Unknown User
Nicht der erste, aber dennoch ein Vorreiter dieser kleinen Welle an Desktop-Filmen, der es im Gegensatz zum erwähnten "Open Windows" hierzulande es sogar ins Kino schaffte. Und der es schafft sein Desktop-Konzept konsequent durchzuziehen. Insofern kann man "Unknown User" auf formaler und technischer Ebene applaudieren. Dummerweise macht das Ganze nur begrenzt etwas daraus. Wenn man schon zu Beginn die Videos von der Bloßstellung und dem Selbstmord Lauras sieht, ehe die Clique zum Videochat zusammengeführt wird, dann muss man schon schwer auf dem Schlauch stehen, um den Zusammenhang nicht zu ziehen. Auch die Frage, ob da vielleicht jemand Menschliches einen Rachefeldzug führt, kann schnell ad acta gelegt werden. So ist die Bedrohung eines dieser seltsam unkonkreten Geister- bzw. Übersinnliche-Wesen-Konzepte, das immer gerade so viel kann, wie es das Drehbuch braucht, und immer so handelt, wie es am besten für gut 80 Minuten Film reicht.
Also wird hier ein Spielchen mit der Clique gespielt, in deren Verlauf alle Beteiligten immer weiter bloßgestellt werden und jede Menge unangenehme Dinge ans Licht kommen. Das klingt auf dem Papier sehr reizvoll, krankt aber an zwei Dingen. Zum einen hat das wenigste davon handlungsrelevant Bewandtnis und führt einfach zu mehr gegenseitigem Angiften, zum anderen sind die Figuren viel zu oberflächlich und esspapierdünn gezeichnet, um irgendeine Form von Mitgefühl zu erwecken. Die meisten sind sogar etwas unsympathisch, aber da liegt ein weiteres Problem: So wirklich mag man keinen aus der Truppe, aber andrerseits sind sie jetzt auch nicht so arschig, dass man freudig das Gefühl hat, dass sie den Tod verdient haben. Zumal das Standardinventar (weibliche Hauptfigur, ihr Boyfriend, die blonde Freundin, der aufbrausende Kumpel, der dickliche Tech-Nerd, die Queen Bitch) dann auch in quasi erwartbarer Reihenfolge den Löffel abgibt und die Morde auch nicht gerade spannend sind, da sie a) stets mit meilenweiter Ankündigung kommen, b) das Opfer ohne jede Chance auf Gegenwehr oder Verstecken sofort hinüber ist und c) die Tode immer mit begrenzt erkennbarem Flackerbild gemacht sind. Immerhin: Die Jungdarsteller stellen ihre Teens relativ authentisch dar und halbwegs kurzweilig ist das Ganze auch, aber es bleibt stets der Eindruck von verschenktem Potential. Wenn der Film andeutet, dass auch das Suizid-Opfer vielleicht kein Unschuldsengel war, aber auch eine traumatische Vergangenheit hat, bleibt es bei der bloßen Erwähnung. Apropos bloße Erwähnung: Als ernsthafte Thematisierung des Themas Cyberbullying funktioniert "Unknown User" ungefähr so sehr wie "The Expendables 4" als Kommentar zur Gefahr des atomaren Terrorismus oder "The Equalizer 3" als Beleuchtung der Machenschaften der Camorra.

Jimmy Dix: "Du glaubst wohl nicht an die Liebe?" - Joe Hallenbeck: "Doch ich glaube an die Liebe. Ich glaube auch an Krebs." [Last Boy Scout]
Perry Van Shrike: "Look up 'idiot' in the dictionary. You know what you'll find?" - Harry Lockhart: "A picture of me?" - Perry Van Shrike: "No! The definition of the word idiot, cause that is what you fucking are!" [Kiss Kiss, Bang Bang]