Originaltitel: Smokin' Aces
Produktionsjahr: 2007
Herstellungsland: USA
Regie: Joe Carnahan
Darsteller: Ben Affleck, Jason Bateman, Common, Andy Garcia, Alicia Keys, Ray Liotta, Jeremy Piven, Peter Berg, Ryan Reynolds, Martin Henderson u.a.
Willkommen in der Welt von Buddy "Aces" Israel. "Aces" schlägt sich offiziell als Illusionist durchs Leben, ist in Wirklichkeit aber Trickbetrüger und Mitglied der ehrenwertesten aller Familien - der Mafia. Diese darbt seit einiger Zeit vor sich hin, denn dem FBI ist es dank aufopferungsvoller Arbeit seiner Agenten gelungen, fast alle Verzweigungen der Mafia komplett zu zerschlagen und sie an den Rande der Nichtexistenz zu lavieren. Diesen Moment der Schwäche kann "Aces" für einen kometenhaften Aufstieg in den Resten der Cosa Nostra nutzen. Damit gerät er umgehend ins Visier des FBIs, das ihm Straffreiheit anbietet, wenn er als Kronzeuge gegen die letzten Mafiareste auftritt. Buddy Israel stimmt diesen Plänen zu ... ein Schachzug, der freilich nicht unentdeckt bleibt und so setzt die Mafia ganze Killerhorden auf "Aces" an. Der Auftrag ist dabei unmissverständlich: Buddy muss sterben ... als Beweis für sein Ableben reicht sein Herz ...
Manche Situationen, diverse Dialoge, das vollkommen kaputte Figureninterieur und deren Charakterzeichnung sowie die unglaublich dominante und gelungen eingebundene Musik von Smokin' Aces machen von Beginn an eines klar: Joe Carnahan versucht sich nach seinem gelungenen Narc als Quentin Tarantino / Guy Ritchie / Paul McGuigan Wannabe und versagt dabei ordentlich. Dabei sind die Probleme vielfältiger Natur, der wichtigste Grund ist allerdings, dass seinem Streifen schlicht und ergreifend die erzählerische Raffinesse der offensichtlichen Vorbilder komplett abgeht. Die oben dargestellte Handlung kann nämlich zum Beispiel als der vollkommene Spoiler betrachtet werden, da Smokin' Aces wirklich nicht viel mehr zu erzählen hat. Der ganze Film bebildert im Grunde nur, wie die Killerkommandos in Stellung gehen und sich dann irgendwann beharken. Dabei werden die wichtigsten Storyingredienzien in den ersten 15 Minuten abgefeuert. Hier funktioniert die Anlehnung an Tarantino und Co noch sehr gut, da dieser Einstieg sehr gelungen und vor allem ungemein rasant daherkommt und in kürzester Zeit den Zuschauer mit Informationen bombardiert, die allerdings für den weiteren Verlauf der Handlung nicht wirklich erheblich sind. Dennoch macht der Einstieg ordentlich Laune, auch wenn man schon irgendwann aufgrund des Information Overflows die Waffen strecken möchte. Danach versackt dann die Handlung komplett. Killer kommen am Schauplatz der großen Ballerei an, machen sich mit dem Terrain vertraut, labern Müll und sondieren die Lage. Hier setzt es dann auch alle Klischees, die eben zu einem "Tarantino" dazugehören. Leider weiß Carnahan sie nicht anzuwenden, bzw. viele Klischees wirken einfach zu ausgelutscht und abgegriffen. Seien es Penthouses voller Drogennutten, der dummbatzige Bodyguard, schwarze Auftragskillerinnen, die sich als "Leckschwestern" herausstellen und sich obendrein gegenseitig nur als Bitch betitulieren, Nazipunks und und und. Alles drin, was "Spaß" macht. Einzig der interessante Cast, die schräge Figurenzeichnung und der eine oder andere wirklich gelungene Dialog retten diesen Part vor der absoluten Belanglosigkeit. Und dann bricht das über den Zuschauer herein, was der Trailer für den ganzen Film versprochen hatte: Eine martialische Gewaltorgie.
Und Heidewitzka! Die beiden parallel ablaufenden großen Shootouts haben es definitiv in sich und geraten in ihrer teils zynischen Gewaltdarstellung noch am ehesten zur Hommage an Ritchie oder Tarantino. Dabei bleibt der Bodycount sogar recht verhalten, doch die wenigen Kombattanten, die es erwischt, erwischt es dann so richtig. Kein Wunder, hantieren die Killer doch mit allerlei lustigen, lebensbeendenden Werkzeugen. Seien es Messer, automatische Waffen, Äxte, Snipergewehre oder Kettensägen ... hier wird gehobelt und fallen ordentlich Späne! Optisch geraten beide Shootouts zu einem fast schon orgiastischen Happening: präzise, ultrastylische Zeitlupen, ein mit Glassplittern, Mauerteilen und Kugeln angefüllter Luftraum und eine dynamische Kameraführung inklusive cooler Perspektiven und gelungener Montagetechnik lassen jedes Actionherz höher schlagen. Wenn dann noch Getroffene meterweit durch die Luft fliegen, sich ein Angeschossener in eine am Boden liegende (LAUFENDE) Kettensäge setzt oder einer unbeteiligten Frau ganz nebenbei das Gesicht von einer Kugel weggesprengt wird, ist eines ganz klar: Actiontechnisch macht Carnahan niemand etwas vor und in ihrer gnadenlosen Überzeichnung geraten die Actioneinlagen zu einmaligen Comicballereien, die hinsichtlich ihres Ideenreichtums wirklich begeistern! Nur auf den Rest des Filmes kann man dieses Lob leider absolut nicht anwenden! Denn hat man sich einmal an die überzeichneten Figuren gewöhnt, fällt extrem auf, dass das Drehbuch riesige Probleme hat, dem Treiben den nötigen Humor einzuhauchen. Es gibt freilich die eine oder andere schwarze Humorspitze, allerdings treten diese wirklich fast immer nur im Zusammenhang mit den Actioneinlagen auf. Abseits der Action wirkt der Film bierernst und man kann sich des Eindruckes nicht erwehren, dass hier irgendwer (freilich Carnahan, da Drehbuch UND Regie) den eigenen Film ein wenig zu ernst genommen hat. Dies fällt um so unangenehmer auf, da Carnahan selber seinen Film gerne als schwarze Komödie verstanden wissen will und da versagt der Film grandios.
Vor allem dann, wenn er zum Ende einen vollkommen unnötigen und viel zu ernst vorgetragenen "Twist" um eine Art Verschwörung einbaut, was nur dafür sorgt, dass man letztendlich noch einmal 15 Minuten lang mit Informationen zugeschissen wird, die dem Film aber nicht wirklich viel bringen, das bisher Gesehene nicht aufwerten und vor allem durch das Ende von Smokin' Aces auch vollkommen obsolet werden. Und je länger sich dann das Ende nach den genialen Shootouts hinzieht, umso mehr beschleicht den Zuschauer das Gefühl, dass Carnahan und Co irgendwann festgestellt haben müssen, dass die eigentliche Handlung von Aces nicht viel taugt und man sie darum irgendwie komplexer gestalten wollte. Leider sind einige Hinweise im Laufe des Streifens ein wenig zu offensichtlich, so dass auch der Twist nicht wirklich so überraschend daherkommt, wie er vermutlich gemeint war.
Keine Schuld an diesem Dilemma trifft die durch die Bank guten bis sehr guten Darsteller! Am meisten beeindruckt Jeremy Piven als "Aces" mit einer vollkommen jenseitigen Performance, die einen von Drogenmissbrauch und Überfluss gezeichneten, vollkommen kaputten Charakter entwirft, für den eine Kugel im Kopf eigentlich eher einer Erlösung denn einer Bestrafung gleich käme. Sehr gefallen hat mir der ansonsten immer recht blasse Ryan Reynolds in seiner Rolle als FBI Agent, der gemeinsam mit seinem Kollegen versuchen soll, einen Anschlag auf Buddy Israel zu vereiteln. Vor allem zum Ende hin wird seine Darstellung immer kraftvoller und er überzeugt als rachsüchtiger Agent voll und ganz. Seinen Kollegen gibt Ray Liotta mit einer Nonchalance und Ruhe, die einen in sich ruhenden, abgeklärten und megacoolen Agenten erzeugt und beweist, dass Liotta mit wenigen Gesten mühelos mehr transportieren kann, als die meisten selbsternannten Method Actors mit raumgreifendem Overacting. Ben Affleck hat mich seit Ewigkeiten auch mal wieder nicht gestört, was aber sicher auch damit zu tun hat, dass er nur wenig Screentime abbekommen hat. Andy Garcia wiederholt im Grunde leider nur seine Performances aus Oceans 11 und Oceans 12: Er steht mit Nadelstreifenanzug in der Gegend herum und lässt sein Charisma wirken. Damit erscheint er hier aber ab und zu ein wenig verloren, da er deutlich zu passiv wirkt. Alicia Keys liefert als Killerin eine wahrlich sexy Performance ab, schauspielerische Meriten hat sie sich hiermit aber noch nicht erworben, denn wirklich gefordert wird sie nicht. Der Rest des Castes geht vollkommen in seinen überzeichneten Charakteren auf und macht einen formidablen Job.
Des weiteren überzeugt Smokin' Aces optisch nicht nur in seinen Actionszenen. Auch der Rest des Filmes ist absolut stylisches Eye Candy vom Feinsten, das nicht einmal annähernd so überzogen geschnitten ist, wie es der Trailer vermuten ließ. Zwar ist das Tempo der gesamten Chose definitiv sehr hoch, Wackelkamera und Übersichtsverlust muss man hier allerdings nirgends befürchten. Einige Spielereien wie Split Screen, schwarzweiße Rückblenden und nette Montagen verkommen niemals zum Selbstzweck, erzeugen aber eben auch das Gefühl, dass man sich hier an die Großen im Genre anlehnen wollte. Insbesondere das große Vorbild Tarantino leuchtet im Bereich des Soundtracks überlebensgroß durch. Clint Mansell nahm sich dieser Aufgabe an und dürfte als einer der wenigen echten Sieger aus Smokin' Aces hervorgehen. Zum einen findet er geniale Songs, die Atmosphäre und Bilder von Smokin' Aces treffend untermalen und verstärken. Dabei setzt er vor allem auf funkige Songs, die einen sofort mit dem Fuß mitwippen lassen. Seine eigenen Kompositionen sind dann eine Welt für sich! Er entwirft wunderschöne, unglaublich atmosphärische Stücke mit genialen Themen, die sofort ins Ohr gehen und Gänsehaut erzeugen. Leider wird Mansell ein wenig das Opfer der Unentschlossenheit des gesamten Filmes, denn seine Stücke betonen vor allem die dramatischen Elemente fast schon überlebensgroß und lassen sie wie echte Downer wirken. Doch hier konnte er auch nicht wirklich für ironische musikalische Brechungen sorgen, ganz einfach weil die bierernsten Sequenzen ein solches Vorgehen niemals erlaubt hätten und ein luftigerer Musikeinsatz sogar unpassend gewirkt hätte. Kurzum: Mansells Score ist brillant, allerdings ist der Film rein von der Konzeption her irgendwie der Falsche. Da aber die Konzeption von Smokin' Aces als Schwarze Komödie nicht aufgeht, passt der Score wieder wie die Faust aufs Auge. Was ein Tohuwabohu ...
Dieses Dilemma macht es deutlich: Smokin' Aces wäre gerne ein ganz anderer Film. Einer mit einer Geschichte voll Verve, schwarzem Humor, Drive, Tempo und geiler Action. Leider versagt der Film in den wichtigsten Punkten teils grandios. Der Streifen ist viel zu ernst, das Loch nach der schnellen Einleitung ein wenig zu groß und die Geschichte schlicht und ergreifend nicht vorhanden. Der ungelenke Schlussteil zerstört dann die wahrhaft gigantischen Eindrucke der Actionscharmützel im eigentlichen Showdown. Was bleibt ist Stückwerk, das teils gut funktioniert, teils gar nicht und teils einfach nur bemüht wirkt. Darstellerisch und technisch bekommt man allerdings gelungene Kost vorgesetzt und gerade die kaputten Gestalten des Filmes haben irgendwo schon Kultpotential. Vor allem beim erstmaligen Sehen ist der Unterhaltungsfaktor definitiv noch enorm. Leider weiß man eben nach dieser ersten Sichtung, dass man hier nur einer riesigen Seifenblase beim Zerplatzen zugeschaut hat.

In diesem Sinne:
freeman