Beitrag
von Wallnuss » 13.03.2024, 16:28
Solche Listen machen Spaß - allerdings bin ich von meinen eigenen immer relativ enttäuscht, weil ich gerne manchen tollen Geheimtipp drauf hätte, aber letztlich doch einen recht gewöhnlichen Geschmack habe. Sich wirklich auf die persönlichen Lieblinge einigen, halte ich fast schon für unmöglich. Einfach deshalb, weil ich je nach Stimmung zumindest ein paar Abweichungen drin hätte. Die folgende Liste stellt also nicht unbedingt meine 30 (30, weil 25 eine bescheuerte Zahl ist) unanfechtbaren Lieblingsfilme da, auf die man mich alle Zeiten festnageln kann, sondern einfach 30 ganz besondere Lieblinge.
30. Berüchtigt (Alfred Hitchcock, 1946)
- Obwohl seine im Kopfe vieler ganz großen Filme erst in den 1950ern entstanden sind, gelang Alfred Hitchcock schon im Jahr 1946 sein visuell eindrucksvollster Film. Es ist schlicht unglaublich, wie viele Aufnahmen dem Großmeister in diesem edlen Thriller gelingen, die kaum von dieser Welt sind. Meisterhaft, welch komplexe Entwicklung vollzogen wird: Was als Screwball-Comedy zu beginnen scheint, wandelt sich in ein Beziehungsdrama über Machtausübung und Abhängigkeiten, wird dann zum packenden und wendungsreichen Spionagekrimi, ehe im Schlussakt ein tragisches Liebesdreieck dominiert. Claude Rains und Cary Grant sind als Kontrahenten beide so charmant und charismatisch wie eh und je, aber alles lastet auf den Schultern der unvergleichlichen, wunderschönen Ingrid Bergman, die hier ihre wohl schwierigste Rolle überhaupt spielt. Ein Film voller WOW-Momente – und nicht mal Hitchcocks bester.
29. 12 Years a Slave (Steve McQueen, 2013)
- Es gibt da eine Szene in der Sklaverei-Nabelschau von Steve McQueen, die diesen Film für sich bereits in den Olymp hebt: Solomon Northup, erst vor kurzer Zeit als freier Mann entführt und in die Sklaverei verkauft worden, wird von einem brutalen weißen Bengelchen misshandelt und an einen Baum gehangen. Die Kamera betrachtet statisch aus der Distanz, wie Solomon hängt und im Hintergrund der Tag vergeht. Andere Sklaven verrichten ihre Zwangsarbeit und trauen sich kaum, ihn anzusehen. Die Sonne wandert an den Horizont und senkt sich langsam wieder. Steve McQueen ist der Meister des unerbittlichen Realismus. Die gespenstisch nüchterne Inszenierung vermeidet Sentimentalitäten und zeigt Rassismus als institutionellen Abstumpfungsmechanismus. Das ist in Summe erschreckender als je ein Horrorfilm es sein könnte. Exzellent gespielt, brillant gefilmt, inhaltlich unfassbar.
28. Erbarmungslos (Clint Eastwood, 1992)
- In keinem anderen Western wird so gestorben. Hier schreien, weinen und zittern Männer bis zum letzten schmerzhaften Atemzug, nachdem eine Kugel sie erwischt hat. Clint Eastwood räumte in diesem Spätwestern mit seinem Leinwand-Image als cooler Pistolero auf und zog gewissermaßen die Bilanz seiner bisherigen Filmografie. Es ist einer der finstersten Filme aller Zeiten geworden, ein entmythologisierendes Charakterdrama eines Mannes, der vom Idealisieren des Tötens mindestens so angewidert ist wie von sich selbst. Eastwoods größtes Meisterwerk ist ein Film voll brutaler Ruhe, der all die Missstände der gegenwärtigen USA als Erbe der Mentalitäten des Wilden Westens begreift, so sind u.a. direkte Bezüge zum damaligen Golfkrieg und den Unruhen im Zuge der Polizeigewalt gegen Rodney King erkennbar. So reflektiert, so auf den Punkt selbstkritisch und analytisch war das Western-Genre vor- und hinterher nie wieder.
27. Du sollst mein Glücksstern sein (Gene Kelly & Stanley Donen, 1952)
- Das klassische Hollywood-Musical ist bei Weitem mehr Tanz- als Gesangskino, und wenngleich es langweilig sein mag, immer das Gesinge im Regen besonders hervorzuheben, so ist dies einfach das Magnum Opus des Genres. Gene Kelly hatte eine Körperkontrolle, die ihm eigentlich nie wieder ein Tanzfilm-Star nachmachte. Und dieser – sein bester Film – ist zugleich eine lebendige, vollwertige Leinwanderfahrung als auch eine große Liebeserklärung an die frühe Filmgeschichte, an den Wandel vom Stumm- zum Tonfilm. So viele brillante Sequenzen wären hervorzuheben, aber insbesondere das lange „Broadway Melody“-Segment ist an filmischen Einfallsreichtum und choreographischer Eleganz schwer zu überbieten. Wenngleich es teilweise fast ein bisschen zum Kotzen sein kann, wie viel Talent sich da in den Szenen versammelt. Wer in seinem Leben – warum auch immer – nur ein Musical ansehen will: dieses hier!
26. Zero Dark Thirty (Kathryn Bigelow, 2012)
- Zu Beginn ist das Bild schwarz, zu hören gibt es originale Tonaufnahmen von Anrufern, die in jenen Flugzeugen saßen, die ins World Trade Center flogen. Kathryn Bigelow gelang bei der Nacherzählung der Jagd auf Osama Bin Laden bis zur Ermordung des Terrorfürsten eine extrem spannende, exzellente Charakterstudie, die auch mächtig provozierte, gerade durch die explizite und nicht dezidiert kritisch gemeinte Darstellung von Folter. Aber genau das ist der Punkt: Bigelow wertet nicht, sie zeigt bloß, und was sie zeigt sind Menschen, die ohne Erklärungen und Rechtfertigungen ihren Job mit Leidenschaft ausfüllen, einen Job, bei dem es in diesem Fall eben um die Jagd auf Terroristen geht, und bei der es einfach zum schnöden Alltag gehört, Menschen unaussprechliches anzutun. Eine bemerkenswerte Studie in Grautönen, voller inspirierter Bilder und gesegnet durch die Ausnahmeleistung der Hauptdarstellerin Jessica Chastain.
25. Evil Dead II: Dead by Dawn (Sam Raimi, 1987)
- Das Original der tanzenden Teufel ist gerade gemessen an seinen Indie-Wurzeln ein Meilenstein des Splatter-Kinos, aber es ist die professionell produzierte Fortsetzung, in der Sam Raimi seine ganze Meisterschaft entfalten konnte. Kongenial und ohne Rücksicht auf die Grenzen des guten Geschmacks vermengt er die körperlichen Deformationen des Bodyhorrors mit den albernen Slapstick-Eskapaden, die man eher mit den drei Stooges oder der Stummfilmperiode verbindet. Das Ergebnis ist eine spielfreudige, völlig überzogene und lustvolle Wundertüte, aus der die Liebe zum Kino als Medium förmlich heraustropft. Bruce Campbell in der körperlich herausfordernden Hauptrolle ist grandios, und bis heute kann kein Regisseur so einfallsreich wirklich jedes Gimmick des cineastischen Einmaleins-Handbuchs in nicht mal anderthalb Stunden abfeuern. Das inflationär gebrauchte Wort „Kult“ trifft hier voll ins Schwarze.
24. Lawrence von Arabien (David Lean, 1962)
- Bildgewalt: Der Film! Keiner konnte visuell prägnantes Überwältigungskino so wie David Lean, und jedes seiner drei ganz großen Epen hat Kinogeschichte geschrieben, doch seine biografisch nicht ganz faktentreue Aufarbeitung der Geschichte von T. E. Lawrence ist immer noch eine Spur monumentaler, noch gewaltiger, noch epischer. Es hat definitiv nicht nur mit der heißen arabischen Wüstensonne zu tun, dass sich dieser Film in die Popkultur eingebrannt hat. Es liegt daran, dass trotz all der unglaublich gewaltigen Szenen, trotz der absurden Menge an Statisten, trotz der übertrieben breiten Aufnahmen in den weit über drei Stunden Laufzeit eine sehr introspektive Geschichte erzählt wird, es um die Entwicklung eines Mannes geht, der wie wir der Sucht nach Abenteuern verfällt und irgendwann das Leben auf der Überholspur nicht mehr missen will. Dennoch: Unbedingt im größtmöglichen Format anschauen.
23. Das Schweigen der Lämmer (Jonathan Demme, 1991)
- Wann immer der große Oscar-Abräumer genannt wird, steht einer im Vordergrund: Sir Anthony Hopkins, der als inhaftierter Kannibale Hannibal Lecter die Rolle seines Lebens fand. Er ist das menschgewordene Filmmonster und damit logisch für viele das Aushängeschild dieser grauenerregenden, psychoanalytischen Studie um gestörte Mörder, die vor allem dadurch brilliert, dass sie den Horror fast vollständig der Fantasie der Zuschauer überlässt und ganz über die suggestive, subtile Inszenierung das Denken des Publikums lenkt. Im Kern gelang Jonathan Demme aber nicht bloß der perfekteste aller Serienmörderfilme, sondern ein zutiefst feministischer Kracher: Jodie Foster will als junge FBI-Kadettin nicht bloß einen brutalen Killer fangen, sondern kämpft als Frau in einer von Männer dominierten Berufswelt vor allem auch um ihre Selbstermächtigung. Spannend und zurecht ikonisch.
22. Chinatown (Roman Polański, 1974)
- Angeblich wird das Drehbuch von Robert Towne in vielen Lehrbüchern als das geschliffenste Skript der Welt aufgeführt, als Paradebeispiel. Es ist aber gar nicht unbedingt nur die zutiefst pessimistische und zynische Detektivgeschichte, die diesen späten Film noir zum Meilenstein werden ließ, und auch die Ausnahme-Darstellerleistungen von Jack Nicholson und Faye Dunaway haben nur ein kleiner Anteil daran. In Wahrheit ist es Roman Polański, beziehungsweise dessen betörend ästhetischer Bildaufbau. Ganz ohne aufdringliche große Stilisierungen spielt diese postmoderne Paranoia-Studie in ihrer eigenen Welt, in ihrem eigenen, lebensverneinenden Kosmos. Der Titel ist innerhalb des Skripts bloß eine Chiffre für eine fremde, unverständliche Welt, beschreibt damit aber auch punktgenau das Paralleluniversum, in dessen erschütternden Sog Polański uns hineinzuziehen vermag. Und puh: dieses verdammte Ende …
21. The General (Buster Keaton, 1926)
- Zum Veröffentlichungszeitpunkt galt das größte Meisterwerk, das Buster Keaton uns Filmliebhabern schenkte, noch als gewaltiger Flop. Mittlerweile wird es Gott sei Dank als das eingeschätzt, was es war: seiner Zeit meilenweit voraus. Buster Keaton hatte immer eine Schraube locker, dazu muss man sich nur eine Stunt-Compilation seiner Filme im Internet ansehen. Bei diesem Bürgerkriegsmärchen um einen Lokomotivführer, der aus einer Kraft seine geliebte, entführte Lok zurückholen will, handelt es sich aber um einen sehr zentralen Vorreiter des Actionkinos und vielleicht um den reinrassigsten Actionfilm überhaupt. Es ist eine einzige lange Verfolgungsjagd, ein ausschließliches Kino der Kinetik. Die Präzision der Kamerafahrten ist noch fast hundert Jahre später extrem beeindruckend, die stoische Komik zündet nach wie vor. Das radikale Werk eines Wahnsinnigen: Mitreißend, poetisch, witzig, und außergewöhnlich rasant.
20. Alien (Ridley Scott, 1979)
- H. R. Giger hat mit dem Xenomorphen den Stoff geschaffen, aus dem die Albträume sind. Wer die letzten dreißig Minuten des Sci-Fi-Geniestreichs von Ridley Scott, in denen nur noch Sigourney Weaver (und eine süße orangene Katze) um das Überleben kämpfen, durchhält, ohne schweißnasse Hände zu bekommen, den schockiert auch im realen Leben gar nichts. Selbiges gilt für die unmenschlich bösartige Szene, in der Captain Dallas sich mit einem Flammenwerfer in den Lüftungsschacht hockt und den Xenomorph grillen will – mit leider absehbarem Resultat. Kein anderer Survival-Thriller hatte je wieder diese packende Wucht und diese Intensität der allgegenwärtigen Bedrohung, was wohl daran liegt, dass Scott seinen Film auf das aller Notwendigste reduzierte. Und sicher, dieses wirklich perverse und optisch schon unangenehm befremdliche Design von H. R. Giger hat für die Langzeitwirkung auch nicht geschadet.
19. Der weiße Hai (Steven Spielberg, 1975)
- Obwohl immer von „Tierhorror“ gesprochen wird, wenn die Mutter aller Haifilme erwähnt wird, die Steven Spielberg zu dem prägnantesten Hollywood-Regisseur der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts werden ließ, handelt es sich eigentlich um einen intelligenten Abenteuerfilm, der als bissig-anklagende Kapitalismuskritik beginnt und dann drei Männer unterschiedlicher Generationen und Gesellschaftsschichten auf einem ungewöhnlich tödlichen Angelausflug zeigt. Die Spannung ist förmlich greifbar, das Trio bestehend aus Roy Scheider, Robert Shaw und Richard Dreyfuss ist pures Gold, die bedrohliche Musik von John Williams alleine verleiht dem titelgebenden Monster eine unglaubliche Präsenz, die bis zum erlösenden Schlussknall nicht abebbt. Ein stilistisch zwingendes Vergnügen, dessen Faszination trotz unzähliger Nachahmer und Plagiate nie auch nur ansatzweise verloren gegangen ist.
18. Children of Men (Alfonso Cuarón, 2006)
- Alfonso Cuarón hatte bereits einen ungeschliffenen Rohdiamanten in der Hand, als er den gleichnamigen dystopischen Roman zu verfilmen anstrebte, und hätte hinterher wohl ein ganzes Juwelier-Geschäft eröffnen können. Nur wenig Actionfilme erreichen dieses Maß an inszenatorischer Perfektion. Die minutenlangen Gefechte und Verfolgungsjagden sind allesamt nahezu ohne sichtbare Schnitte konstruiert, was trotz der Sci-Fi-Kulisse einen geradlinigen Hyperrealismus erzeugt, der bei aller formaler Bewunderung eine finstere, beinahe apokalyptische Immersion kreiert, die nicht immer leicht zu ertragen ist. Der Plot, eine episodische, pervertierte Neu-Interpretation der christlichen Weihnachtsgeschichte, dient eigentlich nur als Aufhänger und schafft trotzdem unglaublich viele berührende und bewegende Situationen, in denen die verschiedenen Überlebenskämpfer zu echten, wahrhaftigen Menschen werden.
17. The Big Lebowski (Joel Coen, 1998)
- Eine Kiffer-Komödie, die sich schnell als Parodie auf die Romane von Raymond Chandler und das Genre des Film noirs entpuppt, die ein riesiges Aufgebot an schrägen Figuren in einen überkomplizierten Kriminalplot einwebt, nur um das ganze unüberblickbare Gewirr am Ende so trivial wie möglich aufzulösen. Die genialen Coen-Brüder leisten sich ein einziges meta-referenzielles Spiel mit der Erwartungshaltung und den Kino- und Erzählkonventionen, das bei den ersten paar Sichtungen unmöglich in seiner Gänze zu erfassen ist. Dieser ungebremst fantasievolle Spaß besticht durch Jeff Bridges als Alt-Hippie Dude und einen entfesselten John Goodman als waffenvernarrter Walter, bei denen es sich vielleicht um die ulkigste Buddy-Paarung der Filmgeschichte handelt. Die große Kunst ist, dass sich dieser Film bei aller laut jauchzenden Komik eine aufrichtige Zärtlichkeit gegenüber seinen Figuren bewahrt.
16. Die Vögel (Alfred Hitchcock, 1963)
- Alfred Hitchcock war von Sigmund Freud und den frühen Erkenntnissen der Psychoanalyse extrem fasziniert. Dies dürfte keine unerhebliche Rolle gespielt haben, als er auf die armen Bewohner der fiktiven Küstenstadt Bodega Bay einen alttestamentarischen Vogelschwarm losließ, der so erschreckend ausschaut, dass die Trickeffekte, die zu seiner Erschaffung nötig waren, bis heute als bahnbrechend zu erkennen sind. Die Zeichnung des Mikrokosmos Bodega Bay ist eine der größten Leistungen in Hitchcocks Karriere, denn die bis zum Schluss unerklärlichen Vogelangriffe dienen eigentlich nur dazu, einen äußeren Katalysator für die vielen inneren Dramen und Konflikte zu schaffen, die in den komplexen Figuren und ihren noch komplexeren Beziehungen stattfinden. Ein melancholisch-düsterer Albtraum, zutiefst verstörend, vor allem dank dem wohl rätselhaftesten Filmende aller Zeiten.
15. Indiana Jones und der letzte Kreuzzug (Steven Spielberg, 1989)
- Der heilige Gral des Blockbuster-Kinos, eine Unterhaltungsatombombe: Indiana Jones ist vielleicht die Heldenfigur des US-Films, und Harrison Ford und Steven Spielberg hatten in den zwei vorherigen Filmen die Formel hinter diesen comichaften Abenteuergeschichten bereits perfektionieren können. Für Teil drei war die Geheimformel: Sean Connery. Ihn als Film-Papa von Indiana Jones zu besetzen, funktioniert sagenhaft. Die Frequenz an gelungenen Wortgefechten und Schlagabtauschen sowie an Screwball-Situationen, die zwischen den beiden erreicht wird, ist in Zahlen kaum widerzugeben. Und der Pfad auf der Suche nach dem heiligen Gral ist nicht bloß gepflastert mit Überraschungen, Gefahren und Wundern, sondern auch die perfekte Metapher für einen Vater und einen Sohn, die nach langer Entfremdung wieder zueinander finden. Geschliffenes Entertainment, auch noch beim zwanzigsten Ansehen einfach fantastisch.
14. Der Exorzist (William Friedkin, 1973)
- Als die kleine Regan sich nicht mehr wie ein süßes Mädchen benimmt, sondern vulgär spricht oder auf den Teppich pinkelt, ist der Teufel in ihr noch lange kein Thema. Ihre Mama, eine erfolgreiche Schauspielerin, schleppt das Kind erstmal von Arzt zu Arzt, von Institution zu Institution. Nichts scheint zu helfen, selbst äußert schmerzhafte Eingriffe bringen keine Resultate. Der titelgebende Exorzismus kommt erst in den letzten zwanzig Minuten vor, und ist bis heute eine zutiefst verängstigende Effekt-Show, aber zum Meisterwerk wurde die Romanadaption von William Friedkin in den Teilen zuvor, in denen der oft als ‚furchterregendste Film, der je gedreht wurde‘ titulierte New-Hollywood-Klassiker als pointiertes Generationendrama über die Post-68er auftrumpft. Ratlosigkeit und Resignation dominieren diese grandiose filmische Leistung, der man mit der Genre-Zuschreibung Horror nicht ansatzweise gerecht wird.
13. 2001: Odyssee im Weltraum (Stanley Kubrick, 1968)
- Wenn schon Effektkino, dann bitte nur so. Beginnend bei den Affen der Vorzeit und endend mit der nächsten Evolutionsstufe des Menschen, erzählt Stanley Kubrick eine der größtmöglichen Geschichten, nämlich die Suche nach unserem Platz (oder noch besser: nach unserem Sinn) im Universum, als existenziellen, audiovisuellen Hochgenuss, dessen mythopoetische Komplexität wohl für alle Zeiten ihresgleichen sucht. Wie perfektionistisch der umstrittene Kubrick war, zeigt sich alleine darin, dass seine einstige Zukunftsvision des Jahres 2001 noch immer technisch kaum zu übertreffen ist. Die Modellarbeiten, die Sets, die Ausstattung, alles ist auf einem solch hohen Niveau absolut prächtig gelungen, dass es heutige Sci-Fi-Filme regelrecht blamiert. Für manche mag diese kontemplative Weltraumodyssee zur Geduldsprobe geraten, doch selbst Kubrick-Ablehner müssen ihr Faszinosum schlicht anerkennen.
12. Jagd auf Roter Oktober (John McTiernan, 1990)
- Tom Clancy mag wegen seiner politischen Ansichten immer als schwieriger Typ gegolten haben, doch schreiben konnte der Mann wie kein zweiter. Umso schöner, dass sein literarisches Schaffen zumindest einmal auch auf der großen Leinwand prächtig glänzen durfte. John McTiernan übertraf sich für den hochintelligenten Politthriller, der an Bord verschiedener Atom-U-Boote spielt, selbst. Wie atmosphärisch und pointiert es ihm gelungen ist, die sehr komplexe Geschichte auf so unterhaltsame und zugängliche Weise in fantastisch schönen und zugleich effizienten Bildern zu erzählen, kann gar nicht hoch genug gelobt werden. Sean Connery zeigt in der Hauptrolle den besten Auftritt seiner beeindruckenden Karriere, eine Glanzvorstellung! Und die Jahrhundert-Filmmusik von Basil Poledouris, unterstützt durch dynamischen russischen Chorgesang, ist ein Gedicht, eine Sensation. Ein brutal unterschätztes Meisterwerk.
11. Master & Commander: Bis ans Ende der Welt (Peter Weir, 2003)
- Alles, was an Schauspiel so großartig sein kann, fand sich irgendwann schon mal im Gesicht von Russell Crowe wieder, und der neuseeländische Schauspieltitan war nie besser als in der Rolle eines grummeligen, verbissenen, britischen Seebären während der napoleonischen Kriege auf die versessene Jagd nach einer französischen Fregatte schickte. Nun war Peter Weir zuvor vielleicht nicht für Ausstattungskino berühmt geworden, und so ergibt sich sein Schiffsepos eben nie dem zeitweise gebotenen, großen leinwandfüllenden Spektakel, sondern verschreibt sich einem möglichst realistischen, und historisch akkuraten Personendrama auf hoher See. Gleichzeitig ist dies aber technisch ein besonders auditiv an Perfektion grenzender Actionfilm, der gleich mehrere beeindruckende Gefechtsszenen für die Ewigkeit schuf und als Männlichkeitsporträt psychologisch erschreckend stimmig gerät.
10. Pulp Fiction (Quentin Tarantino, 1994)
- Ein Film allein ist ausschlaggebend dafür, dass Quentin Tarantino als wohl bedeutendster Regisseur der 90er Jahre in die Geschichte eingegangen ist. Seine Episodenfilm-Satire unterwandert intelligent die Klischees und Stereotypen der titelgebenden Noir-Groschenliteratur, und wird durch die chronologische Verrückung einzelner Segmente zu einem völlig eigenen und gänzlich individuellen Biest. Die kunstvolle Inszenierung und die literarisch-intellektuellen Dialoge lassen dabei die Grenzen zwischen Trivialkunst und Hochkultur verschwimmen und erzeugen eine Atmosphäre des Ungewissen, des Mysteriösen. Das kann später noch so oft kopiert worden sein: So genial hat es nie wieder jemand hinbekommen, selbst Tarantino nicht. Die Tatsache, dass dieser in jeder Sekunde zutiefst innovative Film zudem ein großer Publikumserfolg war und den Zeitgeist-Geschmack traf, ist ehrlich gesagt nur durch ein Wunder zu erklären.
09. Atemlos vor Angst (William Friedkin, 1977)
- Kein anderer Actionfilm hat diese haptische Immersion. Vier Männer fahren mit zwei Lastwagen, vollgepackt mit extrem empfindlichem Dynamit, durch den Urwald, über Hängebrücken und Abhänge hinunter. Jede kleinste Erschütterung könnte zum großen Knall führen. Die Spannungsinszenierung, die William Friedkin an den Tag legt, ist unbeschreiblich. Er muss dabei eigentlich gar nicht viel tun, um den einzelnen Stationen der Irrfahrt Dramatik zu verleihen. Die Dreharbeiten selbst fanden unter lebensgefährlichen Bedingungen statt, viele der Extremsituationen sind schlicht und ergreifend echt. Nach einer Reihe ergreifender Prologe fokussiert sich die Kamera ganz auf das Dschungel-Geschehen und gönnt den Figuren und den Zuschauern keine einzige Sekunde zum Durchatmen. Ein Film wie ein Donnerschlag, der volle zwei Stunden andauert und den so mancher körperlich selbst enorm anstrengend finden dürfte.
08. Die zwölf Geschworenen (Sidney Lumet, 1957)
- Nach etwas über eine Stunde gibt es einen Moment im Kammerspiel von Sidney Lumet, in dem nach langen Diskussionen es plötzlich draußen zu regnen beginnt – und als Zuschauer lässt sich diese plötzliche Temperaturveränderung, diese Brise der Erfrischung von außen regelrecht fühlen. Für viele mag das Debattieren um Schuldig oder Unschuldig der zwölf Geschworenen nur ein Moralstück sein, aber dieser eine Moment zeigt, dass es da eben doch um mehr geht, als nur um den exzellent erzählten Krimi auf der vordersten Ebene. Lumet zeigt ein Dutzend Herrschaften, die sich teils in Rage reden, die aus der Haut fahren, die aus ganz unterschiedlichen Motiven das Gespräch zu kontrollieren versuchen und illustriert die Fragilität ihrer Allianzen, ihrer Überzeugungen, ihrer Verhaltensweisen. Ein psychologisch phänomenaler Film – und der famose Henry Fonda spielt als einzig ruhiger Geschworener die Rolle seines Lebens.
07. Der Pate (Francis Ford Coppola, 1972) / Der Pate: Teil 2 (Francis Ford Coppola, 1974)
- Ob der erste oder der zweite Pate-Film der bessere ist, wird unter Cineasten leidenschaftlich diskutiert, doch sie sind beide meisterhaftes Kino und können als ein Gesamtwerk gesehen werden. Selbst für eine Länge von zusammen über sechs Stunden scheint das Mafia-Epos eigentlich noch zu komplex, doch mit beeindruckender Leichtigkeit gelingt die künstlerisch äußerst anspruchsvolle Nabelschau in die Welt des organisierten Verbrechens, aus der heraus sich eine deutlich von William Shakespeare inspirierte menschliche Tragödie entspinnt. Die Fortsetzung dient dann als Vorgeschichte und Weitererzählung, vertieft zugleich die verzwickte Welt der Corleone-Familie und baut diese aus. Aus der Kapitalismusparabel, die vom moralischen Verfall erzählt, wird ein Generationenporträt, eine Fabel auf den amerikanischen Traum und seine Pervertierung. Die Musik von Nino Rota ist selbstredend eine Sensation!
06. No Country for Old Men (Joel & Ethan Coen, 2007)
- Obwohl der Neo-Western nach einer Buchvorlage von Cormac McCarthy fünf Oscars gewann und als eines der großen Kino-Meisterwerke unserer Zeit gilt, kann man ihn fast noch unterschätzt nennen. Der Thriller ist durch Melancholie und Fatalismus dominiert, gewiss, und vor allem ein Drei-Personen-Stück: über den Jäger und den Gejagten, und einen alten Mann, der angesichts der neuen Dimensionen der Grausamkeit in der Welt nur noch resigniert vom Seitenaus zuschauen kann. Es ist ehrlich beängstigend, wie großartig dieser Film ist, wie bestechend und akkurat Joel & Ethan Coen die dunkelsten Ecken der menschlichen Seele erforschen können, unterstützt durch die tollkühnen Bilder ihres Haus- und Hofkameramanns Roger Deakins. Die großen narrativen Wagnisse, die hier eingegangen werden, rauben einem den Atem. So sieht Kino aus, das mutig genug ist, sich selbst zu erneuern und weiterzuentwickeln.
05. Der unsichtbare Dritte (Alfred Hitchcock, 1959)
- Gewissermaßen ein Best-Of der Karriere von Alfred Hitchcock. Alle Motive, inhaltlich wie thematisch und stilistisch, die das Lebenswerk des Großmeisters ausmachen, bündelte er für einen Film. Er vereinte all seine Erfahrungen, all seine Vorlieben, und schuf so den ultimativen Unterhaltungsfilm, dem das Kunststück gelingt, zugleich luftig-leicht und filmisch immens anspruchsvoll zu sein. Allein über den legendären Flugzeugangriff, als Cary Grant nichts ahnend im Nirgendwo auf einen Kontaktmann wartet, lassen sich ganze Romane schreiben. Die Zugszene zwischen Grant und der blonden Schönheit Eva Marie Saint ist trotz der Prüderie des damaligen Kinos der erotischste aller Filmmomente. Grandios witzig, irre spannend, unendlich elegant, im Finale auf den Köpfen von Mount Rushmore zudem enorm spektakulär – selbst der geniale Bernard Herrmann schuf für dieses Juwel seine beste Filmmusik.
04. Spiel mir das Lied vom Tod (Sergio Leone, 1968)
- Jedes Kind kann die Todesmelodie von Ennio Morricone pfeifen oder summen. Meisterregisseur Sergio Leone, der Papst des Italowesterns, schuf bei seiner vierten Pferdeoper den definitiven Abgesang auf die US-Pionierzeit, die durch dieses Genre oft so fälschlich porträtiert wurde: Die Mythen des Westerns und des Westens existieren angesichts der fortschreitenden Industrialisierung – hier versinnbildlicht durch die Dynamik der Eisenbahn, die das Land vom Atlantik bis zum Pazifik erschließt – nur noch als Märchen. Die Gebaren von schießwütigen Revolverträgern wie dem mysteriösen Mundharmonika oder dem schurkischen Frank finden im Hinterhof statt, der Hure Jill hingegen gehört die Zukunft. Die berauschende Kameraführung, die unglaubliche Musik, sie alle tragen zu dieser melancholischen Dodekaphonie für die Sinne bei, deren Erzählung eine einzige, gewaltige, geheimnisvolle Ellipse ist.
03. Apocalypse Now: Final Cut (Francis Ford Coppola, 1979-2019)
- In jeder Schnittfassung ist die Vietnam-Kriegsodyssee, die Francis Ford Coppola fast um den Verstand brachte, aber im sogenannten Final Cut ist die Konzentrierung sämtlicher Elemente am ausgewogensten. Die Irrfahrt durch den Horror der Feuergefechte bis ins Herz der Finsternis ist eine meisterhafte Sinfonie aus Bild, Ton und Musik, und damit einer der in seiner gesamten Konzeption vollkommensten Filme, die je gedreht wurden. Ohne jede Ironie: Jede einzelne Aufnahme des Kameramanns Vittorio Storaro könnte in ein Museum gehangen werden und wäre dort nicht fehl am Platz. Martin Sheen spielt den dem Wahnsinn verfallenden Soldaten sensationell, und besondere Highlights sind natürlich die viel diskutierten Auftritte der Edelmimen Robert Duvall und Marlon Brando. Man könnte auch sagen: Das Kino wurde erfunden, damit wir den Geruch von Napalm am Morgen lieben können.
02. Casablanca (Michael Curtiz, 1942)
- Humphrey Bogart und Ingrid Bergman sind das größte Liebespaar, das die Leinwand je gesehen hat. Dabei ist dieses Meisterwerk, anders als oft von Uneingeweihten fälschlich angenommen, kein reiner Liebesfilm. Es ist auch eine Spionagegeschichte, ein hochspannender Thriller, aber auch das beides nur am Rande. Gedreht wurde er eigentlich als Propagandafilm mit klarer Anti-Nazi-Botschaft – und die Szene, in der die – fast ausschließlich aus Europa geflüchteten jüdischen – Darsteller tränenüberströmt die französische Marseillaise anstimmen, rührt nach über achtzig Jahren noch genauso zu Tränen. Natürlich gehört der Klassiker von Michael Curtiz zu den üblichen Verdächtigen für solche Bestenlisten, allerdings verdientermaßen, schließlich hat er diesen sprachlichen Ausdruck geprägt. In diesem Sinne: Spiel’s noch einmal, Sam. Uns bleibt immer Paris. Das ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.
01. Zwei glorreiche Halunken (Sergio Leone, 1966)
- Niemand gestaltet Bilder auf der großen Leinwand wie Sergio Leone. In epischer Länge formvollendet der Meister des Italowesterns seinen barocken Stil, schafft so ein cineastisches Kunstwerk, bei dem die drei Stunden Laufzeit in Windeseile vergehen. Sensationell ist die Figurenzeichnung gelungen, epochal ist die Filmmusik von Ennio Morricone, die besonders den emotionalen Szenen einen gewaltigen Punch verleiht. Das finale Triell ist ein Magic Moment in über 100 Jahren Kinogeschichte, das Figurentrio hätte nicht mit cooleren Typen als Clint Eastwood, Lee van Cleef und Eli Wallach besetzt werden können. Die Brückenszene ist ein ganzer Antikriegsfilm in dreißig Minuten verdichtet, die Wüstenwanderung ist ein Delirium in filmischer Sprache, der Ausflug ins Gefangenenlager packt und wirkt lange nach. Kino in seiner reinsten Form und daher auch unangefochten die einzig wahre Nummer 1.