen Abhebung von den Rollen, zu denen er normalerweise seit „Inglourious Basterds“ verpflichtet ist.
Wie originell dieser kauzige Trip in ein schwierig zu verortendes Paralleluniversum ist, sei mal dahingestellt. Gesetzt den Fall, dass man mit Gilliams Eigenarten keine Probleme hat, ist „The Zero Theorem“ aber ein visuell prachtvolles, immer in Bewegung befindliches Wunderwerk, das zwar nicht zu seinen originellsten Beiträgen seit „Fear and Loathing in Las Vegas“ (1998) gehört. Aber mit Sicherheit bietet es seither die höchste Immersion, wenn man bedenkt, wie fabelartig und unnahbar seine Arbeiten in den 00er Jahren waren.
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The Salvation – Spur der Vergeltung
Dieser Neowestern gewinnt vornehmlich aus seinen Nuancen, die etwa in den Gesichtern der hervorragend besetzten Darsteller zu finden sind. Jeffrey Dean Morgan greift relativ spät in die Handlung ein, jedoch nicht spät genug, um seine Präsenz nicht mehr ausspielen zu können. Eva Green ruft ein völlig anderes Set an Facetten auf als in ihren bekannteren Filmen. Doch insbesondere Mads Mikkelsen ragt einmal mehr heraus. Als dänischer Einwanderer bringt er einen Hauch Exotik ins Genre, verhilft der minimalistischen Einleitung also zu einem Spannungsantrieb, und drückt der Handlung einen Stempel süßer Verbitterung auf, noch bevor der eigentliche Plot Point am Ende des ersten Akts die Verhältnisse für den weiteren Verlauf zurechtrückt. Danach dann erst recht.
Die Außenseiterperspektive, die Kristian Levring auf das Amerika des 19. Jahrhunderts wirft, ist dennoch unbestritten der immer noch geltenden Post-Unforgiven-Ära (1992) zuzuordnen. Die rudimentären Strukturen der Kleinstadt Black Creek sorgen für atmosphärische Bilder einsamer, staubiger Wege und im Auf- oder Abbau begriffener Holzbauruinen, von denen einige bereits zu Holzkohlen verkümmert sind – schade, dass diese Intimität gegen Ende mit einigen wenigen CGI-Shots von Feuer oder Ölpumpen aufgebrochen wird.
Das Thema des Films ist ein altes und kann dank Mikkelsens eindringlicher Performance immer noch packen, allerdings ist schon früh nur allzu offensichtlich, wohin die Wege führen. Ob man sich nun in tiefere Komplexität gewagt oder einen noch puristischeren Weg gesucht hätte, in jedem Fall wäre es von Vorteil gewesen, die klischeehafte Dramaturgie besser aufzulösen. Die Positionen der Darsteller sind ähnlich einfach abzulesen wie im Schach, lassen dabei aber strategische Züge vermissen, die überraschen.
Allerdings ist „The Salvation“ mit eineinhalb Stunden nicht allzu lang und lässt sich so als stilvoller Adrenalinauslöser gut aushalten.
Menschen im Hotel
Stars und Überlebensgröße wollte man sehen, als die Große Depression wütete. Der Realität eben entfliehen, ob nun in Unterhaltungsetablissements, an der Bar oder im Kino. Die größte Errungenschaft des Oscargewinners von 1932 ist fraglos seine damals ungewöhnliche Allstar-Konstellation. Greta Garbo, Joan Crawford, die Barrymore-Brüder John und Lionel und viele, viele andere in einer Produktion vereint – was musste das für ein schöner Ort gewesen sein, an dem so viele Stars zueinander fanden.
Der Romanvorlage gemäß versammeln sie sich zu einer Zeit an einem Ort und gehen vor dem Abspann wieder auseinander. Der Stoff löst sich nicht vollständig von der Realität, wie etwa „King Kong und die weiße Frau“ ein Jahr später, aber er behält sich Eskapismus in dem Sinne vor, dass er tröstlichen Einblick in eine feudale Mikrokultur gewährt, einen exklusiven Zugang, der einem gewöhnlichen Arbeiter im wahren Leben nicht vergönnt ist. Der große Auftritt ist freilich der Garbo vorbehalten, doch die dahingehend wichtigste Rolle spielt vielleicht Lionel Barrymore, dessen Rolle mit dem Hauptteil der Bevölkerung eine Herkunft teilte und somit als Identifikationsfigur taugte.
Die Handlung mäandert, flott geschnitten und von smarten Humoreinlagen durchsetzt, leise vor sich hin, um als Pointe auf nichts Besonderes hinauszulaufen, doch gerade aus dieser Tatsache lässt sich der größte Trost ziehen: Das offensichtliche Unterhaltungstheater birgt auch keinen Sinn, der über jenen der Wirklichkeit hinausgeht, sondern allenfalls ein Vorbild dafür, das eigene Schicksal locker zu nehmen.
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Ride Along
„Ride Along“ ist eine dieser völlig einfallslosen Buddy-Comedies im Polizeimilieu, für die man den Machern nun wirklich keinen Dank schuldet, verlassen sie sich doch mehr oder weniger blind darauf, dass die Chemie irgendwie stimmt. Was hier immerhin so weit der Fall ist, dass die Plakate zur Fortsetzung bereits in den Kinos aushängen.
Tim Story, eine Art Spike Lee für die seichte Massenunterhaltung, hat mit jeder Art von afroamerikanischem Schauspieler irgendwie schon zu tun gehabt, eben auch mit Ice Cube („Barbershop“) und Kevin Hart („Denk wie ein Mann“). Die beiden zusammenzupacken ist wie eine Flamme an einen Eiswürfel zu halten. Chemisch ist das Ergebnis einfach auszurechnen. Harts Hartnäckigkeit passt eben im Sinne der Buddy-Etikette gut zu Cubes Reserviertheit und sorgt auf dem Papier für Reibungen, die einen konfliktreichen Mittelteil ebenso zuverlässig versprechen wie die Offenlegung eines weichen Kerns am Ende.
Als Bindeglied wird dann eben die Schwester des Grummeligen ins Spiel gebracht, die mit dem Aufstrebenden liiert ist. Der wiederum ist außerdem ein passionierter Computerspieler, versucht aber auch in der Realität Fuß zu fassen und den Partner wider Willen dadurch zu beeindrucken, dass er eine Karriere als Polizist anstrebt – das Newbie-Element ist also auch vorhanden und führt zu einer Reihe von „Training Day“-Verweisen, vermutlich um sich aus dem Verdacht zu befreien, ein Comedy-Remake desselben zu sein.
Also noch ein paar Verbrechervisagen (egal, auf welcher Seite sie stehen) wie John Leguizamo, Bruce McGill und Laurence Fishburne ins Spiel gebracht, einen Dicke-Autos-Fetisch à la „Bad Boys“ und die Nummer läuft. Kommt man halbwegs mit der Angepisstheit des einen und der Chris-Tucker-Attitüde des anderen zurecht, kann man „Ride Along“ tatsächlich zu den brauchbaren Vertretern seiner Art zählen.
Hot Tub Time Machine 2
Zugegeben, “Hot Tub Time Machine” hat ja irgendwo einen Nerv getroffen. Nur lag das vor allem an den 80er-Jahre-Bezügen, weniger daran, wie sympathisch die Herrschaften aus dem Whirlpool wirkten und wie sehr man sie begleiten wollte.
John Cusack ist in der Fortsetzung nicht mehr dabei, oder nur noch in Form einer Fotografie. Bei der Qualität des Drehbuchs ist es aber beachtlich, dass nicht noch viel mehr Darsteller geflüchtet sind. Nicht nur wurde die schöne Reise in die Vergangenheit gegen eine lieblose Zukunftsdarstellung eingetauscht, auch der Humor wurde gleich mal mehrere Etagen tiefer gelegt: Ein paar weggeschossene Eier liefern letztlich den Grund für die Reaktivierung der unorthodoxen Zeitmaschine, und ab diesem Zeitpunkt kommen die Männer vom Thema Sex gar nicht mehr ab, was sich bis zu einer (virtuellen) analen Beglückung im Reality-TV steigert.
Schon weit am Anfang werden pflichtschuldig die Reminiszenzen an „Zurück in die Zukunft“, Terminator“, aus den jüngeren Büchern auch „Looper“ oder „Fringe“ in einem Redeschwall abgefeuert – dann ist Zeit für Nonsens. Der Rest ist vollgestopft mit Party und nutzlosen Zukunftsgadgets. Klar trifft auch mal ein Gag ins Ziel, bei der Feuerrate wäre es allerdings auch erbärmlich, wenn dem nicht so wäre. Und das vermeintlich paradoxe Spiel mit verschiedenen Zeitebenen und Paralleluniversen löst sich letztlich auf dem Niveau gängiger Sandler-Komödien auf. Hätte doch nur er einen Cameo gefeiert anstatt schon wieder der arme Chevy Chase, das wäre würdevoller gewesen…
Nicht, dass sich der zweite Whirlpoolfreigang nicht wenigstens für eine primitive Besoffski-Zeremonie eignen würde, das gute Feeling des ersten Teils kloppt er aber mutwillig in die Tonne.
Open Grave
Fast jeder Film, dessen Plot aus Schichten sich entblätternder Geheimnisse besteht, beginnt mit einem Zoom Out aus den Augen des Protagonisten. „Open Grave“ hat an der Geheimniskrämerei besondere Freude und schickt Hauptdarsteller Sharlto Copley, anfangs noch alleine, in ein Verwirrspiel, dessen Indizien auf skurrile Experimente mit vielen Toten hindeuten, zumal die Schauplätze durchweg abgelegen erscheinen – überall nur Wälder und Berge. Recht schnell greift das Drehbuch zur Petrischale sozialen Experimentierens. Typen werden eingeführt, solche wie Thomas Kretschmann eben; aufbrausend, misstrauisch. Dann andere wie Josie Ho, die über verborgenes Wissen zu verfügen scheint, durch ihre Stummheit allerdings an der Kommunikation gehindert ist.
Ein besonderes Augenmerk liegt darauf, welcher der Charaktere gut gesonnen ist und welcher nicht, was besonders im Fall von Copleys Figur relevant ist, wird er doch von der ersten Einstellung an als Schlüssel zur Auflösung gekennzeichnet. Ein gewisses Interesse erzeugt das Konstrukt dadurch, dass die zombie-ähnliche Bedrohung in den abgeschiedenen Sets schwer einzuordnen ist. Man will schon irgendwie wissen, woher dieses absonderliche, teils schon fast okkult anmutende Verhalten der Angreifer stammt und wie die Überlebenden mit ihnen im Zusammenhang stehen. Sonderlich klug wird der schwelende Aufbau in der zweiten Hälfte allerdings nicht aufgelöst. Dramaturgisch zeigt der spanische Regisseur einige Unzulänglichkeiten, mit denen die Spannung gemindert wird. Da auch die Sets nicht viel mehr hergeben als ein herkömmlicher Low-Budget-Horrorfilm (auch wenn sie besser inszeniert sein mögen), bleibt „Open Grave“ als mediokres Genrewerk mit interessanter Prämisse und verschenktem Potenzial in Erinnerung.
Into The Badlands – Season 1
Nachdem “The Walking Dead” so erfolgreich war, versucht man sich bei AMC an einer weiteren Dystopie und bemüht dazu chinesische Mythologie gepaart mit westlicher Motivik, um die ersten sechs Stufen auf dem Weg zu einem Endzeitepos zu nehmen. Doch bis hierhin ist das Ergebnis noch eine mehr als krude Angelegenheit, die gemischte Gefühle hinterlässt.
Was nicht für die Martial-Arts-Sequenzen gilt, denen in der Produktion offenbar die höchste Aufmerksamkeit zuteil wurde. „Into The Badlands“ zeigt eine Welt mit verkrampften Regeln, die man sich im Ambiente rund um abgesteckte Grenzen eigentlich nur schwer vorstellen kann – sieben Regimente, keine Schusswaffen, dafür aber Motorräder, coole Mäntel, Schlagwaffen und vor allem hohe Kampfkunst. Ein bis zwei größer angelegte Actionszenen bietet jede der sechs Folgen der ersten Staffel – Momente, die man während der Dialogsequenzen, die der Klasse der „Game Of Thrones“-Intrigen nacheifern und sie niemals erreichen, regelrecht herbeisehnt. Was das Team hier in verschiedenen Kulissen bietet, lässt viele thematisch ähnliche Filmproduktionen alt aussehen und hält allerhöchstes Niveau in jeder Hinsicht. Choreografie, Schnitt und Kamera ergeben ein fließendes Ganzes mit ausdefinierter Variabilität. Auf diesem Niveau ist das im Bereich TV-Serien sicherlich ein Novum, zumal die Kämpfe auch im Ausgang keine Gnade kennen und konsequent die roten Säfte fließen lassen.
Der Rest ist da schon von spröderer Struktur. Waldgebiete, Ödland, Mohnfelder, Forts und Burgruinen dominieren die Landschaft und werden inkonsistent mal in strahlenden Farben, mal ausgeblasst dargestellt. Indem etwa auch gezeigt wird, wie Mohnkapseln geschnitten werden, indem man also ganz nah an die Beschaffenheit dieser Zukunftsvision geführt wird, fühlt sie sich zwar einerseits realistischer an. Andererseits ist sie in vielerlei Hinsicht zu unglaubwürdig oder schlichtweg uninteressant.
Dass die Darsteller einander dennoch mit bedeutungsschwangerer Mimik begegnen, während sie ihre persönlichen Führungs- oder Lebensstile verkörpern, macht die Serie in gewisser Hinsicht sogar zum Trash. Marton Csokas kann man nun nicht vorwerfen, dass er als rätselhafter Baron keinen Eindruck hinterließe, und doch können weder er noch sein gewöhnungsbedürftiger Zottelbart etwas gegen die nur mäßig spannenden Konflikte unternehmen, denen sie ausgesetzt sind. Was zudem anfangs eine weitestgehend frauenlose Serie zu werden scheint, holen sich durchweg starke Frauencharaktere später mit aller Gewalt zurück – einerseits eine schöne Entwicklung, die andererseits in ihrer Durchgängigkeit aber auch wieder steril und uninteressant erscheint. Hauptdarsteller Daniel Wu hingegen könnte sich hiermit in den USA endlich mal einen Namen machen. Seine meditative Ausstrahlung ist jedenfalls der notwendige Ruhepol in dieser von Misstrauen und Vorsicht begleiteten Kreuzung von Menschenwegen, wobei es sicherlich auch interessant gewesen wäre, welchen Weg die Handlung angenommen hätte, wäre die Hauptrolle mit einem totalen Maniac besetzt worden.
In der zweiten Staffel kann „Into The Badlands“ nun viele Formen annehmen. Der ersten Staffel jedenfalls möchte man nicht absprechen, dass sie Voraussetzungen für eine positive Entwicklung schafft, für sich genommen bietet sie aber nur eine halbgare Zukunftsvision mit allerdings hochklassigen Martial Arts.
Weitere Sichtungen:
It Follows
Creed
Wenn ich mich recht entsinne, haben wir "Ride Along" und "Open Grave" auch im Board.
Jimmy Dix: "Du glaubst wohl nicht an die Liebe?" - Joe Hallenbeck: "Doch ich glaube an die Liebe. Ich glaube auch an Krebs." [Last Boy Scout]
Perry Van Shrike: "Look up 'idiot' in the dictionary. You know what you'll find?" - Harry Lockhart: "A picture of me?" - Perry Van Shrike: "No! The definition of the word idiot, cause that is what you fucking are!" [Kiss Kiss, Bang Bang]
Perry Van Shrike: "Look up 'idiot' in the dictionary. You know what you'll find?" - Harry Lockhart: "A picture of me?" - Perry Van Shrike: "No! The definition of the word idiot, cause that is what you fucking are!" [Kiss Kiss, Bang Bang]
Jau, hier http://www.liquid-love.de/forum/viewtopic.php?t=15586 und http://www.liquid-love.de/forum/viewtopic.php?t=15521
In diesem Sinne:
freeman, Helfersyndrom habend
In diesem Sinne:
freeman, Helfersyndrom habend
Danke@McClane und freeman, hab ich nachgetragen.
Freebirds
Ein junger Truthahn, der als Stromgegenschwimmer geboren wurde und sich gegen die Konventionen und damit all seine Artgenossen auflehnt, die fröhlich gurrend ihrem Thanksgiving-Schicksal entgegen treiben… klingt für einen Animationsfilm nach einem Selbstläufer, oder? Das scheint sich in den recht peppigen ersten Minuten sogar zu bewahrheiten, wenn dämliche Puter sich auch noch artig bedanken, auserwählt worden zu sein; noch dazu macht sich die mäßige Animationsqualität noch nicht negativ bemerkbar, weil es eben so sein soll, dass alle Vögel – abgesehen vom Protagonisten – praktisch gleich aussehen. Eine dumme, braunrote Masse. Dann gesellt sich noch ein putziges Menschenmädel dazu, das alle Niedlichkeitsregister bis hin zum „Puss In Boots“-erprobten Superpupillentrick zieht… alles in Butter soweit.
Doch sobald die Zeitmaschine angeworfen wird, um das erste Thanksgiving der Geschichte neu zu schreiben, ist der Ofen aus. Das sterile Futurismusdesign der Reisekapsel erlaubt schon keinerlei Fantasie, doch was sich dann im frühen 17. Jahrhundert abspielt, ist so uninteressant, dass man letztlich doch wieder gerne rückwärts in die Zeit gesprungen wäre. Von der Zeit selbst bekommt man wegen des animalischen Mikrokosmos kaum mehr mit als ein paar Herbstbäume. Die neu auf den Plan tretenden Truthähne, die diesmal durchaus Individuen darstellen sollen, bestehen aus farblosen Rollenstereotypen.
Actionszenen und Dialoggefechte verstreichen ohne jeden Biss, und zunehmend gewinnt man den Eindruck, sich in einen reinen Kinderfilm verirrt zu haben. Zeitreiseparadoxien können zum Ende hin dann auch nichts mehr retten. Ein verzichtbares historisches Abenteuer, immerhin mit dem pädagogischen Wert, die ganz Kleinen für den Fleischkonsum zu sensibilisieren.
The Art Of Flight
Da weiß man wieder, weshalb einige Kulturen mehr Wortstämme für den Schnee haben als andere. „The Art Of Flight“ mag eine Werbedokumentation sein, für Red Bull noch mehr als für den Sport, die wenigen Interviews und Wortfetzen mögen aus inhaltslosen, pauschalen Floskeln bestehen… als besonders kritischen Punkt darf man sogar anmerken, dass es von wenig Respekt gegenüber der Natur zeugt, wenn die Snowboarder wie Affen durch das bis dato unberührte Gelände pöbeln, auf Dosen und selbst Gasflaschen schießen, Bäume en air kicken und jeden Weg zur Spitze auf motiorisiertem Wege beschreiten, immer begleitet von einem Heli in blau-rot-gelber Werbetracht. Kurz, es ist eine ziemlich dumme und primitive Angelegenheit.
Aber was für eine. Ästheten schnalzen dank nie zuvor gesehener Bilder mit der Zunge. Es ist schon richtig, mit den Tricks alleine fängt man allenfalls die Anhänger dieser Nummer aus der Kategorie Special Interest. Drum investiert Curt Morgan eine ganze Menge in das Zusammenspiel von Bild und Ton, damit auch die Masse an den Haken geht. Wer mal die Videospielserie „SSX“ gespielt hat, weiß in etwa, was auf ihn zukommt. Pures Snowboarding? Nö, vor allem die Präsentation muss stimmen. Während der Credits werden subtil Diagonalen zwischen den Schneeflocken gezogen – mathematische Berechnung, Physik, Schnee bis ins Detail leben und sein, mit diesem Versprechen eröffnet der 80-Minüter und liefert prompt die ersten Bilder in superkontrastreicher High Definition. Dazu ein epischer Soundtrack aus Post Rock, Chill Out, Elektro, eben aus allem, was da oben in der Luft fernab jeglicher Zivilisation am besten funktioniert. Nervige Geräusche aus der Realität, Handyklingeln, Papierrascheln, Tastenklicken, all das wird vollkommen runtergeregelt. Nur noch du und der weiße Berg.
Das Resultat ist Instant-Fernweh. Alaska, Kanada, Chile und ein paar besonders bergige und bevölkerungsarme Plätzchen in den USA zeigen ihre allerbeste Seite. Die Tricks sind cool, aber was wirklich flasht, sind diese Symmetrien, mit der die Berge marmoriert sind, mit der Schneedecken abfallen oder Gestöber aufgewirbelt werden. Wie der Helikopter vertikal in der Luft steht und mit der dahinter stehenden Wintersonne ein Panorama ergibt. Diese absolute Durchdringbarkeit, mit der die Hochgeschwindigkeitskameras in Ultrazeitlupe jeden Schnee- und Wasserpartikel fokussieren.
Es gibt eben Filme, die dürfen auch einfach mal nur schön sein. Sich zum nebenbei Bügeln eignen, ohne jede negative Assoziation. „The Art Of Flight“ gehört dazu.
Sherlock Holmes – Das Spinnennest
Na jetzt geht’s aber los! Wer dachte, dass Universal dauerhaft Gefallen finden würde an der durchaus geglückten Rückkehr in die viktorianischen Kulissen von „Gespenster im Schloss“, der wurde im Jahr darauf bereits eines Besseren belehrt. „Das Spinnennest“ ist vollkommen zeitloses Genremischwerk – ein Novum für die Reihe, die bislang nur alte Schlösser oder moderne Zeitbezüge kannte.
Und noch dazu ist Roy William Neills nunmehr vierte Holmes-Regiearbeit in ihrer wilden Mischung überaus wohlgelungen. All die Elemente, denen in vergangenen Beiträgen der Serie manchmal keine richtige Verknüpfung mit dem Herzen der Handlung vergönnt war, werden plötzlich funktionstüchtig; so darf sich Watson endlich zu seinem wahren Wesen bekennen, indem er Auslöser einer formidablen Slapsticksequenz wird, und Holmes’ selbst wird vom zugrunde gelegten Fall auch wirklich mal zu seinen Schlussfolgerungen gedrängt. Ja, selbst der Titel ist nicht einfach nur symbolisch zu verstehen, nein, vielmehr wird eine der berühmtesten Sequenzen der James-Bond-Reihe um eine Spinne als hinterhältiges Mordinstrument bereits vorweggenommen. Darüber hinaus bringt Gale Sondergaard frischen Wind in die von ewigen Auftritten des Erzfeindes verwebten Gegnerreihen.
So hat es Spannung bis zum Thrill, Humor bis zum Schenkelklopfer und… ja, einen runden, zufrieden stellenden Abschluss nach einer verrückten Irrfahrt durch falsche Fährten und Wendemanöver binnen einer Stunde, die nach allen Regeln der Kunst vollständig genutzt wird.
Vielleicht der bis dato beste Film, weil das Studio ein neuerliches Manöver wagte, von dessen Gelingen es eigentlich nichts wissen konnte.
Wayward Pines – Season 1
Schon nach Shyamalans Pilotfolge wird klar, dass “Wayward Pines” die Erwartungen an Subtilität nicht zu erfüllen gedenkt. Was da binnen 45 Minuten geschieht, reicht anderswo locker für eine halbe Staffel oder mehr.
Das unerwartet hohe Tempo sorgt natürlich für eine Stimmungsverschiebung, die anfangs nicht immer ganz zu den kanadischen Berglandschaften passt, die eigentlich Ruhe brauchen, um ihre Wirkung entfalten zu können. Matt Dillon wacht zwar vom Zoom Out begleitet mitten im Nirgendwo auf (ein Prinzip, das „Lost“ zwar nicht erfunden hat, das neuere Zuschauerschaften aber unweigerlich mit der Abrams-Serie verbinden), ist aber seines aufbrausenden Charakters wegen offenbar an einer schnellen Auflösung der Ungereimtheiten interessiert, weniger am vorsichtigen Abtasten der Verhältnisse, so dass er sich es sich gleich mal mit dem Sheriff verscherzt, sich mit einer Barkeeperin (Juliette Lewis) anfreundet, ins Krankenhaus eingeliefert wird, vor einer angesetzten OP flieht, eine ehemalige Kollegin und Geliebte in dem seltsamen Ort antrifft und ganz am Ende mit einem ersten Mini-Twist konfrontiert wird. Dies alles noch gerahmt mit einem Subplot in der Realität der Großstadt Seattle, die den nur allzu malerischen kleinen Ort Wayward Pines um so mehr wie eine Grimm’sche Fantasie aussehen lässt.
Dass Shyamalan den eigentlichen großen Handlungstwist nicht etwa ans Ende der zehn Folgen setzt, sondern genau in die Mitte, hat wohl ähnliche Gründe wie Hitchcock, als er seine Cameos in den eigenen Regiearbeiten immer weiter nach vorne verschob – damit die Zuschauer aufhören, ihn zu erwarten. Die richtige Entscheidung, denn einerseits hat sich die Serie bis dahin handlungstechnisch so rasant fortentwickelt, dass es in Folge 5 an der Zeit ist für die Auflösung, andererseits erlaubt diese Vorgehensweise einen weiteren Akt mit ganz anderem Ansatz. Die eigentliche Mystery wird somit eher im ersten Teil geboten und fußt auf dem sektenhaften Verhalten der Bewohner sowie der offensichtlichen Verheimlichung einer Entität im Hintergrund. Man fühlt sich frappierend an die Akte-X-Episode „Arcadia“ erinnert, in welcher Mulder und Scully undercover als Ehepaar in ein abgeschiedenes Suburbia ziehen, dessen Alltag von Gleichschaltung und Regelbefolgung bestimmt wird.
Insbesondere Hope Davis als Lehrerin und Melissa Leo als Krankenschwester befeuern diese Eindrücke durch fanatisch angelegte Rollen, die auch Überzeugung in ihr Handeln legen – interessanterweise im Gegensatz zu vielen anderen Bewohnern. Zu den besten Momenten gehören folglich jene, in denen die Angst und Unsicherheit hinter der Maske der Einwohner zum Vorschein kommt.
Hat man sich einmal damit abgefunden, dass „Wayward Pines“ eher eventgetriebenen Charakter besitzt, wird man auch gerade in der zweiten Hälfte Freude haben, wenn das Brodeln die Oberfläche endlich aufgerissen hat und die Drehbuchschreiber Amok laufen. Dillon, der eigentlich sehr prägnant agiert und eine starke Physis unter Beweis stellt, hat bis dahin so viele Wandlungen durchlaufen, dass man dennoch nicht weiß, was man von seiner Figur halten soll; der immer wieder starke Toby Jones entschädigt allerdings für etwaige Verwirrungen. Auch Carla Gugino ist durchgehend ein kräftiger Support.
Für das Ende hat man die Möglichkeit berücksichtigt, dass es bei dieser einen Staffel bleiben könnte. Shyamalan hat selbst bezeugt, dass es der offene, elliptische Charakter ist, den er an TV-Serien fürchtet, so dass man Season 1 als abgeschlossenen Zehnteiler betrachten kann. Konzeptionell war es aber nie abwegig, mehr aus dem Stoff zu ziehen, und so ist eine zweite Staffel aufgrund des Erfolges nun wohl beschlossene Sache.
Unter einer Mystery-Offenbarung versteht man sicherlich etwas anderes. Die Tiefe und Emotionalität eines „Twin Peaks“ wird zu keiner Zeit erreicht, eine höhere Verwandtschaft besteht grundsätzlich zu Serien wie „Bates Motel“. Gelegentliche Plakativität darf einen echten Shyamalanado allerdings nicht sonderlich stören, wenn andererseits die Qualitäten so gut ausgearbeitet werden wie hier: shocking, revealing, fun.
The Big Bang Theory – Season 8
Kurzhaarfrisuren können gefühlt 5 Prozent aller Frauen reuelos tragen – Kaley Cuoco gehört nicht dazu, doch immerhin bringt sie genug Selbstironie mit, so dass ihr neuer Schnitt in der achten Staffel nicht völlig nutzlos ist (obwohl man dachte, Sheldon würde öfter darauf anspringen).
Ansonsten ist die Serie nun endgültig im Nimbus der Sitcom-Schablonen gelandet. So nimmt beispielsweise die Beziehung zwischen Howard und seiner Mutter eine ähnlich dramatische Wendung wie seinerzeit bei Al und seiner Mum in „Hör mal wer da hämmert“. Allenfalls ist es bemerkenswert, wie sehr sich Sheldon nach wie vor gegen seine Vernormalisierung wehrt, wenngleich er seit der ersten Staffel in vielerlei Dingen inzwischen dem sozialen Druck nachgegeben hat.
Die Plots pendeln noch einigermaßen einfallsreich zwischen Populärwissenschaft und Populärkultur, können aber auch nicht verhindern, dass sich die doof dreinblickenden Gesichter von Galecki, Parsons, Helberg, Nayyar und ihren weiblichen Begleitern langsam abnutzen. Vielleicht nervt aber auch einfach nur der Chic, der die Nerdkultur zum Zentrum des Massenbegehrs erklärt hat. Dennoch haben Formate wie die eingangs erwähnte Heimwerkershow bewiesen, dass ihre Konzepte schlichtweg zeitloser sind.
Weitere Sichtungen:
Mission: Impossible – Rogue Nation
The November Man
Der Umleger
Der Omega Mann
The Scribbler
Freebirds
Ein junger Truthahn, der als Stromgegenschwimmer geboren wurde und sich gegen die Konventionen und damit all seine Artgenossen auflehnt, die fröhlich gurrend ihrem Thanksgiving-Schicksal entgegen treiben… klingt für einen Animationsfilm nach einem Selbstläufer, oder? Das scheint sich in den recht peppigen ersten Minuten sogar zu bewahrheiten, wenn dämliche Puter sich auch noch artig bedanken, auserwählt worden zu sein; noch dazu macht sich die mäßige Animationsqualität noch nicht negativ bemerkbar, weil es eben so sein soll, dass alle Vögel – abgesehen vom Protagonisten – praktisch gleich aussehen. Eine dumme, braunrote Masse. Dann gesellt sich noch ein putziges Menschenmädel dazu, das alle Niedlichkeitsregister bis hin zum „Puss In Boots“-erprobten Superpupillentrick zieht… alles in Butter soweit.
Doch sobald die Zeitmaschine angeworfen wird, um das erste Thanksgiving der Geschichte neu zu schreiben, ist der Ofen aus. Das sterile Futurismusdesign der Reisekapsel erlaubt schon keinerlei Fantasie, doch was sich dann im frühen 17. Jahrhundert abspielt, ist so uninteressant, dass man letztlich doch wieder gerne rückwärts in die Zeit gesprungen wäre. Von der Zeit selbst bekommt man wegen des animalischen Mikrokosmos kaum mehr mit als ein paar Herbstbäume. Die neu auf den Plan tretenden Truthähne, die diesmal durchaus Individuen darstellen sollen, bestehen aus farblosen Rollenstereotypen.
Actionszenen und Dialoggefechte verstreichen ohne jeden Biss, und zunehmend gewinnt man den Eindruck, sich in einen reinen Kinderfilm verirrt zu haben. Zeitreiseparadoxien können zum Ende hin dann auch nichts mehr retten. Ein verzichtbares historisches Abenteuer, immerhin mit dem pädagogischen Wert, die ganz Kleinen für den Fleischkonsum zu sensibilisieren.
The Art Of Flight
Da weiß man wieder, weshalb einige Kulturen mehr Wortstämme für den Schnee haben als andere. „The Art Of Flight“ mag eine Werbedokumentation sein, für Red Bull noch mehr als für den Sport, die wenigen Interviews und Wortfetzen mögen aus inhaltslosen, pauschalen Floskeln bestehen… als besonders kritischen Punkt darf man sogar anmerken, dass es von wenig Respekt gegenüber der Natur zeugt, wenn die Snowboarder wie Affen durch das bis dato unberührte Gelände pöbeln, auf Dosen und selbst Gasflaschen schießen, Bäume en air kicken und jeden Weg zur Spitze auf motiorisiertem Wege beschreiten, immer begleitet von einem Heli in blau-rot-gelber Werbetracht. Kurz, es ist eine ziemlich dumme und primitive Angelegenheit.
Aber was für eine. Ästheten schnalzen dank nie zuvor gesehener Bilder mit der Zunge. Es ist schon richtig, mit den Tricks alleine fängt man allenfalls die Anhänger dieser Nummer aus der Kategorie Special Interest. Drum investiert Curt Morgan eine ganze Menge in das Zusammenspiel von Bild und Ton, damit auch die Masse an den Haken geht. Wer mal die Videospielserie „SSX“ gespielt hat, weiß in etwa, was auf ihn zukommt. Pures Snowboarding? Nö, vor allem die Präsentation muss stimmen. Während der Credits werden subtil Diagonalen zwischen den Schneeflocken gezogen – mathematische Berechnung, Physik, Schnee bis ins Detail leben und sein, mit diesem Versprechen eröffnet der 80-Minüter und liefert prompt die ersten Bilder in superkontrastreicher High Definition. Dazu ein epischer Soundtrack aus Post Rock, Chill Out, Elektro, eben aus allem, was da oben in der Luft fernab jeglicher Zivilisation am besten funktioniert. Nervige Geräusche aus der Realität, Handyklingeln, Papierrascheln, Tastenklicken, all das wird vollkommen runtergeregelt. Nur noch du und der weiße Berg.
Das Resultat ist Instant-Fernweh. Alaska, Kanada, Chile und ein paar besonders bergige und bevölkerungsarme Plätzchen in den USA zeigen ihre allerbeste Seite. Die Tricks sind cool, aber was wirklich flasht, sind diese Symmetrien, mit der die Berge marmoriert sind, mit der Schneedecken abfallen oder Gestöber aufgewirbelt werden. Wie der Helikopter vertikal in der Luft steht und mit der dahinter stehenden Wintersonne ein Panorama ergibt. Diese absolute Durchdringbarkeit, mit der die Hochgeschwindigkeitskameras in Ultrazeitlupe jeden Schnee- und Wasserpartikel fokussieren.
Es gibt eben Filme, die dürfen auch einfach mal nur schön sein. Sich zum nebenbei Bügeln eignen, ohne jede negative Assoziation. „The Art Of Flight“ gehört dazu.
Sherlock Holmes – Das Spinnennest
Na jetzt geht’s aber los! Wer dachte, dass Universal dauerhaft Gefallen finden würde an der durchaus geglückten Rückkehr in die viktorianischen Kulissen von „Gespenster im Schloss“, der wurde im Jahr darauf bereits eines Besseren belehrt. „Das Spinnennest“ ist vollkommen zeitloses Genremischwerk – ein Novum für die Reihe, die bislang nur alte Schlösser oder moderne Zeitbezüge kannte.
Und noch dazu ist Roy William Neills nunmehr vierte Holmes-Regiearbeit in ihrer wilden Mischung überaus wohlgelungen. All die Elemente, denen in vergangenen Beiträgen der Serie manchmal keine richtige Verknüpfung mit dem Herzen der Handlung vergönnt war, werden plötzlich funktionstüchtig; so darf sich Watson endlich zu seinem wahren Wesen bekennen, indem er Auslöser einer formidablen Slapsticksequenz wird, und Holmes’ selbst wird vom zugrunde gelegten Fall auch wirklich mal zu seinen Schlussfolgerungen gedrängt. Ja, selbst der Titel ist nicht einfach nur symbolisch zu verstehen, nein, vielmehr wird eine der berühmtesten Sequenzen der James-Bond-Reihe um eine Spinne als hinterhältiges Mordinstrument bereits vorweggenommen. Darüber hinaus bringt Gale Sondergaard frischen Wind in die von ewigen Auftritten des Erzfeindes verwebten Gegnerreihen.
So hat es Spannung bis zum Thrill, Humor bis zum Schenkelklopfer und… ja, einen runden, zufrieden stellenden Abschluss nach einer verrückten Irrfahrt durch falsche Fährten und Wendemanöver binnen einer Stunde, die nach allen Regeln der Kunst vollständig genutzt wird.
Vielleicht der bis dato beste Film, weil das Studio ein neuerliches Manöver wagte, von dessen Gelingen es eigentlich nichts wissen konnte.
Wayward Pines – Season 1
Schon nach Shyamalans Pilotfolge wird klar, dass “Wayward Pines” die Erwartungen an Subtilität nicht zu erfüllen gedenkt. Was da binnen 45 Minuten geschieht, reicht anderswo locker für eine halbe Staffel oder mehr.
Das unerwartet hohe Tempo sorgt natürlich für eine Stimmungsverschiebung, die anfangs nicht immer ganz zu den kanadischen Berglandschaften passt, die eigentlich Ruhe brauchen, um ihre Wirkung entfalten zu können. Matt Dillon wacht zwar vom Zoom Out begleitet mitten im Nirgendwo auf (ein Prinzip, das „Lost“ zwar nicht erfunden hat, das neuere Zuschauerschaften aber unweigerlich mit der Abrams-Serie verbinden), ist aber seines aufbrausenden Charakters wegen offenbar an einer schnellen Auflösung der Ungereimtheiten interessiert, weniger am vorsichtigen Abtasten der Verhältnisse, so dass er sich es sich gleich mal mit dem Sheriff verscherzt, sich mit einer Barkeeperin (Juliette Lewis) anfreundet, ins Krankenhaus eingeliefert wird, vor einer angesetzten OP flieht, eine ehemalige Kollegin und Geliebte in dem seltsamen Ort antrifft und ganz am Ende mit einem ersten Mini-Twist konfrontiert wird. Dies alles noch gerahmt mit einem Subplot in der Realität der Großstadt Seattle, die den nur allzu malerischen kleinen Ort Wayward Pines um so mehr wie eine Grimm’sche Fantasie aussehen lässt.
Dass Shyamalan den eigentlichen großen Handlungstwist nicht etwa ans Ende der zehn Folgen setzt, sondern genau in die Mitte, hat wohl ähnliche Gründe wie Hitchcock, als er seine Cameos in den eigenen Regiearbeiten immer weiter nach vorne verschob – damit die Zuschauer aufhören, ihn zu erwarten. Die richtige Entscheidung, denn einerseits hat sich die Serie bis dahin handlungstechnisch so rasant fortentwickelt, dass es in Folge 5 an der Zeit ist für die Auflösung, andererseits erlaubt diese Vorgehensweise einen weiteren Akt mit ganz anderem Ansatz. Die eigentliche Mystery wird somit eher im ersten Teil geboten und fußt auf dem sektenhaften Verhalten der Bewohner sowie der offensichtlichen Verheimlichung einer Entität im Hintergrund. Man fühlt sich frappierend an die Akte-X-Episode „Arcadia“ erinnert, in welcher Mulder und Scully undercover als Ehepaar in ein abgeschiedenes Suburbia ziehen, dessen Alltag von Gleichschaltung und Regelbefolgung bestimmt wird.
Insbesondere Hope Davis als Lehrerin und Melissa Leo als Krankenschwester befeuern diese Eindrücke durch fanatisch angelegte Rollen, die auch Überzeugung in ihr Handeln legen – interessanterweise im Gegensatz zu vielen anderen Bewohnern. Zu den besten Momenten gehören folglich jene, in denen die Angst und Unsicherheit hinter der Maske der Einwohner zum Vorschein kommt.
Hat man sich einmal damit abgefunden, dass „Wayward Pines“ eher eventgetriebenen Charakter besitzt, wird man auch gerade in der zweiten Hälfte Freude haben, wenn das Brodeln die Oberfläche endlich aufgerissen hat und die Drehbuchschreiber Amok laufen. Dillon, der eigentlich sehr prägnant agiert und eine starke Physis unter Beweis stellt, hat bis dahin so viele Wandlungen durchlaufen, dass man dennoch nicht weiß, was man von seiner Figur halten soll; der immer wieder starke Toby Jones entschädigt allerdings für etwaige Verwirrungen. Auch Carla Gugino ist durchgehend ein kräftiger Support.
Für das Ende hat man die Möglichkeit berücksichtigt, dass es bei dieser einen Staffel bleiben könnte. Shyamalan hat selbst bezeugt, dass es der offene, elliptische Charakter ist, den er an TV-Serien fürchtet, so dass man Season 1 als abgeschlossenen Zehnteiler betrachten kann. Konzeptionell war es aber nie abwegig, mehr aus dem Stoff zu ziehen, und so ist eine zweite Staffel aufgrund des Erfolges nun wohl beschlossene Sache.
Unter einer Mystery-Offenbarung versteht man sicherlich etwas anderes. Die Tiefe und Emotionalität eines „Twin Peaks“ wird zu keiner Zeit erreicht, eine höhere Verwandtschaft besteht grundsätzlich zu Serien wie „Bates Motel“. Gelegentliche Plakativität darf einen echten Shyamalanado allerdings nicht sonderlich stören, wenn andererseits die Qualitäten so gut ausgearbeitet werden wie hier: shocking, revealing, fun.
The Big Bang Theory – Season 8
Kurzhaarfrisuren können gefühlt 5 Prozent aller Frauen reuelos tragen – Kaley Cuoco gehört nicht dazu, doch immerhin bringt sie genug Selbstironie mit, so dass ihr neuer Schnitt in der achten Staffel nicht völlig nutzlos ist (obwohl man dachte, Sheldon würde öfter darauf anspringen).
Ansonsten ist die Serie nun endgültig im Nimbus der Sitcom-Schablonen gelandet. So nimmt beispielsweise die Beziehung zwischen Howard und seiner Mutter eine ähnlich dramatische Wendung wie seinerzeit bei Al und seiner Mum in „Hör mal wer da hämmert“. Allenfalls ist es bemerkenswert, wie sehr sich Sheldon nach wie vor gegen seine Vernormalisierung wehrt, wenngleich er seit der ersten Staffel in vielerlei Dingen inzwischen dem sozialen Druck nachgegeben hat.
Die Plots pendeln noch einigermaßen einfallsreich zwischen Populärwissenschaft und Populärkultur, können aber auch nicht verhindern, dass sich die doof dreinblickenden Gesichter von Galecki, Parsons, Helberg, Nayyar und ihren weiblichen Begleitern langsam abnutzen. Vielleicht nervt aber auch einfach nur der Chic, der die Nerdkultur zum Zentrum des Massenbegehrs erklärt hat. Dennoch haben Formate wie die eingangs erwähnte Heimwerkershow bewiesen, dass ihre Konzepte schlichtweg zeitloser sind.
Weitere Sichtungen:
Mission: Impossible – Rogue Nation
The November Man
Der Umleger
Der Omega Mann
The Scribbler
Who Am I
Wenn es auch noch nicht dazu reichen mag, selber Trends zu setzen, so spielt dieser deutsche Beitrag zum Täuschungsthriller doch immerhin 70 Prozent der US-Beiträge zum Thema an die Wand und spielt folglich in der Oberklasse mit – auch weil die Reminiszenzen nicht blöd kopiert, sondern weitergedacht werden. So entsteht ein regelrechter Dialog mit den wichtigen Übersee-Klassikern, anstatt mit Malen nach Zahlen stumpfe Ausrufezeichen zu setzen, was eine unabdingbare Voraussetzung für eine gelingende Weiterentwicklung darstellt. Schön ist das zu erkennen am Umgang mit der Mindfuck-Blaupause „Fight Club“, die ihre Fußspuren zwar überdeutlich hinterlassen hat, ohne jedoch die Chance des Films zu eliminieren, eigene Wege zu ergründen.
Speziell Schilling und M’Barek liefern starke Auftritte, aber auch solche, von denen man es weniger erwartet hätte, wie Saturn-Doofmütze Antoine Moinot Jr. Allesamt keine abgepinselten Guy-Ritchie-Reliefs jedenfalls, sondern markante Charaktere, deren wuseliges Zusammenspiel die Dynamik wesentlich beeinflusst.
Mit der Visualisierung der digitalen Kommunikationsebene in Form eines Zugabteils mit Gestalten, deren Gesichter durch Avatare (Kapuzen, Masken) verschleiert sind, kommt sogar unerwarteter Pep in die Sache. Den es nicht einmal unbedingt gebraucht hätte, denn der rauchige Verhör-Rahmen bewährt sich erfolgreich, indes das Dunkel der Nacht und die Einsamkeit großer Plätze das Bild in den Rückblenden bestimmen.
Sicher nicht frei von Schwächen (mal ein Trojaner im Trojaner zu viel vielleicht), gehört „Who Am I“ aber doch zu den ambitioniertesten Beiträgen der jüngeren deutschen Filmgeschichte.
Bad Words
Wenn Jason Bateman Jason Bateman dirigiert, ist Jason Bateman mal kein Jason Bateman, wie er normalerweise im Buche steht: treudoof und schulterzuckend eben. Nein nein, dieser Jason Bateman ist schlimmer als jeder Norman Bates: egozentrisch, skrupel- und rücksichtslos, fluchend und Kinder hassend – ein echter Jason Badman eben, ganz im Stil
der Jason-Bateman-Vorgänger von Titel wegen, “Bad Santa” und “Bad Teacher”.
Wie jene steuert Jason Bateman sein Regiedebüt zwar in die kitschige Versöhnlichkeit, doch bis dahin gibt’s so viel verbale Sauerei, dass man bereits hört, wie Sittenwächter ihm zurufen: Nimm mal ein Bad, Mann! Tatsächlich fungiert Jason Batemans Stinkefinger sogar als besagtes Zeichen der Versöhnlichkeit und gehört folglich zu den liebenswerteren Einstellungen von „Bad Words“, indes Jasons Batemouth ein Stück faustdicker Seife gut vertragen könnte.
Schön deswegen, dass Jason Bateman den zukünftigen Mowgli Rohan Chand als Little Star an seiner Seite hat, denn die Fluchkotzerei funktioniert deswegen so gut, weil Rohan Chand Jason Batemans Schulterzuck- und Auffangbeckenqualitäten übernimmt und mit ganz natürlichem Charme dicke Punkte einfährt. Bravo, stark gecastet.
Über die Thrillerqualitäten des Grundthemas „Buchstabierwettbewerb“ darf man natürlich streiten. Den medialen Hype um derartige Veranstaltungen kann man wohl nur im Land von „Little Miss Sunshine“ nachvollziehen… aber wen juckt das, solange wütende Mütter mit Handtaschen nach Jason Batemans schlagen, die sich vor angeblich Millionen von amerikanischen Wohnzimmern lächelnd zum Affen machen, nur um ihren Standpunkt klar zu machen.
Also, zwei Drittel Jason „Verbalmachete“ Voorheesman im Megaarschloch-Modus: Gekauft. Ein Drittel Jason Bravman mit Herz und Seele: Das übliche Anhängsel eben.
Vikings – Season 2
Die Wikinger wurden in der ersten Staffel anhand eines isolierten Gruppenausschnitts überwiegend als neugierige, schelmisch grinsende Räuber gezeichnet, die etwaige kulturelle Hemmungen anderer Völker, insbesondere der Christen, gnadenlos ausnutzten und sich so auf einfache Weise Land und schätze aneigneten. Reibungen waren eher innerhalb der eigenen Gruppe zu erwarten.
Rückblickend eine äußerst gelungene Einführung, öffnet sich der erzählerische Bogen mit der zweiten Staffel erwartungsgemäß in die Weite und konfrontiert die wilde Truppe unter der Führerschaft Ragnar Lodbroks auch mal mit ihren eigenen Taten. Vor allem aber mit verschiedenen Interessengruppen, die es schwierig machen, Freund und Feind in einem Dschungel aus Intrigenspielen und Loyalitätsbekundungen zu unterscheiden.
Ein Zeitsprung von vier Jahren bereits in der zweiten von zehn Episoden ist schon als mutig zu bezeichnen, werden narrative Brüche hier doch billigend in Kauf genommen, doch für die Langzeitauswirkungen der Brandschatzerei erweist er sich als notwendig. Die gewöhnungsbedürftigste Entwicklung auf darstellerischer Seite nimmt wohl Ragnars Sohn Björn, der vom stämmigen Alexander Ludwig verkörpert wird und unnatürlich hochgewachsen aussieht, nachdem der kleine Nathan O’Toole aus den jungen Jahren Björns nur halb so groß war – schwer zu glauben, dass Travis Fimmel und Katheryn Winnick seine Filmeltern sein sollen; weder bei ihnen noch ihren leben gebliebenen Weggefährten seit der ersten Staffel machen sich die vier Jahre nämlich in den Gesichtern bemerkbar.
Davon abgesehen begibt sich die Serie durch ihre Öffnung auch historisch zunehmend in die Gefahr, Fakten zu dramatisieren, nach eigenem Belieben auszulegen oder gleich neu zu schreiben, was aber bei einer derart weit zurückliegenden Zeit, deren Überlieferung hauptsächlich auf Oralität basiert, reuelos zur kreativen Freiheit gezählt werden kann. Atmosphärisch haben die Halbwahrheiten keinerlei Einfluss auf die Serie, die nach wie vor mit prachtvollen Berg- und Wiesenlandschaften in kühlen Farben glänzt und Kriegsaktivitäten stilgetreu im fast schon intimen Rahmen ablaufen lässt.
Viele Handlungstwists bezüglich der Feinde Ragnars lassen sich durchaus absehen, andererseits entwickeln sich manche Charaktere dann doch ungemäß der Erwartungen, die man an sie stellt. Beispielhaft sei die Beziehung zwischen der nach wie vor herausragenden Katheryn Winnick als Ragnars ehemalige Frau und Ragnars neuer Frau, gespielt von Alyssa Sutherland, herausgehoben. Auch der seit jeher zwielichtig anmutende Floki (Gustaf Skarsgård) wird vom Drehbuch auf manch harte Bewährungsprobe gestellt. Ein einzelner Antagonist wie Gabriel Byrne in Staffel 1, der sich den Plänen der Hauptfigur behindernd in den Weg stellt, gibt es nicht; vielmehr teilen sich Linus Roache, Donal Logue und Thorbjørn Harr die Herausforderungen, um den König auf der weißen Seite auf ihre Weise in Schach zu halten, was dessen Strategiefindungen um so herausfordernder macht.
„Vikings“ ist also auf der Höhe seines Potenzials angekommen und darf jetzt zu den großen historischen Unterhaltungsserien dieser Zeit gezählt werden, ohne dazu ganz so überladen und ambitioniert sein zu müssen wie das Epos von „Game Of Thrones“.
Weitere Sichtungen:
Ant-Man
Turbo Kid
Warte, bis es dunkel wird
The Master (Jet Li)
Snitch – ein riskanter Deal
Zombiber
Wenn es auch noch nicht dazu reichen mag, selber Trends zu setzen, so spielt dieser deutsche Beitrag zum Täuschungsthriller doch immerhin 70 Prozent der US-Beiträge zum Thema an die Wand und spielt folglich in der Oberklasse mit – auch weil die Reminiszenzen nicht blöd kopiert, sondern weitergedacht werden. So entsteht ein regelrechter Dialog mit den wichtigen Übersee-Klassikern, anstatt mit Malen nach Zahlen stumpfe Ausrufezeichen zu setzen, was eine unabdingbare Voraussetzung für eine gelingende Weiterentwicklung darstellt. Schön ist das zu erkennen am Umgang mit der Mindfuck-Blaupause „Fight Club“, die ihre Fußspuren zwar überdeutlich hinterlassen hat, ohne jedoch die Chance des Films zu eliminieren, eigene Wege zu ergründen.
Speziell Schilling und M’Barek liefern starke Auftritte, aber auch solche, von denen man es weniger erwartet hätte, wie Saturn-Doofmütze Antoine Moinot Jr. Allesamt keine abgepinselten Guy-Ritchie-Reliefs jedenfalls, sondern markante Charaktere, deren wuseliges Zusammenspiel die Dynamik wesentlich beeinflusst.
Mit der Visualisierung der digitalen Kommunikationsebene in Form eines Zugabteils mit Gestalten, deren Gesichter durch Avatare (Kapuzen, Masken) verschleiert sind, kommt sogar unerwarteter Pep in die Sache. Den es nicht einmal unbedingt gebraucht hätte, denn der rauchige Verhör-Rahmen bewährt sich erfolgreich, indes das Dunkel der Nacht und die Einsamkeit großer Plätze das Bild in den Rückblenden bestimmen.
Sicher nicht frei von Schwächen (mal ein Trojaner im Trojaner zu viel vielleicht), gehört „Who Am I“ aber doch zu den ambitioniertesten Beiträgen der jüngeren deutschen Filmgeschichte.
Bad Words
Wenn Jason Bateman Jason Bateman dirigiert, ist Jason Bateman mal kein Jason Bateman, wie er normalerweise im Buche steht: treudoof und schulterzuckend eben. Nein nein, dieser Jason Bateman ist schlimmer als jeder Norman Bates: egozentrisch, skrupel- und rücksichtslos, fluchend und Kinder hassend – ein echter Jason Badman eben, ganz im Stil
der Jason-Bateman-Vorgänger von Titel wegen, “Bad Santa” und “Bad Teacher”.
Wie jene steuert Jason Bateman sein Regiedebüt zwar in die kitschige Versöhnlichkeit, doch bis dahin gibt’s so viel verbale Sauerei, dass man bereits hört, wie Sittenwächter ihm zurufen: Nimm mal ein Bad, Mann! Tatsächlich fungiert Jason Batemans Stinkefinger sogar als besagtes Zeichen der Versöhnlichkeit und gehört folglich zu den liebenswerteren Einstellungen von „Bad Words“, indes Jasons Batemouth ein Stück faustdicker Seife gut vertragen könnte.
Schön deswegen, dass Jason Bateman den zukünftigen Mowgli Rohan Chand als Little Star an seiner Seite hat, denn die Fluchkotzerei funktioniert deswegen so gut, weil Rohan Chand Jason Batemans Schulterzuck- und Auffangbeckenqualitäten übernimmt und mit ganz natürlichem Charme dicke Punkte einfährt. Bravo, stark gecastet.
Über die Thrillerqualitäten des Grundthemas „Buchstabierwettbewerb“ darf man natürlich streiten. Den medialen Hype um derartige Veranstaltungen kann man wohl nur im Land von „Little Miss Sunshine“ nachvollziehen… aber wen juckt das, solange wütende Mütter mit Handtaschen nach Jason Batemans schlagen, die sich vor angeblich Millionen von amerikanischen Wohnzimmern lächelnd zum Affen machen, nur um ihren Standpunkt klar zu machen.
Also, zwei Drittel Jason „Verbalmachete“ Voorheesman im Megaarschloch-Modus: Gekauft. Ein Drittel Jason Bravman mit Herz und Seele: Das übliche Anhängsel eben.
Vikings – Season 2
Die Wikinger wurden in der ersten Staffel anhand eines isolierten Gruppenausschnitts überwiegend als neugierige, schelmisch grinsende Räuber gezeichnet, die etwaige kulturelle Hemmungen anderer Völker, insbesondere der Christen, gnadenlos ausnutzten und sich so auf einfache Weise Land und schätze aneigneten. Reibungen waren eher innerhalb der eigenen Gruppe zu erwarten.
Rückblickend eine äußerst gelungene Einführung, öffnet sich der erzählerische Bogen mit der zweiten Staffel erwartungsgemäß in die Weite und konfrontiert die wilde Truppe unter der Führerschaft Ragnar Lodbroks auch mal mit ihren eigenen Taten. Vor allem aber mit verschiedenen Interessengruppen, die es schwierig machen, Freund und Feind in einem Dschungel aus Intrigenspielen und Loyalitätsbekundungen zu unterscheiden.
Ein Zeitsprung von vier Jahren bereits in der zweiten von zehn Episoden ist schon als mutig zu bezeichnen, werden narrative Brüche hier doch billigend in Kauf genommen, doch für die Langzeitauswirkungen der Brandschatzerei erweist er sich als notwendig. Die gewöhnungsbedürftigste Entwicklung auf darstellerischer Seite nimmt wohl Ragnars Sohn Björn, der vom stämmigen Alexander Ludwig verkörpert wird und unnatürlich hochgewachsen aussieht, nachdem der kleine Nathan O’Toole aus den jungen Jahren Björns nur halb so groß war – schwer zu glauben, dass Travis Fimmel und Katheryn Winnick seine Filmeltern sein sollen; weder bei ihnen noch ihren leben gebliebenen Weggefährten seit der ersten Staffel machen sich die vier Jahre nämlich in den Gesichtern bemerkbar.
Davon abgesehen begibt sich die Serie durch ihre Öffnung auch historisch zunehmend in die Gefahr, Fakten zu dramatisieren, nach eigenem Belieben auszulegen oder gleich neu zu schreiben, was aber bei einer derart weit zurückliegenden Zeit, deren Überlieferung hauptsächlich auf Oralität basiert, reuelos zur kreativen Freiheit gezählt werden kann. Atmosphärisch haben die Halbwahrheiten keinerlei Einfluss auf die Serie, die nach wie vor mit prachtvollen Berg- und Wiesenlandschaften in kühlen Farben glänzt und Kriegsaktivitäten stilgetreu im fast schon intimen Rahmen ablaufen lässt.
Viele Handlungstwists bezüglich der Feinde Ragnars lassen sich durchaus absehen, andererseits entwickeln sich manche Charaktere dann doch ungemäß der Erwartungen, die man an sie stellt. Beispielhaft sei die Beziehung zwischen der nach wie vor herausragenden Katheryn Winnick als Ragnars ehemalige Frau und Ragnars neuer Frau, gespielt von Alyssa Sutherland, herausgehoben. Auch der seit jeher zwielichtig anmutende Floki (Gustaf Skarsgård) wird vom Drehbuch auf manch harte Bewährungsprobe gestellt. Ein einzelner Antagonist wie Gabriel Byrne in Staffel 1, der sich den Plänen der Hauptfigur behindernd in den Weg stellt, gibt es nicht; vielmehr teilen sich Linus Roache, Donal Logue und Thorbjørn Harr die Herausforderungen, um den König auf der weißen Seite auf ihre Weise in Schach zu halten, was dessen Strategiefindungen um so herausfordernder macht.
„Vikings“ ist also auf der Höhe seines Potenzials angekommen und darf jetzt zu den großen historischen Unterhaltungsserien dieser Zeit gezählt werden, ohne dazu ganz so überladen und ambitioniert sein zu müssen wie das Epos von „Game Of Thrones“.
Weitere Sichtungen:
Ant-Man
Turbo Kid
Warte, bis es dunkel wird
The Master (Jet Li)
Snitch – ein riskanter Deal
Zombiber
Der Rattengott
Als Parabel auf die Krisenzeiten nach einem Weltkrieg bedient sich der jugoslawische Film mit dem Rattenmenschen eines eher plakativen Bildes für die Wucherungen unter der Oberfläche einer von Verlusten gebeutelten Gesellschaft. So plakativ wie das gewählte Bild ist die Inszenierung allerdings nicht; dass es sich um einen Horrorfilm handeln möge, wird erst sehr spät und selbst dann nur andeutungsweise klar. Die Kreaturen sind nicht menschenunähnlich genug, um klar und deutlich als Filmmonster bezeichnet zu werden. Vielmehr kennzeichnen sie sich durch rattenhafte Gesichtszüge und ein ebensolches Verhalten hinter einer Fassade der fröhlichen Gemeinschaftsbildung.
Wie Ivica Vidović im langen Mantel durch die tschechischen Kriegsruinen streift und Türen aufstößt, um unvorstellbare Geheimnisse zu bergen, hat etwas von den paranoiden Filmen Roman Polanskis in den 60er und 70er Jahren; wenn eine der Kreaturen auf den gerade entdeckten Schnüffler zeigt und seine Artgenossen auf ihn aufmerksam macht, ist aber auch der Invasionsfilm der 50er nicht mehr fern („Invasion Of The Body Snatchers“). Trostlose, spröde Farbfilter fangen die Nachkriegsstimmung gekonnt ein, die durchaus eindrucksvollen Sets zeigen meist verwüstete Schauplätze, die für große Menschenmengen konzipiert sind, sich hier jedoch meistens als menschenleer erweisen – es sei denn, die Rattenmenschen kriechen in der Nacht aus ihren Löchern und verwandeln die Lokalitäten in bizarre, unwirkliche Feste.
Dass die Lösung des „Rattenproblems“ in die Entwicklung eines „Anti-Ratten-Sprays“ mündet, passt dann wieder zur fabelartigen Prämisse - die Mad-Scientist-Elemente verdeutlichen in gewisser Weise die Sehnsucht nach einer einfachen Lösung eines in der Realität höchst komplizierten Sachverhalts. Diese ungewöhnliche Mischung aus Subtilität und ungehemmter Auslebung klassischer Horrorfilm-Motive lässt den „Rattengott“ für Freunde des originellen Trash und des historischen Creature Features ebenso interessant erscheinen wie für jene, die politische Parabeln wie „Animal Farm“ und politische Thriller wie „Die Unbestechlichen“ schätzen.
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Poltergeist
Selbst die Simpsons haben ihre alte Röhre gegen einen Flachbildfernseher ausgetauscht, warum sollen Poltergeister es ihnen also nicht gleichtun. Einen echten Mehrwert bietet der Bezug auf moderne Technologie allerdings nicht. Als viel bestimmender erweist sich das suburbane Setting, in dem die Handlung angelegt ist, und hier spricht das Remake dem Original nach dem Mund. Das Panorama der Neubausiedlung sieht schon sehr nach retrospektiver Huldigung aus, nicht nach Renovierung.
Dabei wird nicht einmal die Mühe aufgebracht, sich allzu tief mit dem Ursprung der Heimsuchung zu beschäftigen. Gil Kenan liegt mehr daran, das Haus im Sinne des von ihm inszenierten Animationsfilms „Monster House“ zur Trickfalle umzugestalten, was nicht immer eben zu gruseligen Ergebnissen führt. Denn der Weg zum erlösenden Moment ist stets derselbe: Lange Kameraeinstellung auf eine halb offene Tür, Schnitt ins Gesicht, Schnitt zur Tür, langsame Veränderung des Blickwinkels, Schnitt ins Gesicht, Schnitt in den Raum, Schockeffekt. Einige der Einfälle mögen originell sein, meist fehlt ihnen aber die Substanz, ganz besonders bei den aus dem Nichts geschälten Reminiszenzen an das Original, etwa der CGI-verseuchten Baumattacke oder der Variation der Spiegelszene, die diesmal in der Reflektion eines Wasserhahns stattfindet. Die Kamerafahrt durch die Geisterdimension indes ist ein schmerzhafter Rückfall in die Ära der Computerrevolution, nur heute eben ohne die Entschuldigung, dass man Möglichkeiten eben noch erkunden müsse. Von anbiedernden Gimmicks wie hässlich grinsenden Clownspuppen mit dem Design jüngster Kassenerfolge möchte man gar nicht anfangen.
Wenn man irgendwo Pluspunkte oder wenigstens eine Beibehaltung des Anspruchs erwarten darf, dann im Casting. So liefert gerade Sam Rockwell gemessen an den Erwartungen eine sehr gute Leistung. Die Mischung aus gespielter Selbstsicherheit und finanziell begründeter Unsicherheit lässt ihn von Beginn an interessant wirken und bereitet klug auf die Phase des Films vor, in der er seine verschwundene Tochter zurückzuholen versucht. Verzweiflung und Trauer kommen hier wegen der funktionierenden Einführung angemessen zur Geltung. Rosemarie DeWitt hat eine ebenso natürliche Ausstrahlung wie einige der Darstellerinnen aus der Zeit des Originals, vergleichbar mit einer Karen Allen oder eben JoBeth Williams. Für Jared Harris war es sogar ein Leichtes, in die Fußstapfen von Zelda Rubinstein zu treten, zumal seinem auch nicht gerade neuartigen TV-Geisterjäger eine augenzwinkernde menschliche Seite zugezimmert wird. Und Kennedi Clements fehlt zwar als jüngste Tochter die geisterhafte Ausstrahlung Heather O’Rourkes, hat aber das größere schauspielerische Talent, auch wenn man sich später an sie wegen der fehlenden Relevanz dieses Films nicht mehr im gleichen Maße erinnern wird.
Reicht trotzdem nicht, um in Erinnerung zu bleiben. „Poltergeist“ made in 2015 wird wohl eine Halbwertzeit von zwei oder drei Jahren haben; danach legt man vornehmlich wieder 1982 ein.
Open Windows
„Open Windows“ ist ein zweifellos ambitionierter, jedoch heillos überfrachteter Hi-Tech-Thriller nach Maßvorgabe von Alfred Hitchcocks „Das Fenster zum Hof“. Der verbissene Versuch, das nächste Level zu erreichen, macht sich einmal in einer höllisch schnellen Abfolge von Plottwists bemerkbar; das besondere Innovationsstreben legt sich aber in dem Umstand nieder, dass die gesamte Geschichte über Videofenster („Open Windows“) erzählt wird. Das führt zu kameratechnischen Herausforderungen auf multipler Ebene und lässt sich als hochinteressantes Experiment lesen, das in letzter Instanz jedoch immer scheitern muss; schließlich läuft das menschliche Auge immer andere Wege als die Kamera.
Blickwinkel, Perspektiven-Koordination und Umschaltung spielen für den spanischen Regisseur dennoch eine große Rolle. Vielleicht sogar die einzige, denn Elijah Wood verschwindet hinter den digitalen Fenstern regelrecht und übt schauspielerisch wenig Einfluss auf das Ergebnis aus.
Die Aussage über die Nutzung von medialen Technologien sollte deutlich sein. Der Transparenz der Bilder, die ein erschreckendes Szenario nicht vorhandener Privatsphäre simulieren, steht eine Ungreifbarkeit von Bildern entgegen, die es nicht erlauben, in die handfeste Realität einzudringen, sondern alles immer nur durch digitale Transfers zu erfahren, die von zahllosen Störquellen eingeschränkt werden; ein Umstand, der die Sichtung latent unangenehm wirken lässt.
„Open Windows“ funktioniert also ausschließlich über die demonstrative Ebene und verfällt so dem Trugschluss, dass man etwas am besten nahe bringt, indem man es auf einem Video vorspielt. Irrtum, auch wenn der Versuch aller Ehren wert ist.
Wrong
Eine äquivalent ins Gegenteil versetzte Welt ist schon rein physikalisch nicht vorstellbar. Klingt irgendwie nach Stoff für Quentin Dupieux? Den „Rubber“-Regisseur scheint es jedenfalls gereizt zu haben, sich mit der Unvorstellbarkeit vertauschter Gesetzmäßigkeiten zu befassen. Szenenweise liefert er dadaistische Kompositionen und Situationen in einer Kette, begonnen bei einem von Dupieux’schen Manierismen bereits sehr eingenommenen Bild eines auf die Straße scheißenden Feuerwehrmannes neben einem brennenden Haus bis zu seiner schließenden Klammer, der Egoperspektive eines Kothaufens, der sich den Weg aus einem Hundedarm auf den Rasen bahnt.
All dies sowie Dinge mit geringerem Ekelfaktor fängt Dupieux mit der Nüchternheit einer Art poetisch-realistischen Nonsenskinos ein, in dem wenig gesprochen und viele Blicke gewechselt werden. Und weil ein verdrehtes Paralleluniversum mit regnenden Büros und smalltalkenden Pizzabestellannehmerinnen in nahtloser Form nicht zu bekommen ist, wirkt „Wrong“ eben auch ein wenig wie ein experimenteller Rohschnitt, zugunsten eines Höchstmaßes an künstlerischer Integrität.
Dass dabei trotzdem ein so emotional greifbarer Film entsteht, ist bemerkenswert. „Wrong“ ist eben auch das Gegenteil einer Filmwelt, in der Haustiere normalerweise den Zweck eines Opferlammes erfüllen und nicht selten ihr Leben lassen, um dem Protagonisten zu einer Wandlung zu verhelfen.
Als Seltsamkeit nicht mehr so symbolkräftig wie „Rubber“, aber noch geistreicher ist diese Irrfahrt durch die Irrzüge menschlicher Vorstellungskraft geraten.
00 Schneider – Im Wendekreis der Eidechse
Schneiders Werke entschwinden zunehmend in die absolute Ereignislosigkeit, so wie sich eine immer langsamer werdende Zeitlupe der Nullgeraden einer Pause-Einstellung annähert. Eine komödiantische Vorhölle des Wartens auf die Pointe, die nicht geschieht, oder wenn doch, dann aus einer ganz anderen Richtung als erwartet. „00 Schneider“ - Eine Fortsetzung dem Namen nach, werkelt der eigenbrötlerische Komödiant gezielt Edgar-Wallace’sche Motive und andere aus dem deutschen Film der 60er Jahre heraus und labt sich an ihrer Altbackenheit. Was der Zuschauer alles ertragen muss, wenn er fade Miethauseinrichtungen, lächerlich zischende Echsenmenschen und natürlich das Getänzel des Meisters im Trenchcoat zu Gesicht bekommt… selbst für Erprobte des Seiltänzers zwischen hoher Kunst und Mühlheim-Klamauk ist das harter Tobak. Zur Reflektion indes bekommt man allerlei Gelegenheit, die sich durch ellenlange Einstellungen bietet, in denen schlichtweg nichts geschieht. Zumindest auf der Leinwand nicht; im Inneren des Zuschauenden sieht es da schon anders aus.
The Imitation Game
Eine Geschichte, die ohne Frage erzählt werden musste – mehr jedenfalls als einige Musikerportraits. So fasziniert „The Imitation Game“ schon aufgrund seiner besonderen Prämisse, die über reinen Personenkult weit hinausgeht und sich davon im Film auch deutlich distanziert. Die Erfindung überdauert den Erfinder, so lässt sich mit einigen Abstrichen die Quintessenz ablesen, doch sei dem Erfinder dennoch gedankt und gehuldigt für seine Verdienste. Das wenigstens ist die moralische Auflösung. Musste der gewählte Grundton aber, Verschlüsselungsmaschine hin oder her, so kalkulatorisch sein? Schrecklich penibel wird die Laufzeit zwischen der menschlichen Erkundung Alan Turings und seiner wissenschaftlichen Errungenschaft aufgeteilt, um bloß beide Präferenzen angemessen zu bedienen. Benedict Cumberbatch ist toll, wird aber dadurch zum Spielball des Drehbuchs, zumal sich die optische Ausrichtung nicht unwesentlich an der John-Nash-Biografie „A Beautiful Mind“ bedient. Politische Korrektheiten gehen so Hand in Hand mit Maßstaberfüllung und stilistischer Risikounfreudigkeit. Dass bei dieser eher ungünstigen Kombination dennoch ein recht ansehnliches Werk zustande kommen konnte, liegt tatsächlich vorwiegend an der schauspielerischen Zusammenstellung, die außer Cumberbatch noch einige andere hochkarätige Darsteller in Nebenrollen vorweist, die für eine spannende Dynamik im Hintergrund sorgt, mit welcher die Figur des Alan Turing überhaupt erst präsentabel angeleuchtet wird. Das lässt die mit 14 Millionen Dollar Budget schon fast als Indie zu bezeichnende UK-Produktion trotz ihrer synthetischen Merkmale immer noch sehenswert erscheinen.
Clown
Dass coulrophobische Horrorfilme fast immer scheitern, liegt weniger am Stoff als an der meist wenig ambitionierten Herangehensweise in den entsprechenden Produktionen, birgt der Clown als Gruselgeschöpf doch im Grunde nicht weniger Potenzial als etwa der bis zur Erschöpfung verfilmte Vampir: Er treibt eine bis ins Karikaturistische verzerrte Eigenschaft des Menschen auf die Spitze und präsentiert sie als Deformation, die man ebenso gut witzig wie unheimlich finden kann. Daraus lässt sich womöglich mehr formen, als sich Filmstudios und Publikum vorstellen können.
„Clown“ unterscheidet sich von seinen meist trashigen und exploitativen Artgenossen in erster Linie durch den Ernst, mit dem er sein Sujet angeht – und hat relativ leichtes Spiel dabei, einen neuen Weg zu gehen. Leichtes Spiel deswegen, weil die Roth-Produktion vom Aufbau her immer noch bequemer Baukasten-B-Horror mit konventionellem Plotaufbau ist, der wenigstens diesbezüglich relativ enttäuschend ausfällt. Was in diesem Fach mit etwas mehr Mut noch möglich wäre, zeigt beispielsweise „Balada Triste de Trompeta“ aus Spanien, der seine tragische Figur in ein Wirrnetz verfrachtete, dessen Ausgang man als Zuschauer unmöglich vorhersehen konnte.
So aber teilt man sich nun ein Universum mit Hochglanz-Monster-Movies der zweiten Reihe, denen von einem Spezialpublikum durchaus Anerkennung zuteil wurde, etwa dem letzten „Chucky“. Das macht auch die Anwesenheit eines B-Urgesteins wie Peter Stormare (der jüngst im innovativen Videospiel-Slasher-Movie „Until Dawn“ bereits mit sublimen Clownsmotiven in Berührung kam) nachvollziehbar.
Aber man schleppt sich gerade so durch das mit Pflichtszenen gespickte Drehbuch und legt jede Hoffnung in die Transformation des Clowns. Mit einem mächtigen Zufriedenheitsgefühl immerhin in den letzten Szenen, denn die letzte Verwandlungsstufe befriedigt die Erwartungen an grelldüstere Bizzarerie mit einem an die „Hellraiser“-Filme erinnernden Creature Design.
Obwohl Jon Watts ansonsten leider nur wenig mit der Unbehaglichkeit beim Anblick der übertriebenen Mimik eines Clowns spielt – dazu hat Hauptdarsteller Andy Powers auch schlichtweg ein zu freundlich-rundes Gesicht – arbeitet er seinen Film gleich in zweierlei Richtung aus. B-Horror-typisch wird einmal eine Clowns-Mythologie entwickelt. Untermauert mit verschwommenen Kameraaufnahmen und Grobstrichzeichnungen eines Ur-Clowns in einem alten Buch wird die Kreatur zum Kinderfresser stilisiert, was der Handlungsablauf folgerichtig aufgreift und immer wieder Kinder in akute Gefahr bringt (womit auch die 18er-Freigabe erklärt wäre). Zweitens entwickelt sich daraus in zweiter Lesart die Geschichte eines Familienvaters mit pädophilen Tendenzen im Kampf mit seinen eigenen Dämonen. Sexuelles Verlangen wird einfach gegen ein vampirisches Hungergefühl auf junges Menschenfleisch ersetzt und schon verfügt „Clown“ über eine unerwartete zweite Ebene, die man ihm anerkennend zugestehen muss.
Es geht also sicherlich noch mutiger, aber diesem Film müssen unbedingt weitere Ableger folgen; nicht einmal zwangsläufig als direktes Sequel, sondern gerne mit weiteren eigenständigen Projekten, die dem Clown weitere Facetten abzwacken.
Weitere Sichtungen:
Ninja Kommando
Als Parabel auf die Krisenzeiten nach einem Weltkrieg bedient sich der jugoslawische Film mit dem Rattenmenschen eines eher plakativen Bildes für die Wucherungen unter der Oberfläche einer von Verlusten gebeutelten Gesellschaft. So plakativ wie das gewählte Bild ist die Inszenierung allerdings nicht; dass es sich um einen Horrorfilm handeln möge, wird erst sehr spät und selbst dann nur andeutungsweise klar. Die Kreaturen sind nicht menschenunähnlich genug, um klar und deutlich als Filmmonster bezeichnet zu werden. Vielmehr kennzeichnen sie sich durch rattenhafte Gesichtszüge und ein ebensolches Verhalten hinter einer Fassade der fröhlichen Gemeinschaftsbildung.
Wie Ivica Vidović im langen Mantel durch die tschechischen Kriegsruinen streift und Türen aufstößt, um unvorstellbare Geheimnisse zu bergen, hat etwas von den paranoiden Filmen Roman Polanskis in den 60er und 70er Jahren; wenn eine der Kreaturen auf den gerade entdeckten Schnüffler zeigt und seine Artgenossen auf ihn aufmerksam macht, ist aber auch der Invasionsfilm der 50er nicht mehr fern („Invasion Of The Body Snatchers“). Trostlose, spröde Farbfilter fangen die Nachkriegsstimmung gekonnt ein, die durchaus eindrucksvollen Sets zeigen meist verwüstete Schauplätze, die für große Menschenmengen konzipiert sind, sich hier jedoch meistens als menschenleer erweisen – es sei denn, die Rattenmenschen kriechen in der Nacht aus ihren Löchern und verwandeln die Lokalitäten in bizarre, unwirkliche Feste.
Dass die Lösung des „Rattenproblems“ in die Entwicklung eines „Anti-Ratten-Sprays“ mündet, passt dann wieder zur fabelartigen Prämisse - die Mad-Scientist-Elemente verdeutlichen in gewisser Weise die Sehnsucht nach einer einfachen Lösung eines in der Realität höchst komplizierten Sachverhalts. Diese ungewöhnliche Mischung aus Subtilität und ungehemmter Auslebung klassischer Horrorfilm-Motive lässt den „Rattengott“ für Freunde des originellen Trash und des historischen Creature Features ebenso interessant erscheinen wie für jene, die politische Parabeln wie „Animal Farm“ und politische Thriller wie „Die Unbestechlichen“ schätzen.
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Poltergeist
Selbst die Simpsons haben ihre alte Röhre gegen einen Flachbildfernseher ausgetauscht, warum sollen Poltergeister es ihnen also nicht gleichtun. Einen echten Mehrwert bietet der Bezug auf moderne Technologie allerdings nicht. Als viel bestimmender erweist sich das suburbane Setting, in dem die Handlung angelegt ist, und hier spricht das Remake dem Original nach dem Mund. Das Panorama der Neubausiedlung sieht schon sehr nach retrospektiver Huldigung aus, nicht nach Renovierung.
Dabei wird nicht einmal die Mühe aufgebracht, sich allzu tief mit dem Ursprung der Heimsuchung zu beschäftigen. Gil Kenan liegt mehr daran, das Haus im Sinne des von ihm inszenierten Animationsfilms „Monster House“ zur Trickfalle umzugestalten, was nicht immer eben zu gruseligen Ergebnissen führt. Denn der Weg zum erlösenden Moment ist stets derselbe: Lange Kameraeinstellung auf eine halb offene Tür, Schnitt ins Gesicht, Schnitt zur Tür, langsame Veränderung des Blickwinkels, Schnitt ins Gesicht, Schnitt in den Raum, Schockeffekt. Einige der Einfälle mögen originell sein, meist fehlt ihnen aber die Substanz, ganz besonders bei den aus dem Nichts geschälten Reminiszenzen an das Original, etwa der CGI-verseuchten Baumattacke oder der Variation der Spiegelszene, die diesmal in der Reflektion eines Wasserhahns stattfindet. Die Kamerafahrt durch die Geisterdimension indes ist ein schmerzhafter Rückfall in die Ära der Computerrevolution, nur heute eben ohne die Entschuldigung, dass man Möglichkeiten eben noch erkunden müsse. Von anbiedernden Gimmicks wie hässlich grinsenden Clownspuppen mit dem Design jüngster Kassenerfolge möchte man gar nicht anfangen.
Wenn man irgendwo Pluspunkte oder wenigstens eine Beibehaltung des Anspruchs erwarten darf, dann im Casting. So liefert gerade Sam Rockwell gemessen an den Erwartungen eine sehr gute Leistung. Die Mischung aus gespielter Selbstsicherheit und finanziell begründeter Unsicherheit lässt ihn von Beginn an interessant wirken und bereitet klug auf die Phase des Films vor, in der er seine verschwundene Tochter zurückzuholen versucht. Verzweiflung und Trauer kommen hier wegen der funktionierenden Einführung angemessen zur Geltung. Rosemarie DeWitt hat eine ebenso natürliche Ausstrahlung wie einige der Darstellerinnen aus der Zeit des Originals, vergleichbar mit einer Karen Allen oder eben JoBeth Williams. Für Jared Harris war es sogar ein Leichtes, in die Fußstapfen von Zelda Rubinstein zu treten, zumal seinem auch nicht gerade neuartigen TV-Geisterjäger eine augenzwinkernde menschliche Seite zugezimmert wird. Und Kennedi Clements fehlt zwar als jüngste Tochter die geisterhafte Ausstrahlung Heather O’Rourkes, hat aber das größere schauspielerische Talent, auch wenn man sich später an sie wegen der fehlenden Relevanz dieses Films nicht mehr im gleichen Maße erinnern wird.
Reicht trotzdem nicht, um in Erinnerung zu bleiben. „Poltergeist“ made in 2015 wird wohl eine Halbwertzeit von zwei oder drei Jahren haben; danach legt man vornehmlich wieder 1982 ein.
Open Windows
„Open Windows“ ist ein zweifellos ambitionierter, jedoch heillos überfrachteter Hi-Tech-Thriller nach Maßvorgabe von Alfred Hitchcocks „Das Fenster zum Hof“. Der verbissene Versuch, das nächste Level zu erreichen, macht sich einmal in einer höllisch schnellen Abfolge von Plottwists bemerkbar; das besondere Innovationsstreben legt sich aber in dem Umstand nieder, dass die gesamte Geschichte über Videofenster („Open Windows“) erzählt wird. Das führt zu kameratechnischen Herausforderungen auf multipler Ebene und lässt sich als hochinteressantes Experiment lesen, das in letzter Instanz jedoch immer scheitern muss; schließlich läuft das menschliche Auge immer andere Wege als die Kamera.
Blickwinkel, Perspektiven-Koordination und Umschaltung spielen für den spanischen Regisseur dennoch eine große Rolle. Vielleicht sogar die einzige, denn Elijah Wood verschwindet hinter den digitalen Fenstern regelrecht und übt schauspielerisch wenig Einfluss auf das Ergebnis aus.
Die Aussage über die Nutzung von medialen Technologien sollte deutlich sein. Der Transparenz der Bilder, die ein erschreckendes Szenario nicht vorhandener Privatsphäre simulieren, steht eine Ungreifbarkeit von Bildern entgegen, die es nicht erlauben, in die handfeste Realität einzudringen, sondern alles immer nur durch digitale Transfers zu erfahren, die von zahllosen Störquellen eingeschränkt werden; ein Umstand, der die Sichtung latent unangenehm wirken lässt.
„Open Windows“ funktioniert also ausschließlich über die demonstrative Ebene und verfällt so dem Trugschluss, dass man etwas am besten nahe bringt, indem man es auf einem Video vorspielt. Irrtum, auch wenn der Versuch aller Ehren wert ist.
Wrong
Eine äquivalent ins Gegenteil versetzte Welt ist schon rein physikalisch nicht vorstellbar. Klingt irgendwie nach Stoff für Quentin Dupieux? Den „Rubber“-Regisseur scheint es jedenfalls gereizt zu haben, sich mit der Unvorstellbarkeit vertauschter Gesetzmäßigkeiten zu befassen. Szenenweise liefert er dadaistische Kompositionen und Situationen in einer Kette, begonnen bei einem von Dupieux’schen Manierismen bereits sehr eingenommenen Bild eines auf die Straße scheißenden Feuerwehrmannes neben einem brennenden Haus bis zu seiner schließenden Klammer, der Egoperspektive eines Kothaufens, der sich den Weg aus einem Hundedarm auf den Rasen bahnt.
All dies sowie Dinge mit geringerem Ekelfaktor fängt Dupieux mit der Nüchternheit einer Art poetisch-realistischen Nonsenskinos ein, in dem wenig gesprochen und viele Blicke gewechselt werden. Und weil ein verdrehtes Paralleluniversum mit regnenden Büros und smalltalkenden Pizzabestellannehmerinnen in nahtloser Form nicht zu bekommen ist, wirkt „Wrong“ eben auch ein wenig wie ein experimenteller Rohschnitt, zugunsten eines Höchstmaßes an künstlerischer Integrität.
Dass dabei trotzdem ein so emotional greifbarer Film entsteht, ist bemerkenswert. „Wrong“ ist eben auch das Gegenteil einer Filmwelt, in der Haustiere normalerweise den Zweck eines Opferlammes erfüllen und nicht selten ihr Leben lassen, um dem Protagonisten zu einer Wandlung zu verhelfen.
Als Seltsamkeit nicht mehr so symbolkräftig wie „Rubber“, aber noch geistreicher ist diese Irrfahrt durch die Irrzüge menschlicher Vorstellungskraft geraten.
00 Schneider – Im Wendekreis der Eidechse
Schneiders Werke entschwinden zunehmend in die absolute Ereignislosigkeit, so wie sich eine immer langsamer werdende Zeitlupe der Nullgeraden einer Pause-Einstellung annähert. Eine komödiantische Vorhölle des Wartens auf die Pointe, die nicht geschieht, oder wenn doch, dann aus einer ganz anderen Richtung als erwartet. „00 Schneider“ - Eine Fortsetzung dem Namen nach, werkelt der eigenbrötlerische Komödiant gezielt Edgar-Wallace’sche Motive und andere aus dem deutschen Film der 60er Jahre heraus und labt sich an ihrer Altbackenheit. Was der Zuschauer alles ertragen muss, wenn er fade Miethauseinrichtungen, lächerlich zischende Echsenmenschen und natürlich das Getänzel des Meisters im Trenchcoat zu Gesicht bekommt… selbst für Erprobte des Seiltänzers zwischen hoher Kunst und Mühlheim-Klamauk ist das harter Tobak. Zur Reflektion indes bekommt man allerlei Gelegenheit, die sich durch ellenlange Einstellungen bietet, in denen schlichtweg nichts geschieht. Zumindest auf der Leinwand nicht; im Inneren des Zuschauenden sieht es da schon anders aus.
The Imitation Game
Eine Geschichte, die ohne Frage erzählt werden musste – mehr jedenfalls als einige Musikerportraits. So fasziniert „The Imitation Game“ schon aufgrund seiner besonderen Prämisse, die über reinen Personenkult weit hinausgeht und sich davon im Film auch deutlich distanziert. Die Erfindung überdauert den Erfinder, so lässt sich mit einigen Abstrichen die Quintessenz ablesen, doch sei dem Erfinder dennoch gedankt und gehuldigt für seine Verdienste. Das wenigstens ist die moralische Auflösung. Musste der gewählte Grundton aber, Verschlüsselungsmaschine hin oder her, so kalkulatorisch sein? Schrecklich penibel wird die Laufzeit zwischen der menschlichen Erkundung Alan Turings und seiner wissenschaftlichen Errungenschaft aufgeteilt, um bloß beide Präferenzen angemessen zu bedienen. Benedict Cumberbatch ist toll, wird aber dadurch zum Spielball des Drehbuchs, zumal sich die optische Ausrichtung nicht unwesentlich an der John-Nash-Biografie „A Beautiful Mind“ bedient. Politische Korrektheiten gehen so Hand in Hand mit Maßstaberfüllung und stilistischer Risikounfreudigkeit. Dass bei dieser eher ungünstigen Kombination dennoch ein recht ansehnliches Werk zustande kommen konnte, liegt tatsächlich vorwiegend an der schauspielerischen Zusammenstellung, die außer Cumberbatch noch einige andere hochkarätige Darsteller in Nebenrollen vorweist, die für eine spannende Dynamik im Hintergrund sorgt, mit welcher die Figur des Alan Turing überhaupt erst präsentabel angeleuchtet wird. Das lässt die mit 14 Millionen Dollar Budget schon fast als Indie zu bezeichnende UK-Produktion trotz ihrer synthetischen Merkmale immer noch sehenswert erscheinen.
Clown
Dass coulrophobische Horrorfilme fast immer scheitern, liegt weniger am Stoff als an der meist wenig ambitionierten Herangehensweise in den entsprechenden Produktionen, birgt der Clown als Gruselgeschöpf doch im Grunde nicht weniger Potenzial als etwa der bis zur Erschöpfung verfilmte Vampir: Er treibt eine bis ins Karikaturistische verzerrte Eigenschaft des Menschen auf die Spitze und präsentiert sie als Deformation, die man ebenso gut witzig wie unheimlich finden kann. Daraus lässt sich womöglich mehr formen, als sich Filmstudios und Publikum vorstellen können.
„Clown“ unterscheidet sich von seinen meist trashigen und exploitativen Artgenossen in erster Linie durch den Ernst, mit dem er sein Sujet angeht – und hat relativ leichtes Spiel dabei, einen neuen Weg zu gehen. Leichtes Spiel deswegen, weil die Roth-Produktion vom Aufbau her immer noch bequemer Baukasten-B-Horror mit konventionellem Plotaufbau ist, der wenigstens diesbezüglich relativ enttäuschend ausfällt. Was in diesem Fach mit etwas mehr Mut noch möglich wäre, zeigt beispielsweise „Balada Triste de Trompeta“ aus Spanien, der seine tragische Figur in ein Wirrnetz verfrachtete, dessen Ausgang man als Zuschauer unmöglich vorhersehen konnte.
So aber teilt man sich nun ein Universum mit Hochglanz-Monster-Movies der zweiten Reihe, denen von einem Spezialpublikum durchaus Anerkennung zuteil wurde, etwa dem letzten „Chucky“. Das macht auch die Anwesenheit eines B-Urgesteins wie Peter Stormare (der jüngst im innovativen Videospiel-Slasher-Movie „Until Dawn“ bereits mit sublimen Clownsmotiven in Berührung kam) nachvollziehbar.
Aber man schleppt sich gerade so durch das mit Pflichtszenen gespickte Drehbuch und legt jede Hoffnung in die Transformation des Clowns. Mit einem mächtigen Zufriedenheitsgefühl immerhin in den letzten Szenen, denn die letzte Verwandlungsstufe befriedigt die Erwartungen an grelldüstere Bizzarerie mit einem an die „Hellraiser“-Filme erinnernden Creature Design.
Obwohl Jon Watts ansonsten leider nur wenig mit der Unbehaglichkeit beim Anblick der übertriebenen Mimik eines Clowns spielt – dazu hat Hauptdarsteller Andy Powers auch schlichtweg ein zu freundlich-rundes Gesicht – arbeitet er seinen Film gleich in zweierlei Richtung aus. B-Horror-typisch wird einmal eine Clowns-Mythologie entwickelt. Untermauert mit verschwommenen Kameraaufnahmen und Grobstrichzeichnungen eines Ur-Clowns in einem alten Buch wird die Kreatur zum Kinderfresser stilisiert, was der Handlungsablauf folgerichtig aufgreift und immer wieder Kinder in akute Gefahr bringt (womit auch die 18er-Freigabe erklärt wäre). Zweitens entwickelt sich daraus in zweiter Lesart die Geschichte eines Familienvaters mit pädophilen Tendenzen im Kampf mit seinen eigenen Dämonen. Sexuelles Verlangen wird einfach gegen ein vampirisches Hungergefühl auf junges Menschenfleisch ersetzt und schon verfügt „Clown“ über eine unerwartete zweite Ebene, die man ihm anerkennend zugestehen muss.
Es geht also sicherlich noch mutiger, aber diesem Film müssen unbedingt weitere Ableger folgen; nicht einmal zwangsläufig als direktes Sequel, sondern gerne mit weiteren eigenständigen Projekten, die dem Clown weitere Facetten abzwacken.
Weitere Sichtungen:
Ninja Kommando
Takeshi Kitanos Dolls
Kitano scheut das Klischee nicht, wenn er ein Paar nicht nur seelisch, sondern sogar körperlich durch ein Seil verbunden zeigt, wie es einmal quer durch alle vier Jahreszeiten wandert; Kirschblütenbäume, leuchtende Herbstblätter und blutrote Kimonos im weißen Schnee inbegriffen. Gleiches gilt für die beiden anderen Handlungsstränge des Episodenfilms, der obendrein von einem Puppenstück geklammert wird, das jegliches Geschehen aufbauschend symbolisiert.
Und trotz der gellenden Bildsprache und der ungewöhnlichen Geschichten ist „Dolls“ nicht einfach nur hübscher Postkartenkitsch. In unserer postmodernen Gesellschaft böte Kitanos Episodenwerk Stoff für eine kleine TV-Reportage mit dem obligatorischen 5-Minuten-Mitgefühlseffekt bis zur nächsten Werbepause, doch der Regisseur lässt sämtliche Situationen für sich wirken und verleiht ihnen ein Selbstentfaltungsrecht, indem er der Intension einer Szene nicht seinen Stempel aufdrückt – mit dem Resultat, dass die emotionale Wirkung im hohen Maße vom Betrachter abhängt und Genrezuweisungen somit verschleiert werden.
Der drohenden Romantisierung des Schicksals der Beteiligten wirkt Kitano zudem immer wieder mit skurrilen Einfällen entgegen, die nicht selten auch komödiantisch verstanden werden können und somit den tragisch-melancholischen Grundton auflockern. Denn den vermeintlichen Opfern wird nicht etwa bedingungsloses Mitleid entgegen gebracht, sondern sie haben den Umgang mit ihrem Schicksal dem Film gegenüber ebenso zu verantworten wie der Umgang der Nebenfiguren mit den Opfern.
Trotz fehlender Gewaltspitzen, eines verminderten Grades an filmischem Realismus und einer gleichzeitigen Erhöhung des Abstraktionsgrades mit Sicherheit einer der eindringlichsten Kitano-Filme, weil man die absurden Ausgangssituationen der drei Geschichten zum Anlass nimmt, über Teile der eigenen Lebensweise nachzudenken.
Focus
Der hochglänzende, augenwischende Look passt nicht nur zu Will Smith, sondern auch zur Thematik: Das zwischen Heist Movie und Love Story pendelnde Werk des Filmerduos Glenn Ficarra und John Requa („Crazy, Stupid, Love“, „I Love You, Phillip Morris“) befasst sich in beiderlei Disziplin mit der Nahdistanztäuschung. Das beinhaltet einmal simplen Taschendiebstahl, der dann aber vornehmlich eine Metapher auf Zwischenmenschlichkeit unter Gleichgesinnten ihrer Branche darstellt.
Der soweit noch recht durchschaubare Plot wird dann mit allerhand Wendungen garniert und weiß so durchaus spannungsreiche oder doch wenigstens amüsante Szenen zu konstruieren, die sich meist jedoch als recht inhaltsleer erweisen. Unnützes Wissen spielt hier meist eine zentrale Rolle, Trivia mit hohem Unterhaltungs- aber geringem Nährwert. Oberflächlichkeiten werden durch reines Verstreuen von Informationen zur hohen Kunst erklärt. So langt „Focus“ in seinen besten Momenten an die großen Gaunermomente aus Filmen wie „Ocean’s 11“, „Now You See Me“ oder der Schnitttechnik wegen auch „Out Of Sight“; meist jedoch ist er ein stets etwas zu brillant scheinendes Starvehikel, dem etwas weniger Schliff zu mehr Charme und Tiefe verliehen hätte.
Solarfighters
Wie auch heute noch unschwer zu erkennen, ist „Solarfighters“ filmhistorisch als unbeholfener Versuch zu werten, mit den großen SciFi-Epen mitzuhalten und in damalige Jugendtrends einzubetten: Ein bisschen Star-Wars-Produktionsdesign, jede Menge „Mad Max III“-Wüstenstaub, ein Kinostart zusammen mit „Star Trek“… und Rollerblades waren zehn Jahre nach „Rollerball“ immer noch angesagt, wie beispielsweise der ebenfalls 1986 gestartete „Roller Blades“ untermauert. Die „Goonies“ (1985) lassen in Sachen Jugend-Abenteuer grüßen und eine leuchtende Kugel namens „Bohdi“ wird mit „Nach Hause telefonieren“-Umwobenheit als Energie-McGuffin ins Zentrum gelegt.
Klingt nach Trash, der mit der Zeit spannende Wucherungen gebildet haben könnte. Tatsächlich nerven aber immer noch die gleichen Dinge, die wohl auch damals schon abwinken ließen: ein schwaches Drehbuch und klaffende Schwankungen im Erzählton (für Kinder zu trocken und für Erwachsene viel zu kindisch) lassen die Früchte gereifter B-Ware aus vergangenen Jahrzehnten zu hoch wachsen, als dass man sie ernten könnte.
Big Eyes
Nein, ganz der Alte ist Tim Burton immer noch nicht. Der Vorspann mit seiner Bebilderung von maschineller Posterfertigung ist in seiner Montage längst ein Klischee; ebenso haftet der gesamten Handlung der Mief einer blassen Biografieverfilmung mit dem seichten Ausklang eines mittelklassigen Gerichtsdramas an. Eindrücke von Belanglosigkeit lassen sich auf den ersten Blick auch nicht mit den fenstergleichen Augen der Figuren in den Bildern wegwischen.
So wie sich die Hauptfigur durch die Umstände gezwungen sieht, irgendwann ihren Stil zu ändern, darf man aber immerhin auch Burton zugestehen, sich einigermaßen erfolgreich von seinem essentiellen Lebenswerk des verdrehten Düstermärchens zu emanzipieren. „Big Eyes“ erscheint trotz seiner offensichtlichen Abgründe hell und nimmt das Leben erstaunlich leicht. Die 50er und 60er Jahre werden zwar ansatzweise mit der radioaktiven Ironie versetzt, die man mit Burton am Steuer erwarten würde, dennoch gerät der Film nie zu überzeichneten Satire.
Das hindert einen Christoph Waltz jedoch nicht daran, sämtliche Reserven seines Gesichtsbereichs aufzudrehen. Immer wieder überrumpelt er die Szeneneinstellungen mit übergangslosen Grimassen, die in ihrer Schnelligkeit mitunter so sehr überraschen, dass man unweigerlich auflachen muss. Er ist das Herzstück des Filmes mit seiner absolut gewissenlosen Figur, die zwar einerseits typisch für den Darsteller ist, andererseits ihren Schaustellerzweck brillant erfüllt. Amy Adams agiert passend dazu als graue Maus ohne Selbstvertrauen, was dem verzwickten Verhältnis der Beiden Glaubwürdigkeit beschert.
So füllt sich das doch sehr schematische Handlungsgerüst sukzessive doch noch mit anfangs für unmöglich gehaltener Tiefe, die sich unheimlicherweise sogar in den Bildern widerspiegelt. Vor dem konsensfähigen Ende erheben sich immerhin Themen wie Künstleridentität, Kommerzialisierung und emotionale Unterdrückung zu einem bitteren sozialen Kommentar.
Dressed To Kill
Dass Brian De Palma gern im Schatten Hitchcocks fuhrwerkte und ihm damit oft auf plakative Art und Weise huldigte, ist längst keine exklusive Meinung. „Dressed To Kill“ ist ein absolutes Extrembeispiel dessen. Von der Auswahl der Locations (Dusche, Hotel) über die Schnitttechnik in den Mordszenen und die Psychologisierung des Mörders selbst bis hin zum strukturell ungemein wirkungsvollen Austausch der Hauptfigur nach einem Drittel Spielzeit wird insbesondere „Psycho“ auf einer Vielzahl von Ebenen nachgestellt. Dabei geht De Palma immer einen Schritt weiter als Hitchcock; während jener dem Zuschauer durch verschiedene Mittel der Filmkunst gerne suggerierte, etwas gesehen zu haben, das er tatsächlich nie sah, filmt De Palma die Szenen aus der Vorstellungskraft des Zuschauers ab und fügt sie schamlos in seinen Film ein. Detailreiche Mordszenen von fast schon Argento’scher Prägung überraschen, fast mehr noch die explizite Nacktheit, mit welcher die Eröffnung stattfindet.
Die Wirkung bleibt davon natürlich nicht unberührt. Obwohl einige Szenen in der Montage absolut meisterhaft umgesetzt sind (als Highlight ist die völlig dialogfreie, über Close Ups und Schnitte in Blickrichtung zusammengestellte Galerie-Sequenz herauszuheben, aber auch die Attacken des Killers sind allesamt handwerklich als exquisit zu bezeichnen), haftet dem Film etwas Obszönes an. Man möchte ihn nicht in einer Liga mit einem originalen Hitchcock wissen, zumal De Palma das Inhaltliche eklatant schleifen lässt und somit wiederum einem Argento gleich den Stil über die Substanz erhebt. An der Verschleierung der Identitätslüftung des Killers zeigt der Regisseur ebenfalls kein besonderes Interesse; etwaige Verwischungsversuche seiner Identität, etwa doppeldeutige Textzeilen oder verschwommene Gesichtsaufnahmen bei der Tat, werden halbherzig umgesetzt und verdecken damit genauso wenig wie ein transparentes Kleid, was den verruchten Ton sogar nochmals verhärtet.
Leugnen lässt sich allerdings nicht, dass „Dressed To Kill“ bei aller Grobschlächtigkeit und fehlenden Originalität als durchaus sinnlich und extrem spannend empfunden werden kann. Wie sehr die Einstufung dieses erotischen Thrillers eine Glaubensfrage ist, zeigen nicht zuletzt die Auszeichnungen und Nominierungen für verschiedene Preise und Anti-Preise. Sie dokumentieren ein Hadern der Kritik mit der eigenen Position zu diesem Epigon, der wahrhaft widersprüchliche Gefühle provoziert.
Oculus
Dass “Oculus” auf einem Kurzfilm basiert, ist noch an den Nähten sichtbar. Ein Mann und sein Antlitz in einem unheimlichen Spiegel – eine solche Lovecraft’sche Intimität weiß Mike Flanagans Langspielumsetzung seiner eigenen Vorlage allenfalls in der Rückschau zu erzeugen, in welcher nachgezeichnet wird, auf welche Wege es das mysteriöse Einrichtungsstück Zeit seiner Existenz verschlagen hat und welche Schicksale es dabei besiegelte.
Dass um diese recht einfache Basis ein Konstrukt aus Zeit- und Realitätsebenen gespannt wird, ist eben ein deutliches Anzeichen dafür, dass das Drehbuch um einen harten Kern herum expandieren musste. Doch das gelingt überraschend gut: Die Erzählung steht einem attraktiven Look und gruseligen Sequenzen nie im Wege, ja, im ausgedehnten Finale sorgt sie sogar für frische Impulse bei der Schnitt- und Montagetechnik, wenn die parallel laufenden Handlungsstränge aus Vergangenheit und Gegenwart endgültig miteinander verschlungen werden.
Wenn Rory Cochrane und Katee Sackhoff als Eltern im Vergangenheitsstrang agieren, ist eine faustdicke Distanz spürbar. Interaktion mit dem Zuschauer findet ihrerseits praktisch nicht statt, was ein angemessen gespenstisches Flair verursacht. Die Gegenwart um deren erwachsene Kinder Karen Gillan und Brendon Thwaites hält hier nicht ganz mit, weil ihre Beziehung zueinander zu offensichtlich auf einen Twist ausgelegt ist und die Konstruiertheit damit offen zutage tritt. Doch insgesamt ist „Oculus“ weit mehr als das durchschnittliche Horror-B-Movie. Die hochwertige Machart, das ungewöhnlich komplexe Drehbuch, die wirklich unheimlichen Geistererscheinungen und nicht zuletzt das effektiv durchgehaltene Prinzip von „Suspense over Gore“ machen ihn zum Geheimtipp.
Alles steht Kopf
Einen originellen Weg hat das Studio ja endlich mal wieder gefunden, um animationsfilmtypisch dem entzaubernden Realismus aus dem Weg zu gehen – wenn man schon im Tierreich keine ungerupften Felder mehr vorfinden kann, so zieht man sich einfach in den menschlichen Kopf zurück, der bequemerweise auch gleichzeitig Hauptadressat eines jeden Pixar-Films ist mit seinen aufs Einfachste heruntergebrochenen Emotionen Freude, Angst, Wut, Trauer und Sidekick Ekel. Was hätte aus dieser Abstraktion des endlos Komplexen für ein Feuerwerk hervorgehen können. Die Ideen sprießen bei der bloßen Vorstellung. Keine Frage, konzeptionell hat man nach wenig risikofreudigen Sequels („Toy Story 3“, „Cars 2“, „Die Monster Uni“) und einer konservativen Abenteuergeschichte („Merida“) nochmal einen Volltreffer gelandet.
Obwohl man das Design der „Emoticons“ in der Steuerzentrale Kopf mit seinen leuchtenden Farben und den fransigen Konturen als fragwürdig bezeichnen kann, zeigt das Animationsteam bei der Bebilderung des Innenlebens eines Mädchens durchaus spannende Ansätze. Das an „Oben“ erinnernde prologartige Schildern der ersten Jahre gehört einmal mehr zu den Highlights, da es gelingt, viele Informationen und Gags in wenige Minuten zu packen und dabei trotzdem so etwas wie familiäre Wärme auszuströmen.
Je weiter die Handlung jedoch voranschreitet, desto größer bläst sich ein kaum zu ignorierendes Problem auf: Nicht immer wird „Alles steht Kopf“ mit der vereinfachten Darstellung beispielsweise von Murmeln, in denen Erinnerungen gespeichert sind, den komplexen kognitiven Abläufen im Gehirn gerecht. So bekommt man das Gefühl, es werde nicht das ganze Wesen der Hauptfigur gezeigt. Es sind eher einzelne Verrücktheiten, die zu einem gelungenen Gesamtbild beitragen, etwa ein völlig absurder imaginärer Freund aus der Kindheit, der in mancher Weise an die psychedelische Traumszene aus „Dumbo“ erinnert. Auch die (viel zu seltenen) Ausflüge in die Gedanken anderer Charaktere überzeugen stets mit der sprühenden Präsentation von Typen-Klischees. Mehr als es die etwas zähe Gedankenwelt-Konstruktion eigentlich zulässt.
Schuld daran sind vielleicht auch Chef-Emotion Freude und ihre anders gestimmten Freunde; das identitätslose Gewusel einer Minions-Schar lassen sie natürlich als ausformulierte Charaktere weit hinter sich, doch obwohl die Interaktion der Emotionseinheiten miteinander stark im Vordergrund steht, scheint sie kaum ausgearbeitet zu sein. Insbesondere eine Frage stellt sich: Warum agieren alle so bedingungslos fürsorglich miteinander? Hätte eine komplementäre, aber Unterschiedlichkeiten durch Rivalitäten stärker betonende Umgangsform gegensätzlicher Emotionskörper nicht mehr Feuer ins Drehbuch gebracht – und in letzter Instanz ironischerweise mehr Emotionen?
Für die Grundidee muss man Pixar im Gegensatz zu ihren letzten Ergüssen loben, aber in der Umsetzung ergeben sich doch manch fragwürdige Entscheidungen. Im Abgang ein ähnlich zwiespältiges Erlebnis wie „Oben“.
Deliver Us From Evil (2009)
Tja, mehr ist nicht passiert, meint die als Meta-Host fungierende Sonja Richter kurz vor dem Abspann schulterzuckend. So ist das eben mit dem Menschen, seiner Xenophobie und der Rudelbildung. In Gruppen fällt der Verstand eines jeden Einzelnen mit dem Domino-Effekt, wobei sich Ole Bornedal in „Deliver Us From Evil“ ganz spezifisch der explosiven Kombination aus Ländlichkeit, Gläubigkeit und Kriminalität annimmt und ein ums andere Mal ein Lämpchen im Inneren des Zuschauers anschmeißt, das ihn in einem Anflug von Scham für Seinesgleichen zu Boden starren lässt.
Gleichwohl übertritt der Regisseur an mancher Stelle die Grenze ins Karikaturistische. Letztlich artet der Film mit altbekanntem „Straw Dogs“-Aufbau in Dimensionen aus, die eher einem Guy Ritchie gut zu Gesicht stünden, als sich Bitterkeit und Brutalität allmählich zu überzeichnen beginnen; dabei misst man sich von der Anlage her eigentlich mit feinfühligen Dramen wie „Jagten“ von Thomas Vinterberg.
Die Besetzungsliste allerdings erfreut mit der Risikobereitschaft, einen Stand-Up-Comedian zum Hauptdarsteller eines bleischweren Dramas zu machen; Lasse Rimmer agiert jedenfalls so überzeugend, als habe er nie etwas anderes gemacht. Neben ihm sticht vor allem Jens Andersen als überhitzender Plot-Katalysator auf, an dessen Figur sich das Monströse ebenso leicht ablesen lässt wie das Menschliche dahinter.
Kalt lässt es jedenfalls nicht, wenn einmal mehr ein Sündenbock wegen seiner Andersartigkeit und Gutmütigkeit Opfer eines Lynchmobs wird. Manches Klischee im Aufbau und die nach hinten heraus übersprudelnde Kausalkette schwächen die Intensität jedoch deutlich ab.
Black Out – Anatomie einer Leidenschaft
Nicolas Roegs Wien-Film - eine fast noch intensivere Erfahrung als sein berühmtes Venedig-Werk “Wenn die Gondeln Trauer tragen”. Entscheidend angetrieben vom Zusammenspiel des Musikers Art Garfunkel und der damals noch unerfahrenen Schauspielerin Theresa Russell, lässt der Regisseur einmal mehr die Spontaneität walten und setzt sie zu einem Mosaik zusammen, bei dessen Montage Unsauberkeiten nicht nur billigend in Kauf genommen, sondern regelrecht herbeigeführt werden.
„Bad Timing“ ist folglich ein Originaltitel, der in jeder Hinsicht passt. Eine „Anatomie“, wie im deutschen Begleittitel vorweggenommen, ist die rückwärts gewandte Erzählung ebenfalls, obwohl ja gerade das Klinisch-Saubere, das man mit diesem Begriff verbindet, nicht zutrifft. Im Schwenk begriffen verschneidet Roeg immer wieder die hektische Gegenwart, die von einer Notfallsituation bestimmt wird, mit Fetzen einer Rekonstruktion des Tathergangs. Lässt vor allem die Drehorte Bedeutung nehmen mit ihren meist als Zwischenwelten gestalteten Sets (Grenzzölle, Treppenhäuser), auf denen meist Abschiede gefeiert werden. Schickt die Künstler des Soundtracks in einen Meta-Dialog, um die jederzeit zum Scheitern verdammte Handlung zu kommentieren.
Kein Wunder, dass die zeitgenössische Kritik überfordert war, stellen sich die Inhalte doch hauptsächlich wegen der strukturellen Herangehensweise als so obszön und schmutzig-intim dar. Jahre später entfaltete sich erst der wahre Wert dieser verschlungenen Beziehungstragödie. Das richtige Timing ist heute.
Hannibal – Season 3
Vorbei ist der - mindestens audiovisuell - wohl wichtigste Beitrag zu dieser goldenen Ära der TV-Serien. Zum Abschluss verdammt durch das banale Argument fehlender Quoten, müsste man angesichts der überragenden Qualität eigentlich wütend sein, dass Bryan Fuller sein ursprünglich breiter angelegtes Konzept nicht bis ins letzte Detail ausformulieren konnte. Warum aber empfindet man nach dem Season-Finale eine vollumfängliche Zufriedenheit, wie sie nach Serienabschlüssen nur äußerst selten anzutreffen ist?
Einerseits muss man die dritte Staffel wegen ihrer Hektik klar als die schwächste bezeichnen. Zumindest die überwiegend an den Florenz-Plot aus „Hannibal“ angelehnte erste Filmhälfte leidet eklatant unter der storybedingten Sprunghaftigkeit. Einer ursprünglich sorgsam charakterisierten Figur wie Inspektor Pazzi geht jede Tiefe ab, ikonische Szenen des Ridley-Scott-Films werden bloß zu ästhetischen Zwecken ausgeschlachtet, der Mainplot mäandert unfokussiert vor sich hin, um insbesondere Gillian Anderson mühsam weiter in den Mittelpunkt zu rücken.
Besser wird es erst mit dem Auftreten Richard Armitages. Die Intensität, mit der er den Roten Drachen verkörpert, muss sich vor den Filmvorläufern keineswegs verstecken. Mit zurückgenommener Art verströmt er dennoch eine beunruhigende Aura und definiert mühelos Unscheinbares in Monströses.
Vor allem aber leitet er ein Finale ein, das sich gemessen an den Umständen so befriedigend anfühlt wie der letzte Haken an der Rundung einer schließenden Klammer. Fuller mag sich hier vielleicht teilweise der Publikumssehnsucht nach emotionalem Bombast opfern, liefert im Umkehrschluss aber eine Gänsehautpointe für die komplex-fragile Beziehung zwischen Mikkelsens immer noch großartigem Lecter und dem immer besseren Hugh Dancy als Will Graham, so dass man zu zweifeln beginnt, ob Fullers weitere Überlegungen überhaupt zu einem zufriedenstellenderen Abschluss geführt hätten.
So hätte man dem Inhalt der dritten Staffel allenfalls die Gelegenheit gewünscht, seine pralle Masse über zwei Staffeln verteilen zu können. Doch ging Hannibal, wie er kam: Einzigartig stilvoll.
Mad Dogs – Season 1 (US Remake)
Vier Touristen stolpern im paradiesischen, aber gefahrenreichen Belize von einer dummen Situation in die nächste. Bedingt durch Zufälle und eigene Dummheiten reitet man sich immer tiefer rein, und das, wo der Flieger heimwärts doch eigentlich so nah ist… ein Konzept, das in der britischen Originalserie immerhin seit vier Staffeln funktioniert, wurde im US-Remake der Amazon Studios auf eine abgeschlossene Staffel mit 10 Folgen begrenzt. Angenehm, in dem Überangebot an hochkarätigen Serien eine zu finden, die man auch einfach mal nebenbei wegsnacken kann.
Stark besetzt mit Steve Zahn, Michael Imperioli, Romany Malco und dem schon im Original (in anderer Rolle) auftretenden Ben Chaplin, funktioniert „Mad Dogs“ vornehmlich über die eigentümliche Dynamik zwischen den vier (vermeintlichen?) alten Freunden, die auf dem schönen Fleck Erde in Mittelamerika einen weiteren alten Freund (Billy Zane) besuchen und nach und nach in eine Bredouille mit fortwährender Abwärtsspirale geraten.
Um zu verdeutlichen, wie nah Normalität und Wahnsinn zusammenstehen, eröffnet man mit einer aus dem Zusammenhang gerissenen Sequenz, die suggeriert, dass alle Vier letzterem erlegen sind: Grellweiß geschminkt und mit bunter Kleidung geschmückt, sprinten sie Jagdrufe jauchzend, Macheten schwingend und Pistolen zückend wie Wilde durchs kniehohe Gras. Ein Moment, der in der Mitte der Handlung dann wieder aufgegriffen wird und letztlich nur ein Pigment aus einem ganzen Panoptikum von Verrücktheiten wiedergibt, die durchlaufen werden.
Die Ereignisabfolgen werden vielleicht etwas zu episodisch abgespult und vermitteln so den Eindruck von Beliebigkeit; nach dem bereits temporeichen Piloten und einigen ersten What-The-Fucks fragt man sich bereits, was denn bis zur Aufklärung der ersten Missverständnisse alles noch passieren muss, um weitere neun Episoden zu füllen. Die Drehbuchautoren generieren nachfolgend eine Kettenreaktion, die immer neue Personen in die Handlung verwickelt und vermeintliche Haupt-Antagonisten zu bloßen Mittätern degradiert, um einen noch größeren Fisch aus dem Hut zu zaubern.
Sehenswert wird die Miniserie in erster Linie durch die dummen Blicke, mit denen das Hauptdarsteller-Quartett die Entwicklungen ihres Urlaubs quittiert. Insbesondere ein Steve Zahn ist mit seiner sehr typischen Art Gold wert und stellt nach „Treme“ (und dem Vernehmen nach „Mindgames“) unter Beweis, dass man Typen wie ihn einfach braucht. Als Fixpunkt ist er stark beteiligt an den Reaktionen der anderen drei, wobei Imperioli meist den Malträtierten spielt, Malco den Panischen und Chaplin den Grummelnden. Doch verbleiben die Schauspieler nicht in ihren Tendenzen und sorgen durchaus mal für Verhaltensüberraschungen, von denen der Storyverlauf auch ganz entscheidend abhängig ist, weil ihr Agieren einen direkten Einfluss darauf hat, was als nächstes geschieht.
Der Ton pendelt zwischen Verzweiflung und Galgenhumor, mit denen die Hochs und Tiefs angemessen vergolten werden. Manchmal hält die Serie mit ihrem insgesamt schnellen Erzähltempo sogar inne und nimmt sich Zeit für eine mythologische Ausleuchtung der Szenerie, wenn etwa das Auftauchen eines Tapirs aus dem Gebüsch oder ein ominöser Ziegenhirte wie ein seltsamer Fiebertraum erscheinen, mal ganz abgesehen von einer geisterhaften Gestalt, die in einem weiß leuchtenden Kleid durch Belizes Wälder streift.
Wer dummes Verhalten auf dem Bildschirm jedoch nicht ertragen kann, wird mit „Mad Dogs“ keine schöne Zeit haben, denn ein solches prägt jede Entscheidung, die in diesen zehn Episoden gefällt werden und natürlich auch so manche Leiche hinterlassen. Doch es ist dummes Verhalten von der Art, das einen erlösenden Charakter gewinnen kann, wenn man den armen Tropfen nur lange genug zuschaut.
Weitere Sichtungen:
The Last Witch Hunter
Spy – Susan Cooper Undercover
The Green Inferno
Kitano scheut das Klischee nicht, wenn er ein Paar nicht nur seelisch, sondern sogar körperlich durch ein Seil verbunden zeigt, wie es einmal quer durch alle vier Jahreszeiten wandert; Kirschblütenbäume, leuchtende Herbstblätter und blutrote Kimonos im weißen Schnee inbegriffen. Gleiches gilt für die beiden anderen Handlungsstränge des Episodenfilms, der obendrein von einem Puppenstück geklammert wird, das jegliches Geschehen aufbauschend symbolisiert.
Und trotz der gellenden Bildsprache und der ungewöhnlichen Geschichten ist „Dolls“ nicht einfach nur hübscher Postkartenkitsch. In unserer postmodernen Gesellschaft böte Kitanos Episodenwerk Stoff für eine kleine TV-Reportage mit dem obligatorischen 5-Minuten-Mitgefühlseffekt bis zur nächsten Werbepause, doch der Regisseur lässt sämtliche Situationen für sich wirken und verleiht ihnen ein Selbstentfaltungsrecht, indem er der Intension einer Szene nicht seinen Stempel aufdrückt – mit dem Resultat, dass die emotionale Wirkung im hohen Maße vom Betrachter abhängt und Genrezuweisungen somit verschleiert werden.
Der drohenden Romantisierung des Schicksals der Beteiligten wirkt Kitano zudem immer wieder mit skurrilen Einfällen entgegen, die nicht selten auch komödiantisch verstanden werden können und somit den tragisch-melancholischen Grundton auflockern. Denn den vermeintlichen Opfern wird nicht etwa bedingungsloses Mitleid entgegen gebracht, sondern sie haben den Umgang mit ihrem Schicksal dem Film gegenüber ebenso zu verantworten wie der Umgang der Nebenfiguren mit den Opfern.
Trotz fehlender Gewaltspitzen, eines verminderten Grades an filmischem Realismus und einer gleichzeitigen Erhöhung des Abstraktionsgrades mit Sicherheit einer der eindringlichsten Kitano-Filme, weil man die absurden Ausgangssituationen der drei Geschichten zum Anlass nimmt, über Teile der eigenen Lebensweise nachzudenken.
Focus
Der hochglänzende, augenwischende Look passt nicht nur zu Will Smith, sondern auch zur Thematik: Das zwischen Heist Movie und Love Story pendelnde Werk des Filmerduos Glenn Ficarra und John Requa („Crazy, Stupid, Love“, „I Love You, Phillip Morris“) befasst sich in beiderlei Disziplin mit der Nahdistanztäuschung. Das beinhaltet einmal simplen Taschendiebstahl, der dann aber vornehmlich eine Metapher auf Zwischenmenschlichkeit unter Gleichgesinnten ihrer Branche darstellt.
Der soweit noch recht durchschaubare Plot wird dann mit allerhand Wendungen garniert und weiß so durchaus spannungsreiche oder doch wenigstens amüsante Szenen zu konstruieren, die sich meist jedoch als recht inhaltsleer erweisen. Unnützes Wissen spielt hier meist eine zentrale Rolle, Trivia mit hohem Unterhaltungs- aber geringem Nährwert. Oberflächlichkeiten werden durch reines Verstreuen von Informationen zur hohen Kunst erklärt. So langt „Focus“ in seinen besten Momenten an die großen Gaunermomente aus Filmen wie „Ocean’s 11“, „Now You See Me“ oder der Schnitttechnik wegen auch „Out Of Sight“; meist jedoch ist er ein stets etwas zu brillant scheinendes Starvehikel, dem etwas weniger Schliff zu mehr Charme und Tiefe verliehen hätte.
Solarfighters
Wie auch heute noch unschwer zu erkennen, ist „Solarfighters“ filmhistorisch als unbeholfener Versuch zu werten, mit den großen SciFi-Epen mitzuhalten und in damalige Jugendtrends einzubetten: Ein bisschen Star-Wars-Produktionsdesign, jede Menge „Mad Max III“-Wüstenstaub, ein Kinostart zusammen mit „Star Trek“… und Rollerblades waren zehn Jahre nach „Rollerball“ immer noch angesagt, wie beispielsweise der ebenfalls 1986 gestartete „Roller Blades“ untermauert. Die „Goonies“ (1985) lassen in Sachen Jugend-Abenteuer grüßen und eine leuchtende Kugel namens „Bohdi“ wird mit „Nach Hause telefonieren“-Umwobenheit als Energie-McGuffin ins Zentrum gelegt.
Klingt nach Trash, der mit der Zeit spannende Wucherungen gebildet haben könnte. Tatsächlich nerven aber immer noch die gleichen Dinge, die wohl auch damals schon abwinken ließen: ein schwaches Drehbuch und klaffende Schwankungen im Erzählton (für Kinder zu trocken und für Erwachsene viel zu kindisch) lassen die Früchte gereifter B-Ware aus vergangenen Jahrzehnten zu hoch wachsen, als dass man sie ernten könnte.
Big Eyes
Nein, ganz der Alte ist Tim Burton immer noch nicht. Der Vorspann mit seiner Bebilderung von maschineller Posterfertigung ist in seiner Montage längst ein Klischee; ebenso haftet der gesamten Handlung der Mief einer blassen Biografieverfilmung mit dem seichten Ausklang eines mittelklassigen Gerichtsdramas an. Eindrücke von Belanglosigkeit lassen sich auf den ersten Blick auch nicht mit den fenstergleichen Augen der Figuren in den Bildern wegwischen.
So wie sich die Hauptfigur durch die Umstände gezwungen sieht, irgendwann ihren Stil zu ändern, darf man aber immerhin auch Burton zugestehen, sich einigermaßen erfolgreich von seinem essentiellen Lebenswerk des verdrehten Düstermärchens zu emanzipieren. „Big Eyes“ erscheint trotz seiner offensichtlichen Abgründe hell und nimmt das Leben erstaunlich leicht. Die 50er und 60er Jahre werden zwar ansatzweise mit der radioaktiven Ironie versetzt, die man mit Burton am Steuer erwarten würde, dennoch gerät der Film nie zu überzeichneten Satire.
Das hindert einen Christoph Waltz jedoch nicht daran, sämtliche Reserven seines Gesichtsbereichs aufzudrehen. Immer wieder überrumpelt er die Szeneneinstellungen mit übergangslosen Grimassen, die in ihrer Schnelligkeit mitunter so sehr überraschen, dass man unweigerlich auflachen muss. Er ist das Herzstück des Filmes mit seiner absolut gewissenlosen Figur, die zwar einerseits typisch für den Darsteller ist, andererseits ihren Schaustellerzweck brillant erfüllt. Amy Adams agiert passend dazu als graue Maus ohne Selbstvertrauen, was dem verzwickten Verhältnis der Beiden Glaubwürdigkeit beschert.
So füllt sich das doch sehr schematische Handlungsgerüst sukzessive doch noch mit anfangs für unmöglich gehaltener Tiefe, die sich unheimlicherweise sogar in den Bildern widerspiegelt. Vor dem konsensfähigen Ende erheben sich immerhin Themen wie Künstleridentität, Kommerzialisierung und emotionale Unterdrückung zu einem bitteren sozialen Kommentar.
Dressed To Kill
Dass Brian De Palma gern im Schatten Hitchcocks fuhrwerkte und ihm damit oft auf plakative Art und Weise huldigte, ist längst keine exklusive Meinung. „Dressed To Kill“ ist ein absolutes Extrembeispiel dessen. Von der Auswahl der Locations (Dusche, Hotel) über die Schnitttechnik in den Mordszenen und die Psychologisierung des Mörders selbst bis hin zum strukturell ungemein wirkungsvollen Austausch der Hauptfigur nach einem Drittel Spielzeit wird insbesondere „Psycho“ auf einer Vielzahl von Ebenen nachgestellt. Dabei geht De Palma immer einen Schritt weiter als Hitchcock; während jener dem Zuschauer durch verschiedene Mittel der Filmkunst gerne suggerierte, etwas gesehen zu haben, das er tatsächlich nie sah, filmt De Palma die Szenen aus der Vorstellungskraft des Zuschauers ab und fügt sie schamlos in seinen Film ein. Detailreiche Mordszenen von fast schon Argento’scher Prägung überraschen, fast mehr noch die explizite Nacktheit, mit welcher die Eröffnung stattfindet.
Die Wirkung bleibt davon natürlich nicht unberührt. Obwohl einige Szenen in der Montage absolut meisterhaft umgesetzt sind (als Highlight ist die völlig dialogfreie, über Close Ups und Schnitte in Blickrichtung zusammengestellte Galerie-Sequenz herauszuheben, aber auch die Attacken des Killers sind allesamt handwerklich als exquisit zu bezeichnen), haftet dem Film etwas Obszönes an. Man möchte ihn nicht in einer Liga mit einem originalen Hitchcock wissen, zumal De Palma das Inhaltliche eklatant schleifen lässt und somit wiederum einem Argento gleich den Stil über die Substanz erhebt. An der Verschleierung der Identitätslüftung des Killers zeigt der Regisseur ebenfalls kein besonderes Interesse; etwaige Verwischungsversuche seiner Identität, etwa doppeldeutige Textzeilen oder verschwommene Gesichtsaufnahmen bei der Tat, werden halbherzig umgesetzt und verdecken damit genauso wenig wie ein transparentes Kleid, was den verruchten Ton sogar nochmals verhärtet.
Leugnen lässt sich allerdings nicht, dass „Dressed To Kill“ bei aller Grobschlächtigkeit und fehlenden Originalität als durchaus sinnlich und extrem spannend empfunden werden kann. Wie sehr die Einstufung dieses erotischen Thrillers eine Glaubensfrage ist, zeigen nicht zuletzt die Auszeichnungen und Nominierungen für verschiedene Preise und Anti-Preise. Sie dokumentieren ein Hadern der Kritik mit der eigenen Position zu diesem Epigon, der wahrhaft widersprüchliche Gefühle provoziert.
Oculus
Dass “Oculus” auf einem Kurzfilm basiert, ist noch an den Nähten sichtbar. Ein Mann und sein Antlitz in einem unheimlichen Spiegel – eine solche Lovecraft’sche Intimität weiß Mike Flanagans Langspielumsetzung seiner eigenen Vorlage allenfalls in der Rückschau zu erzeugen, in welcher nachgezeichnet wird, auf welche Wege es das mysteriöse Einrichtungsstück Zeit seiner Existenz verschlagen hat und welche Schicksale es dabei besiegelte.
Dass um diese recht einfache Basis ein Konstrukt aus Zeit- und Realitätsebenen gespannt wird, ist eben ein deutliches Anzeichen dafür, dass das Drehbuch um einen harten Kern herum expandieren musste. Doch das gelingt überraschend gut: Die Erzählung steht einem attraktiven Look und gruseligen Sequenzen nie im Wege, ja, im ausgedehnten Finale sorgt sie sogar für frische Impulse bei der Schnitt- und Montagetechnik, wenn die parallel laufenden Handlungsstränge aus Vergangenheit und Gegenwart endgültig miteinander verschlungen werden.
Wenn Rory Cochrane und Katee Sackhoff als Eltern im Vergangenheitsstrang agieren, ist eine faustdicke Distanz spürbar. Interaktion mit dem Zuschauer findet ihrerseits praktisch nicht statt, was ein angemessen gespenstisches Flair verursacht. Die Gegenwart um deren erwachsene Kinder Karen Gillan und Brendon Thwaites hält hier nicht ganz mit, weil ihre Beziehung zueinander zu offensichtlich auf einen Twist ausgelegt ist und die Konstruiertheit damit offen zutage tritt. Doch insgesamt ist „Oculus“ weit mehr als das durchschnittliche Horror-B-Movie. Die hochwertige Machart, das ungewöhnlich komplexe Drehbuch, die wirklich unheimlichen Geistererscheinungen und nicht zuletzt das effektiv durchgehaltene Prinzip von „Suspense over Gore“ machen ihn zum Geheimtipp.
Alles steht Kopf
Einen originellen Weg hat das Studio ja endlich mal wieder gefunden, um animationsfilmtypisch dem entzaubernden Realismus aus dem Weg zu gehen – wenn man schon im Tierreich keine ungerupften Felder mehr vorfinden kann, so zieht man sich einfach in den menschlichen Kopf zurück, der bequemerweise auch gleichzeitig Hauptadressat eines jeden Pixar-Films ist mit seinen aufs Einfachste heruntergebrochenen Emotionen Freude, Angst, Wut, Trauer und Sidekick Ekel. Was hätte aus dieser Abstraktion des endlos Komplexen für ein Feuerwerk hervorgehen können. Die Ideen sprießen bei der bloßen Vorstellung. Keine Frage, konzeptionell hat man nach wenig risikofreudigen Sequels („Toy Story 3“, „Cars 2“, „Die Monster Uni“) und einer konservativen Abenteuergeschichte („Merida“) nochmal einen Volltreffer gelandet.
Obwohl man das Design der „Emoticons“ in der Steuerzentrale Kopf mit seinen leuchtenden Farben und den fransigen Konturen als fragwürdig bezeichnen kann, zeigt das Animationsteam bei der Bebilderung des Innenlebens eines Mädchens durchaus spannende Ansätze. Das an „Oben“ erinnernde prologartige Schildern der ersten Jahre gehört einmal mehr zu den Highlights, da es gelingt, viele Informationen und Gags in wenige Minuten zu packen und dabei trotzdem so etwas wie familiäre Wärme auszuströmen.
Je weiter die Handlung jedoch voranschreitet, desto größer bläst sich ein kaum zu ignorierendes Problem auf: Nicht immer wird „Alles steht Kopf“ mit der vereinfachten Darstellung beispielsweise von Murmeln, in denen Erinnerungen gespeichert sind, den komplexen kognitiven Abläufen im Gehirn gerecht. So bekommt man das Gefühl, es werde nicht das ganze Wesen der Hauptfigur gezeigt. Es sind eher einzelne Verrücktheiten, die zu einem gelungenen Gesamtbild beitragen, etwa ein völlig absurder imaginärer Freund aus der Kindheit, der in mancher Weise an die psychedelische Traumszene aus „Dumbo“ erinnert. Auch die (viel zu seltenen) Ausflüge in die Gedanken anderer Charaktere überzeugen stets mit der sprühenden Präsentation von Typen-Klischees. Mehr als es die etwas zähe Gedankenwelt-Konstruktion eigentlich zulässt.
Schuld daran sind vielleicht auch Chef-Emotion Freude und ihre anders gestimmten Freunde; das identitätslose Gewusel einer Minions-Schar lassen sie natürlich als ausformulierte Charaktere weit hinter sich, doch obwohl die Interaktion der Emotionseinheiten miteinander stark im Vordergrund steht, scheint sie kaum ausgearbeitet zu sein. Insbesondere eine Frage stellt sich: Warum agieren alle so bedingungslos fürsorglich miteinander? Hätte eine komplementäre, aber Unterschiedlichkeiten durch Rivalitäten stärker betonende Umgangsform gegensätzlicher Emotionskörper nicht mehr Feuer ins Drehbuch gebracht – und in letzter Instanz ironischerweise mehr Emotionen?
Für die Grundidee muss man Pixar im Gegensatz zu ihren letzten Ergüssen loben, aber in der Umsetzung ergeben sich doch manch fragwürdige Entscheidungen. Im Abgang ein ähnlich zwiespältiges Erlebnis wie „Oben“.
Deliver Us From Evil (2009)
Tja, mehr ist nicht passiert, meint die als Meta-Host fungierende Sonja Richter kurz vor dem Abspann schulterzuckend. So ist das eben mit dem Menschen, seiner Xenophobie und der Rudelbildung. In Gruppen fällt der Verstand eines jeden Einzelnen mit dem Domino-Effekt, wobei sich Ole Bornedal in „Deliver Us From Evil“ ganz spezifisch der explosiven Kombination aus Ländlichkeit, Gläubigkeit und Kriminalität annimmt und ein ums andere Mal ein Lämpchen im Inneren des Zuschauers anschmeißt, das ihn in einem Anflug von Scham für Seinesgleichen zu Boden starren lässt.
Gleichwohl übertritt der Regisseur an mancher Stelle die Grenze ins Karikaturistische. Letztlich artet der Film mit altbekanntem „Straw Dogs“-Aufbau in Dimensionen aus, die eher einem Guy Ritchie gut zu Gesicht stünden, als sich Bitterkeit und Brutalität allmählich zu überzeichnen beginnen; dabei misst man sich von der Anlage her eigentlich mit feinfühligen Dramen wie „Jagten“ von Thomas Vinterberg.
Die Besetzungsliste allerdings erfreut mit der Risikobereitschaft, einen Stand-Up-Comedian zum Hauptdarsteller eines bleischweren Dramas zu machen; Lasse Rimmer agiert jedenfalls so überzeugend, als habe er nie etwas anderes gemacht. Neben ihm sticht vor allem Jens Andersen als überhitzender Plot-Katalysator auf, an dessen Figur sich das Monströse ebenso leicht ablesen lässt wie das Menschliche dahinter.
Kalt lässt es jedenfalls nicht, wenn einmal mehr ein Sündenbock wegen seiner Andersartigkeit und Gutmütigkeit Opfer eines Lynchmobs wird. Manches Klischee im Aufbau und die nach hinten heraus übersprudelnde Kausalkette schwächen die Intensität jedoch deutlich ab.
Black Out – Anatomie einer Leidenschaft
Nicolas Roegs Wien-Film - eine fast noch intensivere Erfahrung als sein berühmtes Venedig-Werk “Wenn die Gondeln Trauer tragen”. Entscheidend angetrieben vom Zusammenspiel des Musikers Art Garfunkel und der damals noch unerfahrenen Schauspielerin Theresa Russell, lässt der Regisseur einmal mehr die Spontaneität walten und setzt sie zu einem Mosaik zusammen, bei dessen Montage Unsauberkeiten nicht nur billigend in Kauf genommen, sondern regelrecht herbeigeführt werden.
„Bad Timing“ ist folglich ein Originaltitel, der in jeder Hinsicht passt. Eine „Anatomie“, wie im deutschen Begleittitel vorweggenommen, ist die rückwärts gewandte Erzählung ebenfalls, obwohl ja gerade das Klinisch-Saubere, das man mit diesem Begriff verbindet, nicht zutrifft. Im Schwenk begriffen verschneidet Roeg immer wieder die hektische Gegenwart, die von einer Notfallsituation bestimmt wird, mit Fetzen einer Rekonstruktion des Tathergangs. Lässt vor allem die Drehorte Bedeutung nehmen mit ihren meist als Zwischenwelten gestalteten Sets (Grenzzölle, Treppenhäuser), auf denen meist Abschiede gefeiert werden. Schickt die Künstler des Soundtracks in einen Meta-Dialog, um die jederzeit zum Scheitern verdammte Handlung zu kommentieren.
Kein Wunder, dass die zeitgenössische Kritik überfordert war, stellen sich die Inhalte doch hauptsächlich wegen der strukturellen Herangehensweise als so obszön und schmutzig-intim dar. Jahre später entfaltete sich erst der wahre Wert dieser verschlungenen Beziehungstragödie. Das richtige Timing ist heute.
Hannibal – Season 3
Vorbei ist der - mindestens audiovisuell - wohl wichtigste Beitrag zu dieser goldenen Ära der TV-Serien. Zum Abschluss verdammt durch das banale Argument fehlender Quoten, müsste man angesichts der überragenden Qualität eigentlich wütend sein, dass Bryan Fuller sein ursprünglich breiter angelegtes Konzept nicht bis ins letzte Detail ausformulieren konnte. Warum aber empfindet man nach dem Season-Finale eine vollumfängliche Zufriedenheit, wie sie nach Serienabschlüssen nur äußerst selten anzutreffen ist?
Einerseits muss man die dritte Staffel wegen ihrer Hektik klar als die schwächste bezeichnen. Zumindest die überwiegend an den Florenz-Plot aus „Hannibal“ angelehnte erste Filmhälfte leidet eklatant unter der storybedingten Sprunghaftigkeit. Einer ursprünglich sorgsam charakterisierten Figur wie Inspektor Pazzi geht jede Tiefe ab, ikonische Szenen des Ridley-Scott-Films werden bloß zu ästhetischen Zwecken ausgeschlachtet, der Mainplot mäandert unfokussiert vor sich hin, um insbesondere Gillian Anderson mühsam weiter in den Mittelpunkt zu rücken.
Besser wird es erst mit dem Auftreten Richard Armitages. Die Intensität, mit der er den Roten Drachen verkörpert, muss sich vor den Filmvorläufern keineswegs verstecken. Mit zurückgenommener Art verströmt er dennoch eine beunruhigende Aura und definiert mühelos Unscheinbares in Monströses.
Vor allem aber leitet er ein Finale ein, das sich gemessen an den Umständen so befriedigend anfühlt wie der letzte Haken an der Rundung einer schließenden Klammer. Fuller mag sich hier vielleicht teilweise der Publikumssehnsucht nach emotionalem Bombast opfern, liefert im Umkehrschluss aber eine Gänsehautpointe für die komplex-fragile Beziehung zwischen Mikkelsens immer noch großartigem Lecter und dem immer besseren Hugh Dancy als Will Graham, so dass man zu zweifeln beginnt, ob Fullers weitere Überlegungen überhaupt zu einem zufriedenstellenderen Abschluss geführt hätten.
So hätte man dem Inhalt der dritten Staffel allenfalls die Gelegenheit gewünscht, seine pralle Masse über zwei Staffeln verteilen zu können. Doch ging Hannibal, wie er kam: Einzigartig stilvoll.
Mad Dogs – Season 1 (US Remake)
Vier Touristen stolpern im paradiesischen, aber gefahrenreichen Belize von einer dummen Situation in die nächste. Bedingt durch Zufälle und eigene Dummheiten reitet man sich immer tiefer rein, und das, wo der Flieger heimwärts doch eigentlich so nah ist… ein Konzept, das in der britischen Originalserie immerhin seit vier Staffeln funktioniert, wurde im US-Remake der Amazon Studios auf eine abgeschlossene Staffel mit 10 Folgen begrenzt. Angenehm, in dem Überangebot an hochkarätigen Serien eine zu finden, die man auch einfach mal nebenbei wegsnacken kann.
Stark besetzt mit Steve Zahn, Michael Imperioli, Romany Malco und dem schon im Original (in anderer Rolle) auftretenden Ben Chaplin, funktioniert „Mad Dogs“ vornehmlich über die eigentümliche Dynamik zwischen den vier (vermeintlichen?) alten Freunden, die auf dem schönen Fleck Erde in Mittelamerika einen weiteren alten Freund (Billy Zane) besuchen und nach und nach in eine Bredouille mit fortwährender Abwärtsspirale geraten.
Um zu verdeutlichen, wie nah Normalität und Wahnsinn zusammenstehen, eröffnet man mit einer aus dem Zusammenhang gerissenen Sequenz, die suggeriert, dass alle Vier letzterem erlegen sind: Grellweiß geschminkt und mit bunter Kleidung geschmückt, sprinten sie Jagdrufe jauchzend, Macheten schwingend und Pistolen zückend wie Wilde durchs kniehohe Gras. Ein Moment, der in der Mitte der Handlung dann wieder aufgegriffen wird und letztlich nur ein Pigment aus einem ganzen Panoptikum von Verrücktheiten wiedergibt, die durchlaufen werden.
Die Ereignisabfolgen werden vielleicht etwas zu episodisch abgespult und vermitteln so den Eindruck von Beliebigkeit; nach dem bereits temporeichen Piloten und einigen ersten What-The-Fucks fragt man sich bereits, was denn bis zur Aufklärung der ersten Missverständnisse alles noch passieren muss, um weitere neun Episoden zu füllen. Die Drehbuchautoren generieren nachfolgend eine Kettenreaktion, die immer neue Personen in die Handlung verwickelt und vermeintliche Haupt-Antagonisten zu bloßen Mittätern degradiert, um einen noch größeren Fisch aus dem Hut zu zaubern.
Sehenswert wird die Miniserie in erster Linie durch die dummen Blicke, mit denen das Hauptdarsteller-Quartett die Entwicklungen ihres Urlaubs quittiert. Insbesondere ein Steve Zahn ist mit seiner sehr typischen Art Gold wert und stellt nach „Treme“ (und dem Vernehmen nach „Mindgames“) unter Beweis, dass man Typen wie ihn einfach braucht. Als Fixpunkt ist er stark beteiligt an den Reaktionen der anderen drei, wobei Imperioli meist den Malträtierten spielt, Malco den Panischen und Chaplin den Grummelnden. Doch verbleiben die Schauspieler nicht in ihren Tendenzen und sorgen durchaus mal für Verhaltensüberraschungen, von denen der Storyverlauf auch ganz entscheidend abhängig ist, weil ihr Agieren einen direkten Einfluss darauf hat, was als nächstes geschieht.
Der Ton pendelt zwischen Verzweiflung und Galgenhumor, mit denen die Hochs und Tiefs angemessen vergolten werden. Manchmal hält die Serie mit ihrem insgesamt schnellen Erzähltempo sogar inne und nimmt sich Zeit für eine mythologische Ausleuchtung der Szenerie, wenn etwa das Auftauchen eines Tapirs aus dem Gebüsch oder ein ominöser Ziegenhirte wie ein seltsamer Fiebertraum erscheinen, mal ganz abgesehen von einer geisterhaften Gestalt, die in einem weiß leuchtenden Kleid durch Belizes Wälder streift.
Wer dummes Verhalten auf dem Bildschirm jedoch nicht ertragen kann, wird mit „Mad Dogs“ keine schöne Zeit haben, denn ein solches prägt jede Entscheidung, die in diesen zehn Episoden gefällt werden und natürlich auch so manche Leiche hinterlassen. Doch es ist dummes Verhalten von der Art, das einen erlösenden Charakter gewinnen kann, wenn man den armen Tropfen nur lange genug zuschaut.
Weitere Sichtungen:
The Last Witch Hunter
Spy – Susan Cooper Undercover
The Green Inferno
Blue Ruin
Filme über Assassinen haben eine lange Tradition und eine scheinbar universell gültige Legitimation, da sie eng mit filmischem Heroismus verbunden sind. Man erwartet, eine Professionalität zu erleben, die gerade auf diesem Feld in absoluten Perfektionismus mündet. Selbstbeherrschung und in letzter Instanz Selbstaufgabe: Der Killer fasziniert den Kinogänger schon immer, weil er unerreichbare Ideale verkörpert und mit fragwürdiger Moral zusammenbringt. Eine ungemein verlockende Mischung.
„Blue Ruin“ bricht mit diesen Idealen, denn im Mittelpunkt steht ein gebrochener Mann, der sich auf eigene Faust in eine gefährliche Mission begibt – nicht weil er es kann, sondern weil er es muss. Macon Blair spielt einen Amateur, der sich in etwas versucht, das er dem Verhalten nach lediglich aus Filmen kennt.
Keineswegs wird also ein Mann gezeigt, der weiß, was er tut. Gewissermaßen ist er ein auf links gedrehtes Klischee: Immer wieder gerät er in Situationen, die man aus Filmen über Auftragskiller und andere Einzelgänger kennt. Doch in „Blue Ruin“ enden die Situationen selten so, wie man es gewohnt ist. Das Skript ist sehr motiviert darin, das die vielen kleinen Niederlagen und Zufallserfolge des Rachesuchenden anatomisch zu analysieren. Details, die in anderen Drehbüchern nie wieder Erwähnung finden, werden oft erst viele Szenen später wieder verfolgt. So wird in einer Sequenz ein Wasserhahn der Ablenkung wegen aufgedreht… und viele Minuten später tatsächlich wieder zugedreht, nachdem sich die Handlung zwischenzeitlich an einen ganz anderen Ort verlagert hat. Gegen Ende wird in Nahaufnahme ein Pfeil gezeigt, der in einer der ersten Auseinandersetzungen an den Rand eines Bürgersteigs geschossen wurde.
Derlei Kontinuitäten werden sorgsam über den gesamten Film verteilt und unterstreichen den Realismus, dem die Hauptfigur mit Film-Manierismen zu entgegnen versucht. Doch mitunter gewinnt wieder die Filmlogik: Die Flucht aus einem Krankenhaus gelingt banal einfach und der Besuch bei einem alten Bekannten mit krimineller Erfahrung (Devin Ratray, der fiese große Bruder aus „Kevin allein zu Haus“) weist nicht die sonst so fein säuberlich ausgearbeiteten Unterschiedlichkeiten zu Filmskripten auf, sondern könnte aus jedem beliebigen Revenge Actioner der 80er Jahre stammen.
Dessen ungeachtet ist „Blue Ruin“ ein faszinierend andersartiger Rachefilm, der die gezeigten Taten nicht nur moralisch hinterfragt, sondern außerdem das Gelingen ihrer Umsetzung in Frage stellt.
20.000 Days On Earth
Biografische Dokumentation mal als künstlerisches Anti-Statement, in dem nicht das Besondere gefeiert wird, sondern die Momente dazwischen. Bei Nick Cave ist eben alles ein bisschen anders. „20.000 Days On Earth“ wird natürlich angetrieben von den selbstdarstellerischen Fähigkeiten des Künstlers, doch zugleich betreibt er Understatement, indem er sich selbst als Fallbeispiel nimmt, um einen geradewegs technischen Plan für die Entstehung von Kunst zu entwerfen.
Besondere Aufmerksamkeit neben den teils sehr stilvoll gestalteten Bildmontagen erfahren die Dialoge mit alten Weggefährten, stammen sie nun aus der avantgardistischen (Blixa Bargeld) oder Pop-Ecke (Kylie Minogue). Begriffe wie „Muse“ werden demontiert, um eine weniger ätherische Bezeichnung für die Inspiration zu finden. Eine selbstanalytische Reise in die Vergangenheit zeigt Cave als sehr selbstironischen Weggefährten, der sein eigenes Schaffen nicht allzu ernst nimmt.
Man erfährt letztlich nicht viel über die Hauptperson, weil alles Preisgegebene mit einem Schleier von Unernst bedeckt ist. Die Bezeichnung „Dokumentation“ ist somit ein Trugschluss, denn die Inhalte muss sich der Betrachter durch die Kunstverkleidung hindurch selbst erschließen – das ist anstrengender, aber ohne Zweifel auch spannender und einmaliger.
Maze Runner – Die Auserwählten in der Brandwüste
Verborgene Geheimnisse sind immer interessanter als gelüftete, und so ist es für Wes Ball kein Leichtes, Anschluss an seinen Labyrinth-Film von 2014 zu finden. Dieser markiert vielleicht den besten Beitrag der anhaltenden Jugenddystopie-Welle, weil er angenehm rätselhaft bleibt (normalerweise keine Stärke des geschwätzigen Genres, das üblicherweise jeden Furz zum Event ausbuchstabiert) und das Verhalten der Jugendlichen in einer überfordernden Welt eher realistisch als idealistisch-romantisiert darstellt.
Mit der Brandwüste wird nun gleich ein ganz neues Setting eröffnet, obwohl jederzeit klar ist, dass im Grunde nur eine Fauna und Flora gegen die nächste getauscht wird. Den Special-Effects-Spezialisten gibt dies Gelegenheit, sich an neuen Dingen zu erproben; dass Heckenlabyrinth und Wüstengebiet genauso zum gleichen Level gehören wie Waldland und Unterwasserpanorama in einem Super Mario, ist nämlich nur allzu offensichtlich. Erstaunlich jedenfalls, wie viel Horror der Regisseur ins Spiel bringt; (rennende) Zombies sind zwar längst abgeschmackter Mainstream geworden, die Darstellung der Infizierten jedoch dürfte manch zartes Pflänzchen durchaus zum Zittern bringen.
Inhaltlich sieht sich der Ausflug in die Brandwüste mit den typischen Problemen eines Mittelstücks konfrontiert. Schmerzhaft fällt auf, wie sehr dieser zweite Teil auf die Bindegliedsfunktion ausgerichtet ist, wenn die Auserwählten sich von einer Station zur nächsten kämpfen, episodenweise auf Gegner treffen und dabei in völlig vorhersehbarer Weise dezimiert werden, derweil sich die Getrieberädchen langsam offenbaren und den großen Apparat offen legen, der einem ambitionierten Epos wie „Tribute von Panem“ längst das Genick gebrochen hat (und dennoch fliegen all seine Ableger wie Ikarus dem gleichen Schicksal entgegen). Obwohl die Jungstars wesentlich angenehmer (weil weniger pathetisch) auf diese Entwicklungen reagieren als man dies etwa von einer Triss („Die Bestimmung“) gewohnt ist, stört die neuerliche Bedeutungsaufladung. Die Intimität der „Herr der Fliegen“-Konstellation aus dem ersten Teil beginnt man alsbald zu vermissen und die Befürchtungen, dass der abschließende (hoffentlich nicht Doppel-) Teil sich weiter in diese Richtung entwickeln könnte, steigen an.
Wegen seiner handwerklichen Qualitäten und der bodenständigen Darsteller ist „Die Auserwählten in der Brandwüste“ sicherlich noch genießbarer als das Gros vergleichbarer Filme, doch die ziellose Handlung und der aufgebauschte Hintergrund lassen die Reihe eindeutig in die falsche Richtung pendeln.
Wrong Cops
Wronger als wrong konnte für Quentin Dupieux nur noch ein Antifilm wie „Wrong Cops“ sein. Einem übergestülpten Gegenteil-Universum folgt eines, das vor allem auf Gesetz und Ordnung gemünzt ist – und dieses auch wieder ins Gegenteil verkehrt. Denn ein Cop, der seine Position nutzt, um seine Tittenbild-Sammlung auszuweiten? Wrong. Ein Hobbymusiker mit dem schlechtesten Song der Welt im Gepäck, der seinen Song selbst super findet? Wrong. Marilyn Manson als zurückgebliebener Schuljunge? F***ing Wrong.
Mehr Feinde kann man sich als Regisseur bei Konsumenten normierter Unterhaltung eigentlich kaum machen. „Wrong“ hatte ja noch so etwas wie Herz, einen sympathischen Schluffihelden und ein herzallerliebstes Ende, aber „Wrong Cops“ ist einfach nur zynisch, negativ und von Grund auf falsch in jeder seiner verdorbenen Sekunden. Ein paar Elemente (der Road Trip eines Sterbenden beispielsweise, der überall wie selbstverständlich in den Alltag anderer Menschen einbezogen wird) erinnern an den frühen Tarantino bis „Jackie Brown“, werden aber viel trockener präsentiert. Hauptwiderling Mark Burnham macht einfach alles richtig darin, möglichst abstoßend zu wirken. Dass eine Frau am Ende dennoch so etwas wie prosaisches Potenzial in ihm erkennt und ihm das auch direkt mitteilt – großer Fehler, denn er bedankt sich, indem er ihre Tochter als Schlampe bezeichnet.
Just wrong.
Wer da wen falsch gepolt hat, um zur Entstehung einer derartigen Abfolge moralischer und ästhetischer Falschheiten beizutragen, erübrigt sich. Ein hoher Prozentsatz von Publikum und Feuilleton musste würgen. Das galt selbst für jene, die „Rubber“ und „Wrong“ schadlos überstanden hatte. Ein kleiner Prozentsatz freut sich über abgeschmackte Oizo-Beats und die Tatsache, dass die auch noch abgefeiert werden. Etwas Falscheres kann es doch gar nicht geben. Passt zum momentanen 80er-Jahre-Revival mit Fliegerbrillen und Pornobalken; Dupieux hat also die Zeichen der Zeit erkannt.
Stretch
Joe Carnahans Action-Comedy-Groteske hat man schnell einen Rückfall in alte Guy-Ritchie-Zeiten unterstellt, dabei bedeutet er für die geraffte Flash-Forward-Erzählweise der typischen Räuberpistole der 00er Jahre eigentlich eine Weiterentwicklung. Verglichen etwa mit den stark artverwandten Wayne-Kramer-Filmen „Running Scared“ und „Pawn Shop Chronicles“ erlaubt Carnahan es seiner Hauptfigur, über das rein Karikaturistische hinauszugehen. Patrick Wilson darf jemanden spielen, der angesichts der verrückten Geschehnisse in einzelnen Momenten auch mal von seinen Gefühlen überrumpelt wird. So gehört es zu den besten Momenten des Films, wenn Wilson seine schulterzuckende Getriebenheit mit völlig uncoolen und deswegen so charmanten Lachanfällen und gespielter Lässigkeit zu durchbrechen versucht.
Das erzeugt mit Abstand den meisten Humor, der ansonsten durch einen Paradiesvogelauftritt Chris Pines und Cameos von David Hasselhoff und Ray Liotta eher konventionell erzeugt werden soll. Und bei Ed Helms spricht schon alleine die Besetzung dafür, dass man grinsende Zahnreihen eher mit der Brechstange zu durchstoßen gedenkt.
Zeit für echte Lachpausen gibt es derweil im Grunde eigentlich nicht, weil es in „Stretch“ eben auch turbulent zur Sache geht und viele Dinge gleichzeitig geschehen. Augen zukneifen ist also eine ganz blöde Idee, wenn man nichts verpassen möchte. Am besten Augenlider an die Stirn tackern, Softdrink greifen und oberflächlich, aber temporeich berieseln lassen.
A Good Marriage
Eine gute Stunde lang sorgt die spannende Grundkonstellation immerhin für die ein oder andere Situation, bei der man der Reaktion der Beteiligten entgegenfiebert. Wie wird die Frau reagieren, als sie das Geheimnis ihres Mannes entdeckt? Was wird ihr Mann machen, wenn er ihr auf die Schliche kommt? Es ist fast so, als erlebe man „Dexter“ ohne dessen innere Monologe (also ohne Einsicht in sein Seelenleben) und aus der Perspektive einer wissenden Ehefrau. Das freundliche Lächeln des Psychopathen ist so nochmals schwerer einzuschätzen, die Situation wird zumindest in der Theorie perfider.
Peter Askin nutzt die ungeklärten Fronten natürlich für den Aufbau von Suspense und das Einwerfen kurzer Traumsequenzen, in denen sich innere Ängste der Frau nach außen hin manifestieren. Doch die handwerkliche Umsetzung entspricht dem Bild verschenkter Möglichkeiten in vollem Umfang; viele Momente (Garage, Haustreppe) ähneln Robert Zemeckis’ „Schatten der Wahrheit“ aufs Äußerste, erreichen aber niemals dessen Thrill und lassen selbst in den offensichtlichsten Momenten trotz aller Zutaten das Schuld- und Ertapptheitsgefühl der Identifikationsfigur vermissen.
Schließlich verlässt der Film alle sicheren Pfade eines „normalen“ Drehbuchs und entfernt abrupt jede Spur von Suspense, um zu einem völlig zerfahrenen und unbefriedigenden Abschluss zu gelangen. Joan Allen und Anthony LaPaglia haben ihre Momente, doch es bleibt das Gefühl, diese Momente hätten unter der richtigen Führung noch viel größer ausfallen können.
Jessabelle
Nach dem ohnehin schon offensichtlichen Kuhgemelke „Annabelle“ schreit „Jessabelle“ von Titel wegen Rip-Off, doch überraschenderweise handelt es sich um handwerklich gekonntes Schema F, und zwar vom einleitenden Seitenscheibe-Autounfall-Shot bis zur Twist-Auflösung.
So weiß man gar nicht so recht, ob man sich langweilen oder mitfiebern soll. Während nämlich früh klar ist, dass die Eulen nicht sind, was sie scheinen, beginnt man, auf die unumgänglichen Knotenpunkte im Drehbuch regelrecht zu warten, und sie treten inklusive aller zugehörigen Logikdefizite stets zuverlässig ein. Sogar die Nacht holt sich ihr Exklusivrecht zurück, Schauplatz des Bösen zu sein, und zwar mit Nachdruck, denn den Wechsel zwischen Nacht und Tag wird bisweilen so offensichtlich betont, dass er den Wechsel zwischen Gefahr und Sicherheit regelrecht in roten und grünen Lettern signalisiert. Das lässt durchaus wieder am zuletzt sprunghaft originellen Genre Horror und dessen Progressionsvermögen zweifeln. Sarah Snook legt passend dazu eine markante, gleichwohl nicht sonderlich überzeugende Performance hin; reagiert sie beispielsweise auf VHS-Botschaften ihrer verstorbenen Mutter, so tut sie dies stets mit dem Quäntchen zu viel des Guten, das zu einem Schluss von Overacting und fehlendem Timing führt.
Andererseits hebt sich dieser Vertreter des amerikanischen Post-J-Horror durch seine Louisiana-Atmosphäre angenehm von Artverwandten ab, die überwiegend aus der Anonymität urbaner Gebiete ihren Grusel zu beziehen versuchen. Dem meist körperlosen Geisterfilm wird durch Kevin Greutert („Saw VI“) außerdem eine gehörige Portion Physis eingeimpft. Mag das Anschleichen auch noch so subtil inszeniert werden, bei der endgültigen Manifestation der Schreckgestalt wird es wahrhaft handfest. Wie beim Schlammcatchen geht es da mitunter zu, und was dem einen wieder zu materiell gelöst ist und somit den Schrecken nimmt, bedeutet für den anderen vielleicht eine willkommene Abwechslung, wo man normalerweise bei kalten, aber zarten Berührungen und sanfter Gänsehaut bleibt.
Für einen echten Besonderheitswert reicht ein alternatives Setting und ein paar nett gemachte Gruselmomente jedoch nicht aus; da wäre schon mehr Innovationsdrang vom Schlage „Oculus“ notwendig gewesen.
Strike Back – Season 1
Als Produkt der Erfahrungen von Serienschöpfer Chris Ryan ist „Strike Back“ einerseits um Authentizität in Form von Originalschauplätzen und militärischen Details bemüht, andererseits von einer sehr subjektiven Perspektive gezeichnet, die dazu neigt, das potenziell ambivalente Handeln der Identifikationsfigur mit Heldenpathos zu verwischen. Eine Reinwaschung und daraufhin Glorifizierung der militärischen Akte findet zumindest auf dieser Seite statt, auch wenn dies nicht auf alle Angehörigen der britischen Army anzuwenden ist, da auch in den eigenen Reihen Dreck auf dem Fußboden verteilt wird.
Dramaturgisch jedoch kann man den auf drei TV-Spielfilme aufgeteilten Episoden keinen Vorwurf machen. Ein übergeordneter Erzählrahmen wird über die Eingangsszene des Piloten geebnet und im letzten Teil abgeschlossen, dazwischen erzählt aber jeder der Filme mit hohem Tempo und dichter Spannung von einer eigenen Einsatzmission. Die Konstellation ist stets dieselbe: Während Andrew Lincoln in den Hintergründen operiert, wird Richard Armitage auf dem Schlachtfeld jeweils mit einer weiteren Figur zusammengebracht – einer gekidnappten Journalistin (Orla Brady), einem Scharfschützen nach gescheiterter Mission (Shaun Parkes) und einem verrückten Hacker (Ewen Bremner). Aus den unterschiedlichen Interaktionspartnern ergeben sich dann trotz der stets gleichen Ausgangslage auch unterschiedliche Geschichten. Es ist schwer, eine der Doppelfolgen herauszuheben; etwaige Favoriten lassen sich lediglich durch persönliche Vorlieben für den ein oder anderen Schauspieler oder die angeschnittenen Themen bilden, weniger durch die sehr konstant bleibende Qualität. Dem stets abgeklärt wirkenden Armitage bietet sich so in jedem Fall die Gelegenheit, mehrere Buddy-Konstellationen durchzutesten und man muss ihm zugute halten, dass er in jeder von ihnen gut funktioniert, auch wenn ihm gerade Bremner in den beiden Abschlussepisoden die Show stiehlt mit seinem schottischen Dialekt und seinen rollenden Augen.
Das Action-Level ist (noch?) nicht allzu hoch, vielmehr versucht „Strike Back“ mit der Vorgehensweise zu überzeugen, das Schleichen durch gegnerische Linien nach Vorbild der 90er Jahre (eventuell aber auch nach Vorbild von Hideo Kojimas „Metal Gear Solid“) besonders packend zu gestalten; etwaige Schießereien, Explosionen und Feuerbälle fungieren in diesem Zusammenhang nur noch als Auflösung der bis dahin so geschickt aufgebauten Spannung.
Ein Modell nicht ohne Reiz, ungeachtet der etwas altbackenen Formel; dennoch beschloss Cinemax nach Übernahme der Serie einen klaren Kurswechsel.
How I Met Your Mother – Season 9
Gut, dass es ein Ende hat. Viel weiter hätte der nostalgisch veranlagte Ted ja auch nicht in die Vergangenheit ausschweifen können, denn den gelangweilten Gesichtsausdruck, den die Kinder von Beginn an auftragen, legt man längst selbst auf.
So ist das erfreulichste an der neunten Staffel, dass sie endlich Nägel mit Köpfen macht, wobei es Geschmackssache ist, ob man das normale oder das alternative Ende vorzieht. Eines ist radikaler als das andere, alles Weitere obliegt der Macht des Zuschauers über das DVD-Menü (denn zum Glück sind beide Varianten anwählbar).
Eine gesamte Staffel also, die in den Stunden vor der Hochzeit (natürlich, eine Hochzeit) zweier Hauptfiguren stattfindet… das ist nicht witziger oder weniger witzig als die zeitlich breiter angelegten Standardstaffeln, obgleich man sich thematisch natürlich ganz in Weiß gibt. Kurz vor Besiegelung von allem werden plötzlich alte und längst vergessene Dinge nochmals aufgewärmt, einige Running Gags (Ohrfeige) werden abgeschlossen und so weiter, alles dient also der Befriedigungsstillung der Zuschauer. Das ist legitim, wenn auch nicht sonderlich spannend. Trotzdem muss man sich auf den letzten Drücker noch mit der Titelfigur bekannt machen, die letztlich aber nur ein Spiegelbild Ted Mosebys ist, bis hin zur Tatsache, dass auch sie stets mit ihren Freunden in einer Stammkneipe abhängt, denn gleich und gleich gesellt sich gern.
Nun ja. Danke für die manchmal witzigen Jahre in New York, aber das soll’s dann auch gewesen sein. Bitte kein „How I Met Your Dad“ mehr.
Futurama – Season 8
Nun ist es also mal wieder soweit, “Futurama” ist nicht mehr. Die letzten Episoden nehmen einen schleppenden Anlauf, steigern sich aber zum Ende hin und die finale Folge ist tatsächlich ein kleines 22-Minuten-Epos, das keine Wünsche offen lässt, denn in den Zeitreiseplot werden sämtliche Dimensionen dieser insgesamt so herausragenden Serie eingeflochten, die man sich nur wünschen kann. Eine multidimensionale Zeitverschiebungs-Splatter-Love Story mit Arschlochattitüde und Nerdismus – ist das nicht ein passendes Abbild für 16 Jahre Planet Express?
Goodbye (for now?)
Weitere Sichtungen:
Crimson Peak
FPS – First Person Shooter
Filme über Assassinen haben eine lange Tradition und eine scheinbar universell gültige Legitimation, da sie eng mit filmischem Heroismus verbunden sind. Man erwartet, eine Professionalität zu erleben, die gerade auf diesem Feld in absoluten Perfektionismus mündet. Selbstbeherrschung und in letzter Instanz Selbstaufgabe: Der Killer fasziniert den Kinogänger schon immer, weil er unerreichbare Ideale verkörpert und mit fragwürdiger Moral zusammenbringt. Eine ungemein verlockende Mischung.
„Blue Ruin“ bricht mit diesen Idealen, denn im Mittelpunkt steht ein gebrochener Mann, der sich auf eigene Faust in eine gefährliche Mission begibt – nicht weil er es kann, sondern weil er es muss. Macon Blair spielt einen Amateur, der sich in etwas versucht, das er dem Verhalten nach lediglich aus Filmen kennt.
Keineswegs wird also ein Mann gezeigt, der weiß, was er tut. Gewissermaßen ist er ein auf links gedrehtes Klischee: Immer wieder gerät er in Situationen, die man aus Filmen über Auftragskiller und andere Einzelgänger kennt. Doch in „Blue Ruin“ enden die Situationen selten so, wie man es gewohnt ist. Das Skript ist sehr motiviert darin, das die vielen kleinen Niederlagen und Zufallserfolge des Rachesuchenden anatomisch zu analysieren. Details, die in anderen Drehbüchern nie wieder Erwähnung finden, werden oft erst viele Szenen später wieder verfolgt. So wird in einer Sequenz ein Wasserhahn der Ablenkung wegen aufgedreht… und viele Minuten später tatsächlich wieder zugedreht, nachdem sich die Handlung zwischenzeitlich an einen ganz anderen Ort verlagert hat. Gegen Ende wird in Nahaufnahme ein Pfeil gezeigt, der in einer der ersten Auseinandersetzungen an den Rand eines Bürgersteigs geschossen wurde.
Derlei Kontinuitäten werden sorgsam über den gesamten Film verteilt und unterstreichen den Realismus, dem die Hauptfigur mit Film-Manierismen zu entgegnen versucht. Doch mitunter gewinnt wieder die Filmlogik: Die Flucht aus einem Krankenhaus gelingt banal einfach und der Besuch bei einem alten Bekannten mit krimineller Erfahrung (Devin Ratray, der fiese große Bruder aus „Kevin allein zu Haus“) weist nicht die sonst so fein säuberlich ausgearbeiteten Unterschiedlichkeiten zu Filmskripten auf, sondern könnte aus jedem beliebigen Revenge Actioner der 80er Jahre stammen.
Dessen ungeachtet ist „Blue Ruin“ ein faszinierend andersartiger Rachefilm, der die gezeigten Taten nicht nur moralisch hinterfragt, sondern außerdem das Gelingen ihrer Umsetzung in Frage stellt.
20.000 Days On Earth
Biografische Dokumentation mal als künstlerisches Anti-Statement, in dem nicht das Besondere gefeiert wird, sondern die Momente dazwischen. Bei Nick Cave ist eben alles ein bisschen anders. „20.000 Days On Earth“ wird natürlich angetrieben von den selbstdarstellerischen Fähigkeiten des Künstlers, doch zugleich betreibt er Understatement, indem er sich selbst als Fallbeispiel nimmt, um einen geradewegs technischen Plan für die Entstehung von Kunst zu entwerfen.
Besondere Aufmerksamkeit neben den teils sehr stilvoll gestalteten Bildmontagen erfahren die Dialoge mit alten Weggefährten, stammen sie nun aus der avantgardistischen (Blixa Bargeld) oder Pop-Ecke (Kylie Minogue). Begriffe wie „Muse“ werden demontiert, um eine weniger ätherische Bezeichnung für die Inspiration zu finden. Eine selbstanalytische Reise in die Vergangenheit zeigt Cave als sehr selbstironischen Weggefährten, der sein eigenes Schaffen nicht allzu ernst nimmt.
Man erfährt letztlich nicht viel über die Hauptperson, weil alles Preisgegebene mit einem Schleier von Unernst bedeckt ist. Die Bezeichnung „Dokumentation“ ist somit ein Trugschluss, denn die Inhalte muss sich der Betrachter durch die Kunstverkleidung hindurch selbst erschließen – das ist anstrengender, aber ohne Zweifel auch spannender und einmaliger.
Maze Runner – Die Auserwählten in der Brandwüste
Verborgene Geheimnisse sind immer interessanter als gelüftete, und so ist es für Wes Ball kein Leichtes, Anschluss an seinen Labyrinth-Film von 2014 zu finden. Dieser markiert vielleicht den besten Beitrag der anhaltenden Jugenddystopie-Welle, weil er angenehm rätselhaft bleibt (normalerweise keine Stärke des geschwätzigen Genres, das üblicherweise jeden Furz zum Event ausbuchstabiert) und das Verhalten der Jugendlichen in einer überfordernden Welt eher realistisch als idealistisch-romantisiert darstellt.
Mit der Brandwüste wird nun gleich ein ganz neues Setting eröffnet, obwohl jederzeit klar ist, dass im Grunde nur eine Fauna und Flora gegen die nächste getauscht wird. Den Special-Effects-Spezialisten gibt dies Gelegenheit, sich an neuen Dingen zu erproben; dass Heckenlabyrinth und Wüstengebiet genauso zum gleichen Level gehören wie Waldland und Unterwasserpanorama in einem Super Mario, ist nämlich nur allzu offensichtlich. Erstaunlich jedenfalls, wie viel Horror der Regisseur ins Spiel bringt; (rennende) Zombies sind zwar längst abgeschmackter Mainstream geworden, die Darstellung der Infizierten jedoch dürfte manch zartes Pflänzchen durchaus zum Zittern bringen.
Inhaltlich sieht sich der Ausflug in die Brandwüste mit den typischen Problemen eines Mittelstücks konfrontiert. Schmerzhaft fällt auf, wie sehr dieser zweite Teil auf die Bindegliedsfunktion ausgerichtet ist, wenn die Auserwählten sich von einer Station zur nächsten kämpfen, episodenweise auf Gegner treffen und dabei in völlig vorhersehbarer Weise dezimiert werden, derweil sich die Getrieberädchen langsam offenbaren und den großen Apparat offen legen, der einem ambitionierten Epos wie „Tribute von Panem“ längst das Genick gebrochen hat (und dennoch fliegen all seine Ableger wie Ikarus dem gleichen Schicksal entgegen). Obwohl die Jungstars wesentlich angenehmer (weil weniger pathetisch) auf diese Entwicklungen reagieren als man dies etwa von einer Triss („Die Bestimmung“) gewohnt ist, stört die neuerliche Bedeutungsaufladung. Die Intimität der „Herr der Fliegen“-Konstellation aus dem ersten Teil beginnt man alsbald zu vermissen und die Befürchtungen, dass der abschließende (hoffentlich nicht Doppel-) Teil sich weiter in diese Richtung entwickeln könnte, steigen an.
Wegen seiner handwerklichen Qualitäten und der bodenständigen Darsteller ist „Die Auserwählten in der Brandwüste“ sicherlich noch genießbarer als das Gros vergleichbarer Filme, doch die ziellose Handlung und der aufgebauschte Hintergrund lassen die Reihe eindeutig in die falsche Richtung pendeln.
Wrong Cops
Wronger als wrong konnte für Quentin Dupieux nur noch ein Antifilm wie „Wrong Cops“ sein. Einem übergestülpten Gegenteil-Universum folgt eines, das vor allem auf Gesetz und Ordnung gemünzt ist – und dieses auch wieder ins Gegenteil verkehrt. Denn ein Cop, der seine Position nutzt, um seine Tittenbild-Sammlung auszuweiten? Wrong. Ein Hobbymusiker mit dem schlechtesten Song der Welt im Gepäck, der seinen Song selbst super findet? Wrong. Marilyn Manson als zurückgebliebener Schuljunge? F***ing Wrong.
Mehr Feinde kann man sich als Regisseur bei Konsumenten normierter Unterhaltung eigentlich kaum machen. „Wrong“ hatte ja noch so etwas wie Herz, einen sympathischen Schluffihelden und ein herzallerliebstes Ende, aber „Wrong Cops“ ist einfach nur zynisch, negativ und von Grund auf falsch in jeder seiner verdorbenen Sekunden. Ein paar Elemente (der Road Trip eines Sterbenden beispielsweise, der überall wie selbstverständlich in den Alltag anderer Menschen einbezogen wird) erinnern an den frühen Tarantino bis „Jackie Brown“, werden aber viel trockener präsentiert. Hauptwiderling Mark Burnham macht einfach alles richtig darin, möglichst abstoßend zu wirken. Dass eine Frau am Ende dennoch so etwas wie prosaisches Potenzial in ihm erkennt und ihm das auch direkt mitteilt – großer Fehler, denn er bedankt sich, indem er ihre Tochter als Schlampe bezeichnet.
Just wrong.
Wer da wen falsch gepolt hat, um zur Entstehung einer derartigen Abfolge moralischer und ästhetischer Falschheiten beizutragen, erübrigt sich. Ein hoher Prozentsatz von Publikum und Feuilleton musste würgen. Das galt selbst für jene, die „Rubber“ und „Wrong“ schadlos überstanden hatte. Ein kleiner Prozentsatz freut sich über abgeschmackte Oizo-Beats und die Tatsache, dass die auch noch abgefeiert werden. Etwas Falscheres kann es doch gar nicht geben. Passt zum momentanen 80er-Jahre-Revival mit Fliegerbrillen und Pornobalken; Dupieux hat also die Zeichen der Zeit erkannt.
Stretch
Joe Carnahans Action-Comedy-Groteske hat man schnell einen Rückfall in alte Guy-Ritchie-Zeiten unterstellt, dabei bedeutet er für die geraffte Flash-Forward-Erzählweise der typischen Räuberpistole der 00er Jahre eigentlich eine Weiterentwicklung. Verglichen etwa mit den stark artverwandten Wayne-Kramer-Filmen „Running Scared“ und „Pawn Shop Chronicles“ erlaubt Carnahan es seiner Hauptfigur, über das rein Karikaturistische hinauszugehen. Patrick Wilson darf jemanden spielen, der angesichts der verrückten Geschehnisse in einzelnen Momenten auch mal von seinen Gefühlen überrumpelt wird. So gehört es zu den besten Momenten des Films, wenn Wilson seine schulterzuckende Getriebenheit mit völlig uncoolen und deswegen so charmanten Lachanfällen und gespielter Lässigkeit zu durchbrechen versucht.
Das erzeugt mit Abstand den meisten Humor, der ansonsten durch einen Paradiesvogelauftritt Chris Pines und Cameos von David Hasselhoff und Ray Liotta eher konventionell erzeugt werden soll. Und bei Ed Helms spricht schon alleine die Besetzung dafür, dass man grinsende Zahnreihen eher mit der Brechstange zu durchstoßen gedenkt.
Zeit für echte Lachpausen gibt es derweil im Grunde eigentlich nicht, weil es in „Stretch“ eben auch turbulent zur Sache geht und viele Dinge gleichzeitig geschehen. Augen zukneifen ist also eine ganz blöde Idee, wenn man nichts verpassen möchte. Am besten Augenlider an die Stirn tackern, Softdrink greifen und oberflächlich, aber temporeich berieseln lassen.
A Good Marriage
Eine gute Stunde lang sorgt die spannende Grundkonstellation immerhin für die ein oder andere Situation, bei der man der Reaktion der Beteiligten entgegenfiebert. Wie wird die Frau reagieren, als sie das Geheimnis ihres Mannes entdeckt? Was wird ihr Mann machen, wenn er ihr auf die Schliche kommt? Es ist fast so, als erlebe man „Dexter“ ohne dessen innere Monologe (also ohne Einsicht in sein Seelenleben) und aus der Perspektive einer wissenden Ehefrau. Das freundliche Lächeln des Psychopathen ist so nochmals schwerer einzuschätzen, die Situation wird zumindest in der Theorie perfider.
Peter Askin nutzt die ungeklärten Fronten natürlich für den Aufbau von Suspense und das Einwerfen kurzer Traumsequenzen, in denen sich innere Ängste der Frau nach außen hin manifestieren. Doch die handwerkliche Umsetzung entspricht dem Bild verschenkter Möglichkeiten in vollem Umfang; viele Momente (Garage, Haustreppe) ähneln Robert Zemeckis’ „Schatten der Wahrheit“ aufs Äußerste, erreichen aber niemals dessen Thrill und lassen selbst in den offensichtlichsten Momenten trotz aller Zutaten das Schuld- und Ertapptheitsgefühl der Identifikationsfigur vermissen.
Schließlich verlässt der Film alle sicheren Pfade eines „normalen“ Drehbuchs und entfernt abrupt jede Spur von Suspense, um zu einem völlig zerfahrenen und unbefriedigenden Abschluss zu gelangen. Joan Allen und Anthony LaPaglia haben ihre Momente, doch es bleibt das Gefühl, diese Momente hätten unter der richtigen Führung noch viel größer ausfallen können.
Jessabelle
Nach dem ohnehin schon offensichtlichen Kuhgemelke „Annabelle“ schreit „Jessabelle“ von Titel wegen Rip-Off, doch überraschenderweise handelt es sich um handwerklich gekonntes Schema F, und zwar vom einleitenden Seitenscheibe-Autounfall-Shot bis zur Twist-Auflösung.
So weiß man gar nicht so recht, ob man sich langweilen oder mitfiebern soll. Während nämlich früh klar ist, dass die Eulen nicht sind, was sie scheinen, beginnt man, auf die unumgänglichen Knotenpunkte im Drehbuch regelrecht zu warten, und sie treten inklusive aller zugehörigen Logikdefizite stets zuverlässig ein. Sogar die Nacht holt sich ihr Exklusivrecht zurück, Schauplatz des Bösen zu sein, und zwar mit Nachdruck, denn den Wechsel zwischen Nacht und Tag wird bisweilen so offensichtlich betont, dass er den Wechsel zwischen Gefahr und Sicherheit regelrecht in roten und grünen Lettern signalisiert. Das lässt durchaus wieder am zuletzt sprunghaft originellen Genre Horror und dessen Progressionsvermögen zweifeln. Sarah Snook legt passend dazu eine markante, gleichwohl nicht sonderlich überzeugende Performance hin; reagiert sie beispielsweise auf VHS-Botschaften ihrer verstorbenen Mutter, so tut sie dies stets mit dem Quäntchen zu viel des Guten, das zu einem Schluss von Overacting und fehlendem Timing führt.
Andererseits hebt sich dieser Vertreter des amerikanischen Post-J-Horror durch seine Louisiana-Atmosphäre angenehm von Artverwandten ab, die überwiegend aus der Anonymität urbaner Gebiete ihren Grusel zu beziehen versuchen. Dem meist körperlosen Geisterfilm wird durch Kevin Greutert („Saw VI“) außerdem eine gehörige Portion Physis eingeimpft. Mag das Anschleichen auch noch so subtil inszeniert werden, bei der endgültigen Manifestation der Schreckgestalt wird es wahrhaft handfest. Wie beim Schlammcatchen geht es da mitunter zu, und was dem einen wieder zu materiell gelöst ist und somit den Schrecken nimmt, bedeutet für den anderen vielleicht eine willkommene Abwechslung, wo man normalerweise bei kalten, aber zarten Berührungen und sanfter Gänsehaut bleibt.
Für einen echten Besonderheitswert reicht ein alternatives Setting und ein paar nett gemachte Gruselmomente jedoch nicht aus; da wäre schon mehr Innovationsdrang vom Schlage „Oculus“ notwendig gewesen.
Strike Back – Season 1
Als Produkt der Erfahrungen von Serienschöpfer Chris Ryan ist „Strike Back“ einerseits um Authentizität in Form von Originalschauplätzen und militärischen Details bemüht, andererseits von einer sehr subjektiven Perspektive gezeichnet, die dazu neigt, das potenziell ambivalente Handeln der Identifikationsfigur mit Heldenpathos zu verwischen. Eine Reinwaschung und daraufhin Glorifizierung der militärischen Akte findet zumindest auf dieser Seite statt, auch wenn dies nicht auf alle Angehörigen der britischen Army anzuwenden ist, da auch in den eigenen Reihen Dreck auf dem Fußboden verteilt wird.
Dramaturgisch jedoch kann man den auf drei TV-Spielfilme aufgeteilten Episoden keinen Vorwurf machen. Ein übergeordneter Erzählrahmen wird über die Eingangsszene des Piloten geebnet und im letzten Teil abgeschlossen, dazwischen erzählt aber jeder der Filme mit hohem Tempo und dichter Spannung von einer eigenen Einsatzmission. Die Konstellation ist stets dieselbe: Während Andrew Lincoln in den Hintergründen operiert, wird Richard Armitage auf dem Schlachtfeld jeweils mit einer weiteren Figur zusammengebracht – einer gekidnappten Journalistin (Orla Brady), einem Scharfschützen nach gescheiterter Mission (Shaun Parkes) und einem verrückten Hacker (Ewen Bremner). Aus den unterschiedlichen Interaktionspartnern ergeben sich dann trotz der stets gleichen Ausgangslage auch unterschiedliche Geschichten. Es ist schwer, eine der Doppelfolgen herauszuheben; etwaige Favoriten lassen sich lediglich durch persönliche Vorlieben für den ein oder anderen Schauspieler oder die angeschnittenen Themen bilden, weniger durch die sehr konstant bleibende Qualität. Dem stets abgeklärt wirkenden Armitage bietet sich so in jedem Fall die Gelegenheit, mehrere Buddy-Konstellationen durchzutesten und man muss ihm zugute halten, dass er in jeder von ihnen gut funktioniert, auch wenn ihm gerade Bremner in den beiden Abschlussepisoden die Show stiehlt mit seinem schottischen Dialekt und seinen rollenden Augen.
Das Action-Level ist (noch?) nicht allzu hoch, vielmehr versucht „Strike Back“ mit der Vorgehensweise zu überzeugen, das Schleichen durch gegnerische Linien nach Vorbild der 90er Jahre (eventuell aber auch nach Vorbild von Hideo Kojimas „Metal Gear Solid“) besonders packend zu gestalten; etwaige Schießereien, Explosionen und Feuerbälle fungieren in diesem Zusammenhang nur noch als Auflösung der bis dahin so geschickt aufgebauten Spannung.
Ein Modell nicht ohne Reiz, ungeachtet der etwas altbackenen Formel; dennoch beschloss Cinemax nach Übernahme der Serie einen klaren Kurswechsel.
How I Met Your Mother – Season 9
Gut, dass es ein Ende hat. Viel weiter hätte der nostalgisch veranlagte Ted ja auch nicht in die Vergangenheit ausschweifen können, denn den gelangweilten Gesichtsausdruck, den die Kinder von Beginn an auftragen, legt man längst selbst auf.
So ist das erfreulichste an der neunten Staffel, dass sie endlich Nägel mit Köpfen macht, wobei es Geschmackssache ist, ob man das normale oder das alternative Ende vorzieht. Eines ist radikaler als das andere, alles Weitere obliegt der Macht des Zuschauers über das DVD-Menü (denn zum Glück sind beide Varianten anwählbar).
Eine gesamte Staffel also, die in den Stunden vor der Hochzeit (natürlich, eine Hochzeit) zweier Hauptfiguren stattfindet… das ist nicht witziger oder weniger witzig als die zeitlich breiter angelegten Standardstaffeln, obgleich man sich thematisch natürlich ganz in Weiß gibt. Kurz vor Besiegelung von allem werden plötzlich alte und längst vergessene Dinge nochmals aufgewärmt, einige Running Gags (Ohrfeige) werden abgeschlossen und so weiter, alles dient also der Befriedigungsstillung der Zuschauer. Das ist legitim, wenn auch nicht sonderlich spannend. Trotzdem muss man sich auf den letzten Drücker noch mit der Titelfigur bekannt machen, die letztlich aber nur ein Spiegelbild Ted Mosebys ist, bis hin zur Tatsache, dass auch sie stets mit ihren Freunden in einer Stammkneipe abhängt, denn gleich und gleich gesellt sich gern.
Nun ja. Danke für die manchmal witzigen Jahre in New York, aber das soll’s dann auch gewesen sein. Bitte kein „How I Met Your Dad“ mehr.
Futurama – Season 8
Nun ist es also mal wieder soweit, “Futurama” ist nicht mehr. Die letzten Episoden nehmen einen schleppenden Anlauf, steigern sich aber zum Ende hin und die finale Folge ist tatsächlich ein kleines 22-Minuten-Epos, das keine Wünsche offen lässt, denn in den Zeitreiseplot werden sämtliche Dimensionen dieser insgesamt so herausragenden Serie eingeflochten, die man sich nur wünschen kann. Eine multidimensionale Zeitverschiebungs-Splatter-Love Story mit Arschlochattitüde und Nerdismus – ist das nicht ein passendes Abbild für 16 Jahre Planet Express?
Goodbye (for now?)
Weitere Sichtungen:
Crimson Peak
FPS – First Person Shooter
1911 - Revolution
Pompöser Langweiler mit dem trockenen Auftreten eines Lehrbuchs Geschichte aus der 9. Klasse, so denn hierzulande chinesische Geschichte gelehrt würde. Informative Texttafeln selbst mitten im Film funktionieren als filmisches Mittel überhaupt nicht, sondern lassen jedes Mal aufs Neue hoffen, dass die historische Schau bald ein Ende findet. Die Regie, die sich Jackie Chan in seinem offiziell hundertsten Film als Schauspieler mit Zhang Li teilt, ist vom Bemühen geprägt, es jedem Recht zu machen, was zu einer Dramaturgie diesseits global verträglicher Hollywoodware führt.
In Dialogsequenzen wie auch Kriegsszenen überzeugen zwar Kulissen und Ausstattung, führen aber zuverlässig immer nur zum nüchternen Abhaken der Stationen im Wandel Chinas von der Dynastie zur Demokratie. Geredet und gekämpft wird viel, doch trotz des hohen Mitteilungsbedürfnisses von Regenten, Diplomaten und Rebellen wird der politische Aktivismus sowie seine Auswirkungen kaum greifbar. Das überträgt sich auch auf die Darstellergarde; obgleich man beispielsweise Jackie Chan mehr oder minder als Hauptdarsteller ausweisen muss, übt er nur wenig Präsenz aus, und zwar ohne dass sich deshalb andere in den Vordergrund drängen würden.
Es gibt Schlimmeres, gerade handwerklich, aber gerade das lässt „1911“ in die ungeliebte untere Mittelklasse rutschen – keine Kontroversen, kein Radikalismus, kein Spaß.
Schändung
Zum Mittelpunkt von „Erbarmen“ geriet trotz des grundsoliden Krimiplots nicht etwa dessen Handlung, sondern das Aneinandergewöhnen der beiden Hauptfiguren. Inzwischen hat sich das grundverschiedene Doppel aus einem introvertierten Arbeitstier und seinem empathischen Kollegen soweit eingespielt, dass der Fokus doch wieder auf die Handlung fällt.
Und diese streckt sich ambitioniert tief in die Vergangenheit und bildet vom Präsens eine ermittlerische Spanne in die Jugendvergangenheit der inzwischen vom Leben gezeichneten Verdächtigen, so dass nicht mehr nur von Titel wegen eine Artverwandtschaft mit den Stieg-Larsson-Verfilmungen besteht. Die daraus abgeleitete erzählerische Komplexität ist nur eine augenscheinliche, da sie tatsächlich einfach zu durchschauen ist, aber dem getragenen Flair der Serie kommt die tatsächliche Schlichtheit der Ereignisse zugute.
Nikolaj Lie Kaas und Fares Fares bedienen mit ihren Rollen zwar weiterhin viele Krimiklischees, wirken dabei aber immer noch angenehm altmodisch und unaufdringlich. Im gegenüber „Erbarmen“ etwas schwerer zu entschlüsselnden (aber nicht schwerer zu konsumierenden) Fall erweist sich das Zusammenspiel von Kaas und Fares als ideal, packen sie die Hinweise doch offensichtlich aus zweierlei Perspektive an und nehmen die Lösung somit in die Klammer. Der Kombination zweier unterschiedlicher Persönlichkeiten durch Teamarbeit kommt somit angemessene Bedeutung zu. Das Skript verweilt allerdings nicht durchweg auf der Seite des Gesetzes, sondern wechselt gerne auch ins Sichtfeld der direkt Betroffenen, um den Schmerz der Vergangenheit und die Auswirkungen des Drogenmissbrauchs sichtbar zu machen, was für einen Film mit dem Charme einer TV-Produktion (aber einer überdurchschnittlich hochwertigen Machart für einen solchen) äußerst gut gelingt.
Unter dem Strich eine spürbare Steigerung gegenüber dem schon vielversprechenden Auftakt aus dem Vorjahr, eines größeren Falls und eingespielten Teams zum Dank.
Men & Chicken
Dem niederträchtigen, zwanghaften Verhalten einer Gruppe degenerierter Hinterwäldler nähert sich Anders Thomas Jensen in trostlosen Bildern, die einem wortlosen Drama gut zu Gesicht stünden – und erzeugt mit diesen Mitteln irritierenderweise eine bizarre Art von schwarzem Humor. Das rund um Genetik angelegte Thema ist eigentlich zu sehr Science Fiction für den Regisseur von Filmen wie „Dänische Delikatessen“ und „Adams Äpfel“, was sich ein ums andere Mal auch negativ bemerkbar macht; seltsame Bauernhoftiermutationen, die durch das Bild laufen, wirken wie Fremdkörper in einer angepeilten Charakterstudie.
Auf der anderen Seite werkeln angesehene Darsteller wie Mads Mikkelsen, David Dencik oder Nicolaj Lie Kaas an äußerst prägnanten Figuren, teils durch die Maske äußerlich verändert, und sorgen mit ihrer Figurenanlage für einen hässlichen, fast schon als widerlich zu bezeichnenden Grundton des Filmes.
Von Arthaus kann man da insofern sprechen, als dass das breite Publikum von Ekelpassagen und asozialem Verhalten der Agierenden generell ferngehalten wird, indes jedoch das Feingeistige der typischen Arthaus-Vertreter fehlt. Das sorgt auch dafür, dass eventuelle Tiefe vorgegaukelt erscheinen mag und „Men & Chicken“ im Ganzen letztlich unheimlich schwer zu bewerten ist. Konsens in Bezug auf seine Klasse besteht jedenfalls im Gegensatz zu früheren Filmen des Regisseurs nicht; einen sehr eigenen Ansehwert besitzt er aber doch.
Die Bartholomäusnacht
Patrice Chéreaus Interpretation der für die französische Geschichte so einschneidenden Ereignisse rund um das Hugenotten-Massaker ist mit seiner epochalen Lauflänge oft das erwartete monumentale Kostüm- und Ausstattungsfest, in anderen Szenen jedoch auch schmutzig, intim und unangenehm nah am menschlichen Körper. Massenschicksale werden eng mit politischen Einzelentscheidungen und emotionalen Handlungen verknüpft, Intrigen am Hof erzeugen fatale Schneeballeffekte. Deswegen klebt die Erzählung nah an Isabelle Adjani und Jean-Hugues Anglade, um anschließend auszuschwenken und apokalyptische Bilder von Massengräbern zu liefern. Die beinahe drei Stunden, die sich der Regisseur Zeit nimmt, sind keineswegs einfach zu bewältigen; vielmehr gleichen sie einer Selbstgeißelung, die erst mit dem Abschluss ihren Ertrag offen legt.
When Animals Dream
Summa summarum bleibt unter dem perfiden Deckmantel eines unterkühlten skandinavischen Kunstfilms ein wenig Neues vermittelndes Teenager-Befindlichkeitsmelodram übrig. Übernatürliches wurde schon oftmals symbolisch für das Heranwachsen angewandt, oftmals jedoch origineller kanalisiert, denkt man etwa an „Let The Right One In“ aus Schweden oder an amerikanische Filme wie „Carrie“ oder „Ginger Snaps“. Jonas Alexander Arnby sucht in der Idylle eines dänischen Fischerdorfs möglicherweise eine tiefere Bedeutung, ohne sie jemals wirklich zu ergreifen. Das würde die Leere erklären, mit der die in Zwie- und Gegenlicht getauchten Hügelfassaden als Verbindungsstücke zwischen den dialoglastigen Szenen fungieren.
Dabei ist Sonia Suhl mit ihrer leicht androgynen Ausstrahlung eine durchaus starke Hauptrollenbesetzung, die immer wieder leicht an Saoirse Ronan erinnert. Trotzdem verfehlen einige ihrer Szenen unverschuldet die gewünschte Wirkung. Bei der Disco-Szene fehlt es dem Regisseur etwa am Feingefühl; viele andere Szenen zielen darauf ab, die Entfremdung der jungen Frau von der einfachen Dorfbevölkerung zu untermauern, dabei ist gerade dies inzwischen ein Klischee, das stellvertretend für viele dänische Filme steht (Bsp. „Deliver Us From Evil“).
Nix wie weg vom Planeten Erde
„Planet 51“ hat in grün vorgelegt, jetzt ist blau am Zug. Das knuffige Artdesign nimmt schon mal ein wenig die anstehende „Ratchet & Clank“-Verfilmung vorweg, zumal die von Brendan Fraser gesprochene Heldenfigur mit ihrer Überheblichkeit einem „Captain Qwark“ gefährlich nahe kommt. Jedoch strahlen die vielen blauen Außerirdischen mit ihren Einheitsgesichtern in etwa die Persönlichkeit eines beliebigen Mitglieds der „Blue Man Group“ aus, unterscheiden sie sich äußerlich doch lediglich durch ihre Statur oder im Fall der weiblichen Vertreter durch unterschiedlich gefärbte Haarkämme, die wie Lappen über den Schädel fallen.
Dabei sind die Dialoge ungeachtet der geleckten Animationen unerwartet frech und oft auch noch dazu in der Lage, Filmanspielungen in den Plot zu integrieren, die zumindest in vier von fünf Fällen mal nicht unbeholfen wirken.
Allzu tiefe Charakterzeichnungen oder ein moralisches Dilemma im Storyzentrum, über das sich nachzudenken lohnt, darf man bei einem offenkundigen Fast-Food-Produkt wie diesem natürlich nicht erwarten; dazu gibt das platte Drehbuch auch einfach nicht genug her. Der Aufhänger ist gar nicht mal ein so schlechter, nimmt er doch konsequent die Perspektive der Außerirdischen an und blickt aus ihren Augen auf die Erde. Jedoch wird die Gefahr niemals greifbar genug, die der uns vertraute Planet auf die Aliens ausübt; ebenso wenig wie das komische Potenzial dieser Umkehrung typsicher Invasionsmuster, denn der Witz ergibt sich lediglich über die cartoonhaft geschriebenen Charaktere. Und das ist zu wenig.
Shameless – Season 1
Keine Überraschung, dass die Briten eine solche Serie an den Start bringen können. Aber die Amerikaner? Vielleicht ist das Remake von Showtime deswegen noch eine Spur interessanter als das Original, denn die amerikanische Unterschicht wurde auf diese Weise noch selten portraitiert. „Shameless“ ist ein kongenialer Gegenentwurf zu vielen, selbst derberen oder zeitgemäßeren Sitcoms, denn es präsentiert den patchworkartigen Familienentwurf der Gallaghers (und ihrer Verbindungspfeiler aus der Nachbarschaft) nicht als Lifestyle-Entscheidung, sondern als Notentwurf. X-köpfiges Gewusel von Kindern und meist verantwortungslosen Erwachsenen jeder Form und Farbe vermittelt einen Kontrollverlust, den William H. Macy in seiner Rolle mit Brillanz vorlebt – er ist derjenige, auf den der Titel „Shameless“ geprägt ist.
Im Kontrast zu Emily Rossum, die ebenso stark in der Hauptrolle agiert, macht sich das Dilemma der skizzierten Lebenssituation bemerkbar: Es zeigt Individuen, die den inneren Drang haben, sich normal zu entwickeln, von ihrem Umfeld aber doch andere Dinge als „normal“ vorgelebt bekommen und diese letztendlich auch oft selbst als ihren eigenen Weg akzeptieren. Wo Komödie wegen des unglaublichen Verhaltens der Protagonisten mit der Tragödie der Nähe zum echten Leben zusammenkommen, spielt „Shameless“ seine Stärken mit aller Wucht aus und erschafft ein soziales Portrait, das innerlich zerreißt.
Bosch – Season 2
Die zweite Staffel um den eigenbrötlerischen Alte-Schule-Cop Harry Bosch belässt im Sinne ihres Hauptdarstellers so viele Dinge beim Alten wie nur möglich und macht doch deutlich, dass sich die Welt gnadenlos weiterdreht. Der Story Arc distanziert sich davon, einen Antagonisten mit markanter Physis zum Gegenpol Boschs zu stilisieren, so wie mit Jason Gedrick in Staffel 1 geschehen. Zwar gibt es mit Brent Sexton letztendlich wieder einen klaren Gegner, dieser kristallisiert sich aber erst spät heraus und ist eher das Produkt von krimineller Organisation, nicht Einzeltäterschaft. Das verschafft den neuen zehn Episoden einen alternativen Ansatz, bei dem eher auf politische Verstrickungen gesetzt wird sowie auf die daraus entstehenden individuellen Schicksalsschläge, weniger auf ein kontinuierliches Katz- und Mausspiel.
Welliver bleibt dabei die Bank mit den kaltblauen Augen und fährt seine Schiene überwiegend souverän. Lediglich Familienangelegenheiten, ob es sich dabei nun um den Umgang mit Ex-Frau und Tochter handelt oder um die im Hintergrund laufenden Recherchen über den lange zurückliegenden Mord an seiner Mutter, wirken nicht immer ganz natürlich.
,5
Weitere Sichtungen:
Horns
Spring – Love Is A Monster
Pompöser Langweiler mit dem trockenen Auftreten eines Lehrbuchs Geschichte aus der 9. Klasse, so denn hierzulande chinesische Geschichte gelehrt würde. Informative Texttafeln selbst mitten im Film funktionieren als filmisches Mittel überhaupt nicht, sondern lassen jedes Mal aufs Neue hoffen, dass die historische Schau bald ein Ende findet. Die Regie, die sich Jackie Chan in seinem offiziell hundertsten Film als Schauspieler mit Zhang Li teilt, ist vom Bemühen geprägt, es jedem Recht zu machen, was zu einer Dramaturgie diesseits global verträglicher Hollywoodware führt.
In Dialogsequenzen wie auch Kriegsszenen überzeugen zwar Kulissen und Ausstattung, führen aber zuverlässig immer nur zum nüchternen Abhaken der Stationen im Wandel Chinas von der Dynastie zur Demokratie. Geredet und gekämpft wird viel, doch trotz des hohen Mitteilungsbedürfnisses von Regenten, Diplomaten und Rebellen wird der politische Aktivismus sowie seine Auswirkungen kaum greifbar. Das überträgt sich auch auf die Darstellergarde; obgleich man beispielsweise Jackie Chan mehr oder minder als Hauptdarsteller ausweisen muss, übt er nur wenig Präsenz aus, und zwar ohne dass sich deshalb andere in den Vordergrund drängen würden.
Es gibt Schlimmeres, gerade handwerklich, aber gerade das lässt „1911“ in die ungeliebte untere Mittelklasse rutschen – keine Kontroversen, kein Radikalismus, kein Spaß.
Schändung
Zum Mittelpunkt von „Erbarmen“ geriet trotz des grundsoliden Krimiplots nicht etwa dessen Handlung, sondern das Aneinandergewöhnen der beiden Hauptfiguren. Inzwischen hat sich das grundverschiedene Doppel aus einem introvertierten Arbeitstier und seinem empathischen Kollegen soweit eingespielt, dass der Fokus doch wieder auf die Handlung fällt.
Und diese streckt sich ambitioniert tief in die Vergangenheit und bildet vom Präsens eine ermittlerische Spanne in die Jugendvergangenheit der inzwischen vom Leben gezeichneten Verdächtigen, so dass nicht mehr nur von Titel wegen eine Artverwandtschaft mit den Stieg-Larsson-Verfilmungen besteht. Die daraus abgeleitete erzählerische Komplexität ist nur eine augenscheinliche, da sie tatsächlich einfach zu durchschauen ist, aber dem getragenen Flair der Serie kommt die tatsächliche Schlichtheit der Ereignisse zugute.
Nikolaj Lie Kaas und Fares Fares bedienen mit ihren Rollen zwar weiterhin viele Krimiklischees, wirken dabei aber immer noch angenehm altmodisch und unaufdringlich. Im gegenüber „Erbarmen“ etwas schwerer zu entschlüsselnden (aber nicht schwerer zu konsumierenden) Fall erweist sich das Zusammenspiel von Kaas und Fares als ideal, packen sie die Hinweise doch offensichtlich aus zweierlei Perspektive an und nehmen die Lösung somit in die Klammer. Der Kombination zweier unterschiedlicher Persönlichkeiten durch Teamarbeit kommt somit angemessene Bedeutung zu. Das Skript verweilt allerdings nicht durchweg auf der Seite des Gesetzes, sondern wechselt gerne auch ins Sichtfeld der direkt Betroffenen, um den Schmerz der Vergangenheit und die Auswirkungen des Drogenmissbrauchs sichtbar zu machen, was für einen Film mit dem Charme einer TV-Produktion (aber einer überdurchschnittlich hochwertigen Machart für einen solchen) äußerst gut gelingt.
Unter dem Strich eine spürbare Steigerung gegenüber dem schon vielversprechenden Auftakt aus dem Vorjahr, eines größeren Falls und eingespielten Teams zum Dank.
Men & Chicken
Dem niederträchtigen, zwanghaften Verhalten einer Gruppe degenerierter Hinterwäldler nähert sich Anders Thomas Jensen in trostlosen Bildern, die einem wortlosen Drama gut zu Gesicht stünden – und erzeugt mit diesen Mitteln irritierenderweise eine bizarre Art von schwarzem Humor. Das rund um Genetik angelegte Thema ist eigentlich zu sehr Science Fiction für den Regisseur von Filmen wie „Dänische Delikatessen“ und „Adams Äpfel“, was sich ein ums andere Mal auch negativ bemerkbar macht; seltsame Bauernhoftiermutationen, die durch das Bild laufen, wirken wie Fremdkörper in einer angepeilten Charakterstudie.
Auf der anderen Seite werkeln angesehene Darsteller wie Mads Mikkelsen, David Dencik oder Nicolaj Lie Kaas an äußerst prägnanten Figuren, teils durch die Maske äußerlich verändert, und sorgen mit ihrer Figurenanlage für einen hässlichen, fast schon als widerlich zu bezeichnenden Grundton des Filmes.
Von Arthaus kann man da insofern sprechen, als dass das breite Publikum von Ekelpassagen und asozialem Verhalten der Agierenden generell ferngehalten wird, indes jedoch das Feingeistige der typischen Arthaus-Vertreter fehlt. Das sorgt auch dafür, dass eventuelle Tiefe vorgegaukelt erscheinen mag und „Men & Chicken“ im Ganzen letztlich unheimlich schwer zu bewerten ist. Konsens in Bezug auf seine Klasse besteht jedenfalls im Gegensatz zu früheren Filmen des Regisseurs nicht; einen sehr eigenen Ansehwert besitzt er aber doch.
Die Bartholomäusnacht
Patrice Chéreaus Interpretation der für die französische Geschichte so einschneidenden Ereignisse rund um das Hugenotten-Massaker ist mit seiner epochalen Lauflänge oft das erwartete monumentale Kostüm- und Ausstattungsfest, in anderen Szenen jedoch auch schmutzig, intim und unangenehm nah am menschlichen Körper. Massenschicksale werden eng mit politischen Einzelentscheidungen und emotionalen Handlungen verknüpft, Intrigen am Hof erzeugen fatale Schneeballeffekte. Deswegen klebt die Erzählung nah an Isabelle Adjani und Jean-Hugues Anglade, um anschließend auszuschwenken und apokalyptische Bilder von Massengräbern zu liefern. Die beinahe drei Stunden, die sich der Regisseur Zeit nimmt, sind keineswegs einfach zu bewältigen; vielmehr gleichen sie einer Selbstgeißelung, die erst mit dem Abschluss ihren Ertrag offen legt.
When Animals Dream
Summa summarum bleibt unter dem perfiden Deckmantel eines unterkühlten skandinavischen Kunstfilms ein wenig Neues vermittelndes Teenager-Befindlichkeitsmelodram übrig. Übernatürliches wurde schon oftmals symbolisch für das Heranwachsen angewandt, oftmals jedoch origineller kanalisiert, denkt man etwa an „Let The Right One In“ aus Schweden oder an amerikanische Filme wie „Carrie“ oder „Ginger Snaps“. Jonas Alexander Arnby sucht in der Idylle eines dänischen Fischerdorfs möglicherweise eine tiefere Bedeutung, ohne sie jemals wirklich zu ergreifen. Das würde die Leere erklären, mit der die in Zwie- und Gegenlicht getauchten Hügelfassaden als Verbindungsstücke zwischen den dialoglastigen Szenen fungieren.
Dabei ist Sonia Suhl mit ihrer leicht androgynen Ausstrahlung eine durchaus starke Hauptrollenbesetzung, die immer wieder leicht an Saoirse Ronan erinnert. Trotzdem verfehlen einige ihrer Szenen unverschuldet die gewünschte Wirkung. Bei der Disco-Szene fehlt es dem Regisseur etwa am Feingefühl; viele andere Szenen zielen darauf ab, die Entfremdung der jungen Frau von der einfachen Dorfbevölkerung zu untermauern, dabei ist gerade dies inzwischen ein Klischee, das stellvertretend für viele dänische Filme steht (Bsp. „Deliver Us From Evil“).
Nix wie weg vom Planeten Erde
„Planet 51“ hat in grün vorgelegt, jetzt ist blau am Zug. Das knuffige Artdesign nimmt schon mal ein wenig die anstehende „Ratchet & Clank“-Verfilmung vorweg, zumal die von Brendan Fraser gesprochene Heldenfigur mit ihrer Überheblichkeit einem „Captain Qwark“ gefährlich nahe kommt. Jedoch strahlen die vielen blauen Außerirdischen mit ihren Einheitsgesichtern in etwa die Persönlichkeit eines beliebigen Mitglieds der „Blue Man Group“ aus, unterscheiden sie sich äußerlich doch lediglich durch ihre Statur oder im Fall der weiblichen Vertreter durch unterschiedlich gefärbte Haarkämme, die wie Lappen über den Schädel fallen.
Dabei sind die Dialoge ungeachtet der geleckten Animationen unerwartet frech und oft auch noch dazu in der Lage, Filmanspielungen in den Plot zu integrieren, die zumindest in vier von fünf Fällen mal nicht unbeholfen wirken.
Allzu tiefe Charakterzeichnungen oder ein moralisches Dilemma im Storyzentrum, über das sich nachzudenken lohnt, darf man bei einem offenkundigen Fast-Food-Produkt wie diesem natürlich nicht erwarten; dazu gibt das platte Drehbuch auch einfach nicht genug her. Der Aufhänger ist gar nicht mal ein so schlechter, nimmt er doch konsequent die Perspektive der Außerirdischen an und blickt aus ihren Augen auf die Erde. Jedoch wird die Gefahr niemals greifbar genug, die der uns vertraute Planet auf die Aliens ausübt; ebenso wenig wie das komische Potenzial dieser Umkehrung typsicher Invasionsmuster, denn der Witz ergibt sich lediglich über die cartoonhaft geschriebenen Charaktere. Und das ist zu wenig.
Shameless – Season 1
Keine Überraschung, dass die Briten eine solche Serie an den Start bringen können. Aber die Amerikaner? Vielleicht ist das Remake von Showtime deswegen noch eine Spur interessanter als das Original, denn die amerikanische Unterschicht wurde auf diese Weise noch selten portraitiert. „Shameless“ ist ein kongenialer Gegenentwurf zu vielen, selbst derberen oder zeitgemäßeren Sitcoms, denn es präsentiert den patchworkartigen Familienentwurf der Gallaghers (und ihrer Verbindungspfeiler aus der Nachbarschaft) nicht als Lifestyle-Entscheidung, sondern als Notentwurf. X-köpfiges Gewusel von Kindern und meist verantwortungslosen Erwachsenen jeder Form und Farbe vermittelt einen Kontrollverlust, den William H. Macy in seiner Rolle mit Brillanz vorlebt – er ist derjenige, auf den der Titel „Shameless“ geprägt ist.
Im Kontrast zu Emily Rossum, die ebenso stark in der Hauptrolle agiert, macht sich das Dilemma der skizzierten Lebenssituation bemerkbar: Es zeigt Individuen, die den inneren Drang haben, sich normal zu entwickeln, von ihrem Umfeld aber doch andere Dinge als „normal“ vorgelebt bekommen und diese letztendlich auch oft selbst als ihren eigenen Weg akzeptieren. Wo Komödie wegen des unglaublichen Verhaltens der Protagonisten mit der Tragödie der Nähe zum echten Leben zusammenkommen, spielt „Shameless“ seine Stärken mit aller Wucht aus und erschafft ein soziales Portrait, das innerlich zerreißt.
Bosch – Season 2
Die zweite Staffel um den eigenbrötlerischen Alte-Schule-Cop Harry Bosch belässt im Sinne ihres Hauptdarstellers so viele Dinge beim Alten wie nur möglich und macht doch deutlich, dass sich die Welt gnadenlos weiterdreht. Der Story Arc distanziert sich davon, einen Antagonisten mit markanter Physis zum Gegenpol Boschs zu stilisieren, so wie mit Jason Gedrick in Staffel 1 geschehen. Zwar gibt es mit Brent Sexton letztendlich wieder einen klaren Gegner, dieser kristallisiert sich aber erst spät heraus und ist eher das Produkt von krimineller Organisation, nicht Einzeltäterschaft. Das verschafft den neuen zehn Episoden einen alternativen Ansatz, bei dem eher auf politische Verstrickungen gesetzt wird sowie auf die daraus entstehenden individuellen Schicksalsschläge, weniger auf ein kontinuierliches Katz- und Mausspiel.
Welliver bleibt dabei die Bank mit den kaltblauen Augen und fährt seine Schiene überwiegend souverän. Lediglich Familienangelegenheiten, ob es sich dabei nun um den Umgang mit Ex-Frau und Tochter handelt oder um die im Hintergrund laufenden Recherchen über den lange zurückliegenden Mord an seiner Mutter, wirken nicht immer ganz natürlich.
,5
Weitere Sichtungen:
Horns
Spring – Love Is A Monster
Insidious 3
Als in der “Hellraiser”-Franchise plötzlich Dämonen mit überdimensionalen DVD-Discs im Schädel auf den Plan gerieten, wusste man endgültig, dass die geschlossene Mythologie einem Expanded Universe Platz machen musste, mit dem Versprechen einer infiniten Abfolge von weiteren Sequels, die nicht mehr zwangsläufig etwas mit dem Urentwurf nach Clive Barker zu tun haben mussten. Schaut man sich nun die schwer atmende, winkende Kreatur von „Chapter 3“ der „Insidious“-Reihe an, so kommt man zur gleichen traurigen Erkenntnis.
In seinem Regiedebüt löst sich Leigh Wannell (der bis dato nur als Schauspieler und Drehbuchautor mit den Vorgängern verknüpft war) von dem Bemühen um erzählerische Komplexität und Kontinuität, woran „Chapter 2“ noch viel gelegen war. Er wählt die komfortable Methode und vereinfacht seinen Zugang, indem er sämtliche erzählerische Brücken geflissentlich ignoriert. Trademarks der ersten beiden Filme werden nur noch wie Gimmicks eingeflochten, die junge Lin Shaye in der Hauptrolle verstärkt noch zusätzlich den Eindruck, man befinde sich in einem übernatürlichen Teenie-Slasher.
Kommerziell mag diese Entschlackung vielleicht sogar die richtige Entscheidung gewesen sein, wenn man bedenkt, dass „Insidious 2“ gerade wegen seiner Multidimensionalität viel Kritik einstecken musste und dass „Insidious 3“ nun immerhin das Zehnfache seiner Kosten wieder eingespielt hat. Er öffnet aber zweifellos auch Tür und Tor für eine ganze Flut von Billigsequels, die den roten Buhmann nur noch in ikonischer Funktion vorausschicken oder als dunkle Eminenz installieren, um immer wieder neue Monsters of the Week zu präsentieren, so wie der Sauerstoffmaskenträger mit den schmutzigen Füßen eines ist.
Technisch bleibt Whannell relativ nah an dem, was Wan vorgegeben hat, im Endeffekt gelingt aber kaum mehr als eine lärmende Abfolge vorhersehbarer Jump Scares, deren Vertrauen auf die Surround-Spur etwas Hilfloses in sich trägt. Eigenertrag gleich null; bedenkt man, dass „Insidious“ das Vertrauen in den damals toten Geisterfilm wieder belebt hat, trägt schon ein lieblos abgekurbeltes Sequel wie dieses die Gefahr in sich, das sensible Genre für die Massen wieder zu verlieren.
Dabei ist Whannells Regiearbeit als Genrebeitrag nicht einmal richtig schlecht; sie trägt eben nur düstere Vorzeichen mit sich für den von Wan geprägten Geisterfilm, bei dem bisher jede Episode trotz schwankender Qualität zumindest Sorgfalt bewiesen hat. Von „Insidious 3“ kann man das nicht mehr behaupten.
Die Killer
Die ersten Minuten, mit denen Ernest Hemingways zugrunde liegende Kurzgeschichte vollständig abgedeckt werden, sind ein Meisterakt der Reproduktion: Textzeilen werden 1:1 und doch mit eigener Interpretation wiedergegeben, Kamera und Beleuchtung spielen für zeitlose Hell-Dunkel-Kompositionen zusammen und sorgen gemeinsam mit dem langsamen, aber sehr wohl antreibenden Schnitt für eine angemessene Würdigung der Leistung des Autoren, viel Subtext in wenig Seiten unterzubringen. Der Entflüchtigung von Ort und Zeit entspricht Robert Siodmak mit einer beinahe traumartigen Aneinanderreihung von skurrilen Situationen um zwei Killer und ein Opfer, aufgehend in der widernatürlichen (und daher wieder traumartigen) Pointe, sich dem eigenen Schicksal zu fügen.
Anschließend muss sich die Verfilmung zwangsläufig von Hemingway trennen und erreicht dies durch die Verortung der im luftleeren Raum schwebenden Kernereignisse. Moderne Rückblendentechnik wird zu diesem Zweck eingesetzt, resultierend in einer Erzählform, die auch fünf Jahre nach „Citizen Kane“ noch nicht vollständige Wertschätzung vom zeitgenössischen Publikum erfahren konnte. Über diese Brücke wird auch der Bezug zu Noir-Filmen wie „The Maltese Falcon“ oder „Double Indemnity“ hergestellt, in denen Detektive auf Femme Fatales stießen und mit dem sprichwörtlichen Feuer in Kontakt gerieten. Noch dazu wird ein Grundstein für folgende Boxerfilme gelegt, die mit Low-Key-Techniken die Ohnmacht im Ring einzufangen versuchten. Burt Lancaster weiß diese Bühne bereits in seinem Debütauftritt zu nutzen und legt den Grundstein für eine lange Karriere, ebenso wie Ava Gardner an seiner Seite.
Mit jeder Wendung läuft Siodmak Gefahr, die Intention der Vorlage zu verfehlen, wenn man nicht ohnehin bereits den Umstand der Weitererzählung als Verfehlung begreifen möchte; andererseits gelingt Siodmak gerade dadurch ein eigenständiges, unabhängiges Noir-Werk, das nicht einmal für sich beansprucht, die ultimative Auflösung zu Hemingways Gedankenspielen zu bieten, sondern sich bei aller Aufdeckung zumindest im Subtext seine Geheimnisse bewahrt.
Vacation – Wir sind die Griswolds
Zwei Generationen, zwei Mittel, sich über Konservativismus lustig zu machen und ihn dennoch zu propagieren. Im Jahr 2015 sind die Griswold-Nachkommen Sklave zeitgemäßen Hochglanz-Gross-Out-Humors, der blitzende Zahnreihen auf dreckige Fäuste treffen lässt. Ed Helms ist gewissermaßen eines der Aushängeschilder dieser wenigstens fragwürdigen Comedy-Philosophie und insofern eine absolut logische Wahl, um Chevy Chase zu beerben.
Dass sich Zeitgeschichte wiederholt, obwohl die Hauptfigur es besser wissen müsste, hat ebenso viele Beweggründe in der mechanischen Verdrahtung von Sequel- und Remake-Elementen wie in der immer aggressiver gefahrenen Retro-Kiste.
Immerhin verlässt man sich nicht völlig auf alte Ami-Schleudern mit Holzverkleidung, sondern traut sich sogar den Aufwand zu, eigens für den Film ein fiktives Automodell zu designen, das dem Mad-Max’schen Alptraum schlafloser Familienväter mit Außentür-Getränkehaltern, kryptischen Fernbedienungen und unzähligen Steckdosen wahrhaft gerecht wird. Ja, es gibt Ambitionen zu verzeichnen, die bereits bei den interessanten Urlaubsfoto-Credits beginnen, deren Harmlosigkeit als Trugschluss erweist, wenn die Credits plötzlich aus dem Bild gezogen werden. Das selbstzufriedene Suburbia mittelständischer Bilderbuchfamilien zieht jedenfalls eine auffällige Kakaospur hinter sich her.
Viel zu oft aber führt die episodische Road-Movie-Linie in einfallslose Sackgassen. Was Chris Hemsworth in seinem Cameo fabriziert, wird allenfalls einem Simon Gosejohann und seiner „Comedystreet“ gerecht; Christina Applegates Campusbesuch bringt wenig Überraschendes zutage, ebenso wie das Geheimnis der verborgenen Griswold-Oase. Die Original-Griswolds Chase und D’Angelo sieht man wieder mit mindestens einem weinenden Auge; es mutet nicht nur aus deren Perspektive grotesk an, dass sich der Ton von Komödie so radikal verändert hat, damit jedoch nie eine Revolution einherging, sondern nach wie vor dieselben Werte gepredigt werden.
Fünf Perlen
In fünf sehr unterschiedlichen, aber durchweg auf hohem Niveau realisierten Episoden wird dem Short-Story-Autoren O.Henry Ehre erwiesen. Auf verschiedene Weise erzählen sie von Unwägbarkeiten des Lebens, Schicksal, Zufällen und willkürlichen Handlungsabläufen, in denen eine poetische Quintessenz gesucht wird. Henry Koster startet mit einem äußerst exemplarischen Beitrag, der von einem spielfreudigen Charles Laughton dominiert wird, welcher auf ungewöhnliche Weise die gesellschaftlichen Fesseln in den Prüfstand nimmt und schließlich Zeuge ihrer absurden Verteilung wird. Marilyn Monroe bestreitet hier eigentlich nur ein Cameo von wenigen Minuten Dauer, hinterlässt aber dennoch bleibenden Eindruck. Henry Hathaway betont in „The Clarion Call“ Gewissensfragen auf eher klassische Weise, lehnt sich dabei aber überzeugend an unterschiedliche Noir-Klassiker an. Jean Negulesco, der selbst Maler war, drehte mit „The Last Leaf“ eine Hommage an seinesgleichen und betont damit die Perspektive auf Dinge, mit der die Realität bestimmt wird. Der tragische Ausgang der Geschichte führt zum Kitsch, besitzt aber genug Strahlkraft, um sich von ihm nicht auffressen zu lassen.
Howard Hawks’ „The Ransom Of Red Chief“ ist sicherlich die amüsanteste Episode; nicht nur wegen des Einsatzes eines Bären, der in gewissen Szenen offensichtlich von Prothesen und Kostümen gedoubelt wurde, sondern wegen eines nicht vermittelbaren Jungen, dessen Entführung nicht etwa den Eltern zu schaffen macht, sondern den Entführern, was zu äußerst trockenem Humor führt. Henry King indes wandelt mit der Weihnachtsgeschichte „The Gift Of Magi“ überdeutlich auf den Spuren Frank Capras, indem er Geldsorgen und ironische Verstrickungen in dem Gefühl auflöst, dass trotzdem alles gut ist, wenn man jemanden an seiner Seite hat.
John Steinbeck moderiert zwischen den Folgen mit dem beruhigenden Gestus eines Belesenen, der zur Erkundungsreise einlädt – und eröffnet bei aller Unterschiedlichkeit der Beiträge am Ende eine Welt mit rotem Faden.
Sicario
Als Folgefilm des vielseits gefeierten „Prisoners“ klar erkenntlich, besiegelt „Sicario“ Villeneuves Position in Hollywood als Umsetzer feingespinstiger Charakterportraits in großflächigen, sterilen Thrillern möglicherweise auf längere Zeit. Noch immer stehen Klischees des Ermittlungsfilms dem angepeilten Ultrarealismus im Weg, der an der US-Mexiko-Grenze allerdings durch grellblasse Farbfilter mit den Schlüsselcodes gelb, blau und weiß in betäubenden Surrealismus gezogen wird.
Die vielerorts kritisierte, weil (ähnlich wie Jessica Chastain in „Zero Dark Thirty“) missverstandene Passivität von Hauptdarstellerin Emily Blunt steht durchweg intransparenten Mitspielern und Widersachern entgegen, so dass der Zuschauer mit einer dicken Plane bewusst auf Distanz gehalten wird. Dies hat eine Nüchternheit zur Folge, die sich auch auf den vom Genre vorgegebenen Thrill auswirkt, der lediglich in einer packenden Plansequenz wirklich spürbar wird und sonst eher körperlos im Raum schwebt.
Von einem „guten“ Film, da kann es kaum zwei Meinungen geben, muss zwangsläufig die Rede sein. Doch wird weder die erzählerische Komplexität noch die fieberhafte Intensität des nach wie vor gültigen Maßstabs „Traffic“ erreicht; und von Villeneuve erhofft man sich in Zukunft noch einmal mehr Pulp, denn die zunehmende Reduktion seiner US-Filme auf die Quintessenz seiner Arbeiten, die in dichten Handlungsnetzen liegt, gleicht dem allmählichen Verfangen in einem Spinnennetz.
Joe – Die Rache ist sein
Nachdem er sich jahrelang nur komödiantischen Stoffen widmete, knüpft David Gordon Green mit „Joe“ wieder an sein letztes reines Drama „Undertow“ (2004) an. Nicolas Cage verhilft er zu einer bemerkenswerten Leistung in einer äußerst anspruchsvollen Rolle. Der längst ins B-Fach abgerutschte Schauspieler muss sich einmal nicht zu Overacting-Höhen aufschwingen, weil der Film, in dem er mitspielt, auch ohne solche Maßnahmen ein sehenswerter ist – insbesondere mit Jungstar Tye Sheridan an der Seite, der Cage durchaus das Wasser reichen kann.
Ansonsten verströmt „Joe“ viel Non-Hollywood-Authentizität. Nicht nur, weil er sich an realistische Themen heranwagt (und diese auf moralische Werte ummünzt), sondern vor allem, weil viele Nebenrollen mit Laien aus dem texanischen Umland besetzt wurden – inklusive Gary Poulter, der nicht nur einen Alkoholkranken spielte, sondern im wahren Leben selbst ein solcher war, bis er kurz nach den Dreharbeiten tot aufgefunden wurde. Es muss ein Risiko für Green gewesen sein, die Rolle so zu besetzen, doch von seiner ersten Szene bis zur letzten ist Poulter ein darstellerischer Hauptgewinn für den Film, denn unvorhersehbarer kann man Alkoholismus nicht auf die Leinwand bringen.
Die einfache Handlung scheut nicht vor Metaphern zurück, um ihre Geschichte mit poetischem Ausgang zu erzählen, und doch mutet sie knallhart und realistisch an, fesselnd über die gesamte Laufzeit.
Shameless – Season 2
Schon in der zweiten Staffel wächst “Shameless” von der teils karikaturistischen Unterschichten-Satire zur meisterhaften Mischung aus Relief Comedy und sozialem Drama, das vortreffliche Beobachtungen bei der Dynamik familiärer Strukturen und der individuellen Ausprägung der Rollenteilnehmer vornimmt. Um diesen Status zu erreichen, müssen die Drehbuchautoren manchmal sehr tief ins Depri-Fach greifen. Regelmäßig wird man als Zuschauer Zeuge des Potenzials der verschiedenen Gallaghers, aber auch der Verhinderung von dessen Ausbreitung wegen der verzwickten Familiensituationen. Mögliche Kultfiguren wie jene von William H. Macy bekommen durch den realistischen Anstrich viele Zacken in die Krone, unterbinden sie doch eine bessere Zukunft der Sympathieträger der Serie wie Emmy Rossum (Fiona), Jeremy Allen White (Lip) oder Cameron Monaghan (Ian), was in der zweiten Staffel sogar noch mehr für die Gallagher-Mutter Monica (Chloe Webb) gilt.
Als reines Comedy-Ventil fungiert Stephanie Fantauzzi in der Rolle der Brasilianerin Estefania, ein ständig nackter oder in Telefonsex verwickelter Running Gag an der Seite von Justin Chatwin, der seinerseits wiederum anfangs in den Hintergrund tritt, um erst später wieder in den Alltag der Gallaghers einzugreifen.
Weitere Sichtungen:
Baskin
X-Men: Apocalypse
Als in der “Hellraiser”-Franchise plötzlich Dämonen mit überdimensionalen DVD-Discs im Schädel auf den Plan gerieten, wusste man endgültig, dass die geschlossene Mythologie einem Expanded Universe Platz machen musste, mit dem Versprechen einer infiniten Abfolge von weiteren Sequels, die nicht mehr zwangsläufig etwas mit dem Urentwurf nach Clive Barker zu tun haben mussten. Schaut man sich nun die schwer atmende, winkende Kreatur von „Chapter 3“ der „Insidious“-Reihe an, so kommt man zur gleichen traurigen Erkenntnis.
In seinem Regiedebüt löst sich Leigh Wannell (der bis dato nur als Schauspieler und Drehbuchautor mit den Vorgängern verknüpft war) von dem Bemühen um erzählerische Komplexität und Kontinuität, woran „Chapter 2“ noch viel gelegen war. Er wählt die komfortable Methode und vereinfacht seinen Zugang, indem er sämtliche erzählerische Brücken geflissentlich ignoriert. Trademarks der ersten beiden Filme werden nur noch wie Gimmicks eingeflochten, die junge Lin Shaye in der Hauptrolle verstärkt noch zusätzlich den Eindruck, man befinde sich in einem übernatürlichen Teenie-Slasher.
Kommerziell mag diese Entschlackung vielleicht sogar die richtige Entscheidung gewesen sein, wenn man bedenkt, dass „Insidious 2“ gerade wegen seiner Multidimensionalität viel Kritik einstecken musste und dass „Insidious 3“ nun immerhin das Zehnfache seiner Kosten wieder eingespielt hat. Er öffnet aber zweifellos auch Tür und Tor für eine ganze Flut von Billigsequels, die den roten Buhmann nur noch in ikonischer Funktion vorausschicken oder als dunkle Eminenz installieren, um immer wieder neue Monsters of the Week zu präsentieren, so wie der Sauerstoffmaskenträger mit den schmutzigen Füßen eines ist.
Technisch bleibt Whannell relativ nah an dem, was Wan vorgegeben hat, im Endeffekt gelingt aber kaum mehr als eine lärmende Abfolge vorhersehbarer Jump Scares, deren Vertrauen auf die Surround-Spur etwas Hilfloses in sich trägt. Eigenertrag gleich null; bedenkt man, dass „Insidious“ das Vertrauen in den damals toten Geisterfilm wieder belebt hat, trägt schon ein lieblos abgekurbeltes Sequel wie dieses die Gefahr in sich, das sensible Genre für die Massen wieder zu verlieren.
Dabei ist Whannells Regiearbeit als Genrebeitrag nicht einmal richtig schlecht; sie trägt eben nur düstere Vorzeichen mit sich für den von Wan geprägten Geisterfilm, bei dem bisher jede Episode trotz schwankender Qualität zumindest Sorgfalt bewiesen hat. Von „Insidious 3“ kann man das nicht mehr behaupten.
Die Killer
Die ersten Minuten, mit denen Ernest Hemingways zugrunde liegende Kurzgeschichte vollständig abgedeckt werden, sind ein Meisterakt der Reproduktion: Textzeilen werden 1:1 und doch mit eigener Interpretation wiedergegeben, Kamera und Beleuchtung spielen für zeitlose Hell-Dunkel-Kompositionen zusammen und sorgen gemeinsam mit dem langsamen, aber sehr wohl antreibenden Schnitt für eine angemessene Würdigung der Leistung des Autoren, viel Subtext in wenig Seiten unterzubringen. Der Entflüchtigung von Ort und Zeit entspricht Robert Siodmak mit einer beinahe traumartigen Aneinanderreihung von skurrilen Situationen um zwei Killer und ein Opfer, aufgehend in der widernatürlichen (und daher wieder traumartigen) Pointe, sich dem eigenen Schicksal zu fügen.
Anschließend muss sich die Verfilmung zwangsläufig von Hemingway trennen und erreicht dies durch die Verortung der im luftleeren Raum schwebenden Kernereignisse. Moderne Rückblendentechnik wird zu diesem Zweck eingesetzt, resultierend in einer Erzählform, die auch fünf Jahre nach „Citizen Kane“ noch nicht vollständige Wertschätzung vom zeitgenössischen Publikum erfahren konnte. Über diese Brücke wird auch der Bezug zu Noir-Filmen wie „The Maltese Falcon“ oder „Double Indemnity“ hergestellt, in denen Detektive auf Femme Fatales stießen und mit dem sprichwörtlichen Feuer in Kontakt gerieten. Noch dazu wird ein Grundstein für folgende Boxerfilme gelegt, die mit Low-Key-Techniken die Ohnmacht im Ring einzufangen versuchten. Burt Lancaster weiß diese Bühne bereits in seinem Debütauftritt zu nutzen und legt den Grundstein für eine lange Karriere, ebenso wie Ava Gardner an seiner Seite.
Mit jeder Wendung läuft Siodmak Gefahr, die Intention der Vorlage zu verfehlen, wenn man nicht ohnehin bereits den Umstand der Weitererzählung als Verfehlung begreifen möchte; andererseits gelingt Siodmak gerade dadurch ein eigenständiges, unabhängiges Noir-Werk, das nicht einmal für sich beansprucht, die ultimative Auflösung zu Hemingways Gedankenspielen zu bieten, sondern sich bei aller Aufdeckung zumindest im Subtext seine Geheimnisse bewahrt.
Vacation – Wir sind die Griswolds
Zwei Generationen, zwei Mittel, sich über Konservativismus lustig zu machen und ihn dennoch zu propagieren. Im Jahr 2015 sind die Griswold-Nachkommen Sklave zeitgemäßen Hochglanz-Gross-Out-Humors, der blitzende Zahnreihen auf dreckige Fäuste treffen lässt. Ed Helms ist gewissermaßen eines der Aushängeschilder dieser wenigstens fragwürdigen Comedy-Philosophie und insofern eine absolut logische Wahl, um Chevy Chase zu beerben.
Dass sich Zeitgeschichte wiederholt, obwohl die Hauptfigur es besser wissen müsste, hat ebenso viele Beweggründe in der mechanischen Verdrahtung von Sequel- und Remake-Elementen wie in der immer aggressiver gefahrenen Retro-Kiste.
Immerhin verlässt man sich nicht völlig auf alte Ami-Schleudern mit Holzverkleidung, sondern traut sich sogar den Aufwand zu, eigens für den Film ein fiktives Automodell zu designen, das dem Mad-Max’schen Alptraum schlafloser Familienväter mit Außentür-Getränkehaltern, kryptischen Fernbedienungen und unzähligen Steckdosen wahrhaft gerecht wird. Ja, es gibt Ambitionen zu verzeichnen, die bereits bei den interessanten Urlaubsfoto-Credits beginnen, deren Harmlosigkeit als Trugschluss erweist, wenn die Credits plötzlich aus dem Bild gezogen werden. Das selbstzufriedene Suburbia mittelständischer Bilderbuchfamilien zieht jedenfalls eine auffällige Kakaospur hinter sich her.
Viel zu oft aber führt die episodische Road-Movie-Linie in einfallslose Sackgassen. Was Chris Hemsworth in seinem Cameo fabriziert, wird allenfalls einem Simon Gosejohann und seiner „Comedystreet“ gerecht; Christina Applegates Campusbesuch bringt wenig Überraschendes zutage, ebenso wie das Geheimnis der verborgenen Griswold-Oase. Die Original-Griswolds Chase und D’Angelo sieht man wieder mit mindestens einem weinenden Auge; es mutet nicht nur aus deren Perspektive grotesk an, dass sich der Ton von Komödie so radikal verändert hat, damit jedoch nie eine Revolution einherging, sondern nach wie vor dieselben Werte gepredigt werden.
Fünf Perlen
In fünf sehr unterschiedlichen, aber durchweg auf hohem Niveau realisierten Episoden wird dem Short-Story-Autoren O.Henry Ehre erwiesen. Auf verschiedene Weise erzählen sie von Unwägbarkeiten des Lebens, Schicksal, Zufällen und willkürlichen Handlungsabläufen, in denen eine poetische Quintessenz gesucht wird. Henry Koster startet mit einem äußerst exemplarischen Beitrag, der von einem spielfreudigen Charles Laughton dominiert wird, welcher auf ungewöhnliche Weise die gesellschaftlichen Fesseln in den Prüfstand nimmt und schließlich Zeuge ihrer absurden Verteilung wird. Marilyn Monroe bestreitet hier eigentlich nur ein Cameo von wenigen Minuten Dauer, hinterlässt aber dennoch bleibenden Eindruck. Henry Hathaway betont in „The Clarion Call“ Gewissensfragen auf eher klassische Weise, lehnt sich dabei aber überzeugend an unterschiedliche Noir-Klassiker an. Jean Negulesco, der selbst Maler war, drehte mit „The Last Leaf“ eine Hommage an seinesgleichen und betont damit die Perspektive auf Dinge, mit der die Realität bestimmt wird. Der tragische Ausgang der Geschichte führt zum Kitsch, besitzt aber genug Strahlkraft, um sich von ihm nicht auffressen zu lassen.
Howard Hawks’ „The Ransom Of Red Chief“ ist sicherlich die amüsanteste Episode; nicht nur wegen des Einsatzes eines Bären, der in gewissen Szenen offensichtlich von Prothesen und Kostümen gedoubelt wurde, sondern wegen eines nicht vermittelbaren Jungen, dessen Entführung nicht etwa den Eltern zu schaffen macht, sondern den Entführern, was zu äußerst trockenem Humor führt. Henry King indes wandelt mit der Weihnachtsgeschichte „The Gift Of Magi“ überdeutlich auf den Spuren Frank Capras, indem er Geldsorgen und ironische Verstrickungen in dem Gefühl auflöst, dass trotzdem alles gut ist, wenn man jemanden an seiner Seite hat.
John Steinbeck moderiert zwischen den Folgen mit dem beruhigenden Gestus eines Belesenen, der zur Erkundungsreise einlädt – und eröffnet bei aller Unterschiedlichkeit der Beiträge am Ende eine Welt mit rotem Faden.
Sicario
Als Folgefilm des vielseits gefeierten „Prisoners“ klar erkenntlich, besiegelt „Sicario“ Villeneuves Position in Hollywood als Umsetzer feingespinstiger Charakterportraits in großflächigen, sterilen Thrillern möglicherweise auf längere Zeit. Noch immer stehen Klischees des Ermittlungsfilms dem angepeilten Ultrarealismus im Weg, der an der US-Mexiko-Grenze allerdings durch grellblasse Farbfilter mit den Schlüsselcodes gelb, blau und weiß in betäubenden Surrealismus gezogen wird.
Die vielerorts kritisierte, weil (ähnlich wie Jessica Chastain in „Zero Dark Thirty“) missverstandene Passivität von Hauptdarstellerin Emily Blunt steht durchweg intransparenten Mitspielern und Widersachern entgegen, so dass der Zuschauer mit einer dicken Plane bewusst auf Distanz gehalten wird. Dies hat eine Nüchternheit zur Folge, die sich auch auf den vom Genre vorgegebenen Thrill auswirkt, der lediglich in einer packenden Plansequenz wirklich spürbar wird und sonst eher körperlos im Raum schwebt.
Von einem „guten“ Film, da kann es kaum zwei Meinungen geben, muss zwangsläufig die Rede sein. Doch wird weder die erzählerische Komplexität noch die fieberhafte Intensität des nach wie vor gültigen Maßstabs „Traffic“ erreicht; und von Villeneuve erhofft man sich in Zukunft noch einmal mehr Pulp, denn die zunehmende Reduktion seiner US-Filme auf die Quintessenz seiner Arbeiten, die in dichten Handlungsnetzen liegt, gleicht dem allmählichen Verfangen in einem Spinnennetz.
Joe – Die Rache ist sein
Nachdem er sich jahrelang nur komödiantischen Stoffen widmete, knüpft David Gordon Green mit „Joe“ wieder an sein letztes reines Drama „Undertow“ (2004) an. Nicolas Cage verhilft er zu einer bemerkenswerten Leistung in einer äußerst anspruchsvollen Rolle. Der längst ins B-Fach abgerutschte Schauspieler muss sich einmal nicht zu Overacting-Höhen aufschwingen, weil der Film, in dem er mitspielt, auch ohne solche Maßnahmen ein sehenswerter ist – insbesondere mit Jungstar Tye Sheridan an der Seite, der Cage durchaus das Wasser reichen kann.
Ansonsten verströmt „Joe“ viel Non-Hollywood-Authentizität. Nicht nur, weil er sich an realistische Themen heranwagt (und diese auf moralische Werte ummünzt), sondern vor allem, weil viele Nebenrollen mit Laien aus dem texanischen Umland besetzt wurden – inklusive Gary Poulter, der nicht nur einen Alkoholkranken spielte, sondern im wahren Leben selbst ein solcher war, bis er kurz nach den Dreharbeiten tot aufgefunden wurde. Es muss ein Risiko für Green gewesen sein, die Rolle so zu besetzen, doch von seiner ersten Szene bis zur letzten ist Poulter ein darstellerischer Hauptgewinn für den Film, denn unvorhersehbarer kann man Alkoholismus nicht auf die Leinwand bringen.
Die einfache Handlung scheut nicht vor Metaphern zurück, um ihre Geschichte mit poetischem Ausgang zu erzählen, und doch mutet sie knallhart und realistisch an, fesselnd über die gesamte Laufzeit.
Shameless – Season 2
Schon in der zweiten Staffel wächst “Shameless” von der teils karikaturistischen Unterschichten-Satire zur meisterhaften Mischung aus Relief Comedy und sozialem Drama, das vortreffliche Beobachtungen bei der Dynamik familiärer Strukturen und der individuellen Ausprägung der Rollenteilnehmer vornimmt. Um diesen Status zu erreichen, müssen die Drehbuchautoren manchmal sehr tief ins Depri-Fach greifen. Regelmäßig wird man als Zuschauer Zeuge des Potenzials der verschiedenen Gallaghers, aber auch der Verhinderung von dessen Ausbreitung wegen der verzwickten Familiensituationen. Mögliche Kultfiguren wie jene von William H. Macy bekommen durch den realistischen Anstrich viele Zacken in die Krone, unterbinden sie doch eine bessere Zukunft der Sympathieträger der Serie wie Emmy Rossum (Fiona), Jeremy Allen White (Lip) oder Cameron Monaghan (Ian), was in der zweiten Staffel sogar noch mehr für die Gallagher-Mutter Monica (Chloe Webb) gilt.
Als reines Comedy-Ventil fungiert Stephanie Fantauzzi in der Rolle der Brasilianerin Estefania, ein ständig nackter oder in Telefonsex verwickelter Running Gag an der Seite von Justin Chatwin, der seinerseits wiederum anfangs in den Hintergrund tritt, um erst später wieder in den Alltag der Gallaghers einzugreifen.
Weitere Sichtungen:
Baskin
X-Men: Apocalypse
The Invitation
Es ist nicht einfach, Geschichten über Blickkontakte und Smalltalk in einer kleinen Gruppe zu erzählen, doch Karyn Kusama gelingt dieser Spagat immerhin souveräner, als es die eigene Holzhammer-Vita mit "Aeon Flux" und "Jennifer's Body" vermuten ließe. Angenehmes Kribbeln nimmt man aus den Dialogszenen mit, die zwischen der Banalität oberflächlicher Partygespräche und unterschwelliger Befremdlichkeit pendeln. Indizien auf potenziell gefährliches Verhalten werden als Marotten der LA-High-Society abgewunken, die Spannung somit zu erhöhen versucht.
Neues gewinnt die Regisseurin dem gewählten Szenario jedoch nicht ab. Vielmehr bewegt sie sich unauffällig in den sicheren Bahnen dessen, was dialoglastige Suspense-Thriller auf kleinem Raum zu leisten imstande sind. Die abgesehen von Michiel Huisman eher unbekannten Darsteller erweisen sich im Rahmen ihrer Rollenzuweisung durchweg sicher. Tatsächlich rührt gerade von ihnen der Eindruck eines soliden Films, denn dieser lebt entscheidend von der Gruppendynamik zu Tisch und den Einzelgesprächen in abgeschiedenen Räumlichkeiten des großzügigen Designer-Hauses.
The Walk
Stilistisch weiß der experimentierfreudige Robert Zemeckis seine Biografie über den Hochseilartisten Philippe Petit nicht richtig zu fassen. Anstatt eine eigene Handschrift zu bemühen, greift er im Szenenkontext immer wieder zu fremder Signatur; Spielberg'schen Familienkitsch modelliert er, Jeunet'sche Verwandlungen der Realität in Träume, dazu Ocean's-11-Plansequenzen und Spider-Man-Shots. Im eigenen Portfolio greift Zemeckis nach "Forrest Gump", wenn Petit mit französischem Akzent und schluffigem Humor sein Wort direkt an den Zuschauer richtet, wobei die Freiheitsstatue ein ebensolches Handlungssymbol darstellt wie die Bank, auf der Tom Hanks jedem seine Geschichten erzählt, der sie hören will.
Auffallend ist der Lebenshöhepunkt Petits als Post-9-11-Balsam inszeniert. Die im Aufbau begriffenen Zwillingstürme umnebelt der Regisseur mit einer absoluten Ahnungslosigkeit gegenüber den Jahrzehnte später einsetzenden Ereignissen, mit denen man die Gebäude heute verbindet. Der Zerstörung setzt Petits Geschichte einen Kontrapunkt entgegen, der Kreativität und Lebenssinn zelebriert, gleichwohl es sich auch hier um eine illegale, verdeckte Operation handelt, mit der das World Trade Center infiltriert wird.
Um so stärker betont der zeitweise hochintensive Film die beflügelnde Wirkung positiven Denkens; wenigstens, bis der Bezug in ein, zwei Szenen zum Schluss hin allzu plakativ gezogen wird. Gordon-Levitt spielt den Artisten mit hoher Wandlungsfähigkeit, ist jedoch immer ein Stück weit in der Schere des Bemühens gefangen, aus der er sich auch dann nicht befreien kann, wenn seine Figur einen halben Kilometer über der Erde die höchste Genugtuung erlebt.
Mr. Holmes – Der Mann hinter dem Mythos
Die Mythendekonstruktion der literarischen Figur des Sherlock Holmes bebildert Bill Condon ruhig und einfühlsam, weit entfernt von der aktiven Zeit des Meisterdetektivs, die sich umso irrealer anfühlt, je mehr der Realismus eines alten Mannes im Ruhestand betont wird – ganz gleich, ob man bislang Basil Rathbone, Peter Cushing, Robert Downey Jr. oder Benedict Cumberbatch vor dem inneren Auge hatte. Ian McKellen sorgt mit nuancierter Bedrücktheit und scharfem Zynismus dafür, dass von der ursprünglichen Ikone nurmehr die gewünschte Hülse übrig bleibt.
Entsprechend bleiben von der forensischen Vorgehensweise des Detektivs ebenso wie von seinem langjährigen Partner Watson nur Schatten der Vergangenheit übrig. Andeutungsweise zeichnet sich die Nüchternheit und gleichzeitige Ruhelosigkeit Holmes' ab, womit den Ausschmückungen zur Legendenbildung immerhin eine gewisse Beobachtungsgabe seitens des Autoren Watson zuteil wird, der laut Drehbuch die Geschichte seines Partners für die Medien aufbereitet hatte. Der eigentliche Fall ist in "Mr. Holmes" jedoch eher Nebensache in einem zwischenmenschlichen Drama um die Haushälterin und ihren Sohn, ein bruchstückhaftes Puzzle aus verblassten Erinnerungsfetzen, das in der eingerosteten Gegenwart mit schlichten Symbolen und Erklärungen der Natur und ihrer Abläufe zusammengesetzt wird.
Kein schöner Anblick für jemanden, der in Holmes etwas Unantastbares erkennt, lässt "Mr. Holmes" seine Hauptfigur auf symbolischer Ebene doch gewissermaßen ein zweites Mal sterben, nachdem Arthur Conan Doyle ihn bereits in die Reichenbachfälle stürzen ließ. Der Gewinn von Menschlichkeit wiegt den Verlust des Ikonenhaften jedoch auf.
Francesca
"Francesca" ist ambitioniertes Scheitern im Irrglauben, den Giallo der 70er Jahre nachbilden zu können. Jede Szene bleibt ein gellendes Zitat für sich, Kontraste und Farbfilter maßlos überreizend, so wie man es vielleicht von "Suspiria" in Erinnerung zu haben glaubt, der trotz der Signalfarben, die ihn berühmt machten, niemals so verzweifelt um Aufmerksamkeit schrie. Werden rote Handschuhe in Nahaufnahme gezeigt oder abstruse Splattermomente in unbeholfen wackelnden Kamerafahrten angedeutet, so steht man in einem Meer aus Zaunpfählen; in ein, zwei Szenen wagt man sich sogar bis zu einem der Wegbereiter des Giallo, Alfred Hitchcocks "Psycho".
Vergessen wird dabei der eigene Plot, der auf eine unzusammenhängende Abfolge von Einzelsequenzen angewiesen ist, um erzählt werden zu können, was nicht in befriedigender Form gelingt; erst recht nicht in 70 Minuten, die "Francesca" wie einen komprimierten, sprunghaften Kurzfilm wirken lassen.
Wo man Helène Cattet und Bruno Forzani mit "Amer" ähnliche Vorwürfe hätte machen können, entwickelten diese immerhin einen eigenen Beitrag, um den Neo-Giallo zu formen; Luciano Onetti hingegen gelingt nichts weiter als die verzweifelte Klammerung an die Originale.
24 – Live Another Day
Vier Jahre Pause und die Reduktion auf das inzwischen als Standard geltende 12-Episoden-Format gaben Hoffnung, dass sich die Fox-Serie endlich wieder von ihren größten Schwächen losreißen könnte, nämlich die Glaubwürdigkeit im 24-Stunden-Zeitfenster überzustrapazieren und sich auf dem schnittbetonten Stil auszuruhen, der 2001 noch das Fernsehen revolutioniert hatte.
Doch von seinen alten Dämonen kann sich die Serie um Kiefer Sutherlands Jack Bauer nicht befreien. Episode 1 beginnt so selbstverständlich, als hätte es die Pause nach Staffel 8 nie gegeben. Noch in den ersten Minuten verstreicht die Chance auf einen erfrischenden neuen Anstrich ungenutzt. Gewissermaßen ist das ein Statement für das weiterhin konservativ-reaktionäre Prinzip des Handlungsaufbaus, der sich immer noch über Folter, Maulwürfe, Intrigen und eine fast schon unangenehme Nähe zur höchsten Regierungsebene auszeichnet.
Der Handlungsfluss gelingt zwar zumindest ähnlich gut wie in den Staffeln aus dem qualitativen Mittelfeld (also etwa der Phase um Staffel 3 und 4); man findet sich zumindest schnell wieder zurecht im Adrenalinstrom, der kaum Zeit zum Nachdenken lässt. Sutherland jedoch wirkt müde als mittlerweile regelrecht kathartische Verkörperung der absoluten Selbstaufgabe. Seine Mimik hat sich kaum verändert. Das verhärtete Gesicht lässt nur selten Platz für Aufhellung, lediglich in einzelnen Momenten verströmt er wieder diese kurzen Augenblicke der Verlegenheit, wenn er merkt, dass er jegliche Empathie gegenüber seinen Mitmenschen verloren hat.
Dies sind jedoch keineswegs neue Werkzeuge einer Serie, die bereits früh damit gespielt hat, Bauer als gebrochenen Helden und Sündenbock für das Versagen des Regierungsapparates zu inszenieren. Weder seine Widersacher (zwei Hauptkontrahenten gibt es, dabei hätte das Kurzstaffelformat zu einem durchgehenden Handlungsbogen eingeladen) können für Überraschungen sorgen, noch die vielen alten Bekannten oder neuen Bekanntschaften. Mary Lynn Rajskub macht sich in ihrem unglaubwürdigen Goth-Outfit sogar lächerlich.
Selbst London als neuer Schauplatz kann nicht verhindern, dass "Live Another Day" ein letztlich völlig überflüssiger Neuaufguss ist, der die eingelegte Pause nicht rechtfertigt, denn auf diese Weise hätte man auch gleich nach Staffel 8 weitermachen können.
The Walking Dead – Season 4
Das Gefängnis, in der verkehrten Welt von "The Walking Dead" ein Symbol der Geborgenheit, fällt zu Beginn der vierten Staffel – eine naheliegende Entwicklung, die von der trügerischen Stille der ausklingenden dritten Staffel vorbereitet wurde. Sie untermauert das schwer zugängliche, aber hoch interessante Konzept der Serie, eine Endlosspirale zu inszenieren und den finalen Akt klassischer Filmdramaturgie zu untergraben. Keine Erlösung wartet am Ende des Weges, sondern lediglich ein weiterer Weg.
So verschiebt sich das narrative Moment wieder vom Status Quo der Erhaltung in die Road-Movie-Nische, wenngleich mit dem ominösen "Terminus" eine weitere Endstation versprochen wird. Ein paar Probleme hat das Drehbuch, die Gemeinschaft der Überlebenden zum Aufbruch zu bewegen. Die Handlung wirkt holprig, bis, ja bis ein alter Bekannter eine eigene Episode gewidmet bekommt und den ersten Impuls zur Veränderung von allem gibt. Nicht seine Figur ist es, mit der die vierte Staffel plötzlich erstarkt, sondern der mit ihr einhergehende Perspektivwechsel. Die Handlung bewegt sich von nun an in Parallelmontage mehrerer Handlungsstränge voran und schließt sich zum Ende zu einem großen Ende mit "jetzt erst recht"-Gefühl. Bis dahin hat man viele intime Einzelgeschichten miterlebt, die einem mitunter wahrlich die Kehle einschnüren; Momente, die fast schon zur Misanthropie verführen, da der Mensch trotz vieler Zombie- und Gore-Situationen immer noch das gefährlichste Wesen in dieser Serie darstellt.
Eine Serie, die tatsächlich immer besser wird, je weiter und zielloser sie voranschreitet.
American Horror Story – Season 4
Das Quasi-Remake von "Freaks" beginnt herausragend. Schon der Vorspann übertrifft seine ohnehin durchweg überzeugenden Vorgängervarianten mit bizarren Stop-Motion-Effekten, in der Handlung wird dann mit einem bestialischen Clown einer der interessantesten Antagonisten der Serie eingeführt, der mit unberechenbarem Verhalten und einigen überaus brutalen Angriffen immer wieder Momente des Erstarrens erzeugt. Die titelgebende Gemeinschaft der Freaks erweist sich drehbuchseitig als funktionierendes Konstrukt, das hohes Interesse für die Subkultur aufkommen lässt. Ein schauspielerisches und optisches Highlight bietet Sarah Paulson in einer Doppelrolle als siamesischer Zwilling; eine schauspielerisch fordernde, sehr intensive und im Bild stets die Aufmerksamkeit fordernde Rolle, die sogar experimentelle Schnittechniken auf sich zieht. Über Jessica Langes Elsa Mars wiederum wird der Plot um eine historische und wirtschaftliche Dimension vertieft, derweil sich langsam eine Versus-Konstellation andeutet, in der zwei zeitlich und örtlich getrennte Plotstränge sich langsam aufeinander zubewegen.
Obwohl mit Finn Wittrock schließlich ein Gegenspieler auftritt, der sich von einer überzeichneten Witzfigur zu einer noch größeren Schreckgestalt mausert als der ursprüngliche Clown, zerfällt das Handlungsgerüst nach gut einem Drittel der Laufzeit serientypisch wieder einmal in alle Bestandteile, weil einfach zu viele Elemente untergebracht werden möchten. Das führt zu einem großen Loch im Mittelteil, der sich nicht entscheiden kann, welche Richtung er einschlagen möchte. Nebenrollen wie jene von Michael Chiklis werden ohne entsprechenden Ertrag extrem psychologisiert, Figuren behäbig zueinander in Beziehung gesetzt und sehr selten mit der "normalen" Gesellschaft konfrontiert, derweil sich das meiste inzestuös in den eigenen Zelten abspielt. Über einzelne Highlights wie die geschmackvolle Songauswahl (Lange darf einiges von David Bowie interpretieren und übernimmt auch dessen Stil auf der Bühne sehr gelungen) muss man sich in die letzten Folgen retten, die dann endlich wieder ein Ziel vor Augen zu haben scheinen und der bisher unumstrittenen Hauptdarstellerin der gesamten Serie zu einem wunderbaren Ende verhelfen, bevor die fünfte Staffel erstmals ganz ohne ihre einnehmende Präsenz auskommen muss.
Weitere Sichtungen:
Howl
Kung Fury
Deadpool
The Hateful Eight
Big Game
No Escape
Es ist nicht einfach, Geschichten über Blickkontakte und Smalltalk in einer kleinen Gruppe zu erzählen, doch Karyn Kusama gelingt dieser Spagat immerhin souveräner, als es die eigene Holzhammer-Vita mit "Aeon Flux" und "Jennifer's Body" vermuten ließe. Angenehmes Kribbeln nimmt man aus den Dialogszenen mit, die zwischen der Banalität oberflächlicher Partygespräche und unterschwelliger Befremdlichkeit pendeln. Indizien auf potenziell gefährliches Verhalten werden als Marotten der LA-High-Society abgewunken, die Spannung somit zu erhöhen versucht.
Neues gewinnt die Regisseurin dem gewählten Szenario jedoch nicht ab. Vielmehr bewegt sie sich unauffällig in den sicheren Bahnen dessen, was dialoglastige Suspense-Thriller auf kleinem Raum zu leisten imstande sind. Die abgesehen von Michiel Huisman eher unbekannten Darsteller erweisen sich im Rahmen ihrer Rollenzuweisung durchweg sicher. Tatsächlich rührt gerade von ihnen der Eindruck eines soliden Films, denn dieser lebt entscheidend von der Gruppendynamik zu Tisch und den Einzelgesprächen in abgeschiedenen Räumlichkeiten des großzügigen Designer-Hauses.
The Walk
Stilistisch weiß der experimentierfreudige Robert Zemeckis seine Biografie über den Hochseilartisten Philippe Petit nicht richtig zu fassen. Anstatt eine eigene Handschrift zu bemühen, greift er im Szenenkontext immer wieder zu fremder Signatur; Spielberg'schen Familienkitsch modelliert er, Jeunet'sche Verwandlungen der Realität in Träume, dazu Ocean's-11-Plansequenzen und Spider-Man-Shots. Im eigenen Portfolio greift Zemeckis nach "Forrest Gump", wenn Petit mit französischem Akzent und schluffigem Humor sein Wort direkt an den Zuschauer richtet, wobei die Freiheitsstatue ein ebensolches Handlungssymbol darstellt wie die Bank, auf der Tom Hanks jedem seine Geschichten erzählt, der sie hören will.
Auffallend ist der Lebenshöhepunkt Petits als Post-9-11-Balsam inszeniert. Die im Aufbau begriffenen Zwillingstürme umnebelt der Regisseur mit einer absoluten Ahnungslosigkeit gegenüber den Jahrzehnte später einsetzenden Ereignissen, mit denen man die Gebäude heute verbindet. Der Zerstörung setzt Petits Geschichte einen Kontrapunkt entgegen, der Kreativität und Lebenssinn zelebriert, gleichwohl es sich auch hier um eine illegale, verdeckte Operation handelt, mit der das World Trade Center infiltriert wird.
Um so stärker betont der zeitweise hochintensive Film die beflügelnde Wirkung positiven Denkens; wenigstens, bis der Bezug in ein, zwei Szenen zum Schluss hin allzu plakativ gezogen wird. Gordon-Levitt spielt den Artisten mit hoher Wandlungsfähigkeit, ist jedoch immer ein Stück weit in der Schere des Bemühens gefangen, aus der er sich auch dann nicht befreien kann, wenn seine Figur einen halben Kilometer über der Erde die höchste Genugtuung erlebt.
Mr. Holmes – Der Mann hinter dem Mythos
Die Mythendekonstruktion der literarischen Figur des Sherlock Holmes bebildert Bill Condon ruhig und einfühlsam, weit entfernt von der aktiven Zeit des Meisterdetektivs, die sich umso irrealer anfühlt, je mehr der Realismus eines alten Mannes im Ruhestand betont wird – ganz gleich, ob man bislang Basil Rathbone, Peter Cushing, Robert Downey Jr. oder Benedict Cumberbatch vor dem inneren Auge hatte. Ian McKellen sorgt mit nuancierter Bedrücktheit und scharfem Zynismus dafür, dass von der ursprünglichen Ikone nurmehr die gewünschte Hülse übrig bleibt.
Entsprechend bleiben von der forensischen Vorgehensweise des Detektivs ebenso wie von seinem langjährigen Partner Watson nur Schatten der Vergangenheit übrig. Andeutungsweise zeichnet sich die Nüchternheit und gleichzeitige Ruhelosigkeit Holmes' ab, womit den Ausschmückungen zur Legendenbildung immerhin eine gewisse Beobachtungsgabe seitens des Autoren Watson zuteil wird, der laut Drehbuch die Geschichte seines Partners für die Medien aufbereitet hatte. Der eigentliche Fall ist in "Mr. Holmes" jedoch eher Nebensache in einem zwischenmenschlichen Drama um die Haushälterin und ihren Sohn, ein bruchstückhaftes Puzzle aus verblassten Erinnerungsfetzen, das in der eingerosteten Gegenwart mit schlichten Symbolen und Erklärungen der Natur und ihrer Abläufe zusammengesetzt wird.
Kein schöner Anblick für jemanden, der in Holmes etwas Unantastbares erkennt, lässt "Mr. Holmes" seine Hauptfigur auf symbolischer Ebene doch gewissermaßen ein zweites Mal sterben, nachdem Arthur Conan Doyle ihn bereits in die Reichenbachfälle stürzen ließ. Der Gewinn von Menschlichkeit wiegt den Verlust des Ikonenhaften jedoch auf.
Francesca
"Francesca" ist ambitioniertes Scheitern im Irrglauben, den Giallo der 70er Jahre nachbilden zu können. Jede Szene bleibt ein gellendes Zitat für sich, Kontraste und Farbfilter maßlos überreizend, so wie man es vielleicht von "Suspiria" in Erinnerung zu haben glaubt, der trotz der Signalfarben, die ihn berühmt machten, niemals so verzweifelt um Aufmerksamkeit schrie. Werden rote Handschuhe in Nahaufnahme gezeigt oder abstruse Splattermomente in unbeholfen wackelnden Kamerafahrten angedeutet, so steht man in einem Meer aus Zaunpfählen; in ein, zwei Szenen wagt man sich sogar bis zu einem der Wegbereiter des Giallo, Alfred Hitchcocks "Psycho".
Vergessen wird dabei der eigene Plot, der auf eine unzusammenhängende Abfolge von Einzelsequenzen angewiesen ist, um erzählt werden zu können, was nicht in befriedigender Form gelingt; erst recht nicht in 70 Minuten, die "Francesca" wie einen komprimierten, sprunghaften Kurzfilm wirken lassen.
Wo man Helène Cattet und Bruno Forzani mit "Amer" ähnliche Vorwürfe hätte machen können, entwickelten diese immerhin einen eigenen Beitrag, um den Neo-Giallo zu formen; Luciano Onetti hingegen gelingt nichts weiter als die verzweifelte Klammerung an die Originale.
24 – Live Another Day
Vier Jahre Pause und die Reduktion auf das inzwischen als Standard geltende 12-Episoden-Format gaben Hoffnung, dass sich die Fox-Serie endlich wieder von ihren größten Schwächen losreißen könnte, nämlich die Glaubwürdigkeit im 24-Stunden-Zeitfenster überzustrapazieren und sich auf dem schnittbetonten Stil auszuruhen, der 2001 noch das Fernsehen revolutioniert hatte.
Doch von seinen alten Dämonen kann sich die Serie um Kiefer Sutherlands Jack Bauer nicht befreien. Episode 1 beginnt so selbstverständlich, als hätte es die Pause nach Staffel 8 nie gegeben. Noch in den ersten Minuten verstreicht die Chance auf einen erfrischenden neuen Anstrich ungenutzt. Gewissermaßen ist das ein Statement für das weiterhin konservativ-reaktionäre Prinzip des Handlungsaufbaus, der sich immer noch über Folter, Maulwürfe, Intrigen und eine fast schon unangenehme Nähe zur höchsten Regierungsebene auszeichnet.
Der Handlungsfluss gelingt zwar zumindest ähnlich gut wie in den Staffeln aus dem qualitativen Mittelfeld (also etwa der Phase um Staffel 3 und 4); man findet sich zumindest schnell wieder zurecht im Adrenalinstrom, der kaum Zeit zum Nachdenken lässt. Sutherland jedoch wirkt müde als mittlerweile regelrecht kathartische Verkörperung der absoluten Selbstaufgabe. Seine Mimik hat sich kaum verändert. Das verhärtete Gesicht lässt nur selten Platz für Aufhellung, lediglich in einzelnen Momenten verströmt er wieder diese kurzen Augenblicke der Verlegenheit, wenn er merkt, dass er jegliche Empathie gegenüber seinen Mitmenschen verloren hat.
Dies sind jedoch keineswegs neue Werkzeuge einer Serie, die bereits früh damit gespielt hat, Bauer als gebrochenen Helden und Sündenbock für das Versagen des Regierungsapparates zu inszenieren. Weder seine Widersacher (zwei Hauptkontrahenten gibt es, dabei hätte das Kurzstaffelformat zu einem durchgehenden Handlungsbogen eingeladen) können für Überraschungen sorgen, noch die vielen alten Bekannten oder neuen Bekanntschaften. Mary Lynn Rajskub macht sich in ihrem unglaubwürdigen Goth-Outfit sogar lächerlich.
Selbst London als neuer Schauplatz kann nicht verhindern, dass "Live Another Day" ein letztlich völlig überflüssiger Neuaufguss ist, der die eingelegte Pause nicht rechtfertigt, denn auf diese Weise hätte man auch gleich nach Staffel 8 weitermachen können.
The Walking Dead – Season 4
Das Gefängnis, in der verkehrten Welt von "The Walking Dead" ein Symbol der Geborgenheit, fällt zu Beginn der vierten Staffel – eine naheliegende Entwicklung, die von der trügerischen Stille der ausklingenden dritten Staffel vorbereitet wurde. Sie untermauert das schwer zugängliche, aber hoch interessante Konzept der Serie, eine Endlosspirale zu inszenieren und den finalen Akt klassischer Filmdramaturgie zu untergraben. Keine Erlösung wartet am Ende des Weges, sondern lediglich ein weiterer Weg.
So verschiebt sich das narrative Moment wieder vom Status Quo der Erhaltung in die Road-Movie-Nische, wenngleich mit dem ominösen "Terminus" eine weitere Endstation versprochen wird. Ein paar Probleme hat das Drehbuch, die Gemeinschaft der Überlebenden zum Aufbruch zu bewegen. Die Handlung wirkt holprig, bis, ja bis ein alter Bekannter eine eigene Episode gewidmet bekommt und den ersten Impuls zur Veränderung von allem gibt. Nicht seine Figur ist es, mit der die vierte Staffel plötzlich erstarkt, sondern der mit ihr einhergehende Perspektivwechsel. Die Handlung bewegt sich von nun an in Parallelmontage mehrerer Handlungsstränge voran und schließt sich zum Ende zu einem großen Ende mit "jetzt erst recht"-Gefühl. Bis dahin hat man viele intime Einzelgeschichten miterlebt, die einem mitunter wahrlich die Kehle einschnüren; Momente, die fast schon zur Misanthropie verführen, da der Mensch trotz vieler Zombie- und Gore-Situationen immer noch das gefährlichste Wesen in dieser Serie darstellt.
Eine Serie, die tatsächlich immer besser wird, je weiter und zielloser sie voranschreitet.
American Horror Story – Season 4
Das Quasi-Remake von "Freaks" beginnt herausragend. Schon der Vorspann übertrifft seine ohnehin durchweg überzeugenden Vorgängervarianten mit bizarren Stop-Motion-Effekten, in der Handlung wird dann mit einem bestialischen Clown einer der interessantesten Antagonisten der Serie eingeführt, der mit unberechenbarem Verhalten und einigen überaus brutalen Angriffen immer wieder Momente des Erstarrens erzeugt. Die titelgebende Gemeinschaft der Freaks erweist sich drehbuchseitig als funktionierendes Konstrukt, das hohes Interesse für die Subkultur aufkommen lässt. Ein schauspielerisches und optisches Highlight bietet Sarah Paulson in einer Doppelrolle als siamesischer Zwilling; eine schauspielerisch fordernde, sehr intensive und im Bild stets die Aufmerksamkeit fordernde Rolle, die sogar experimentelle Schnittechniken auf sich zieht. Über Jessica Langes Elsa Mars wiederum wird der Plot um eine historische und wirtschaftliche Dimension vertieft, derweil sich langsam eine Versus-Konstellation andeutet, in der zwei zeitlich und örtlich getrennte Plotstränge sich langsam aufeinander zubewegen.
Obwohl mit Finn Wittrock schließlich ein Gegenspieler auftritt, der sich von einer überzeichneten Witzfigur zu einer noch größeren Schreckgestalt mausert als der ursprüngliche Clown, zerfällt das Handlungsgerüst nach gut einem Drittel der Laufzeit serientypisch wieder einmal in alle Bestandteile, weil einfach zu viele Elemente untergebracht werden möchten. Das führt zu einem großen Loch im Mittelteil, der sich nicht entscheiden kann, welche Richtung er einschlagen möchte. Nebenrollen wie jene von Michael Chiklis werden ohne entsprechenden Ertrag extrem psychologisiert, Figuren behäbig zueinander in Beziehung gesetzt und sehr selten mit der "normalen" Gesellschaft konfrontiert, derweil sich das meiste inzestuös in den eigenen Zelten abspielt. Über einzelne Highlights wie die geschmackvolle Songauswahl (Lange darf einiges von David Bowie interpretieren und übernimmt auch dessen Stil auf der Bühne sehr gelungen) muss man sich in die letzten Folgen retten, die dann endlich wieder ein Ziel vor Augen zu haben scheinen und der bisher unumstrittenen Hauptdarstellerin der gesamten Serie zu einem wunderbaren Ende verhelfen, bevor die fünfte Staffel erstmals ganz ohne ihre einnehmende Präsenz auskommen muss.
Weitere Sichtungen:
Howl
Kung Fury
Deadpool
The Hateful Eight
Big Game
No Escape
Uff, Walking Dead eine 8/10 und American Horror Story nur 6/10.
Ich bin gerade bei American Horror Story bei den letzten Folgen von Staffel 4. Das bei American Horror Story das Tempo auch mal rausgenommen wird finde ich sehr positiv. Denn dadurch schlagen die immer wieder eingestreuten teils bizarren und blutigen Momente um so mehr ein. Für mich ist American Horror Story eine der besten Horror-Serien überhaupt, während The Walking Dead eine der größten Enttäuschungen in diesem Bereich für mich ist.
Ich bin gerade bei American Horror Story bei den letzten Folgen von Staffel 4. Das bei American Horror Story das Tempo auch mal rausgenommen wird finde ich sehr positiv. Denn dadurch schlagen die immer wieder eingestreuten teils bizarren und blutigen Momente um so mehr ein. Für mich ist American Horror Story eine der besten Horror-Serien überhaupt, während The Walking Dead eine der größten Enttäuschungen in diesem Bereich für mich ist.
Bei AHS ist es ja nicht die Ruhe, die mich stört, sondern die offensichtliche Überforderung der Drehbuchautoren, mal über eine komplette Staffel einen runden Bogen hinzubekommen. Das vermiest mir die in allen anderen Disziplinen herausragende Serie schon sehr.
Und Walking Dead, ja, die Serie ist gerade hier im Forum einfach nur Opfer eines riesengroßen Missverständnisses bei der Erörterung der Frage, was eine solche Gesellschaftsdystopie eigentlich leisten soll. Ich höre eigentlich immer nur "langweilig" als Argument... "kommt nicht voran"... und so weiter. Was für mich im Umkehrschluss bedeutet, dass hier offenbar banales Spannungskino erwartet wird. Ich sehe "Walking Dead" im Gegensatz zu dir auch gar nicht im selben Bereich wie "AHS" - die wollen beide auf eine grundverschiedene Wirkung hinaus.
Und Walking Dead, ja, die Serie ist gerade hier im Forum einfach nur Opfer eines riesengroßen Missverständnisses bei der Erörterung der Frage, was eine solche Gesellschaftsdystopie eigentlich leisten soll. Ich höre eigentlich immer nur "langweilig" als Argument... "kommt nicht voran"... und so weiter. Was für mich im Umkehrschluss bedeutet, dass hier offenbar banales Spannungskino erwartet wird. Ich sehe "Walking Dead" im Gegensatz zu dir auch gar nicht im selben Bereich wie "AHS" - die wollen beide auf eine grundverschiedene Wirkung hinaus.
- LivingDead
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- Beiträge: 3774
- Registriert: 06.06.2006, 14:13
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Ich sehe auch nicht beide Serien im selben Bereich (außer das beide eben irgendwo zu Horror gehören). Das war wohl etwas missverständlich. Was ich aber sehe ist, dass "The Walking Dead" einen unglaublichen Hype erfährt und von vielen die negativen Aspekte der Serie positiv darstellen und im Gegenzug einer Serie wie "American Horror Story" doch auch mal Kleinigkeiten zum Vorwurf gemacht werden, obwohl die oftmals gezielt eingesetzt werden.Vince hat geschrieben:Ich sehe "Walking Dead" im Gegensatz zu dir auch gar nicht im selben Bereich wie "AHS" - die wollen beide auf eine grundverschiedene Wirkung hinaus.
Nehme ich mal deinen Kritikpunkt, dass die Autoren von "American Horror Story" damit überfordert sind einen runden Bogen hinzubekommen. Auch wenn ich das persönlich nicht so empfinde, muss genau dieser Vorwurf "The Walking Dead" doch viel massiver gemacht werden. Du selber schreibst doch, dass die Serie ziellos voran schreitet. Ein Bogen ist da nur schwer erkennbar. Davon abgesehen, dass Staffel 1 von "The Walking Dead" noch recht weit weg von einer Gesellschaftsdystopie war, funktioniert die Serie auch aus diesem Blickwinkel für mich nicht richtig.
Ich habe oft eher das Gefühl, dass "American Horror Story" mit falschen Erwartungen betrachtet wird. Die Serie vertritt eher alten Horror und verbreitet ihren Schrecken durch bizarre Momente (gerne auch mit sexuellen Untertönen), Wahnsinn, permanente Umbrüche in der Stimmung und kurze sehr brutale Szenen. Gestern habe ich in der vorletzten Folge von Staffel 4 den "neuen" Meep gesehen. Da bin ich beinahe umgekippt. Nicht nur wegen der grafischen Darstellung, sondern auch, weil ich damit einfach nicht gerechnet habe. Das ist absolut irre, aber im positiven Sinn.
Möglich, wahrscheinlicher ist aber, dass Walking Dead gerade im inszenatorischen Bereich einfach (natürlich jeweils aus subjektiver Sicht) nicht ansprechend und ästhetisch genug mit seinen durchaus interessanten Inhalten umzugehen weiß und viel zu oft auch nur das nachahmt, was man anderswo schon deutlich ansprechender umgesetzt aufgetischt bekommen hat. Ist natürlich Geschmackssache, diese Auslegung, aber der inhaltliche Kern (bzw. diese übergeordnete Fragestellung) ist denke ich weniger der Grund, weshalb The Walking Dead teils deftige Kritiken erfährt.Vince hat geschrieben:bei der Erörterung der Frage, was eine solche Gesellschaftsdystopie eigentlich leisten soll
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