
Originaltitel: The Guardian
Produktionsland: USA
Herstellungsjahr: 2006
Regie: Andrew Davis
Darsteller: Kevin Costner, Ashton Kutcher, Sela Ward, Melissa Sagemiller, Clancy Brown, Omari Hardwick, John Heard, Neal McDonough u.a.
The Guardian oder der Menschenfischer ist ein Wesen, das Menschen, die auf offener See alleine zurückblieben, hilft, sie von unten packt und über Wasser hält, damit sie ihre schwerste Prüfung überstehen können. Mit dieser Legende beginnt "The Guardian - Jede Sekunde zählt" und mit dieser Legende endet "The Guardian" auch. Freilich romantisch und heldenhaft verklärter, dennoch bildet diese Legende eine hübsche Klammer für den Film. Und der Sprecherwechsel von zu Beginn Kevin Costners Ben Randall hin zu Ashton Kutchers Jake Fischer steht fast schon symptomatisch für den Aufbau des Filmes. Dieser erzählt von einem jungen Mann, der zur United States Coast Guard kommt, um hier eine Ausbildung als Rettungsschwimmer fernab von roten Bojen, Silikonhupen und eingezogenem Bauch zu absolvieren. Dabei eckt er mehrmals bei der Rettungsschwimmerlegende Ben Randall an, der Jake lehren will, dass man nur im Team stark sein kann und einander vertrauen muss, um effizient arbeiten zu können. Lehren, die Jake zunächst nicht annehmen will, da er seinen Ausbilder nicht respektiert. Doch mit der Zeit entdecken die beiden sich selbst in ihrem Gegenüber mehr und mehr wieder: Ben erkennt in Jake sich selbst als jungen Kerl und Jake bemerkt, dass er eigentlich gerne wie Ben wäre. Unter diesen Voraussetzungen findet man freilich schnell zusammen und schließt eine innige Freundschaft, der eine harte Prüfung bevorsteht ...

Klar, im Grunde hakt Andrew Davis hier nur die Checkliste des allgemein bekannten Ausbildungsfilmes ab. Und so kann man aus der Inhaltsbeschreibung sicher auch nichts herauslesen, was ein "Heartbreak Ridge", ein "Men of Honour" oder ein "Offizier und Gentleman" nicht schon erfolgreich vorexerziert hätten, doch Davis findet einen interessanten Ansatz, um sein Thema aufzuarbeiten. Im Gegensatz zu den vorher genannten Streifen legt er nämlich den Fokus nicht nur hauptsächlich auf eine Seite und lässt diese auf eine, dem Zuschauer in ihrer Motivation zunächst fremde Person treffen, sondern er pendelt mit seinen Beobachtungen munter hin und her und verlagert dabei ganz allmählich die Gewichtung von Costners Ben hin zu Kutchers Jake. So sind wir bei ersten Rettungen dabei, die Ben in tosender See durchführt, erleben mit, wie sein Team bei einem Unfall komplett ausgelöscht wird und wie er von seinem Vorgesetzten zum "Batterien aufladen" in ein Ausbildungslager versetzt wird, um dort seine Fähigkeiten den Jungspunden an zu erziehen. Hier treffen wir erstmals Jake, einen selbstgefälligen Großkotz, der sich selbst am nächsten ist und zum "Feind" Bens wird. Ganz allmählich ändert Davis dann aber den Fokus in Richtung Jake und man beginnt sich mehr und mehr auf seine Seite zu schlagen, ohne Ben jemals unsympathisch zu finden, da wir durch die lange Einführung wissen, dass er nichts in der Ausbildung ohne Grund macht, egal wie hart es ist. Auf diese Weise bleiben beide Figuren in erster Linie Mensch und sind somit vollkommen greifbar für den Zuschauer.
Und so bedient sich Davis ausgiebigst der absolut genial funktionierenden Chemie zwischen Costner und Kutcher, die sich gegenseitig die Bälle zuspielen, als würden sie schon seit Ewigkeiten gemeinsam auf der Leinwand agieren. Costner ist dabei der strenge Mentor mit traumatisierender Vergangenheit und dem Pech mit seiner Ehefrau, die keinen Mann will, der nur mit seinem Job verheiratet ist. Dabei muss Costner eben vom Rettungsschwimmer zum Menschen und danach zum harten Ausbilder mutieren, der dann am Ende wieder ganz er selbst sein darf. All diese Wandlungen kann Costner absolut mühelos transportieren und er wirkt zu jeder Sekunde (und davon zählt ja jede einzelne, wie "The Guardian" im deutschen Titel bestätigt) immer absolut charismatisch. Und Charisma ist ein gutes Stichwort, denn Ashton Kutcher steht dieser tollen Performance von Costner zu keinem Zeitpunkt nach! Mit ungeheuer wuchtiger Leinwandpräsenz wird er vom Egomanen zum bedacht handelnden und abwägenden Menschen, ohne dabei seinen Sturm und Drang Charakter gänzlich zu verlieren. Im Zusammenspiel mit Costner hat er auch einige wirklich komische Szenen abbekommen und darf obendrein mit der unglaublich niedlichen Melissa Sagemiller kuscheln, wofür man den Kerl nur beneiden kann. In weiteren Rollen agieren Clancy Brown, John Heard, Dr. Houses Ehefrau Sela Ward ;-) und Neal McDonough, Bad Ass aus Walking Tall, dessen Skinner fast schon standardmäßig etwas ambivalenter angelegt ist. Insgesamt gesehen agieren alle Darsteller in "The Guardian" auf einem konstant hohen Niveau!

Diese beachtliche Schauspielriege ist ein riesiges Glück für Andrew Davis, denn sein Film wird so fast zu einer Art Charismaoberligatreffen. Seinem Cast verdankt er es dann auch, dass so manche Länge weniger negativ auffällt, als es sonst wahrscheinlich der Fall wäre. Dies ist nämlich das Hauptproblem von "The Guardian". Er ist schlicht und ergreifend zu lang. Hier und da hätte etwas Liebesschmuh verkürzt werden müssen, Costner hätte zu Beginn ruhig auch nur eine Rettungsmission durchführen brauchen und vor allem das Ende geriet Davis viel zu ausschweifend. Ist nämlich die Ausbildung der Rekruten vorbei, sackt man als Zuschauer in eine Art Loch, da man glaubt, gleich komme der Abspann. Doch Davis lässt seine Figuren erst noch diverse Sachen klären. Ist das überstanden, meint man schon, jetzt sei es vorbei, da steht auf einmal eine Rettungsmission an ... und dann noch eine! So hat man die letzten 20-25 Minuten permanent das Gefühl, dass der Film eigentlich schon vorbei sein sollte und dass Davis irgendwie einen wirklich guten Ausstieg verpasst hat. Auch schlägt dann auf einmal der Kitschhammer gnadenlos zu. Und genau hier kann sich der Regisseur eben absolut auf seine Stars verlassen, die auch diesen gestreckten Schlussakt zu einem halbwegs runden Erlebnis machen.
Was Davis selber - neben der genannten Schwäche - zum Film beitragen kann, ist ein permanent hochgehaltenes Spannungsniveau. Die Ausbildung, das Duell Jake vs. Ben, die Liebesschmuheinlagen und auch das Rettungsmissionenstakkato zum Schluss - zu keinem Zeitpunkt kommt Langeweile oder Desinteresse auf. Auch optisch ist Andrew Davis absolut auf der Höhe der Zeit. So wechselt er in der Ausbildungsphase ab und zu das Filmmaterial und lässt Teile der Ausbildung fast dokumentarisch wirken, ansonsten arbeitet er mit einer gedeckten, kalten Farbpalette in den Meeressequenzen und einer etwas helleren, wärmeren Farbpalette im Ausbildungscamp und bei den zwischenmenschlichen Einlagen. Die Highlights bilden aber natürlich die druckvoll und mitreißend inszenierten Rettungsmissionen, in denen die Naturgewalten wie entfesselt walten dürfen und entgegen diverser Meldungen wirken diese bei weitem nicht übertrieben künstlich. Dass man derartige Szenen nicht unter realen Bedingungen drehen kann, ist klar und so ist auch klar, was Freund Computer besorgt haben wird und was nicht, wirkliche Effektblößen gibt sich der Film aber zu keinem Zeitpunkt. Alles funktioniert und unterminiert nicht die Glaubwürdigkeit des Filmes. Dazu liefert Trevor Rabin einen sehr guten Score ab, der allerdings in einigen Szenen ein wenig zu zurückhaltend wirkt. Erst im dramatischen Schlussakt, wenn der Film - wie erwähnt - eine Art Tief hat, läuft Rabin zu echter Topform auf. Was man nicht verschweigen muss, ist, dass die wichtigsten Männer hinter "The Guardian" ihre besten Zeiten eigentlich schon hinter sich haben. Costner ist zwar noch immer ein Star, von seinem Megastarruhm in den 90ern ist er aber meilenweit entfernt. Und auch Andrew Davis hat seit Ewigkeiten keinen echten Hit im Stile eines "Auf der Flucht" lancieren können. Da mutet es fast logisch an, dass auch der Hauptsong des Filmes von einem alten Hasen im Business kommt: Bryan Adams veredelt nach "Robin Hood" zum zweiten Mal ein Kevin Costner Werk mit seiner Reibeisenstimme und das Ergebnis, untermalt mit Bildern der Rettungsmissionen durch die US Coast Guard im vom Hurrican Katrina verwüsteten New Orleans, kann sich wahrlich hören lassen.

The Guardian ist somit ein sympathischer Ausbildungsfilm mit allem was dazugehört: Heldenpathos, Durchhalteparolen und ein allen gängigen Klischees entsprechendes Figureninterieur. Die formidabel aufspielenden Darsteller, die den Film auch durch einige kritische Tempounstimmigkeiten tragen können und die Spannungskurve niemals absacken lassen, sind dabei - neben den tollen Actionszenen - das größte Plus des Streifens. Trotzdem ist der Film einfach mindestens eine halbe Stunde zu lang ...

In diesem Sinne:
freeman