Kickboxer - Die Abrechnung
Noch selten sah man einen Film, selbst im Bereich Prügel-B-Movie, der inhaltliche Aspekte dermaßen verachtete wie "Kickboxer - Die Abrechnung". Ein Kämpfer wird nach erfolgreicher Rache am Mörder seines Bruders in einen thailändischen Knast gesteckt und findet in weiteren Kämpfen den einzigen Weg in die Freiheit... diese Inhaltsangabe ist ebenso zutreffend wie irrelevant, ein einfaches Alibi, um eine Kampfsportsequenz an die nächste zu reihen. Als Fortsetzung des Remakes eines Prüglers, der schon vor drei Jahrzehnten keinen echten Inhalt hatte, könnte man kaum ehrlicher mit sich selbst sein.
Das Ziel ist offensichtlich ein ganz anderes: Möglichst spektakulär und außergewöhnlich sollen die Choreografien sein. Das eröffnende Ballett in und auf einem Zug gibt die Marschrichtung an, und die besagt: Eher Fred Astaire als Bud Spencer soll es sein, ein Tanz in die Nacht mit bunten Farben und kostbaren James-Bond-Interieurs. Moussi mit der Gentleman-Attitüde eines Geheimagenten und Lebemanns, dazu deutlich einkopierte Hintergründe? Der Tisch ist gedeckt für ein vortreffliches Trashfest.
Und der Film liefert. Zwei Slow-Motion-Plansequenzen mit Stalker-Kamera beispielsweise, unterlegt mit den schmissigen Blues- und Surfer-Songs aus den 50er Jahren Das ständige Stop-and-Go verhilft Moussi zwar sekündlich zu Verschnaufpausen und erlaubt es ihm, Umgebung und Gegner immer wieder neu zu scannen; das ist im Resultat dann nicht ganz so flüssig im Vergleich mit wesentlich aufwändiger gefilmten Abläufen der Marke "The Villainess". Schick sieht's trotzdem aus. Auch optisch versucht man Akzente zu setzen, etwa mit zwei Martial-Arts-Babes im Bikini, die in einem Spiegellabyrinth mit Neonlicht ihren Lippenstift und ihre Tattoos leuchten lassen.
So albern und durchschaubar der Versuch wirkt, mit extravaganter Optik zu punkten, so unterhaltsam ist er aber auch. Erst recht, wenn dann auch noch Ronaldinho Trainingsbälle abfeuert und sich tatswahrhaftig Mike Tyson als gleichwertiger Sparringspartner Moussis zum schauspielerischen Highlight mausert mit ein, zwei echt guten Momenten. Irgendwo hampelt sogar Christopher Lambert mit wirrem Haar und verbrauchtem Gesicht als fieser Strippenzieher herum. Und nicht zu vergessen Jean-Claude Van Damme, dessen Rolle zwar vom unverzichtbaren Mentor degradiert wird zum Opa mit Beindecke, der seinen Enkel anfeuert, und dennoch bereichert er den Rand des Boxrings mit seiner bloßen Erscheinung inklusive Sonnenbrille, Strandhemd und Haifischgrinsen.
Und dann kommt auch schon der lang ausgedehnte Endkampf gegen den finalen Gegner. Physisch überdeckt 180-Kilo-Mann Hafþór Júlíus Björnsson ("Game Of Thrones") die Fußstapfen Dave Bautistas sogar, sein Charisma hingegen lässt sich schwer messen, wird er doch von der Regie dazu aufgefordert, jede halbe Minute entweder zu grunzen oder einen kehligen Kampfschrei auszustoßen und dabei mit feurig-wilden Schweinsaugen den halb so großen Gegner anzufunkeln. Trotz klischeehaften Kampfverlaufs versucht man selbst hier noch Maßstäbe zu setzen und Grenzen neu auszuloten, mit denen der scheinbar klar unterlegene Held zunächst malträtiert wird, um den Comeback-Punch möglichst süß schmecken zu lassen. Das Ergebnis sind hirntote Drehbucheinfälle und eine Umsetzung, die als völlig neben der Spur zu bezeichnen ist, wenn der längst am Boden liegende Held plötzlich dazu in der Lage ist, wie von der Tarantel gestochen durch den Ring zu hüpfen, ohne jedes Zeichen der Erschöpfung im Gesicht (oder Zeichen von Platzwunden oder ausgeschlagenen Zähnen, gebrochenen Armen oder verdrehten Knöcheln, die bei den wuchtigen Attacken des bärigen Widersachers eigentlich hätten auftauchen müssen).
Ja, "Die Abrechnung" ist nicht höher bemittelt als "Vengeance", eher sogar noch minder. Das Scheitern im Versuch, künstlerisch anspruchsvolle Kampfchoreografien zu bieten, ist aber wesentlich unterhaltsamer anzusehen als das bisweilen noch unbeholfene Gekloppe auf Pappelefanten von damals, als Moussi Van Damme erstmals beerbte. Letzterer darf jetzt guten Gewissens die Füße zurücklegen und das hohle Spektakel von außerhalb des Rings genießen. Verdient hat er es ja.