Boston

Filme abseits des Actiongenres mit Actionhelden (irgendwie so in der Art).
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freeman
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Boston

Beitrag von freeman » 06.03.2017, 19:43

Boston

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Originaltitel: Patriots Day
Herstellungsland: USA
Erscheinungsjahr: 2016
Regie: Peter Berg
Darsteller: Mark Wahlberg, John Goodman, Kevin Bacon, J.K. Simmons, Michelle Monaghan, Melissa Benoist, Rachel Brosnahan, Michael Beach, Alex Wolff, Lana Condor, Khandi Alexander u.a.

Am 15. April 2013 explodieren in den Straßen von Boston zwei Sprengsätze. Perfiderweise wurden beide im Publikum des Bostoner Marathons versteckt. Einige Menschen sterben, Hunderte werden verletzt. Der Schock steckt den Ermittlern in den Knochen. Doch sie müssen, angetrieben von der Bostoner Bevölkerung, Ergebnisse bringen. Müssen über sich hinauswachsen, bis die Täter gefasst sind…
:liquid7:

Zur "Boston" Kritik

In diesem Sinne:
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Vince
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Beitrag von Vince » 31.10.2017, 12:54

Danke an McClane für den Hinweis auf den Thread!

Boston
Mag Peter Bergs Rekonstruktion der Ereignisse beim Bostoner Marathonlauf 2013 technisch auch einwandfrei umgesetzt sein mit seinen elegant geflochtenen Nebenplots, drei Jahre nach den Geschehnissen kann die Verarbeitung noch nicht weit genug fortgeschritten sein, als dass man sinnvolle Rückschlüsse aus ihr ziehen könnte. Das lässt den klug neu betitelten „Boston“, im Herkunftsland als „Patriots Day“ mit pathosgetränkter Doppeldeutigkeit belegt, bereits in der Anlage ein Stück weit unnötig dastehen. Es hinterlässt ein unangenehmes Gefühl, wenn bekannte Schauspieler wie Kevin Bacon, John Goodman oder eben Mark Wahlberg auf eine Set-Replika des Straßenchaos blicken, das viele Zeugen noch tief in den Knochen stecken haben dürften. Und im Gegensatz zum ähnlich zeitnahen „Deepwater Horizon“ nicht nur die, denn „Boston“ war nicht einfach eine auf menschlichem Versagen basierende Katastrophe, sondern ein bewusst herbeigeführter Anschlag und als solcher Teil des Weltgeschehens.

Diskutabel (aber auch typisch amerikanisch) sicherlich, einen fiktiven Charakter zum perspektivischen Dreh- und Angelpunkt zu machen, insbesondere, da es sich wieder um einen gutherzigen Familienmenschen mit einem Beruf handelt, der für Recht, Ordnung, Sicherheit und einen großen Dienst an der Bevölkerung steht. Seriöser wäre es wohl gewesen, eine dokumentarische Perspektive einzunehmen, was selbstverständlich die Erfolgschancen der Produktion an der Kinokasse geschmälert hätte; denn Helden braucht das Land.

Dafür, dass ein intrinsischer Blickwinkel eingenommen wird, bleibt die Inszenierung allerdings über weite Strecken bemerkenswert nüchtern. Unterschwellig ist zwar eine Neigung zur Gut-und-Böse-Kategorisierung zu spüren, wirklich ausgespielt wird sie aber nie. Der zwei Stunden lange Film ist zunächst daran interessiert, anhand unterschiedlicher Charaktere ein repräsentatives Bild der Stadt in den Stunden vor der Explosion zu zeichnen, doch er wählt seine Subplots nicht zufällig aus, sondern möchte die kollektive Wirkung aufzeigen, mit der das Leben der unterschiedlichsten Menschen für immer verändert wird. Der Knall erfolgt sehr abrupt, noch bevor alle Subplots schlüssig miteinander verzahnt sind. Schließlich verwandelt sich „Boston“ in einen Kriminalthriller, der die modernen Mittel polizeilicher Ermittlungen fast wie eine Warnung präsentiert. Die Schneisen des reinen Unterhaltungsfilms, der einem Peter Berg schließlich nicht ganz unbekannt ist, werden durch die realistisch anmutende Anatomie der Abläufe in den folgenden 80 Stunden gerade noch vermieden.

Eine sauber angefertigte Nachbetrachtung des Bostoner Anschlags aus zeitgenössischer Perspektive also, die einen Kompromiss zwischen Neutralität und emotionaler Teilnahme zu finden versucht und ihn so kurze Zeit danach kaum finden kann. Leider zu prominent besetzt, als dass man den Hollywood-Schleier darüber ignorieren könnte.
:liquid6:

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Beitrag von SFI » 31.10.2017, 13:37

Authentisch inszenierte sowie handwerklich überzeugende Traumapädagogik, die selbst bei der Filmmusik auf Nüchternheit bedacht ist. Dadurch leidet natürlich etwas die Spannungskurve und auch Heldenverehrungen sucht man vergebens.

:liquid7:
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Re: Boston

Beitrag von McClane » 11.04.2021, 23:52

Ich muss zugeben: Der Trailer und der Originaltitel "Patriots Day" (ja, ich weiß, dass der Feiertag so heißt, aber war in dem Kontext auch anders zu deuten) haben mir Bauchschmerzen bereitet. Umso erfreulicher fällt das Ergebnis aus, dass sich tatsächlich weitestgehend an die Fakten hält und auf große Heldenverehrung verzichtet. Im Gegensatz zu freeman fand ich es richtig und wichtig, dass der Film auch Zeit mit den Bombenlegern verbringt, die dadurch nicht zu irgendwelchen mysteriösen Superschurken hochgejazzt werden, sondern eben als die fehlbaren Fanatiker dargestellt werden, die sie sind bzw. waren. Selbst die Schießerei auf der Straße, die reale Begebenheiten mit den Mitteln des Actionkinos inszeniert, reißt einen nicht aus Flow des Films, der sich über weite Strecken wie ein Ereignisprotokoll anfühlt. Das tatsächlich Problem des Films ist nämlich ein kaum auflösbares. Einerseits ist es sicherlich dramaturgisch keine schlechte Idee, dass Markl Wahlbergs Cop-Figur ein Komposit verschiedener realer Vorbilder ist, damit der Zuschauer jemanden hat, dem er mehr oder weniger folgen kann. Andrerseits durchbricht genau dies den Realismusanspruch des Films, da diese Figur unter anderem beim Bombenanschlag vor Ort ist und die Kontrolle nach der Katastrophe übernimmt, bei den Ermittlungen in der Kommandozentrale wichtige Impulse gibt und später beim Auffinden des zweiten Bombenlegers dabei ist. Dass er als moralisches Gewissen gegenüber einem Kumpel auch noch einmal die Moral des Films zusammenfassen darf, ist natürlich Ehrensache, aber er wirkt wie aus einem anderem Film. Einem, der eher eine Heldengeschichte um ein einzelnen Macher erzählen will, während es in "Boston" sonst eher um Einzelschicksale gibt. So erscheint als wahrer Held, wenn man schon einen nennen will, eher Jimmy O. Yang als Entführungsopfer, das sich im richtigen Moment zur Flucht entschließt.
Famos ist der Cast des Films: Dass Mark Wahlberg mit seiner Boston-Credibility die Hauptrolle verkörpert, macht diese unrealistische Figur in einem realistischen Film einfacher zu schlucken, Kevin Bacon, John Goodman, Jimmy O. Yang und vor allem der mal wieder großartige J.K. Simmons ragen heraus. Selbst Michelle Monaghan noch was aus der tendentiell undankbaren Rolle der Ehefrau des Helden rausholen, da sie im Gegensatz zu einem Werk wie Oliver Stones völlig missratenem "World Trade Center" nicht einfach nur zu Hause hockt und das gute Gewissen abgibt. Zudem inszeniert Berg das Ganze souverän und bereitet die Tragödie respektvoll auf - bei den Extras auf der DVD sieht man auch, dass diverse reale Vorbilder eng in die Produktion involviert waren. Dass "Boston" dabei zwischen filmreifer Heldengeschichte und nüchternem Nacherzählen etwas ins Schlingern gerät, muss man freilich akzeptieren.

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