Hard Boiled

Diese Kritik wurde uns freundlicherweise von Hannibal zur Verfügung gestellt ...
Originaltitel: Lashou shentan
Herstellungsland: Hongkong
Erscheinungsjahr: 1992
Regie: John Woo
Darsteller: Chow Yun-Fat, Tony Leung Chiu Wai, Teresa Mo, Philip Chan, Phillip Kwok, Anthony Wong Chau-Sang, Bowie Lam
Tequilla (Chow Yun Fat) erschießt bei einer Schießerei in einem Teehaus versehentlich einen Undercover-Cop, was ihn bei seinen Ermittlungen gegen die führenden Waffenschieberbanden in Hong Kong zurück wirft.
Tony, ein weiterer Undercover-Cop, der in der Waffenschieberbande von Hoi arbeitet, schließt währenddessen eine Freundschaft mit dem gegnerischen Waffenschieber Johnny, was ihn in eine brisante Lage bringt…und genau da überrascht Tequilla die Banden, der nicht weiß, dass Tony ein Cop ist….
„Hard Boiled“ wird oft als John Woo’s Bewerbungsfilm für Hollywood bezeichnet und das nicht ganz zu Unrecht. Die dramatischen Storys, die es bei „The Killer“ ebenso wie bei „Bullet in the Head“ gab wurden hier nicht eingesetzt, stattdessen nutzte man eine recht simple 08/15-Handlung, um den Rest umso deutlicher aus dem Heroic-Bloodshed-Einerlei herauszuheben. Die Idee mit Chow Yun-Fat als Inspektor und Tony Leung als Undercover-Cop funktioniert trotzdem bestens, zwischendrin immer wieder die üblichen Themen wie Ehre und Loyalität. Gegen Ende nimmt das ganze sogar Buddy-Movie-ähnliche Züge an.
Beide spielen ihre Rollen gut & überzeugend aber über ersteren geht in einem HK-Film von Mr. Woo natürlich nix. Der sympathische Chinese war erst Darsteller in einer Daily Soap, bis er vom Meister persönlich für „A better tomorrow“ engagiert wurde. Dem Regisseur gefiel gerade das freundliche Gesicht, welchem der Zuschauer abnahm, dass der Protagonist nur ungern die Waffengewalt einsetzt. Genau die richtige Entscheidung, wie sich im Nachhinein rausstellte. Der auf dem Zahnstocher kauende Chow Yun-Fat mit 2 Pistolen in Zeitlupe ist einfach kult.
Reduziert man den Film auf die Action, um die es in erster Linie geht, kann man ihn in 3 Szenen einteilen: die Teehaus-Sequenz, die Lagerhallen-Sequenz und die Krankenhaus-Sequenz…
Zur schön säuselnden Jazz-Musik macht der Zahnstocher-kauende Chow Yun-Fat in der Anfangssequenz alles in einem Teehaus platt. Ein paar nette Szenen, im großen und ganzen aber nichts außergewöhnliches für Woo. Anschließend werden wir in die Charaktere und die Story eingeführt und die Lagerhaus-Sequenz beginnt. Ob Undercover-Cops wirklich so skrupellos so sind, wie es uns Tony Leung hier vormacht, wage ich mal zu bezweifeln; den moralischen Konflikt bringt er schön rüber. Aber dieser kurze Moment des Nachdenkens wird jäh unterbrochen, als Inspektor Tequilla seine Show startet.
Gasgranaten fliegen durch eine Luke in der Hallendeckel und andächtig schluckend verfolgen wir, wie Chow Yun Fat sich in Zeitlupe an einem Seil hängend durch die Halle schaukelt und dabei mit seinen Maschinenpistolen alles platt macht, was auch nur entfernt nach einem Bösewicht aussieht. Auf dem Hallenboden angekommen explodieren Granaten, Splitter zischen haarscharf an der Kamera vorbei. Während John McClane jammernd die Glasscherben in den Füßen auf dem Boden rausziehen würde, springt ein Chow Yun Fat munter aus dem Partikelhagel auf, zieht die Shotgun aus der Tasche und zerlegt mit einem einzigen Schuss ein gerade auf ihn zufliegendes Motorrad. Dann die erste große Begegnung zwischen den beiden vermeintlichen Gegenspielern in der für Woo bekannten Gegenüberstellung, Face-to-face, jeder hält die eigene Pistole an den Kopf des anderen…Blicke, die mehr als Wörter sagen im grau schimmernden Rauch, der die ganze Halle eingenommen hat.
Zum absoluten Overkill kommt es dann aber erst im Krankenhaus…..der Showdown, der überraschenderweise schon gute 40 Minuten vor Filmende einsetzt. Ein Krankenhaus voller Patienten, die von ein paar dutzend Geiselnehmern mit perfekter Waffenausstattung und mehreren Bomben festgehalten werden, Polizei und Sondereinsatzkommando und mitten drin Chow Yun Fat und Tony Leung. Das, was nun einsetzt, übertrifft jeden bekannten Actionfilm, ein Ballett voller Blei, Partikeln, Blut. John Woo zelebrierte hier 1992 etwas noch nie dagewesenes. Durch Glas, für das ein Terminator die Minigun auspacken würde, wird hier in Zeitlupe hindurch gesprungen, gleichzeitig aus allen Rohren feuernd…Wände explodieren, Inneneinrichtung fliegt durch die Gegend, der nächste Sprung durch eine Glasscheibe, hinweg über Tische, Stühle. Dieses bleihaltige, verlangsamte Rumgehopse fügt sich zusammen zu einem Actiongemälde, bei dem annähernd jedem Freund von groß angelegten Shoot-outs das Herz in die Hose rutscht. Woo drehte diese gigantische Gangster-Säuberungs-Sequenz teilweise minutenlang ohne Schnitte, was ein gigantisches Mitten-Drin-statt-nur-dabei-Gefühl vermittelt, weil die Kamera sich ebenso durch die Gänge vortastet, wie die beiden Helden.
Nicht von der Hand zuweisen ist allerdings eine Reizüberflutung, spätestens in diesem Showdown. Das was hier auf den Bildschirm gebannt wurde, lässt sich gar nicht mit einem mal gucken verarbeiten und selbst beim 10ten mal fallen einem noch kleine Szenen auf, die so fantastisch eingefangen sind, das man am liebsten auf die Knie fallen und den Fernseher küssen würde. Doch wenn Woo so richtig loslegt, gehen die Jugendschützer auf die Barrikaden und das finden wir auch wieder bei „Hard Boiled“. Ob hier eine Indizierung gerechtfertigt war, darüber kann man sicherlich streiten. An Kunstblut hat man jedenfalls nicht gespart und so ist das schöne, weiße Krankenhaus nach dem Showdown überall mit dicken Blutflecken übersäht. In den Shoot-Outs fliegen ohne Frage die Fetzen (und das in Zeitlupe ), blutige Einschüsse en masse.
Die restliche Inszenierung ist – was sonst – auch absolut harmonisch und flüssig. Geschickt werden Rückblicke eingearbeitet, oft mit Zeitlupe, dazu das eingängige Sound-Hauptthema, welches diesmal vor allem aus Jazz (Klarinette) besteht.
„Hard Boiled“ ist wohl das, was man unter einem Männerfilm versteht. Ein sympathischer Held, ein gegen Ende hin ebenfalls sympathischer Partner, Tonnen von Munition & Waffen und ebenso viele Bösewichte, die es möglichst stylisch zu erschießen gilt. Das alles umgerührt, und man(n) ist zufrieden. Doch was andere unter „stylisch“ verstehen, wird von Woo nur müde belächelt. Er treibt die Ästhetik-Frage bei Actionsequenzen auf die Spitze. Jede Szene wirkt durchkonstruiert, jedes Shoot-out nimmt die Züge eines tödlichen Ballets an, in dem die Protagonisten geradezu wie in Poesie durch die Räume fliegen, durch einen Regen von Staub, Dreck und Möbelstücken und dabei mit gleißenden Pistolen gegnerische Körper auf blutigste Art und Weise durchlöchern.
Beachtlich, dass Woo es schafft, den ganzen Film auf diesen wunderschönen Schießereien aufzubauen, ohne dabei ins stupide abzudriften. Die Story, wenn auch erheblich westlicher aufgebaut als bisher, wird nie lächerlich, sondern dient überwiegend glaubhaft als Verbindung von diesen 3 gigantischen Actionsequenzen. Mit dem Wort glaubhaft, kämen wir dann langsam zum Ende, denn mit Realismus hat der Film soviel zu tun, wie der Papst mit der Schwulenehe. Vergessen muss man die begrenzte Magazingröße einer Pistole, vergessen muss man Bad Guys, die zielen können, vergessen muss man das menschliche Schmerzempfinden. „Hard Boiled“ ist ein gigantischer Werbe-Clip eines unglaublich begabten Regisseur, ein Werbe-Clip, der auch nach dem x-ten Ansehen nicht langweilig ist und mit einer solch grandiosen Optik bestückt ist, dass die Augen des Zuschauers jedes mal erneut am Fernseher zu kleben scheinen, eine grandios choreographierte Materialschlacht meilenweit entfernt von jeglicher Konkurrenz oder um es mal aus der primitiven männlichen Sicht zu beschreiben:
„Hard Boiled“ rockt die Scheiße weg!
Die deutsche Scheibe von EMS präsentiert den Film uncut und ENDLICH in annehmbarer Bild- und Tonqualität ohne Pseudo 8.12 Upmix

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Ed Hunter boilert mit:
Ehe er Hongkong den Rücken kehrte, um in der Traumfabrik sein Glück zu suchen und dort ’93 mit dem Van-Damme-Kracher „Hard Target“ einen exzellenten, in Hollywood später kaum mehr getoppten Einstieg vorlegte, spendierte Taubenmeister und Heroic-Bloodshed-Vater, Ballerbalett-Koryphäe und Regielegende John Woo seiner Heimat 1992 mit „Hard-Boiled“ ein Abschiedsgeschenk, das auf ewig in die Annalen der Actionfilmgeschichte eingehen sollte: Als Highlight der Wooschen Filmografie, als Meisterwerk des Genres wird das mit um die 230 sichtbaren Erschießungen in Bodycount-Rekordlisten ganz vorne rangierende Bleiepos vereehrt – und das absolut zu Recht. Wenn auch emotionale und inhaltliche Tiefe diesmal in den Hintergrund treten – in Sachen Action toppt Woo hier alles, was es in vorangegangenen Klassikerhits wie „The Killer“ zu sehen gegeben hatte. Mit Stammstar Chow Yun-Fat als zahnstocherkauender wandelnder Coolness-Personifikation inmitten eines nicht enden wollenden Kugelhagels entfacht Woo ein zweistündiges Inferno, das noch heute seinesgleichen sucht.
Cop Tequila (Chow Yun-Fat), erbittert ob der Ermordung seines Partners Lionheart bei einem zu einer wilden Schießerei eskalierten Einsatz in einem Teehaus, zieht gegen das Waffenhändler-Syndikat von Gangsterboss Johnny Wong (Anthony Wong) zu Felde, der alles daran setzt, seinen Berufskollegen Mr. Hoi auszuschalten. Zwischen den Fronten befindet sich Undercover-Cop Alan (Tony Leung): In den Reihen Mr. Hois aktiv, versucht Johnny ihn für sein eigenes Team abzuwerben. Und wann immer die schicksalhafte Konstellation um die Präsenz Tequilas bereichert wird, fliegen die Fetzen, bis kein Handlanger welcher involvierten Verbrecherpartei auch immer mehr am Leben ist…
Verglichen mit früheren Woo-Werken ist die Story von „Hard-Boiled“ eher schlicht, wenngleich sie im zwischen allen Fronten zermalt zu werden drohenden Part Tony Leungs einen interessanten und fesselnden Dreh-und-Angelpunkt besitzt und inhaltliche Woo-Trademarks wie eine im Zentrum stehende Männerfreundschaft sowie emotionale Momente nicht missen lässt. In der Hauptsache hat der „Mozart der Zerstörung“ hier jedoch nur eines im Sinn, nämlich ein rauschendes Blutfest zu komponieren, das der Genrebezeichnung Heroic Bloodshed alle Ehre macht. Neben einem kurzen, aber absolut großartigen Shootout auf einem Boot sind es drei groß angelegte Actionsequenzen, zu deren Verbindung „Hard-Boiled“ seine Handlung benötigt: Der Auftakt im Teehaus, ein Lagerhallen-Shotout in der Mitte und der legendäre Showdown im Krankenhaus.
Und was Woo hier an perekt choreografiertem gleichwie inszeniertem Gunplay-Eyecandy auffährt, übertrifft nicht nur alles, was er selbst in seiner gesamten Karriere, sondern wohl auch, was das Actionkino im allgemeinen bis dato aufzuweisen hatte: Die orgiastischen Shootouts sind eine absolut perfekte Symbiose aus Härte und Eleganz, brachialer Gewalt und graziöser Ästhetik. Nicht nur wird in unglaublichen Mengen, mit gigantischen Kollateralschäden an Mobiliar und verwüsteten Settings sowie suppendem Lebenssaft en masse gestorben, vor allem Woos Gefühl für verdelnde Stilmittel und diesen zugrunde liegende Choreografien von sensationeller Kreativität generiert die unbeschreibliche Klasse des Gebotenen. Da wird in Zeitlupe durch die Luft geflogen und beidhändig geballert, unser Held schießt beim eleganten Hinabgleiten eines Treppengeländers ebenso um sich wie an einem Seil von der Decke hängend durch eine Lagerhalle schwingend und die sensationelle Kameraarbeit setzt dem Overkill die Krone auf: Vor allem minuntenlange Plansequenzen ohne erkennbaren Schnitt im Finale, die Chow Yun-Fat und Tony Leung auf ihrem Kugelhagel-Trip durch Gangster-verseuchte Krankenhausflure begleiten, sind schlicht beeindruckend und auch der atmosphärischen Wirkung enorm zuträglich.
Freilich wäre die schönste Action-Bombardierung ohne den passenden Hauptdarsteller nur die Hälfte wert und hier kann Woo mit seinem Lieblingsstar Chow Yun-Fat freilich auf eine mehr als sichere Bank bauen: Den Rang des coolsten Heroic-Bloodshed-Protagonisten aller Zeiten wird dem sympathischen Tequila-Mimen niemand jemals abzulaufen vermögen. Dass er mit Tony Leung einen ebenfalls exzellent aufspielenden Costar zur Seite und mit Antohny Wong einen überzeugenden Badguy gegenüber hat, rundet die gelungene Besetzung perfekt ab.
Fazit: Mit „Hard-Boiled“ schuf John Woo 1992 den ultimativen Heroic-Bloodshed-Film, ein Übermeisterwerk des Actionkinos, das zwar inhaltlich etwas schlichter und weniger tiefgründig als frühere Werke daherkommt, dafür aber auf dem Actionsektor ein Feuerwerk abbrennt, das nur mit dem Prädikat „perfekt“ zu beschreiben ist: Ein immenser Bodycount, kompromisslose Härte, kreative, dynamische Choreografien, coole Posen, grandiose Kameraarbeit und der stylishe Woo-obligatorische Zeitlupen-Overkill verbinden sich zu einer noch heute ihresgleichen suchenden, ästhetisierten Bleiorgie, die mit Genrelegende Chow Yun-Fat darüber hinaus mit einem der coolsten Actionhelden aller Zeiten auftrumpft. Ein Meisterwerk!
