
Vertrieb: Warner
Regionalcode: 2
Laufzeit: 130 Minuten
Produzent: u.a. Joel Silver
Regie: Andy & Larry Wachowski
Darsteller: Keanu Reeves, Laurence Fishburn, Carrie Anne Moss
Bildformat: 2,40:1 (Filme) ; 1,33:1 (Bonus)
Sprachen: Deutsch, Englisch > Dolby Digital 5.1
Untertitel: Deutsch, Englisch, Spanisch, Portugiesisch, Dänisch, Schwedisch, Norwegisch, Finnisch, DfH, EfH
Freigabe: FSK 16
Leichte Spoiler befinden sich in der Review!
Science Fiction ist eigentlich nichts anderes, als das, was Philosophen als Gedankenexperiment bezeichnen. Man stellt sich eine bestimmte Situation vor und überlegt „Was wäre, wenn…“. So sah wohl auch der Ursprung der „Matrix“ aus, den sich Mitte der Neunziger zwei Comic-Fans namens Andy und Larry Wachowski in einem vollgestopften Appartement in Chicago ausdachten. Inspiriert durch die Frage, warum Actionfilme immer nur laut, dumm und platt sein müssen, entwickelten sie die Idee, die nicht nur bei ihnen selbst wie der sprichwörtliche Blitz einschlug. Das detailliert ausgearbeitete Konzept zu dem Film begeisterte Publisher Warner so sehr, dass man die Brüder zunächst für ein günstiges Drama („Bound – Gefesselt“ (1996)) verpflichtete, um zu sehen, ob sie als Regisseure für ein solches Mammutprojekt geeignet seien. Mit 63 Millionen Dollar wurde die Vision dann schließlich im Jahre 1999 Wirklichkeit und die ganze Welt fragte sich, was zur Hölle die Matrix ist…
Thomas Anderson ist tagsüber Mitarbeiter einer erfolgreichen Softwarefirma, aber nachts als gefürchteter Hacker Neo im weltweiten Datennetz unterwegs. Dieser Alltagstrott ändert sich, als sein Bildschirm die Zeile „The Matrix has you…“ wie von Geisterhand anzeigt. Er wird schließlich von der geheimnisvollen Trinity kontaktiert, welche ihn zum international gesuchten Terroristen Morpheus führt.

„You take the blue pill the story ends, you wake up in your bed and believe whatever you want to believe. You take the red pill you stay in Wonderland and I show you how deep the rabbit hole goes.”
Die Entscheidung, die Neo in dieser Nacht bei seinem ersten Treffen mit Morpheus treffen muss, wird sein Leben umkrempeln und ihn im Laufe der Zeit vor weitere ungleich komplexere Wahlmöglichkeiten stellen.
Orakel: „Was Süßes?“
Neo: „Wissen Sie nicht bereits, ob ich es will?“
Orakel: „Was für ein Orakel wäre ich denn, wenn nicht?“
Neo: „Aber wenn Sie es bereits schon wissen, wie kann ich dann noch wählen?“
Orakel: „Weil du nicht hergekommen bist, um die Wahl zu haben. Du hast schon gewählt. Du bist hier, um zu verstehen, warum du dich so entschieden hast.“[/b]
“Entscheidung ist eine Illusion entstanden zwischen denen mit Macht und denen ohne.“
Angesichts dieser Zitate, die schon aus tieferen Regionen des Kaninchenbaus stammen, erscheint die Wahlmöglichkeit zwischen blauer und roter Pille in einem ganz neuen Licht.
Genau, wie der beim ersten Mal unwissende Zuschauer es wohl tun würde, greift Neo zur roten Pille. Die Entscheidungsmöglichkeit ist dabei in der Tat eine reine Illusion, denn die menschliche Neugier hat schon vor geraumer Zeit die rote Pille gewählt, bevor die Frage nach ihr überhaupt aufkam. Eine Maschine hätte die beiden Möglichkeiten abgewägt und die rote Pille für erheblich zu riskant empfunden. Wieso sich auf etwas Unbekanntes einlassen, wenn man doch sicher untergebracht ist?
„Ich denke, also bin ich.“
René Decartes
In dieser sicheren Umgebung bewegt sich die gesamte Gesellschaft in der „Matrix“. Nur Neo scheint zu denken und bemerkt, dass etwas nicht stimmt. Er ist anders wie seine Mitmenschen, die alle gleich gekleidet wie in Trance durch annähernd jede Einstellung hindurchlaufen und dabei mehr an Zombies als an lebende Organismen erinnern. Außer Neo scheint niemand dieses System, diese perfekte tägliche Wiederholungsschleife zu hinterfragen. Er ist Mensch, entscheidet intuitiv, wird geleitet von Emotionen.
In Morpheus’ Augen jedoch ist Neo weit mehr als nur ein Mensch, er soll der Auserwählte sein, eine Art Übermensch. Laut dem Philosophen Friedrich Nietzsche definiert sich ein solcher Übermensch dadurch, dass er gegen den Strom schwimmt, Beschränkungen ablehnt und seinen eigenen Willen durchsetzt. All das trifft auf Neo zu, doch heißt das gleichzeitig, dass die Rolle des Auserwählten wesentlich universeller betrachtet werden kann, vor allem im Bezug auf unser eigenes Leben.
Jeder kann etwas ändern, wenn er zu der Erkenntnis gekommen ist, dass sich etwas ändern muss. Zu Film- bzw. Trilogiebeginn ist Neo noch nicht so weit, er spürt nur, dass etwas nicht stimmt und versucht diesem Gefühl nachzugehen, dabei spielt der Glaube Morpheus’ an den Auserwählten zunächst einmal noch eine sehr kleine Rolle.
Der Wissensstand des Zuschauers ist dabei identisch mit dem des Hauptcharakters. Er macht sich zusammen mit ihm, dem potenziellen Auserwählten, auf den Weg in die Tiefen des Kaninchenbaus. Dieser gemeinsame Weg sorgt auf Anhieb für Identifikation. Genau wie Neo hat man zu Beginn absolut keine Ahnung, in welche Richtung sich die Geschichte entwickeln wird. Aufgrund der eigenen Unwissenheit klammert man sich also an den Charakter, der exakt den selben Wissensstand hat und wird quasi zusammen mit ihm ausgebildet. Man lernt die Gefahren des Systems kennen, man wird Zeuge des aberwitzigen Kung Fu-Trainings usw. Rocky würde staunen angesichts dieses etwas anderen, aber dennoch auf seine eigene Art motivierenden Aufbauprogramms.


“Nicht denken….wissen!“
Die Entwicklung vom denkenden zum wissenden Wesen ist zentraler Bestandteil des ersten Films. Die Wachowski-Brüder selbst bezeichnen ihn als den Teil, der für die Geburt steht, was sich in zahlreichen Aspekten der Story wiederspiegelt. Neo wird sozusagen in eine neue Welt geboren, am Ende des Films scheint aus dem zweifelnden Denker ein selbstsicherer Wissender geworden zu sein. Der Auserwählte ist geboren…
Die reale Welt und die Matrix stellen ein Gedankenexperiment dar, welches einen Großteil seiner Faszination daraus zieht, dass es gar nicht mal so abstrakt ist, denn woher will der Mensch wissen, dass es nicht so ist. Diese Unsicherheit kosten die Macher im Verlauf der Trilogie immer wieder genüsslich aus. Egal ob ein Deja vu oder ein Zeitungsartikel über Geister, innerhalb weniger Sekunden hat man die einleuchtenden Erklärungen der „Matrix“ im Hinterkopf, aber nicht nur so bleibt die Trilogie dem Zuschauer im Gedächtnis…


“Ich kann Kung Fu!“
Die Action ist nämlich neben aller enthaltener Philosophie und verzwickter Erzählstruktur auch ein großer Bestandteil dieses filmischen Kunstwerks. Dabei sprengte man mit dem für dieses Genre recht bescheidenen Budget von 63 Millionen Dollar die Grenzen der Vorstellungskraft. Das Zauberwort heißt „Bullet Time“ und sorgt dafür, dass schon in der Anfangssequenz akute Gefahr besteht, dass der eigene Unterkiefer unsanft auf den Wohnzimmerboden kracht. Der Clou des Effekts besteht dabei „nur“ darin, die Zeit mitten in einer Actionsequenz einzufrieren und einmal mit der Kamera um das Geschehen herum zu fliegen. Was harmlos aussieht, benötigt in der äußerst aufwendigen Umsetzung unzählige im Kreis aufgestellte Kameras in deren Mitte die Schauspieler auf einer grünen Matte stehen, hängen oder was gerade gebraucht wird. Das spektakuläre Rundherum wird erst später am Computer eingefügt.
Aber auch abgesehen von dieser stylischen Spielerei ist die Optik der Wachowski’schen Action über alle Zweifel erhaben.
So überzeugt schon der Kung Fu-Kampf zwischen Neo und Morpheus auf ganzer Ebene und bildet ein Musterbeispiel für die perfekte Symbiose zwischen intelligenten Dialogen, umwerfender Choreographie, wie die Faust auf’s Auge passender Kameraarbeit und nicht zuletzt einem genial treibenden Soundtrack.
Doch wie sich ab dem letzten Filmdrittel herausstellt, waren die vorherigen kleineren Scharmützel ebenso wie besagte Kung Fu-Sequenz nur unspektakuläre Vorboten für eine der fantastischsten Actionszenen der Filmgeschichte.
Sobald nämlich Neo & Trinity die Lobby eines schwer bewachten Hochhauses betreten, sollte man im Heimkino gepflegt die Lautstärke nach oben drehen, ganz egal was die Frau dazu sagt, denn die wird man für die nächsten 20 Minuten eh nicht mehr hören können.
In einer beispiellosen Zerstörungssequenz wird besagte Lobby mithilfe aller möglichen Schusswaffen in ihre Bestandteile zerlegt. John Woo erscheint beinahe wie ein Stümper, wenn die Hauptdarsteller leichtfüßig in Zeitlupe an den Wänden entlang laufen und der Bildschirm vor herumfliegenden Partikeln zu explodieren scheint. Mithilfe von haarsträubenden akrobatischen Kunststücken werden die aus allen Rohren feuernden Widersacher zerpflückt, um im nächsten Moment den Kugelhagel in herrlichsten Slow Motion-Shots beidseitig feuernd zu erwidern.
Fahrstühle explodieren, Räume mit Fensterblick werden per Gattling Gun vom Hubschrauber aus gesäubert, welcher anschließend mit einem Riesenknall in einem anderen Hochhaus ein explosives Ende findet. Voller Freude malt sich der Actionfan aus, was den Wachowskis wohl noch für bahnbrechende Actionsequenzen im Kopf herumspuken. Dabei wirft bei „Matrix“ nicht mal der Gigantismus um. Shoot-outs, die von der Ausgangssituation her auch in einem B-Actioner hätten vorkommen können, werden allerdings hier optisch bis ins letzte Detail durchgestylt. Nicht eine Einstellung wirkt gewöhnlich. Das Gezeigte sprengt schlichtweg alle Erwartungen und sorgt mit dafür, dass man die „Matrix“ als einen der einflussreichsten Actionfilme der 90er Jahre betrachten kann, denn die damals höchstinnovative Bullet-Time findet sich heute beinahe in jeder zweitklassigen DTV-Produktion und auch in den großen Mainstream-Blockbustern unserer Zeit schwebt die Kamera – noch vor 10 Jahren unvorstellbar – unglaublich agil durch Zeit und Raum.
Der an das klassische Westernfinale angelehnte Showdown wird schließlich in einer U-Bahn-Station ausgetragen und auch er bietet umwerfende Kampfsequenzen, die unglaublich grazil und elegant, aber gleichzeitig auch staubtrocken sind und vor visueller Kraft nur so strotzen.
Es ist klar definiert, wer gut und wer böse ist, was dem recht komplexen Filmvergnügen doch eine gewisse Geradlinigkeit verleiht. Aufgrund dieser klaren Unterscheidung kann man sich problemlos auf die Geschichte konzentrieren und sich an der audiovisuellen Pracht der Action erfreuen, was in den beiden umstrittenen Fortsetzungen wesentlich schwieriger wird, da hier die Grenzen stärker verwischen.


“Versuche nicht den Löffel zu verbiegen. Das ist nämlich nicht möglich. Versuche, dir statt dessen einfach die Wahrheit vorzustellen. […] Den Löffel gibt es nicht!“
Am Ende steht dann die Geburt eines wissenden Wesens, dass allen anderen überlegen ist, was deutlich wird, als Neo kurz vor dem Abspann die Telefonzelle verlässt. Um ihn herum bewegen sich die normalen Menschen in ihrem Alltag, die Augen verschlafen auf den Boden gerichtet. Die gesamte Szenerie scheint leicht verschwommen, der Fokus liegt auf Neo, welcher die „belebte“ Straße aufmerksam mustert, dann direkt in die Kamera blickt und sich dann endgültig von der normalen Gesellschaft abkoppelt, in dem er im wahrsten Sinne des Wortes wegfliegt. Er ist nicht mehr länger einer von uns, wie sich in den Fortsetzungen herausstellen wird, ist die Identifikationsfigur Neo wie vom Erdboden verschluckt. Ihn umgibt fortan eine mysteriöse, undurchdringliche Aura, der scheinbar keiner mehr etwas anhaben kann. Diese radikale Änderung wird auch schon vorher beim Endfight deutlich, wenn er Agent Smith unmissverständlich klarmacht, dass er nicht mehr Thomas Anderson genannt werden möchte und wenig später Pistolenkugeln mit seiner Hand stoppt, als wäre um ihn herum eine unsichtbare Schutzhülle. Wenige Szenen vorher, musste er sich noch verbiegen, um heranschnellenden Patronen auszuweichen, nun verbiegt er die Matrix nach seinen Wünschen.
Die schauspielerischen Leistungen können sich allesamt sehen lassen. Keanu Reeves füllt die Hauptrolle des Neo mit Leben und mimt den zurückhaltenden Außenseiter absolut überzeugend. Laurence Fishburn agiert passend als sein Mentor Morpheus, der felsenfest an seinem Glauben festhält und Hugo Weaving rockt als Agent Smith alles weg. Er scheint wie geschaffen für seine Rolle und legt eine Spielfreude an den Tag, die all seine Kollegen blass erscheinen lässt. Carrie-Anne Moss überzeugt zwar als elegante Kampfamazone, hat aber nicht mal annähernd die Ausstrahlung, um etwas emotionalere Szenen passend umzusetzen. Sie wirkt abseits der Actionszenen oft fehlbesetzt.
Alles andere als fehlbesetzt sind hingegen die Wachowski Brüder. Jede ihrer Einstellungen wirkt bis ins letzte Detail durchdacht, egal ob Farbgebung, Kameraperspektive oder Beleuchtung. Die Leidenschaft, mit der die Geschwister ihr Projekt auf die Leinwand transferieren, ist in jeder Sekunde zu sehen und zu spüren.
Die musikalische Untermalung bewegt sich ebenfalls auf Referenzniveau. Der wilde Mix aus elektronischer Musik, Orchester-Klängen und Hard Rock passt immer perfekt. In den ruhigen Szenen liegen meist unauffälligere Klangteppiche über den Bildern, während in den Actionsequenzen dominante Bass und Drum-orientierte Rhythmen die Szenen nicht nur unterstützen, sondern sie grandios verstärken. So entsteht ein umwerfender audio-visueller Hochgenuss, den man so schnell nicht vergessen wird.

Am Ende ist man heilfroh, dass Neo die rote Pille genommen hat. Die „Matrix“ ist laut geworden, aber alles andere als dumm und platt. Was hier an philosophischen, gesellschaftskritischen und auch religiösen Andeutungen drin steckt, liefert Raum für unzählige Interpretationen und Diskussionen. Der Film regt aufgrund seiner Parallelen zu unserer Welt zum Nachdenken an, begeistert aber gleichzeitig mit optischen Schauwerten, die man bis dahin nicht kannte. Actionszenen, die man bis zum Jahre 1999 für nicht möglich hielt, revolutionierten das Genre und sorgen auch heute noch für staunende Blicke.
Ein Film, der aufgrund seiner perfekten Inszenierung, der audiovisuellen Umsetzung und vor allem der genialen, tiefgründigen Story im Gedächtnis bleibt.
