Vince sez:
Ittenbach-Filme waren, sind und bleiben wohl immer Geschmackssache, solange er der alleinige Kopf seiner Produktionen bleibt und sich nicht etwa wie ein Tom Savini nur um das Wesentliche bemüht, sprich um die Effekte. Hatte der nämlich in der Regel trotz einer recht ambitionierten “Night of the Living Dead”-Remake-Regie einen guten Regisseur über sich stehen, sind Ittenbach-Flicks wahrhaftig Ittenbach-Flicks. Das bedeutet nicht gerade Massenkompatibilität, denn selbst jetzt, nach sieben Filmen, nach dem Wandel vom Homevideo-Amateur zum Independentfilmer, nach dem hervorgekommenen Trieb zur internationalen Bühne und der inzwischen deutlich professionelleren Optik sind die Werke der deutschen Splatter-Hoffnung immer noch auf die Wurzeln zurückzuführen. Grenzdebil, naiv, dilettantisch - diese Attribute lassen sich selbst bei “Garden of Love” noch nicht aus dem Kopf vertreiben. Und immer noch fühlt man sich als Zuschauer wie ein Eingeweihter des Olaf Ittenbach-Freundeskreises. Als würde der gemütliche Bayer seit “Black Past” nun schon zum siebten Mal zur gemütlichen Runde einladen und bei einem Steak und einem Bier seine neueste Danksagung uraufführen. Nur, dass der Freundeskreis inzwischen deutlich größer geworden ist.
Das bedeutet nun zweierlei: Dilettantismus und Herzblut. Jetzt gelingt Ittenbach mit anwachsender Filmographie das Kunststück, ersteren Aspekt langsam zu minimieren und letzteren unberührt zu lassen. Vorausgeschickt sei: Dilettantismus ist nach wie vor ganz klar auch in “Garden of Love” vorhanden. Es ist sogar zu befürchten, dass er nicht ausgelöscht werden kann, ohne etwas vom Herzblut zu opfern. Somit hat Ittenbach von Natur aus nicht die Mittel, wie ein Hitchcock, wie ein Scorsese, wie ein Leone oder ein Fassbinder nach Perfektion zu streben. Der Pöbel ist enttäuscht, aber die Fans verzeihen ihm seine Schwächen. Und wenn man ein deutscher Filmfreak ist, der auch derberer Kost offen gegenüber steht, muss man Ittenbach-Filme schon von Natur aus unterstützen, sei es aus reinem Lokalpatriotismus oder aus dem wirtschaftlichen Antrieb heraus, dem deutschen Splatterfilm zum Erfolg auch im Ausland zu verhelfen.
Aufhänger für den Plot muss natürlich auch diesmal Olafs Effekte-Workshop sein, wenngleich sich die Splattereffekte rein quantitativ im Gegensatz zum Overkill “Premutos” zugunsten der Storydramaturgie zurückentwickelten. Das kann aber eben nicht darüber hinwegtäuschen, dass alles daraufhin konstruiert ist, kreative Schlitzereien zu zeigen. Bedient hat man sich dazu bei allerlei Horrorfilm-Klischees, denn der Spukhaus-Film hat derart viele Variationen erfahren, dass er, wäre er ein Song, von Heino bis hin zu Marilyn Manson von so ziemlich jedem Künstler recycelt worden wäre. Hier heißt der Künstler Ittenbach, und alles, was ihm bei der Story übrigbleibt ist, dem Haunted House-Konstrukt seine eigene Marke aufzudrücken. Und was das betrifft, macht er alles richtig.
An der Eingangstür erwartet uns bereits ein deftiges Geschnetzel, unterlegt mit der typischen Itti-Mucke - melancholisch, mit einem Hauch Bad Taste. Keine Frage, der Streifzug eines Wahnsinnigen (den wir nur schattenweise sehen) durch eine Hippie-Kommune bei Nacht ist in der Uncut-Fassung selbstzweckhaft und muss sich natürlich vor den Prüfstellen verantworten, kam dann erwartungsgemäß im diesbezüglich sehr konventionellen Deutschland auch nicht ohne Schnitte weg. Verherrlichend im eigentlichen Sinne ist der Einstieg in den Film dennoch nicht, denn die Szenen können durchaus Schockwirkung und Abschreckung erzeugen. So finden nämlich sämtliche Morde, ähnlich denen bei “High Tension”, für die Opfer vollkommen unerwartet statt. Diese sind damit vollkommen hilflos, für den Zuschauer im Endeffekt identifikationsanbietend und deswegen ganz klar mit Menschlichkeit versehen - im Gegensatz zu den früheren Ittenbach-Werken, speziell im Vorgänger “Beyond the Limits”, wo die Opfer eher lebloses Fleisch waren, denen man keine Emotionen zugestehen wollte.
Überhaupt arbeitet Ittenbach diesmal, vermutlich auch motiviert durch die Haunted Hill-Story, verstärkt mit richtigen Schockeffekten, was er früher nie getan hat. Der reine Gewaltaspekt gewinnt hierdurch deutlich an Substanz. So bemüht sich der Regisseur auf einem recht neuen Terrain und versucht alles, um die Schockmomente möglichst unerwartet zu gestalten - was ihm nun einerseits gelingt, andererseits nicht. Ein wesentliches Problem ist, dass er sich bei Ideen älterer Filme bedient, um seine Schocks effektiver zu machen. Ganz deutlich ist eine Orientierung an John Carpenter zu erkennen, der in einigen seiner Filme (“Die Fürsten der Dunkelheit”, “Die Mächte des Wahnsinns”) Schockmomente gleich zweimal hintereinander ablaufen ließ, um die Grenzen zwischen Traum und Realität zerfließen zu lassen. Ein anderes Vorbild ist in David Fincher und seinem “The Game” ausgemacht, als “Ärzte”-Legende Bela B. Felsenheimer seinen Einstand als Nachrichtensprecher-Zombie im Fernsehen gibt. Ittenbach wandelt also irgendwo zwischen konkretem Schocker-Horror und zwielichtiger Subtilität. Das gilt zumindest für die erste Hälfte, in deren Verlauf er sich an dem Schema verausgabt. Im Endeffekt wird klar, dass noch das Gespür für Dosierung fehlt, denn Ittenbach meint, im Minutentakt Visionen der Hauptdarstellerin Rebecca (Natacza Boon) einstreuen zu müssen, was manchmal an der Grenze des Erträglichen steht. Zumal es noch einen unangenehmen Kontrast gibt: In der Filmmitte hält der Polizeikommissar einen unerträglich langatmigen Dialog, wobei er die Worte absichtlich lang zieht und mit unzähligen Pausen versetzt. Ob man damit nun bedrohliche Intensität aufbauen wollte, weiß ich nicht, aber die Wirkung ist eher die, dass es sich um einen Lückenfüller handelt, damit man zumindest die alles andere als epische Laufzeit von 86 Minuten erreicht.
Jene Mono- und Dialoge, sprich jedes gesprochene Wort stellt dann auch die Brücke zum einstigen Amateur-Olaf dar, denn was den Darstellern da so an Kommunikation entfährt, das ist banal zum Quadrat. Der Arzt quäkert pseudowissenschaftliche Termini, der Polizist drischt Phrasen der Marke “Cops” und Rebecca und ihre Adoptiveltern kommen nicht über die Austinsche Kategorie des phonetischen Aktes hinaus (Anm.: mit dem “phonetischen Akt” bezeichnete der britische Sprachphilosoph John L. Austin grob gesagt das reine Hervorbringen von Geräuschen - und viel mehr ist es auch nicht, was die Darsteller im Film tun). Manchmal pseudointellektuell und manchmal Zeit schindend hangelt man sich durch ein brüchiges Dialoggerüst, das entgegen der zweifellosen Qualität der Splattereffekte und inzwischen auch anderer hinzugekommener Qualitäten zu keiner Zeit internationalen Ansprüchen genügen kann. Sofern der englische Ton wortgetreu übersetzt wurde, darf man sich dann auch mit Recht als Deutscher für jene Dialoge schämen, wo immer sie außerhalb Deutschlands vernommen werden. Schon in “Beyond the Limits” war die Diskrepanz zwischen optischer Qualität und inhaltlicher Amateurhaftigkeit erschreckend; in “Garden of Love” ist sie es immer noch.
Von der Erbärmlichkeit ausgeschlossen ist ausgerechnet Obergeist Bela B. Klar konnte er bei “Killer Barbys vs. Dracula” oder auch im “Tatort” schon mal üben, aber hauptberuflich ist er halt Musiker. Um so erstaunlicher ist sein Gespür für Selbstironie, womit er dem Film wider Erwarten Stil einflößt. Unterstützt von simplem, aber effektivem Make-Up und von seinen eigenen markanten Gesichtszügen gibt er nicht nur optisch eine gelungene Geistererscheinung zum Besten, auch sein Auftreten ist bemerkenswert. Die fröhliche Hippie-Rückblende - scheinbar durchzogen von einem fetten Halo und viel, viel Sonnenschein - nutzt Bela, um sich einen wunderbar unernsten Auftritt als Hippie-Gitarristo zu verschaffen. Ein Augenzwinkern fehlt niemals, und speziell seine Fernsehauftritte sind wahre Leckerbissen des schwarzen Humors, im Falle der Teleshopping-Parodie sogar medienkritisch. Dagegen kann der restliche Cast, zum großen Teil schon in “Beyond the Limits” vertreten, keine neuen Facetten gewinnen.
Was den Plot im Allgemeinen betrifft, ist man gerade im zweiten Teil bemüht, mit Twists um sich zu werfen. Glücklicherweise werden diese Twists nicht zum Zentrum des Films gemacht, denn dazu haben sie nicht die Qualität. Ein gewaltiges Problem Ittenbachs ist es leider immer noch, eine Idee strukturell auf abendfüllendes Format auszuweiten. Löste er dies im Vorgänger noch recht elegant mit zwei voneinander unabhängigen Erzählsträngen, so wird jener Halbzeitbruch nun leider auch hier in einer zusammenhängenden Geschichte deutlich. Auch daran wäre in Zukunft noch zu arbeiten.
Trotzdem ist “Garden of Love” der rein filmisch bis dahin atmosphärischste und beste Ittenbach. Das liegt zu einem nicht geringen Anteil am charismatischen Bela B., der mehr als alle anderen schwarzhumorig und selbstironisch auftritt. Der Regisseur ist darüber hinaus bemüht, den Dilettantismus durch verstärkte Konzentration auf die Story weitgehend zu verhindern und dennoch ein Projekt zu liefern, dem man die Freude an der Arbeit ansieht. Letzteres ist mal wieder gelungen, allerdings unter Inkaufnahme der Tatsache, dass ersteres nur minimiert, nicht jedoch vollkommen verhindert werden kann. Wer sich nicht an amateurhaften Dialogen und einer schon oftmals gesehenen Story stört, darf ruhigen Gewissens einen Blick wagen. Man darf gespannt sein auf “Chain Reaction”.
