Filmtagebuch: Wallnuss
Moderator: SFI
Bei mir hat del Toro nen Stein im Brett. Selbst die schwächeren Sachen, wozu ich "Cronos" und "Mimic" zähle, kann man immer noch gut schauen.
Jimmy Dix: "Du glaubst wohl nicht an die Liebe?" - Joe Hallenbeck: "Doch ich glaube an die Liebe. Ich glaube auch an Krebs." [Last Boy Scout]
Perry Van Shrike: "Look up 'idiot' in the dictionary. You know what you'll find?" - Harry Lockhart: "A picture of me?" - Perry Van Shrike: "No! The definition of the word idiot, cause that is what you fucking are!" [Kiss Kiss, Bang Bang]
Perry Van Shrike: "Look up 'idiot' in the dictionary. You know what you'll find?" - Harry Lockhart: "A picture of me?" - Perry Van Shrike: "No! The definition of the word idiot, cause that is what you fucking are!" [Kiss Kiss, Bang Bang]
Devils Backbone hatte ich ganz vergessen. Den fand ich nicht übel, hatte da aber auch mehr erwartet. Ansehen kann man sich die Filme immer, wie freeman eingangs erwähnte werden sie den Vorschusslorbeeren nicht gerecht. Die hohen Erwartungen konnte del Toro bei mir nie gerecht werden. Aus meiner Sicht hat der nie ein richtiges Highlight abgeliefert.
Kann die Argumentation nachvollziehen und habe bei genau den gleichen Filmen ähnliche Eindrücke, allerdings reicht es manchmal, einfach ein bisschen anders zu sein als die anderen. Darüber hinaus kann ich mir vorstellen, dass viele seiner Filme Zweitsichtungen benötigen. "The Devil's Backbone" hab ich seit DVD-Erstsichtung zB. nie wieder gesehen. Vielleicht bald mal wieder auf Blu-ray, Wicked hat den ja grad in sehr schickem Outfit angekündigt:
the Shape of Water
Ist aber bereits ausverkauft. ;)
Del Toro wurde darauf angesprochen und meinte dazu:
“I don’t think it’s an accurate representation. It’s some form of fan art… I guess.”
Es gibt inzwischen sogar ein Sex-Spielzeug dazuStS hat geschrieben:...ist ein guter Film - ohne Frage - den ich unterm Strich aber doch für etwas "überschätzt" halte.
Und hierzu...
...muss ich erneut einfach mal den Tweet von Jason Trost anführen:Wallnuss hat geschrieben:Show, don’t tell.
Let’s face it. If Guillermo Del Toro was truly a visionary director he would have shown fish dick.
Ist aber bereits ausverkauft. ;)
Del Toro wurde darauf angesprochen und meinte dazu:
“I don’t think it’s an accurate representation. It’s some form of fan art… I guess.”
Das etwas andere Fischstäbchen...
Jimmy Dix: "Du glaubst wohl nicht an die Liebe?" - Joe Hallenbeck: "Doch ich glaube an die Liebe. Ich glaube auch an Krebs." [Last Boy Scout]
Perry Van Shrike: "Look up 'idiot' in the dictionary. You know what you'll find?" - Harry Lockhart: "A picture of me?" - Perry Van Shrike: "No! The definition of the word idiot, cause that is what you fucking are!" [Kiss Kiss, Bang Bang]
Perry Van Shrike: "Look up 'idiot' in the dictionary. You know what you'll find?" - Harry Lockhart: "A picture of me?" - Perry Van Shrike: "No! The definition of the word idiot, cause that is what you fucking are!" [Kiss Kiss, Bang Bang]
Ihr Name ist Sparrow... Captain Red Sparrow!
Red Sparrow
Kaum einen Beruf hat die Filmgeschichte so romantisiert wie den des Geheimagenten. Als Sean Connery in den 60er Jahren als britischer Superspion James Bond die Kinoleinwände eroberte und damit den Cowboy als Prototypen des idealistischen maskulinen Archehelden ablöste, brach eine Welle von gigantomanischen Fantasy-Filmen über das Actionkino ein, in denen Geheimagenten die Spionage als hedonistisches Spiel zur Weltenrettung verstanden, bei dem im Vorbeigehen Gegner getötet und Frauen verführt wurden. Erst seit einigen Jahren beginnt das Bild des Agentenkinos sich zu wandeln - zu Gunsten der Frauen. 2018 stellt "Red Sparrow" einen weiteren Ableger der auf Agentinnen fokussierten Thriller dar, die nicht nur die Weiblichkeit ihrer Protagonistinnen, sondern auch das Business des Spions ernst nehmen. Die Romanadaption von Regisseur Francis Lawrence bietet eine unerwartet aktuelle Sichtweise, traut sich aber leider in entscheidenden Momenten nicht aus ihrer Haut.
Gemäß der literarischen Vorlage erzählt Lawrence eine Geschichte über den Zusammenhang von Sex und Spionage: Die Ex-Primaballerina Dominika lässt sich aus Liebe zu ihrer Familie von Mütterchen Russland in einer speziellen Einrichtung zur Profikillerin umschulen. Diese lange Ausbildung, die die erste Hälfte des Films dominiert, bleibt erstaunlich non-physisch. Keine Kampfszenen, kein Ausdauerparcour. Stattdessen zeigt die Regie einen psychologischen Kampf: Den Versuch der Ausbilder, aus den jungen Frauen und Männern gleichgeschaltete Maschinen zu machen, die keinerlei persönliche Bedürfnisse haben, denen sie nachgehen könnten. Immer wieder werden die angehenden Spioninnen sexuell erniedrigt, müssen Blowjobs "absolvieren" und lernen, die Bedürfnisse von Männern zu erkennen und zu manipulieren. Sex ist in ihrem Gewerbe ein Werkzeug, welches - richtig eingesetzt - berufliche Vorteile bringt. Erstaunlich ist, wie konsequent Lawrence dieses Thema umzusetzen weiß. Obwohl "Red Sparrow" eine große Studioproduktion ist, gibt es explizite Nacktszenen und derbe Gewaltdarstellungen. Selbst vor angedeuteten Vergewaltigungen, inzestuösen Beziehungen oder minutenlangen Foltersequenzen (in denen etwa ein Gefangener lebendig gehäutet wird) macht der Film keinen Halt. Bei diesen extremen Gewalteskalationen bleibt unterschwellig immer klar, dass der meist männliche Folterer in der Unterdrückung seiner meist weiblichen Opfer sexuelle Befriedigung findet. In der Welt, die "Red Sparrow" zeigt, ist jede einzelne Handlung durch Sex motiviert, außer Sex selbst. Der Sex ist in "Red Sparrow" durch Macht motiviert.
Diese drastische Destruktion etablierter Kinomythen sorgt für die raren Momente, in denen Lawrence und sein Film packen können, in denen das Zuschauen wahrlich unangenehm wird. Leider jedoch zeigt die Regie bei allem Mut zur Explizitheit deutlich weniger Eigenständigkeit bei der Plotentwicklung. Einerseits beweist das Drehbuch, mühelos mit Pulp-Elementen und Sexploitation-Bausteinen jonglieren zu können, andererseits baut sich der Plot aus den Versatzstücken des Genrekinos zusammen, welches "Red Sparrow" eigentlich demaskieren will. Die Charaktere erweisen sich schnell als eindimensionale Schachfiguren, die nur auf ihren Effekt statt auf Empathie hin konstruiert wurden, weshalb der mit 140 Minuten deutlich zu lang geratene Agententrip im Mittelteil kaum Handlungsentwicklungen erkennen lässt. Peinlich wird diese Rückständigkeit vor allem dann, wenn sämtliche russische Figuren von amerikanischen oder britischen Darstellern gespielt werden, und sich so gestandene Schauspieler wie Jennifer Lawrence, Ciaran Hinds oder Matthias Schoenaerts mit furchtbar falschen Fake-Akzenten behaupten müssen. Jeremy Irons, der als eiserner General in einer Nebenrolle arg verschenkt wird, scheint gleich ganz auf den Akzent zu verzichten. So fällt auf, dass sämtliche interessante Ergänzungen, um die Lawrence mit seinem Film das Genre bereichern möchte, an ihrer Formelhaftigkeit kranken. Die lange Ausbildung und Abstumpfung im "Whore House", wie Dominika die Einrichtung nennt, müsste der spannendste Teil des Films sein, leidet aber trotz des Settings stets daran, dass Charlotte Rampling als Ausbilderin mit ihrem stereotypen Charakter wie eine Reinkarnation von Lotte Lenya aus dem James-Bond-Klassiker "Liebesgrüße aus Moskau" anmutet.
Überhaupt fehlt dem Film im Kontext seines Erscheinungsjahres ein moderner Anstrich. Durchgehend atmet er die Atmosphäre eines John le Carré Romans und weckt vielfach Reflexionen an den Kalten Krieg. Das ist deshalb ein Problem, weil die so angedeuteten postmodernen metafilmischen Gedankengänge an ihrer eigenen Rückständigkeit ersticken. Im letzten Drittel, wenn kurze Actionsegmente und klassische Suspense-Szenen Einzug in die narrative Struktur nehmen, zieht Lawrence gar aus den Elementen seinen Reiz, welche er vorher noch kritisch neu zu denken gedachte. Die Konklusion, die auf eine kathartische Wirkung abzielt, verfehlt somit völlig ihr Ziel und führt angesichts der vorherigen bewusst voyeuristisch angelegten violenten Grafik und der Fetischisierung der Gewalt den Clou der Story unmotiviert ad absurdum. Das ist ob der handwerklichen Qualität des Films bedauerlich, der dank des ausgefeilten Produktionsdesigns von Maria Djurkovic und den hypnotisch-suggestiven Melodien aus dem Soundtrack von James Newton Howard mehr Atmosphäre atmet, als er sich verdient. Die feministische Position der Frau in einer Männerdomäne gefällt, wenngleich Dominika zu sehr in der Opferrolle verhaften bleibt und ihre erlernten Fähigkeiten meist genauso sehr eine Behauptung bleiben wie ihre angebliche Liebesaffäre mit dem von Joel Edgerton statisch verkörperten CIA-Agenten, der (typisch für 60er-Agentenfilme) als Amerikaner das moralische Zentrum im Figurenkosmos ist, während die Darstellung der russischen Regierung eher an schlimmste UdSSR-Dämonisierungen des westlichen Kinos denken lässt.
Fazit: "Your body belongs to the state" wird ihr beim Einzug in die "Whore School" beigebracht. Wenn Dominika bei ihren Einsätzen im Auftrag der Putin-Administrative die Beine breit macht, ist der Spionagethriller "Red Sparrow" aktueller, als seine Macher es je hätten beabsichtigen können. Wie die junge Frau, gespielt vom wohl größten weiblichen Hollywood-Star ihrer Zeit, Jennifer Lawrence, sich für ihre Karriere in einer Männerwelt wortwörtlich prostituieren muss, ruft angesichts jüngster Enthüllungen um Filmproduzent Harvey Weinstein und der in Folge geführten #metoo-Debatte grausige Assoziationen hervor. Von dieser fast zufälligen Qualität abgesehen verpasst Regisseur Francis Lawrence es, abseits von Grenzüberschreitungen überzeugende Akzente zu setzen. Stattdessen bleiben fade (Fake-)Akzente und platte Kalter-Kriegs-Klischees.
Kaum einen Beruf hat die Filmgeschichte so romantisiert wie den des Geheimagenten. Als Sean Connery in den 60er Jahren als britischer Superspion James Bond die Kinoleinwände eroberte und damit den Cowboy als Prototypen des idealistischen maskulinen Archehelden ablöste, brach eine Welle von gigantomanischen Fantasy-Filmen über das Actionkino ein, in denen Geheimagenten die Spionage als hedonistisches Spiel zur Weltenrettung verstanden, bei dem im Vorbeigehen Gegner getötet und Frauen verführt wurden. Erst seit einigen Jahren beginnt das Bild des Agentenkinos sich zu wandeln - zu Gunsten der Frauen. 2018 stellt "Red Sparrow" einen weiteren Ableger der auf Agentinnen fokussierten Thriller dar, die nicht nur die Weiblichkeit ihrer Protagonistinnen, sondern auch das Business des Spions ernst nehmen. Die Romanadaption von Regisseur Francis Lawrence bietet eine unerwartet aktuelle Sichtweise, traut sich aber leider in entscheidenden Momenten nicht aus ihrer Haut.
Gemäß der literarischen Vorlage erzählt Lawrence eine Geschichte über den Zusammenhang von Sex und Spionage: Die Ex-Primaballerina Dominika lässt sich aus Liebe zu ihrer Familie von Mütterchen Russland in einer speziellen Einrichtung zur Profikillerin umschulen. Diese lange Ausbildung, die die erste Hälfte des Films dominiert, bleibt erstaunlich non-physisch. Keine Kampfszenen, kein Ausdauerparcour. Stattdessen zeigt die Regie einen psychologischen Kampf: Den Versuch der Ausbilder, aus den jungen Frauen und Männern gleichgeschaltete Maschinen zu machen, die keinerlei persönliche Bedürfnisse haben, denen sie nachgehen könnten. Immer wieder werden die angehenden Spioninnen sexuell erniedrigt, müssen Blowjobs "absolvieren" und lernen, die Bedürfnisse von Männern zu erkennen und zu manipulieren. Sex ist in ihrem Gewerbe ein Werkzeug, welches - richtig eingesetzt - berufliche Vorteile bringt. Erstaunlich ist, wie konsequent Lawrence dieses Thema umzusetzen weiß. Obwohl "Red Sparrow" eine große Studioproduktion ist, gibt es explizite Nacktszenen und derbe Gewaltdarstellungen. Selbst vor angedeuteten Vergewaltigungen, inzestuösen Beziehungen oder minutenlangen Foltersequenzen (in denen etwa ein Gefangener lebendig gehäutet wird) macht der Film keinen Halt. Bei diesen extremen Gewalteskalationen bleibt unterschwellig immer klar, dass der meist männliche Folterer in der Unterdrückung seiner meist weiblichen Opfer sexuelle Befriedigung findet. In der Welt, die "Red Sparrow" zeigt, ist jede einzelne Handlung durch Sex motiviert, außer Sex selbst. Der Sex ist in "Red Sparrow" durch Macht motiviert.
Diese drastische Destruktion etablierter Kinomythen sorgt für die raren Momente, in denen Lawrence und sein Film packen können, in denen das Zuschauen wahrlich unangenehm wird. Leider jedoch zeigt die Regie bei allem Mut zur Explizitheit deutlich weniger Eigenständigkeit bei der Plotentwicklung. Einerseits beweist das Drehbuch, mühelos mit Pulp-Elementen und Sexploitation-Bausteinen jonglieren zu können, andererseits baut sich der Plot aus den Versatzstücken des Genrekinos zusammen, welches "Red Sparrow" eigentlich demaskieren will. Die Charaktere erweisen sich schnell als eindimensionale Schachfiguren, die nur auf ihren Effekt statt auf Empathie hin konstruiert wurden, weshalb der mit 140 Minuten deutlich zu lang geratene Agententrip im Mittelteil kaum Handlungsentwicklungen erkennen lässt. Peinlich wird diese Rückständigkeit vor allem dann, wenn sämtliche russische Figuren von amerikanischen oder britischen Darstellern gespielt werden, und sich so gestandene Schauspieler wie Jennifer Lawrence, Ciaran Hinds oder Matthias Schoenaerts mit furchtbar falschen Fake-Akzenten behaupten müssen. Jeremy Irons, der als eiserner General in einer Nebenrolle arg verschenkt wird, scheint gleich ganz auf den Akzent zu verzichten. So fällt auf, dass sämtliche interessante Ergänzungen, um die Lawrence mit seinem Film das Genre bereichern möchte, an ihrer Formelhaftigkeit kranken. Die lange Ausbildung und Abstumpfung im "Whore House", wie Dominika die Einrichtung nennt, müsste der spannendste Teil des Films sein, leidet aber trotz des Settings stets daran, dass Charlotte Rampling als Ausbilderin mit ihrem stereotypen Charakter wie eine Reinkarnation von Lotte Lenya aus dem James-Bond-Klassiker "Liebesgrüße aus Moskau" anmutet.
Überhaupt fehlt dem Film im Kontext seines Erscheinungsjahres ein moderner Anstrich. Durchgehend atmet er die Atmosphäre eines John le Carré Romans und weckt vielfach Reflexionen an den Kalten Krieg. Das ist deshalb ein Problem, weil die so angedeuteten postmodernen metafilmischen Gedankengänge an ihrer eigenen Rückständigkeit ersticken. Im letzten Drittel, wenn kurze Actionsegmente und klassische Suspense-Szenen Einzug in die narrative Struktur nehmen, zieht Lawrence gar aus den Elementen seinen Reiz, welche er vorher noch kritisch neu zu denken gedachte. Die Konklusion, die auf eine kathartische Wirkung abzielt, verfehlt somit völlig ihr Ziel und führt angesichts der vorherigen bewusst voyeuristisch angelegten violenten Grafik und der Fetischisierung der Gewalt den Clou der Story unmotiviert ad absurdum. Das ist ob der handwerklichen Qualität des Films bedauerlich, der dank des ausgefeilten Produktionsdesigns von Maria Djurkovic und den hypnotisch-suggestiven Melodien aus dem Soundtrack von James Newton Howard mehr Atmosphäre atmet, als er sich verdient. Die feministische Position der Frau in einer Männerdomäne gefällt, wenngleich Dominika zu sehr in der Opferrolle verhaften bleibt und ihre erlernten Fähigkeiten meist genauso sehr eine Behauptung bleiben wie ihre angebliche Liebesaffäre mit dem von Joel Edgerton statisch verkörperten CIA-Agenten, der (typisch für 60er-Agentenfilme) als Amerikaner das moralische Zentrum im Figurenkosmos ist, während die Darstellung der russischen Regierung eher an schlimmste UdSSR-Dämonisierungen des westlichen Kinos denken lässt.
Fazit: "Your body belongs to the state" wird ihr beim Einzug in die "Whore School" beigebracht. Wenn Dominika bei ihren Einsätzen im Auftrag der Putin-Administrative die Beine breit macht, ist der Spionagethriller "Red Sparrow" aktueller, als seine Macher es je hätten beabsichtigen können. Wie die junge Frau, gespielt vom wohl größten weiblichen Hollywood-Star ihrer Zeit, Jennifer Lawrence, sich für ihre Karriere in einer Männerwelt wortwörtlich prostituieren muss, ruft angesichts jüngster Enthüllungen um Filmproduzent Harvey Weinstein und der in Folge geführten #metoo-Debatte grausige Assoziationen hervor. Von dieser fast zufälligen Qualität abgesehen verpasst Regisseur Francis Lawrence es, abseits von Grenzüberschreitungen überzeugende Akzente zu setzen. Stattdessen bleiben fade (Fake-)Akzente und platte Kalter-Kriegs-Klischees.
Der Pathos der Jugend: Flieg zu den Sternen, Lady Bird!
Lady Bird
In einem Interview zu ihrem Regiedebüt "Lady Bird" erklärte Greta Gerwig, sie hätte am liebsten einen Film nur aus Nahaufnahmen des Gesichts ihrer Hauptdarstellerin Saoirse Ronan gedreht. In der Tat: Die Identifikation zwischen der Regisseurin und der von ihr entworfenen Titelrolle ist hoch. So wie die 17-jährige Christine, die lieber Lady Bird genannt werden möchte, und sich aus ihrer katholischen Highschool in Sacramento in das kulturelle Leben in der Megametropole New York träumt, stammt auch die in New York lebende Gerwig eigentlich aus Sacramento. Hierin könnte bereits die Quintessenz ihres Films verborgen liegen, denn während "Lady Bird" oberflächlich betrachtet nur die üblichen Versatzstücke und Etappen des Adoleszenz-Kinos aufgreift und variiert, liegt ihm doch eine komplexe Emotionalität zu Grunde. So wird Gerwigs Film zu einem wunderbaren Lehrstück über die Errungenschaften und Sackgassen des Erwachsenwerdens.
Es ist kein Zufall, dass die Geschichte der anarchistisch angehauchten Teenagerin in das Jahr 2002 verlegt wurde. Der große Traum von New York, der Stadt die niemals schläft, den Christine träumt, wirkt für ihr Umfeld angesichts jüngster Ereignisse umso befremdlicher. Immer wieder streut die Regie subtil die perfiden Auswirkungen der Terroranschläge von 9/11 auf eine frisch traumatisierte Gesellschaft ein und zeichnet damit einen Kontrast zur unschuldigen Denkweise ihrer Protagonistin. Von solchen, fast schon autobiografisch veranlagten Intertextualitäten ist "Lady Bird" durchdrungen. Während Christine bekundet, von Sacramento angeödet zu sein, und lieber etwas erleben zu wollen, liegt in den traumhaft schön inszenierten Aufnahmen von Land und Leute eine deutliche Nostalgie der Regisseurin verborgen. Aus diesem Konflikt zwischen Christine und ihrem Umfeld und sogar zwischen Christine und dem Film, in dem sie sich befindet, entwickelt Gerwig eine 94 minütige lange Montage, die über den Zeitraum von einem Jahr Lady Birds größten Wunsch erfüllt: Sie erlebt etwas. Sowohl künstlerisch als auch sexuell wird sie sich entwickeln. Sie spielt in der Theater-AG, nabelt sich von der beschützenden Mutter ab und macht ihre Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht. "Lady Bird" sucht diese klassischen "Coming-of-Age"-Momente mit fast ikonografischer Ehrfurcht. Zwei verliebte Gesichter, die sich langsam zum ersten Kuss aufeinander zu bewegen, das erste Kiffen, welches in kindischem Heißhunger endet, der erste Trennungsschmerz, der eine innere Leere hinterlässt und das erste Mal, welches naturgemäß eine Enttäuschung wird.
Ronan spielt all diese markanten Momente des Reifeprozesses mit entwaffnender Ehrlichkeit und offensiver Sympathie. Ihre Leistung ist vor allem deshalb grandios, weil ihre Lady Bird mehr ist als nur eine Projektionsfläche für Jugendliche. In den überaus pointierten Dialogen entwickelt sie sich zu einer dreidimensionalen Persönlichkeit, deren Umwelt so bestechend geschickt charakterisiert wird, dass sich "Lady Bird" einer klassischen Dramaturgie verweigert. Das filmisch führende Element einer Erzählung tritt in den Hintergrund und wird zur Melange aus Momentaufnahmen, deren einzig erkennbar "inszenierende" Eigenschaft die oft schnell wechselnde Tonalität ist. Hier liegt Gerwigs große Kunst: Statt sich mit Modernisierungen des Coming-of-Age-Films zu begnügen, geht sie in den spielerischen Diskurs mit ihren Stilmitteln. Den passenden Popsong zur passenden Szene spielt auch sie, doch als er seinen süßlichen Höhepunkt erreicht, bricht sie ihn urplötzlich ab und wechselt zu einer tragikomischen Szenerie. Den tragischen familiären Hintergrund hat erwartungsgemäß auch Christines Familie, doch ausgesprochen wird er stets nur kurz. Beinahe hyperrealistisch haben die Charaktere hier nicht das Bedürfnis, dem Zuschauer ihre Hintergründe erklären zu müssen. Fast beiläufig erfährt Christine von ihrer Mutter: "My mother was an abusive alcoholic". Ein irrer Drehbucheinfall: Beinahe die ganze Charaktermotivation der von Laurie Metcalf absolut brillant verkörperten Mutter liegen in diesem einen Statement, doch kaum ist es ausgesprochen, endet die Szene wieder und lässt Spielraum für Eigeninterpretation.
Mit dieser sprunghaften, willkürlich scheinenden Vorauswahl verschiedenster Szenarien versteht sich der Film selbst als Erinnerung daran, wie nahe Verletzlichkeit und Ausgelassenheit in der Jugend beieinander liegen können. Kein Wunder also, dass auch die anderen Charaktere nicht zu Stereotypen verkommen, die um Christine kreisen, sondern ein heterogenes Eigenleben entwickeln. Ihre zwei Jugendbeziehungen bekommen von den Schwergewichten Lucas Hedges und Timothée Chalamet effektiv Tiefe verliehen, wie auch ihre beste Freundin von Beanie Feldstein demonstrativ gegen die Sehgewohnheiten agiert. Dennoch bezieht "Lady Bird" die ganz großen Gefühle aus der faszinierend-wechselhaften Beziehung zwischen Mutter und Tochter, wobei Ronan und Metcalf einen bärenstarken Job leisten, die richtigen Zwischentöne zu finden. Das alles ist clever geschrieben, gefühlvoll gespielt und gerne auch richtig witzig. Wenn die beliebteste Schülerin der Klasse die uncoolen Kids natürlich nicht einmal mit Namen kennt, ist das ein Klischee, sorgt aber für das richtige Maß an Auflockerung. Visuell zeichnet sich besonders das letzte Drittel durch eine unglaubliche Wärme aus, die das Potenzial hat, bei mehrmaliger Sichtung des Films feine Nuancen erkennbar zu machen, die beim ersten Filmgenuss verborgen bleiben. Hier muss auch eine Warnung ausgesprochen werden: "Lady Bird" ist definitiv einer der Filme, die man immer wieder sehen will, weil sie in einem den Wunsch wecken, mit den Figuren des Films befreundet zu sein. Und selbst, wenn es nur dazu dienen würde zu erfahren, wie es nach dem Einsetzen des Abspanns in ihrem Leben weiter geht.
Fazit: Autorenfilmerin Greta Gerwig weiß schon in ihrem Debüt eine stilsichere, scharfsinnige Eigennote in ein festgefahrenes Genre zu bringen. Viele Szenen, viele Situationen lässt sie dabei so schmerzhaft real werden, zeigt den Selbstfindungsprozess der Jugend so existentialistisch und radikal entromantisiert, dass ständig die Frage im Raum steht, wie vieles hier ihren eigenen Erfahrungen entsprechen könnte. Folgerichtig schließt "Lady Bird" die Betrachtung eines Jahres im Leben der heranwachsenden Christine mit dem Erreichen der Volljährigkeit - nicht ohne zu verschweigen, dass das wahre Erwachsenwerden in vielen Dingen noch vor ihr liegt.
In einem Interview zu ihrem Regiedebüt "Lady Bird" erklärte Greta Gerwig, sie hätte am liebsten einen Film nur aus Nahaufnahmen des Gesichts ihrer Hauptdarstellerin Saoirse Ronan gedreht. In der Tat: Die Identifikation zwischen der Regisseurin und der von ihr entworfenen Titelrolle ist hoch. So wie die 17-jährige Christine, die lieber Lady Bird genannt werden möchte, und sich aus ihrer katholischen Highschool in Sacramento in das kulturelle Leben in der Megametropole New York träumt, stammt auch die in New York lebende Gerwig eigentlich aus Sacramento. Hierin könnte bereits die Quintessenz ihres Films verborgen liegen, denn während "Lady Bird" oberflächlich betrachtet nur die üblichen Versatzstücke und Etappen des Adoleszenz-Kinos aufgreift und variiert, liegt ihm doch eine komplexe Emotionalität zu Grunde. So wird Gerwigs Film zu einem wunderbaren Lehrstück über die Errungenschaften und Sackgassen des Erwachsenwerdens.
Es ist kein Zufall, dass die Geschichte der anarchistisch angehauchten Teenagerin in das Jahr 2002 verlegt wurde. Der große Traum von New York, der Stadt die niemals schläft, den Christine träumt, wirkt für ihr Umfeld angesichts jüngster Ereignisse umso befremdlicher. Immer wieder streut die Regie subtil die perfiden Auswirkungen der Terroranschläge von 9/11 auf eine frisch traumatisierte Gesellschaft ein und zeichnet damit einen Kontrast zur unschuldigen Denkweise ihrer Protagonistin. Von solchen, fast schon autobiografisch veranlagten Intertextualitäten ist "Lady Bird" durchdrungen. Während Christine bekundet, von Sacramento angeödet zu sein, und lieber etwas erleben zu wollen, liegt in den traumhaft schön inszenierten Aufnahmen von Land und Leute eine deutliche Nostalgie der Regisseurin verborgen. Aus diesem Konflikt zwischen Christine und ihrem Umfeld und sogar zwischen Christine und dem Film, in dem sie sich befindet, entwickelt Gerwig eine 94 minütige lange Montage, die über den Zeitraum von einem Jahr Lady Birds größten Wunsch erfüllt: Sie erlebt etwas. Sowohl künstlerisch als auch sexuell wird sie sich entwickeln. Sie spielt in der Theater-AG, nabelt sich von der beschützenden Mutter ab und macht ihre Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht. "Lady Bird" sucht diese klassischen "Coming-of-Age"-Momente mit fast ikonografischer Ehrfurcht. Zwei verliebte Gesichter, die sich langsam zum ersten Kuss aufeinander zu bewegen, das erste Kiffen, welches in kindischem Heißhunger endet, der erste Trennungsschmerz, der eine innere Leere hinterlässt und das erste Mal, welches naturgemäß eine Enttäuschung wird.
Ronan spielt all diese markanten Momente des Reifeprozesses mit entwaffnender Ehrlichkeit und offensiver Sympathie. Ihre Leistung ist vor allem deshalb grandios, weil ihre Lady Bird mehr ist als nur eine Projektionsfläche für Jugendliche. In den überaus pointierten Dialogen entwickelt sie sich zu einer dreidimensionalen Persönlichkeit, deren Umwelt so bestechend geschickt charakterisiert wird, dass sich "Lady Bird" einer klassischen Dramaturgie verweigert. Das filmisch führende Element einer Erzählung tritt in den Hintergrund und wird zur Melange aus Momentaufnahmen, deren einzig erkennbar "inszenierende" Eigenschaft die oft schnell wechselnde Tonalität ist. Hier liegt Gerwigs große Kunst: Statt sich mit Modernisierungen des Coming-of-Age-Films zu begnügen, geht sie in den spielerischen Diskurs mit ihren Stilmitteln. Den passenden Popsong zur passenden Szene spielt auch sie, doch als er seinen süßlichen Höhepunkt erreicht, bricht sie ihn urplötzlich ab und wechselt zu einer tragikomischen Szenerie. Den tragischen familiären Hintergrund hat erwartungsgemäß auch Christines Familie, doch ausgesprochen wird er stets nur kurz. Beinahe hyperrealistisch haben die Charaktere hier nicht das Bedürfnis, dem Zuschauer ihre Hintergründe erklären zu müssen. Fast beiläufig erfährt Christine von ihrer Mutter: "My mother was an abusive alcoholic". Ein irrer Drehbucheinfall: Beinahe die ganze Charaktermotivation der von Laurie Metcalf absolut brillant verkörperten Mutter liegen in diesem einen Statement, doch kaum ist es ausgesprochen, endet die Szene wieder und lässt Spielraum für Eigeninterpretation.
Mit dieser sprunghaften, willkürlich scheinenden Vorauswahl verschiedenster Szenarien versteht sich der Film selbst als Erinnerung daran, wie nahe Verletzlichkeit und Ausgelassenheit in der Jugend beieinander liegen können. Kein Wunder also, dass auch die anderen Charaktere nicht zu Stereotypen verkommen, die um Christine kreisen, sondern ein heterogenes Eigenleben entwickeln. Ihre zwei Jugendbeziehungen bekommen von den Schwergewichten Lucas Hedges und Timothée Chalamet effektiv Tiefe verliehen, wie auch ihre beste Freundin von Beanie Feldstein demonstrativ gegen die Sehgewohnheiten agiert. Dennoch bezieht "Lady Bird" die ganz großen Gefühle aus der faszinierend-wechselhaften Beziehung zwischen Mutter und Tochter, wobei Ronan und Metcalf einen bärenstarken Job leisten, die richtigen Zwischentöne zu finden. Das alles ist clever geschrieben, gefühlvoll gespielt und gerne auch richtig witzig. Wenn die beliebteste Schülerin der Klasse die uncoolen Kids natürlich nicht einmal mit Namen kennt, ist das ein Klischee, sorgt aber für das richtige Maß an Auflockerung. Visuell zeichnet sich besonders das letzte Drittel durch eine unglaubliche Wärme aus, die das Potenzial hat, bei mehrmaliger Sichtung des Films feine Nuancen erkennbar zu machen, die beim ersten Filmgenuss verborgen bleiben. Hier muss auch eine Warnung ausgesprochen werden: "Lady Bird" ist definitiv einer der Filme, die man immer wieder sehen will, weil sie in einem den Wunsch wecken, mit den Figuren des Films befreundet zu sein. Und selbst, wenn es nur dazu dienen würde zu erfahren, wie es nach dem Einsetzen des Abspanns in ihrem Leben weiter geht.
Fazit: Autorenfilmerin Greta Gerwig weiß schon in ihrem Debüt eine stilsichere, scharfsinnige Eigennote in ein festgefahrenes Genre zu bringen. Viele Szenen, viele Situationen lässt sie dabei so schmerzhaft real werden, zeigt den Selbstfindungsprozess der Jugend so existentialistisch und radikal entromantisiert, dass ständig die Frage im Raum steht, wie vieles hier ihren eigenen Erfahrungen entsprechen könnte. Folgerichtig schließt "Lady Bird" die Betrachtung eines Jahres im Leben der heranwachsenden Christine mit dem Erreichen der Volljährigkeit - nicht ohne zu verschweigen, dass das wahre Erwachsenwerden in vielen Dingen noch vor ihr liegt.
Bei dem hab ich ne knappe 9/10 gezückt.
Eine gelungene Szene reiht sich da an die nächste und erschafft im Ganzen einen wohligen, runden Gesamteindruck.
Schöner Film mit einer feinen Miss Ronan, der man sowohl das Alter als auch die Amerikanerin anstandslos abnimmt.
Bin gespannt darauf, wie es mit Gerwig als Regisseurin weiter geht.
Und dass Ronan irgendwann schon noch ihren Oscar erhalten wird, ist für mich ne sichere Sache...
Eine gelungene Szene reiht sich da an die nächste und erschafft im Ganzen einen wohligen, runden Gesamteindruck.
Schöner Film mit einer feinen Miss Ronan, der man sowohl das Alter als auch die Amerikanerin anstandslos abnimmt.
Bin gespannt darauf, wie es mit Gerwig als Regisseurin weiter geht.
Und dass Ronan irgendwann schon noch ihren Oscar erhalten wird, ist für mich ne sichere Sache...
Must be funny in a rich man's world
Alles Geld der Welt
Schon vor Kinostart galt der 2017er Biopic-Kinobeitrag "Alles Geld der Welt" von Regie-Legende Ridley Scott als Skandalfilm. Mit seiner Geschichte hatte das jedoch nichts zu tun. Die Nacherzählung des Entführungsfalls rund um John Paul Getty III. im Jahre 1973, dessen Opa (der damals reichste Mensch der Welt) sich weigerte, die - für ihn - läppische Summe von 17 Millionen Dollar Lösegeld zu zahlen, ist über 40 Jahre später ein typischer Hollywood-Stoff. Der Skandal spielte sich hinter der Kamera ab: Als sich Ende Oktober 2017 Oscar-Preisträger Kevin Spacey Vorwürfen um sexuellen Missbrauch ausgesetzt sah, entschied sich Scott für einen radikalen Schritt. Spacey, der im fertigen Film den Milliardär John Paul Getty spielte, wurde komplett aus dem Werk entfernt und alle seine Szenen in wenigen Wochen mit dem Darsteller Christopher Plummer neugedreht. Ein in den Medien viel diskutierter Entschluss. Der Film geriet da in zahlreichen Besprechungen fast schon in den Hintergrund. Ob das daran liegt, dass er für eine tiefere Auseinandersetzung zu wenig zu bieten hat?
Tatsächlich ist der Parforceritt, den der 80-jährige Ridley Scott und der 88-jährige Christopher Plummer auf sich nahmen, um in nur 9 Tagen alle Szenen mit der ursprünglichen Besetzung Kevin Spacey neuzudrehen, eine logistische Meisterleistung, die jeden Respekt verdient. Das größte Lob, dass man "Alles Geld der Welt" wohl machen kann, ist, dass sich diese hastige Produktionsweise auf den fertigen Film nicht niederschlägt. Wie aus einem Guss erzählt Scott den Entführungsfall Getty auf drei Ebenen, als die in den Medien geführte Schlammschlacht zwischen Opa Getty und seiner Schwiegertochter, als persönlichen Kampf der Ermittler um das Leben des Jungen und als Geiseldrama aus der Sicht des eigentlichen Opfers. Dabei basiert seine Rekonstruktion der Ereignisse weniger auf der dokumentierten Wirklichkeit, als viel mehr auf dem Roman "Painfully Rich: The Outrageous Fortunes and Misfortunes of the Heirs of J. Paul Getty" von Autor John Pearson, der den wahren Ereignissen fiktionale Elemente beimengte, um ein finsteres Bild einer korrupierten Familiendynastie dramaturgisch zu verdichten. Jene erfundenen zusätzlichen Charaktere und Ereignisse übernimmt auch Scott, und es versteht sich von selbst, dass der Altmeister kompetent und handwerklich einwandfrei die Suspense-Elemente des Stoffes umzusetzen weiß und den 133 Minuten langen Thriller mit sicherer Hand auf seine Höhepunkte zusteuert.
In seinen besten Momenten funktioniert der Mix aus Charakterdrama und Entführungsthriller vorzüglich. Scott filmt einen Polizeieinsatz in hohem Gras als Lehrstück für intelligenten Spannungsaufbau oder weiß eine Verstümmelungssequenz mit einfachsten Kniffen (ohne viel drastische Gewalt zu zeigen) für den Zuschauer unerträglich werden zu lassen. Die gesetzten Regie-Akzente fügen sich homogen in eine pessimistische Fabel über kapitalistische Gier ein, die in der Person John Paul Getty ihre gigantomanische Entsprechung findet. Plummer spielt diesen Ölmagnaten als eine hässliche Orson Welles Karikatur und weiß in seinen besten Momenten der verbittert, entrückten Gestalt des alten Getty eine interessante Ambivalenz zu verleihen, die ihm das Drehbuch allerdings nicht gewährt. Allzu plakativ wird dieser zum fleischgewordenen Dagobert-Duck-Verschnitt degradiert, der kalkuliert und narzisstisch sein Imperium aufrecht erhält. Besser erwischt es da Michelle Williams und Charlie Plummer, die beide als verzweifelte Mutter oder entführter Teenager genügend emotionales Fundament mit sich herum tragen, um Empathie zu wecken, während Mark Wahlberg als Ex-CIA-Agent im Auftrag der Gettys nicht nur farblos spielt, sondern auch als Figur wenig markant bleibt. In zu vielen Szenen ist gerade seine Rolle zu passiv angelegt und führt den Fokus zu oft vom interessanten Familienkonflikt weg.
So ganz mag es Scott nicht gelingen, die richtige Balance zu finden. Das spannende Zerwürfnis innerhalb der Milliardärsfamilie weiß zu fesseln, muss sich aber stets durch den generischen und faden Entführungsplot unterbrechen lassen, der zu klischeehaft verläuft und daher auch durch die fiktionalen Zuspitzungen kaum interessanter wird. Immerhin versteht Scott es in fast altmodischem Stilbewusstsein, sich nicht hetzen zu lassen. Das Erzähltempo pendelt mit ausreichender Ruhe und verliert sich nie in Hektik, hat damit auch Zeit für ein paar intelligent eingeflochtene Subtexte (etwa, als in einer idyllischen Familienszene der Song "Time of the Seasons" der Band The Zombies bereits auf das spätere Schicksal des Familienoberhaupts verweist). Insgesamt ist der Suspense in "Alles Geld der Welt" aber zu oft zu suggestiv akzentuiert, es fehlt an Variationen zwischen plakativen und spekulativen Szenen. Der Soundtrack von Daniel Plemberton spiegelt das interessant wieder: Meist verzichten die Stücke auf klare Melodien, und vermeiden tunlichst jede Form von Melodram. Scott sucht eine andere Ästhetik, die das dolce vita der Superreichen wiedergibt. Trockenheite, Entmenschlichung und berechnende Härte dominieren seine Farbgebung, seinen Erzählfluss, seinen Soundtrack - und das Oberhaupt der Getty-Familie. Die Opernhaftigkeit seiner Inszenierung ist Scott hier oft wichtiger als seine Figuren, erst ganz zum Schluss findet er die richtigen Bilder, die im Ansatz zeigen, dass "Alles Geld der Welt" ein anderer Film hätte werden müssen, der etwas über Reichtum und seine Auswirkungen auf den Menschen erzählt. Hier bleibt John Paul Getty nur ein wunderlicher Zeitgenosse, über den sich der Zuschauer empören darf, ohne seine eigene Moral ausloten zu müssen.
Fazit: Mit der richtigen Konsequenz und Stringenz hätte "Alles Geld der Welt" das Zeug gehabt, in einer Zeit der Wegwerf- und Konsumkultur die Zusammenhänge von Geld und Macht bissig zu visualisieren. Doch das Drehbuch des Autoren David Scarpa bleibt zu wage und verquast, Scotts Regie zu sehr an der vordergründigen Ästhetik der Aufnahmen interessiert. Für einen spannenden Thriller reicht das allemal, und Scott ist zu lange im Filmgeschäft, um nicht zumindest den Genre-Standard mit Leichtigkeit zu erfüllen. Die gewünschte Tiefe liegt hier aber höchstens im Spiel von Michelle Williams verborgen, die mit einer subtil-nuancierten Performance das Ruder in den Händen hält. Kurios in diesem Zusammenhang die Enthüllung, dass sie für die Nachdrehs nur eine lächerlich winzige Gage erhielt, während ihr Co-Star Mark Wahlberg fürstlich entlohnt wurde. Ein bitterer Beigeschmack bei einem Film, der sich anschickt, rücksichtslose Profitgier zu dämonisieren.
Schon vor Kinostart galt der 2017er Biopic-Kinobeitrag "Alles Geld der Welt" von Regie-Legende Ridley Scott als Skandalfilm. Mit seiner Geschichte hatte das jedoch nichts zu tun. Die Nacherzählung des Entführungsfalls rund um John Paul Getty III. im Jahre 1973, dessen Opa (der damals reichste Mensch der Welt) sich weigerte, die - für ihn - läppische Summe von 17 Millionen Dollar Lösegeld zu zahlen, ist über 40 Jahre später ein typischer Hollywood-Stoff. Der Skandal spielte sich hinter der Kamera ab: Als sich Ende Oktober 2017 Oscar-Preisträger Kevin Spacey Vorwürfen um sexuellen Missbrauch ausgesetzt sah, entschied sich Scott für einen radikalen Schritt. Spacey, der im fertigen Film den Milliardär John Paul Getty spielte, wurde komplett aus dem Werk entfernt und alle seine Szenen in wenigen Wochen mit dem Darsteller Christopher Plummer neugedreht. Ein in den Medien viel diskutierter Entschluss. Der Film geriet da in zahlreichen Besprechungen fast schon in den Hintergrund. Ob das daran liegt, dass er für eine tiefere Auseinandersetzung zu wenig zu bieten hat?
Tatsächlich ist der Parforceritt, den der 80-jährige Ridley Scott und der 88-jährige Christopher Plummer auf sich nahmen, um in nur 9 Tagen alle Szenen mit der ursprünglichen Besetzung Kevin Spacey neuzudrehen, eine logistische Meisterleistung, die jeden Respekt verdient. Das größte Lob, dass man "Alles Geld der Welt" wohl machen kann, ist, dass sich diese hastige Produktionsweise auf den fertigen Film nicht niederschlägt. Wie aus einem Guss erzählt Scott den Entführungsfall Getty auf drei Ebenen, als die in den Medien geführte Schlammschlacht zwischen Opa Getty und seiner Schwiegertochter, als persönlichen Kampf der Ermittler um das Leben des Jungen und als Geiseldrama aus der Sicht des eigentlichen Opfers. Dabei basiert seine Rekonstruktion der Ereignisse weniger auf der dokumentierten Wirklichkeit, als viel mehr auf dem Roman "Painfully Rich: The Outrageous Fortunes and Misfortunes of the Heirs of J. Paul Getty" von Autor John Pearson, der den wahren Ereignissen fiktionale Elemente beimengte, um ein finsteres Bild einer korrupierten Familiendynastie dramaturgisch zu verdichten. Jene erfundenen zusätzlichen Charaktere und Ereignisse übernimmt auch Scott, und es versteht sich von selbst, dass der Altmeister kompetent und handwerklich einwandfrei die Suspense-Elemente des Stoffes umzusetzen weiß und den 133 Minuten langen Thriller mit sicherer Hand auf seine Höhepunkte zusteuert.
In seinen besten Momenten funktioniert der Mix aus Charakterdrama und Entführungsthriller vorzüglich. Scott filmt einen Polizeieinsatz in hohem Gras als Lehrstück für intelligenten Spannungsaufbau oder weiß eine Verstümmelungssequenz mit einfachsten Kniffen (ohne viel drastische Gewalt zu zeigen) für den Zuschauer unerträglich werden zu lassen. Die gesetzten Regie-Akzente fügen sich homogen in eine pessimistische Fabel über kapitalistische Gier ein, die in der Person John Paul Getty ihre gigantomanische Entsprechung findet. Plummer spielt diesen Ölmagnaten als eine hässliche Orson Welles Karikatur und weiß in seinen besten Momenten der verbittert, entrückten Gestalt des alten Getty eine interessante Ambivalenz zu verleihen, die ihm das Drehbuch allerdings nicht gewährt. Allzu plakativ wird dieser zum fleischgewordenen Dagobert-Duck-Verschnitt degradiert, der kalkuliert und narzisstisch sein Imperium aufrecht erhält. Besser erwischt es da Michelle Williams und Charlie Plummer, die beide als verzweifelte Mutter oder entführter Teenager genügend emotionales Fundament mit sich herum tragen, um Empathie zu wecken, während Mark Wahlberg als Ex-CIA-Agent im Auftrag der Gettys nicht nur farblos spielt, sondern auch als Figur wenig markant bleibt. In zu vielen Szenen ist gerade seine Rolle zu passiv angelegt und führt den Fokus zu oft vom interessanten Familienkonflikt weg.
So ganz mag es Scott nicht gelingen, die richtige Balance zu finden. Das spannende Zerwürfnis innerhalb der Milliardärsfamilie weiß zu fesseln, muss sich aber stets durch den generischen und faden Entführungsplot unterbrechen lassen, der zu klischeehaft verläuft und daher auch durch die fiktionalen Zuspitzungen kaum interessanter wird. Immerhin versteht Scott es in fast altmodischem Stilbewusstsein, sich nicht hetzen zu lassen. Das Erzähltempo pendelt mit ausreichender Ruhe und verliert sich nie in Hektik, hat damit auch Zeit für ein paar intelligent eingeflochtene Subtexte (etwa, als in einer idyllischen Familienszene der Song "Time of the Seasons" der Band The Zombies bereits auf das spätere Schicksal des Familienoberhaupts verweist). Insgesamt ist der Suspense in "Alles Geld der Welt" aber zu oft zu suggestiv akzentuiert, es fehlt an Variationen zwischen plakativen und spekulativen Szenen. Der Soundtrack von Daniel Plemberton spiegelt das interessant wieder: Meist verzichten die Stücke auf klare Melodien, und vermeiden tunlichst jede Form von Melodram. Scott sucht eine andere Ästhetik, die das dolce vita der Superreichen wiedergibt. Trockenheite, Entmenschlichung und berechnende Härte dominieren seine Farbgebung, seinen Erzählfluss, seinen Soundtrack - und das Oberhaupt der Getty-Familie. Die Opernhaftigkeit seiner Inszenierung ist Scott hier oft wichtiger als seine Figuren, erst ganz zum Schluss findet er die richtigen Bilder, die im Ansatz zeigen, dass "Alles Geld der Welt" ein anderer Film hätte werden müssen, der etwas über Reichtum und seine Auswirkungen auf den Menschen erzählt. Hier bleibt John Paul Getty nur ein wunderlicher Zeitgenosse, über den sich der Zuschauer empören darf, ohne seine eigene Moral ausloten zu müssen.
Fazit: Mit der richtigen Konsequenz und Stringenz hätte "Alles Geld der Welt" das Zeug gehabt, in einer Zeit der Wegwerf- und Konsumkultur die Zusammenhänge von Geld und Macht bissig zu visualisieren. Doch das Drehbuch des Autoren David Scarpa bleibt zu wage und verquast, Scotts Regie zu sehr an der vordergründigen Ästhetik der Aufnahmen interessiert. Für einen spannenden Thriller reicht das allemal, und Scott ist zu lange im Filmgeschäft, um nicht zumindest den Genre-Standard mit Leichtigkeit zu erfüllen. Die gewünschte Tiefe liegt hier aber höchstens im Spiel von Michelle Williams verborgen, die mit einer subtil-nuancierten Performance das Ruder in den Händen hält. Kurios in diesem Zusammenhang die Enthüllung, dass sie für die Nachdrehs nur eine lächerlich winzige Gage erhielt, während ihr Co-Star Mark Wahlberg fürstlich entlohnt wurde. Ein bitterer Beigeschmack bei einem Film, der sich anschickt, rücksichtslose Profitgier zu dämonisieren.
Destinys Child als Hymne der Lara Croft: She's a survivor!
Tomb Raider
Es ist noch gar nicht solange her, da waren Frauen in großen Actionfilmen primär auf den vom maskulinen Helden zu rettenden Blickfang reduziert. Begriffe wie "Damsel In Distress" oder gar "Bond-Girl" sind jedem Mann bekannt. Doch im 21. Jahrhundert verschiebt sich der Trend zunehmend. Nicht nur im Bereich der Comicverfilmungen wird vermehrt auf weibliche Superheldinnen gesetzt, auch andere Filme bemühen sich um starke weibliche Hauptfiguren, die sowohl hart und brutal als auch verletzlich und feminin sein dürfen. Kaum an einer anderen Rolle lässt sich diese veränderte Wahrnehmung besser verdeutlichen als an der weiblichen Heldin der modernen Popkultur überhaupt: Lara Croft, die Protagonistin der 1996 gestarteten Videospielreihe "Tomb Raider". Lange musste die mutige Archäologin in klobiger extrem sexualisierter Optik ihren Weg durch die Action-Adventures bestreiten. Erst ein Reboot der Games von 2013 gab Lara realistische Proportionen und charakterliche Tiefe. Fünf Jahre später wagt nun Regisseur Roar Uthaug, basierend auf dieser Vorlage der Welt der Nicht-Zocker die neue Lara Croft zu präsentieren.
Man kann es nicht anders sagen: "Tomb Raider" steht und fällt mit seiner Hauptdarstellerin. Und hier ist dem Casting ein absoluter Glücksgriff gelungen. Alicia Vikander geht ohne Ehrfurcht mit entfesselter Spielfreude an die ikonische Rolle heran und präsentiert eine zeitgemäße weibliche Actionheldin, die für eine ganze Generation an Kinogängerinnen Vorbild Funktion haben dürfte. Ihre erstaunliche Ähnlichkeit zum 2013er Videospiel-Äquivalent gerät da schnell in den Hintergrund, dafür ist ihre Leinwandpräsenz zu faszinierend anzusehen. Uthaug greift den Geist der Vorlage auf und präsentiert Lara als mutige, selbstbestimmte junge Frau, die abgebrüht sein kann und muss, am Töten aber wenig Freude hat - und die zu Beginn ihrer Laufbahn emotional noch längst nicht abgestumpft genug ist, um die Kaltschnäuzigkeit ihrer Feinde zu töten. Machte im Videospiel eine Szene viel Eindruck, in der Lara nach ihrer ersten Tötung heulend zusammenbricht, übernimmt Uthaug diese symbolkräftige Szene fast 1:1. Überhaupt ist es angenehm, eine Videospielverfilmung vorzufinden, die tatsächlich den Eindruck erweckt, dass die Macher sich für die Vorlage interessierten. Einprägsame Situationen und Momente werden zitiert, direkt übernommen und - im Falle einer Wasserfallüberquerung - ironisch umgekehrt. Auch inhaltlich übernimmt er das Szenario: Auf der Suche nach dem Grabmahl der japanischen Königin Himiko strandet Lara auf der Insel Yamatai, und sieht sich dort im Teufelsmeer einer ideologisch motivierten Söldnerarmee ausgesetzt.
Eine im Videospiel fast 30-stündige Handlung in 118 Filmminuten zu quetschen, erfordert ein hohes Maß an Komprimierung. Das Script von Geneva Robertson-Dworet und Alastair Siddons geht hierbei leider nicht immer den Idealweg. Ein langer vorgeschobener Prolog in London funktioniert als Einführung in den Charakter von Lara, schränkt die Möglichkeiten in der Adaption der Insel-Abenteuerhandlung umso mehr ein. Hier spürt man dann schnell, wie gehetzt sich der Film durch eine Level-artige Struktur kämpfen muss. Die Charakterentwicklung Laras vom jungen Mädchen zur beinharten Archäologin geht in wenigen Minuten Screentime von Statten, und so toll Vikander auch spielen mag, fehlt es dem Film in seiner zweiten Hälfte stark an Akklimatisation. Walton Goggins spielt seinen Schurkenpart dämonisch und mit innerem Zwiespalt, bekommt aber zu wenig Konturen. Daniel Wu geht als locker-witzelnder Sidekick beinahe unter. Und Dominic West muss eine Rolle spielen, die viel zu offensichtlich eine Erfindung des Films ist, um die Dramaturgie der Geschichte simpler auf ein persönliches Drama rund um die Familie Croft zuspitzen zu können. Gerade diese Offensichtlichkeit ist auch für Nichtkenner der Vorlagen ein Problem: Der Plot von "Tomb Raider" entwickelt sich nach der ersten, spannenden Hälfte ironischerweise mit der Strandung auf Yamatai zu generisch und stromlinienförmig. Echte Überraschungen gibt es keine, und die großen Höhepunkte wirken zu überhastet, trotz kompetenter Ausführung.
Immerhin: Technisch ist "Tomb Raider" ein kompetenter, moderner und sehr unterhaltsamer Blockbuster. Dank der langen Dreharbeiten in Südafrika geraten die Landschaftsaufnahmen opulent und traumhaft, wichtiger ist aber, wie gut die Action unter Uthaug sitzt. Der Norweger präsentiert druckvolle, zwingende Zweikämpfe, in denen Vikander ihre beeindruckende Physis präsentieren kann. Die CGI-Animationen passen sich gekonnt in die Umgebung ein und der Showdown erinnert in seinen Rätseleinlagen an das große Indiana-Jones-Vorbild, obgleich Lara Croft als Heldin eigenständig genug Akzente setzt, um sich im Genre zu behaupten. Leider verpasst es Komponist Tom Holkenborg, der Heroine auch gleich ein musikalisch prägnantes Theme zu verpassen, was gerade ob der vom Film am Ende klar geäußerten Franchise-Ambitionen passend und womöglich wichtig gewesen wäre. Es bleibt abzuwarten, ob und wie sehr sich ein Sequel an der Videospielfortsetzung "Rise of the Tomb Raider" von 2015 orientieren würde. Besonders im Hinblick darauf, dass die Filmadaption bislang ein klares Bekenntnis zur Übernatürlichkeit verweigert. Gab es in den Games immer mystische und abgehobene Fantasy-Elemente, bleibt die Auflösung des Mysteriums um Königin Himiko im Film erstaunlich geerdet. Ein klares Symbol dafür, sich ganz auf die geerdete Interpretation der Lara Croft durch Alicia Vikander fokussieren zu wollen.
Fazit: 2013 gaben Gaming-Designer Lara Croft einen neuen Look: Seitdem trägt sie keinen klobigen dreieckigen Atombusen durch die Gegend und muss in ultra engen Shots bestaunt werden, sondern gleicht einem natürlichen Schönheitsideal. Sie darf kräftig und robust sein, verleugnet aber nicht ihre Weiblichkeit. Für den Schritt, diese Lara Croft nun auch im Filmbereich zu einer Ikone für junge Zuschauerinnen werden zu lassen, darf Roar Uthaug und Alicia Vikander nur gratuliert werden. Hier wird wirklich eine zeitgemäße Actionheldin präsentiert, die sich vor ihren männlichen Pendants nicht verstecken muss und deren Film eine angenehme Abwechslung im Superheldenkino des 21. Jahrhunderts darstellt. Dieser Einstieg in die Welt von "Tomb Raider" wirkt manchmal noch unfertig und wie ein Schnellschuss, dürfte sich aber im erwartbaren Sequel schon deutlich geschmeidiger anfühlen.
Es ist noch gar nicht solange her, da waren Frauen in großen Actionfilmen primär auf den vom maskulinen Helden zu rettenden Blickfang reduziert. Begriffe wie "Damsel In Distress" oder gar "Bond-Girl" sind jedem Mann bekannt. Doch im 21. Jahrhundert verschiebt sich der Trend zunehmend. Nicht nur im Bereich der Comicverfilmungen wird vermehrt auf weibliche Superheldinnen gesetzt, auch andere Filme bemühen sich um starke weibliche Hauptfiguren, die sowohl hart und brutal als auch verletzlich und feminin sein dürfen. Kaum an einer anderen Rolle lässt sich diese veränderte Wahrnehmung besser verdeutlichen als an der weiblichen Heldin der modernen Popkultur überhaupt: Lara Croft, die Protagonistin der 1996 gestarteten Videospielreihe "Tomb Raider". Lange musste die mutige Archäologin in klobiger extrem sexualisierter Optik ihren Weg durch die Action-Adventures bestreiten. Erst ein Reboot der Games von 2013 gab Lara realistische Proportionen und charakterliche Tiefe. Fünf Jahre später wagt nun Regisseur Roar Uthaug, basierend auf dieser Vorlage der Welt der Nicht-Zocker die neue Lara Croft zu präsentieren.
Man kann es nicht anders sagen: "Tomb Raider" steht und fällt mit seiner Hauptdarstellerin. Und hier ist dem Casting ein absoluter Glücksgriff gelungen. Alicia Vikander geht ohne Ehrfurcht mit entfesselter Spielfreude an die ikonische Rolle heran und präsentiert eine zeitgemäße weibliche Actionheldin, die für eine ganze Generation an Kinogängerinnen Vorbild Funktion haben dürfte. Ihre erstaunliche Ähnlichkeit zum 2013er Videospiel-Äquivalent gerät da schnell in den Hintergrund, dafür ist ihre Leinwandpräsenz zu faszinierend anzusehen. Uthaug greift den Geist der Vorlage auf und präsentiert Lara als mutige, selbstbestimmte junge Frau, die abgebrüht sein kann und muss, am Töten aber wenig Freude hat - und die zu Beginn ihrer Laufbahn emotional noch längst nicht abgestumpft genug ist, um die Kaltschnäuzigkeit ihrer Feinde zu töten. Machte im Videospiel eine Szene viel Eindruck, in der Lara nach ihrer ersten Tötung heulend zusammenbricht, übernimmt Uthaug diese symbolkräftige Szene fast 1:1. Überhaupt ist es angenehm, eine Videospielverfilmung vorzufinden, die tatsächlich den Eindruck erweckt, dass die Macher sich für die Vorlage interessierten. Einprägsame Situationen und Momente werden zitiert, direkt übernommen und - im Falle einer Wasserfallüberquerung - ironisch umgekehrt. Auch inhaltlich übernimmt er das Szenario: Auf der Suche nach dem Grabmahl der japanischen Königin Himiko strandet Lara auf der Insel Yamatai, und sieht sich dort im Teufelsmeer einer ideologisch motivierten Söldnerarmee ausgesetzt.
Eine im Videospiel fast 30-stündige Handlung in 118 Filmminuten zu quetschen, erfordert ein hohes Maß an Komprimierung. Das Script von Geneva Robertson-Dworet und Alastair Siddons geht hierbei leider nicht immer den Idealweg. Ein langer vorgeschobener Prolog in London funktioniert als Einführung in den Charakter von Lara, schränkt die Möglichkeiten in der Adaption der Insel-Abenteuerhandlung umso mehr ein. Hier spürt man dann schnell, wie gehetzt sich der Film durch eine Level-artige Struktur kämpfen muss. Die Charakterentwicklung Laras vom jungen Mädchen zur beinharten Archäologin geht in wenigen Minuten Screentime von Statten, und so toll Vikander auch spielen mag, fehlt es dem Film in seiner zweiten Hälfte stark an Akklimatisation. Walton Goggins spielt seinen Schurkenpart dämonisch und mit innerem Zwiespalt, bekommt aber zu wenig Konturen. Daniel Wu geht als locker-witzelnder Sidekick beinahe unter. Und Dominic West muss eine Rolle spielen, die viel zu offensichtlich eine Erfindung des Films ist, um die Dramaturgie der Geschichte simpler auf ein persönliches Drama rund um die Familie Croft zuspitzen zu können. Gerade diese Offensichtlichkeit ist auch für Nichtkenner der Vorlagen ein Problem: Der Plot von "Tomb Raider" entwickelt sich nach der ersten, spannenden Hälfte ironischerweise mit der Strandung auf Yamatai zu generisch und stromlinienförmig. Echte Überraschungen gibt es keine, und die großen Höhepunkte wirken zu überhastet, trotz kompetenter Ausführung.
Immerhin: Technisch ist "Tomb Raider" ein kompetenter, moderner und sehr unterhaltsamer Blockbuster. Dank der langen Dreharbeiten in Südafrika geraten die Landschaftsaufnahmen opulent und traumhaft, wichtiger ist aber, wie gut die Action unter Uthaug sitzt. Der Norweger präsentiert druckvolle, zwingende Zweikämpfe, in denen Vikander ihre beeindruckende Physis präsentieren kann. Die CGI-Animationen passen sich gekonnt in die Umgebung ein und der Showdown erinnert in seinen Rätseleinlagen an das große Indiana-Jones-Vorbild, obgleich Lara Croft als Heldin eigenständig genug Akzente setzt, um sich im Genre zu behaupten. Leider verpasst es Komponist Tom Holkenborg, der Heroine auch gleich ein musikalisch prägnantes Theme zu verpassen, was gerade ob der vom Film am Ende klar geäußerten Franchise-Ambitionen passend und womöglich wichtig gewesen wäre. Es bleibt abzuwarten, ob und wie sehr sich ein Sequel an der Videospielfortsetzung "Rise of the Tomb Raider" von 2015 orientieren würde. Besonders im Hinblick darauf, dass die Filmadaption bislang ein klares Bekenntnis zur Übernatürlichkeit verweigert. Gab es in den Games immer mystische und abgehobene Fantasy-Elemente, bleibt die Auflösung des Mysteriums um Königin Himiko im Film erstaunlich geerdet. Ein klares Symbol dafür, sich ganz auf die geerdete Interpretation der Lara Croft durch Alicia Vikander fokussieren zu wollen.
Fazit: 2013 gaben Gaming-Designer Lara Croft einen neuen Look: Seitdem trägt sie keinen klobigen dreieckigen Atombusen durch die Gegend und muss in ultra engen Shots bestaunt werden, sondern gleicht einem natürlichen Schönheitsideal. Sie darf kräftig und robust sein, verleugnet aber nicht ihre Weiblichkeit. Für den Schritt, diese Lara Croft nun auch im Filmbereich zu einer Ikone für junge Zuschauerinnen werden zu lassen, darf Roar Uthaug und Alicia Vikander nur gratuliert werden. Hier wird wirklich eine zeitgemäße Actionheldin präsentiert, die sich vor ihren männlichen Pendants nicht verstecken muss und deren Film eine angenehme Abwechslung im Superheldenkino des 21. Jahrhunderts darstellt. Dieser Einstieg in die Welt von "Tomb Raider" wirkt manchmal noch unfertig und wie ein Schnellschuss, dürfte sich aber im erwartbaren Sequel schon deutlich geschmeidiger anfühlen.
Do-it-yourselfie!
Unsane
Voller Stolz stellte Steven Soderbergh auf der Berlinale 2018 seinen neuen Film vor. Zurecht gilt er Filmkennern derzeit als einer der spannendsten Indie-Regisseure aus den USA: Dank seiner eigenen Produktionsfirma hat sich Soderbergh längst vom US-Studiosystem verabschiedet und sich selbst mit großer kreativer Freiheit ausgestattet. So ist es ihm möglich, filmisch eigensinnige Experimente einzugehen. Sein neuestes - "Unsane" - ist besonders eines der technischen Art. Fast schon heimlich drehte Soderbergh diese Horrorsatire mit TV-Star Claire Foy mit einer kleinen Crew in nur zwei Wochen ab - und das nicht mit Filmkameras, sondern vollständig mit iPhone-Kameras. Die in Smartphone integrierten Kameras liefern mittlerweile so überzeugende Bildqualität, dass sie von Digitalkameras kaum zu unterscheiden sind. Ein Coup, für den der Regisseur zurecht viel Lob erhielt. Leider jedoch zeigt ausgerechnet er mit "Unsane" umso deutlicher auf, wie weit technisches Können und erzählerisches Geschick auseinander liegen können.
Auch wenn es für den Laien so klingen mag: "Unsane" mit dem Handy zu drehen, ist für Soderbergh keinesfalls eine ökonomische Einsparungsmaßnahme, sondern eine bewusste stilistische Entscheidung. Ästhetisch unterstreicht der immer etwas verschroben und amatuerhaft aussehende Genrebeitrag so mehr denn je die "Do-it-yourself"-Mentalität, die das Lebenswerk Soderberghs immer schon in sich trug. Auch inhaltlich findet die besondere Umsetzung ihre Entsprechung. Als gleich zu Beginn die Kamera mit ihren für Smartphone-Aufnahmen üblichen leichten Verzerrung, matschigen Farben und ausgebrannten Kontrasten aus der Ferne die Protagonistin Sawyer verfolgt, entfaltet das eine beunruhigend voyeuristische Wirkung. Wenig überraschend also, wenn man später erfährt, dass es sich hierbei tatsächlich um eine Stalker-Geschichte handelt. Doch damit fangen die Probleme an: Was "Unsane" eigentlich sein will, schwebt die ganze Zeit im luftleeren Raum. Einerseits folgt er nach der kurzen Exposition, in der Sawyer aufgrund einer überinterpretierten Aussage zur eigenen Suizidgefährdung zu Unrecht zwangseingewiesen wird, dem gängigen Schema des Psychiatrie-Horrors, andererseits will er zudem auch eine Stalker-Geschichte, eine Schwarze Komödie und einen politischen Kommentar auf das US-Gesundheitswesen unterbringen. Besonders bei letzterem überschätzt sich die Regie komplett. Dass die Patienten in der Irrenanstalt nur so lange als krank gelten, wie ihre Versicherung für sie den Aufenthalt zahlt, hätte als Ansatz viel Potenzial, gerät aber grotesk schnell wieder unter den Genreklischees in Vergessenheit.
An dem Gefühl des unfreiwilligen Freiheitsentzugs, eine der Urängste der Menschheit, ist die Regie eher wenig interessiert. Zu viel anderes will untergebracht werden - und zu viel muss das Drehbuch der Autoren Jonathan Bernstein und James Greer konstruieren, um die Weichen dafür zu stellen. Darunter leidet auch die kaum merkliche Dramaturgie. Bis auf Sawyer wird keine der Nebenfiguren ausgearbeitet. Ihre Mutter, ihr Freund in der Klinik, das Ärztepersonal und auch ihr - möglicher - Stalker bleiben Schablonen, denen keine psychologische Entwicklung gestattet ist. Diese Stereotypisierung wird besonders bei den Klinikinsassen zum Problem: In der Darstellung der psychisch Kranken arbeitet Soderbergh mit üblen und teils diskriminierenden Klischees, die seine Erzählung so surreal anmuten lassen, dass sich echter Horror nicht einstellen mag. Auch die angedeutete und potenziell spannende Frage, ob Sawyer wirklich gestalkt wird oder (tatsächlich dem Wahn verfallen) sich ihren Peiniger nur einbildet, wird überraschend und abrupt früh aufgelöst, hier opfert der Film einen Twist zu Gunsten eines finalen letzten Drittels, dass an generische Slasher-Movies erinnert. Schauspielerisch fällt da logischerweise einzig Claire Foy in der Hauptrolle auf, und obgleich ihr nötiges Chargieren sie mehrmals beinahe zur Scream-Queen degradiert, so ist sie der vielleicht einzige Grund, warum es sich lohnen könnte, die überraschungsarme Handlung zu verfolgen, strahlt sie doch eine mehrschichtige Präsenz aus, die ihrem Auftreten etwas fesselndes verleiht.
Tonal ist das alles wenig geglückt. Die schwarzhumorige Ironie, dass die, die am Lautesten betont, normal zu sein, am Ende am Schnellsten in der Gummizelle landet, beißt sich mit den unaufhörlichen Wendungen, die zu offensichtlich kalkuliert nur darauf hinauslaufen, Sawyers Klinikaufenthalt möglichst in die Länge zu ziehen. Die offenbar angestrebte B-Movie-Atmosphäre stellt sich deshalb nicht ein, weil es an Eigeninitative fehlt. Zu vieles ist schlicht Zitat oder Unentschlossenheit. Wirklich ärgerlich gerät der zu lang gedehnte Abschluss, der zeitweise das Täter-Opfer-Schema gar konterkarieren will und provokant die These in dem Raum stellt, ob jenes institutionelle System, welches psychopathische Züge unterdrücken soll, nicht genau die Monster hervorruft, die es eigentlich bekämpfen will. Sensibel ist das nicht, und müsste es auch nicht sein, wird aber genauso schnell wieder auf dem Altar der Horrorgesetze geopfert wie es aufkam. Hier gleichen sich Film und Protagonistin erstaunlich stark: So wie bei Sawyer jeder Akt des Widerstands gegen die Klinikregeln zu mehr Tabletten, Sedierung oder Fixierung führen, so ist auch "Unsane" je eigenwilliger er stilistisch wirkt umso fester im Hollywood-System verankert. Nichts zeigt das deutlicher als ein kurzer Cameo eines großen Filmstars, der vollends aus der Independent-Stimmung reißt und offenlegt, wie sehr Soderbergh hierin nur eine technischee Fingerübung sah und wie wenig er dafür an den Charakteren und Handlungen interessiert ist.
Fazit: Wenn Steven Soderbergh auf der Berlinale von seinen Handy-Erfahrungen spricht, hat das fast etwas von Schwärmerei. Wieder mit richtigen Kameras zu arbeiten, sei für ihn kaum vorstellbar, erzählte er. Es fällt auf, wie wenig er dabei aber über seinen eigentlichen Film spricht. Diese Beobachtung erweist sich als entlarvend. "Unsane" beutet nicht einfach nur die moderne Selfie-Ästhetik des iPhones aus, sondern erliegt selbst der narzisstischen Ideologie der Generation Smartphone. Zumindest eines kann man Soderbergh aber zu Gute halten: Für junge Filmemacher kann "Unsane" motivierend sein. Jeder kann einen Film auf die große Leinwand bringen, und das nur mit dem, was heute alle in der Hosentasche tragen. Dabei darf man nur bitte nicht vergessen, eine spannende und nachvollziehbare Geschichte zu erzählen.
Voller Stolz stellte Steven Soderbergh auf der Berlinale 2018 seinen neuen Film vor. Zurecht gilt er Filmkennern derzeit als einer der spannendsten Indie-Regisseure aus den USA: Dank seiner eigenen Produktionsfirma hat sich Soderbergh längst vom US-Studiosystem verabschiedet und sich selbst mit großer kreativer Freiheit ausgestattet. So ist es ihm möglich, filmisch eigensinnige Experimente einzugehen. Sein neuestes - "Unsane" - ist besonders eines der technischen Art. Fast schon heimlich drehte Soderbergh diese Horrorsatire mit TV-Star Claire Foy mit einer kleinen Crew in nur zwei Wochen ab - und das nicht mit Filmkameras, sondern vollständig mit iPhone-Kameras. Die in Smartphone integrierten Kameras liefern mittlerweile so überzeugende Bildqualität, dass sie von Digitalkameras kaum zu unterscheiden sind. Ein Coup, für den der Regisseur zurecht viel Lob erhielt. Leider jedoch zeigt ausgerechnet er mit "Unsane" umso deutlicher auf, wie weit technisches Können und erzählerisches Geschick auseinander liegen können.
Auch wenn es für den Laien so klingen mag: "Unsane" mit dem Handy zu drehen, ist für Soderbergh keinesfalls eine ökonomische Einsparungsmaßnahme, sondern eine bewusste stilistische Entscheidung. Ästhetisch unterstreicht der immer etwas verschroben und amatuerhaft aussehende Genrebeitrag so mehr denn je die "Do-it-yourself"-Mentalität, die das Lebenswerk Soderberghs immer schon in sich trug. Auch inhaltlich findet die besondere Umsetzung ihre Entsprechung. Als gleich zu Beginn die Kamera mit ihren für Smartphone-Aufnahmen üblichen leichten Verzerrung, matschigen Farben und ausgebrannten Kontrasten aus der Ferne die Protagonistin Sawyer verfolgt, entfaltet das eine beunruhigend voyeuristische Wirkung. Wenig überraschend also, wenn man später erfährt, dass es sich hierbei tatsächlich um eine Stalker-Geschichte handelt. Doch damit fangen die Probleme an: Was "Unsane" eigentlich sein will, schwebt die ganze Zeit im luftleeren Raum. Einerseits folgt er nach der kurzen Exposition, in der Sawyer aufgrund einer überinterpretierten Aussage zur eigenen Suizidgefährdung zu Unrecht zwangseingewiesen wird, dem gängigen Schema des Psychiatrie-Horrors, andererseits will er zudem auch eine Stalker-Geschichte, eine Schwarze Komödie und einen politischen Kommentar auf das US-Gesundheitswesen unterbringen. Besonders bei letzterem überschätzt sich die Regie komplett. Dass die Patienten in der Irrenanstalt nur so lange als krank gelten, wie ihre Versicherung für sie den Aufenthalt zahlt, hätte als Ansatz viel Potenzial, gerät aber grotesk schnell wieder unter den Genreklischees in Vergessenheit.
An dem Gefühl des unfreiwilligen Freiheitsentzugs, eine der Urängste der Menschheit, ist die Regie eher wenig interessiert. Zu viel anderes will untergebracht werden - und zu viel muss das Drehbuch der Autoren Jonathan Bernstein und James Greer konstruieren, um die Weichen dafür zu stellen. Darunter leidet auch die kaum merkliche Dramaturgie. Bis auf Sawyer wird keine der Nebenfiguren ausgearbeitet. Ihre Mutter, ihr Freund in der Klinik, das Ärztepersonal und auch ihr - möglicher - Stalker bleiben Schablonen, denen keine psychologische Entwicklung gestattet ist. Diese Stereotypisierung wird besonders bei den Klinikinsassen zum Problem: In der Darstellung der psychisch Kranken arbeitet Soderbergh mit üblen und teils diskriminierenden Klischees, die seine Erzählung so surreal anmuten lassen, dass sich echter Horror nicht einstellen mag. Auch die angedeutete und potenziell spannende Frage, ob Sawyer wirklich gestalkt wird oder (tatsächlich dem Wahn verfallen) sich ihren Peiniger nur einbildet, wird überraschend und abrupt früh aufgelöst, hier opfert der Film einen Twist zu Gunsten eines finalen letzten Drittels, dass an generische Slasher-Movies erinnert. Schauspielerisch fällt da logischerweise einzig Claire Foy in der Hauptrolle auf, und obgleich ihr nötiges Chargieren sie mehrmals beinahe zur Scream-Queen degradiert, so ist sie der vielleicht einzige Grund, warum es sich lohnen könnte, die überraschungsarme Handlung zu verfolgen, strahlt sie doch eine mehrschichtige Präsenz aus, die ihrem Auftreten etwas fesselndes verleiht.
Tonal ist das alles wenig geglückt. Die schwarzhumorige Ironie, dass die, die am Lautesten betont, normal zu sein, am Ende am Schnellsten in der Gummizelle landet, beißt sich mit den unaufhörlichen Wendungen, die zu offensichtlich kalkuliert nur darauf hinauslaufen, Sawyers Klinikaufenthalt möglichst in die Länge zu ziehen. Die offenbar angestrebte B-Movie-Atmosphäre stellt sich deshalb nicht ein, weil es an Eigeninitative fehlt. Zu vieles ist schlicht Zitat oder Unentschlossenheit. Wirklich ärgerlich gerät der zu lang gedehnte Abschluss, der zeitweise das Täter-Opfer-Schema gar konterkarieren will und provokant die These in dem Raum stellt, ob jenes institutionelle System, welches psychopathische Züge unterdrücken soll, nicht genau die Monster hervorruft, die es eigentlich bekämpfen will. Sensibel ist das nicht, und müsste es auch nicht sein, wird aber genauso schnell wieder auf dem Altar der Horrorgesetze geopfert wie es aufkam. Hier gleichen sich Film und Protagonistin erstaunlich stark: So wie bei Sawyer jeder Akt des Widerstands gegen die Klinikregeln zu mehr Tabletten, Sedierung oder Fixierung führen, so ist auch "Unsane" je eigenwilliger er stilistisch wirkt umso fester im Hollywood-System verankert. Nichts zeigt das deutlicher als ein kurzer Cameo eines großen Filmstars, der vollends aus der Independent-Stimmung reißt und offenlegt, wie sehr Soderbergh hierin nur eine technischee Fingerübung sah und wie wenig er dafür an den Charakteren und Handlungen interessiert ist.
Fazit: Wenn Steven Soderbergh auf der Berlinale von seinen Handy-Erfahrungen spricht, hat das fast etwas von Schwärmerei. Wieder mit richtigen Kameras zu arbeiten, sei für ihn kaum vorstellbar, erzählte er. Es fällt auf, wie wenig er dabei aber über seinen eigentlichen Film spricht. Diese Beobachtung erweist sich als entlarvend. "Unsane" beutet nicht einfach nur die moderne Selfie-Ästhetik des iPhones aus, sondern erliegt selbst der narzisstischen Ideologie der Generation Smartphone. Zumindest eines kann man Soderbergh aber zu Gute halten: Für junge Filmemacher kann "Unsane" motivierend sein. Jeder kann einen Film auf die große Leinwand bringen, und das nur mit dem, was heute alle in der Hosentasche tragen. Dabei darf man nur bitte nicht vergessen, eine spannende und nachvollziehbare Geschichte zu erzählen.
My villain was a rolling infinity stone...
Avengers: Infinity War
Ganz stolz formen das "I" und das "O" in "Marvel Studios" eine eingefärbte 10. Zehn Jahre ist es her, seit Filmstar Robert Downey Jr. 2008 in "Iron Man" einen sensationellen Hit landete. Nur wenige wussten damals, dass man bis zum Ende des Abspanns sitzen bleiben sollte. Dort folgte nämlich eine Szene, in der Samuel L. Jackson als Nick Fury jenen Iron Man darum bat, der "Avengers-Initiative" beizutreten. Zehn Jahre später ist das mit diesem Film gestartete "Marvel Cinematic Universe" eine feste Größe im Blockbuster-Kino, Marvel eine Instanz bei Kritik und Publikum. Helden wie "Thor", "Captain America" oder die "Guardians of the Galaxy" kennt jedes Kind. Das Konzept dieses Filmuniversums: Eine Gruppe von Helden rettet in seperaten Einzelabenteuern die Welt, vereint sich jedoch alle paar Jahre zum großen "Avengers"-Crossover. In "Infinity War", dem dritten und größten aller Helden-Crossover, steht nicht nur die Welt, sondern das ganze Universum auf dem Spiel. Der feuchte Traum eines jeden Comic-Nerds.
Die Planung und Weitsichtigkeit des Produzenten Kevin Feige findet in "Infinity War" ihren gigantomanischen Höhepunkt. Das große Finale des Marvel-Universums führt über 50 Charaktere aus den vorherigen Filmen zusammen, und vereint viele der kreativen Köpfe dahinter. Die Russo-Brüder, die bislang "Captain America" betreuten, nehmen auf dem Regie-Stuhl Platz, doch auch Jon Favreau ("Iron Man"), Taika Waititi ("Thor") oder James Gunn ("Guardians of the Galaxy") waren hinter den Kulissen am Bord, um das Unmögliche zu bewältigen: Die vielen unterschiedlichen Tonalitäten der Einzelabenteuer zu vereinen. Selbst Nicht-Fans müssen da den Hut ziehen: Marvel gelingt es grandios, schlüssig den gesamten Film-Kosmos in Einklang zu bringen, ohne ihr Publikum zu verlieren. Das liegt auch daran, dass der Fixpunkt der die Einzelelemente zusammenbringt, hervorragend funktioniert: Seit "Thor" 2011 hat Marvel über die Filme verteilt die Infinity-Steine etabliert: 6 extraterristische Artefakte, die zusammengeführt ihrem Träger unendliche Macht verleihen. Und dieser Träger bekommt endlich seinen großen Auftritt: Josh Brolin gibt sich als Weltraumschurke Thanos die Ehre und erfüllt sämtliche Erwartungshaltungen. Die bedrohliche Aura, die ihn umgibt, die brutalen Konsequenzen, die seine Auftritte mit sich ziehen, sorgen für einen mächtigen Kloß im Hals. "Infinity War" meint seinen Titel durchaus ernst: Um die Helden darf erstmals gebangt werden. Die Avengers bluten, versagen und sterben.
Zum ersten Mal fühlt es sich bei Marvel wirklich so an, dass für die Charaktere etwas auf dem Spiel steht. Durften in den früheren Crossovern nur Nebenfiguren ableben und enttäuschte gerade der ebenfalls von den Russos inszenierte "The First Avenger: Civil War" durch halbgare Konflikte, traut sich Marvel hier echte Konsequenzen für das Filmuniversum, die in ein hartes und überraschendes Ende kulminieren. Doch auch wer wenig mit dem Cinematic Universe vertraut ist, kann hier seinen Spaß haben: Die Schauspielriege alleine ist sagenhaft (zu den Dauergästen Robert Downey Jr., Chris Hemsworth, Scarlett Johansson, Gwyneth Paltrow, Benedict Cumberbatch, Chris Evans, Tom Holland, Tom Hiddleston, Don Cheadle, Chris Pratt gesellt sich noch u.a. Peter Dinklage dazu) und auch ganz ohne alle Verbindungen zu verstehen kommt das epische Gefühl beim Zuschauer an, hier Teil von etwas ganz großem zu sein. Erfreulich ist, dass der Film trotz aller Fülle an Plot den Humor nicht zu kurz kommen lässt und es viel zu lachen gibt. Über das Handwerk, das ist dem Filmfan klar, muss beim "Infinity War" nicht mehr gesprochen werden. Die Effekte sind brillant und State-of-the-Art, das Sounddesign absolute Spitze und Alan Silvestri schmettert einen Score los, der kongenial alle Helden auch musikalisch zusammenführt. Clever vom Plot, den Film auf vier Storybögen aufzuteilen, und somit die riesige Heldentruppe zu splitten. So besteht genug Übersichtlichkeit, um in der Masse an Action und Dialogen nicht unterzugehen.
Natürlich kann so ein Crossover nicht unter normalen filmischen Gesichtspunkten bewertet werden. Insgesamt erliegt der 156 Minuten lange Film verständlicherweise dem deutlichen Problem, zu viel Bombast und Action zu präsentieren, sodass er in der letzten Stunde regelrecht erschlagend wirkt. Charaktertiefe gibt es kaum, die emotionale Bindung zu den Figuren haben schließlich die Vorgänger-Filme erzeugt. Einzig Schurke Thanos wird tiefer charakterisiert, darf aber nicht allzu viel Raum bekommen, da sonst Platz für die restlichen Figuren fehlen würden. Dass einige der Helden dabei deutlich zu kurz kommen und viele überraschende Wendung bei dem irren Tempo im luftleeren Raum verpufft, ist ermüdend, aber Teil des Konzepts. Wie bei einem Comicbuch von Nerds für Nerds scheinen Kevin Feige und seine Crew ein Best-Of der letzten 10 Jahre abliefern und sich auch ein wenig selbst zu feiern wollen. Es sei ihnen gegönnt. Das "Marvel Cinematic Universe" ist ein einmaliges filmisches Gesamtkonzept, welches das seriale Erzählen moderner TV-Unterhaltung auf die große Leinwand übertragen hat und "Marvel Studios" ist zu einer Marke geworden, die unabhängig von Star-Besetzungen oder bekannten Vorlagen die Leute ins Kino zieht. Diese Selbstverständlichkeit für großes Film-Entertainment kam nie eindeutiger zum Vorschein wie im "Infinity War", der ohne auch nur ansatzweise die astronomischen Erwartungen erfüllen zu können, unbeirrt sein emotionales Ziel erreicht und seine Fans über die vielen vorhandenen Schwächen problemlos hinweg navigiert. Chapeau!
Fazit: Ein großer Schurke, eine Fülle an Action, eine Flut an tollen Schauspielern und genau so viel Humor wie Dramatik: Was will der Kinogänger mehr? Große Kunst ist "Infinity War" weislich nicht, dafür ist er zu gefällig, generisch und eindimensional. Dennoch gefällt der Film als der absolute Superlativ an Aufwand und Größe innerhalb seines Genres und verdankt seine wirkenden Höhepunkte einer unfassbaren Vorarbeit von 18 Filmen und über 10 Regisseuren. Ein solches Finale darf dann auch ruhig im Endteil eskalieren, schließlich ist dieses Werk ohnehin mehr ein Teil eines größeren Universums als ein eigener Film. Schade nur, dass die Russos den Schlussstrich trotz einiger Konsequenzen noch nicht durchziehen, sondern die Auflösung aller übrigen Konflikte auf den vierten "Avengers"-Film vertagen, der 2019 erscheinen soll. Fraglich, ob das epische "Abschluss"-Gefühl sich in der Form ein zweites Mal einstellen lässt. Für Marvel dürfte derweil aber das größte Kompliment sein, dass es beim "Infinity War" längst selbstverständlich ist, bis zum Ende des Abspanns sitzen zu bleiben.
Ganz stolz formen das "I" und das "O" in "Marvel Studios" eine eingefärbte 10. Zehn Jahre ist es her, seit Filmstar Robert Downey Jr. 2008 in "Iron Man" einen sensationellen Hit landete. Nur wenige wussten damals, dass man bis zum Ende des Abspanns sitzen bleiben sollte. Dort folgte nämlich eine Szene, in der Samuel L. Jackson als Nick Fury jenen Iron Man darum bat, der "Avengers-Initiative" beizutreten. Zehn Jahre später ist das mit diesem Film gestartete "Marvel Cinematic Universe" eine feste Größe im Blockbuster-Kino, Marvel eine Instanz bei Kritik und Publikum. Helden wie "Thor", "Captain America" oder die "Guardians of the Galaxy" kennt jedes Kind. Das Konzept dieses Filmuniversums: Eine Gruppe von Helden rettet in seperaten Einzelabenteuern die Welt, vereint sich jedoch alle paar Jahre zum großen "Avengers"-Crossover. In "Infinity War", dem dritten und größten aller Helden-Crossover, steht nicht nur die Welt, sondern das ganze Universum auf dem Spiel. Der feuchte Traum eines jeden Comic-Nerds.
Die Planung und Weitsichtigkeit des Produzenten Kevin Feige findet in "Infinity War" ihren gigantomanischen Höhepunkt. Das große Finale des Marvel-Universums führt über 50 Charaktere aus den vorherigen Filmen zusammen, und vereint viele der kreativen Köpfe dahinter. Die Russo-Brüder, die bislang "Captain America" betreuten, nehmen auf dem Regie-Stuhl Platz, doch auch Jon Favreau ("Iron Man"), Taika Waititi ("Thor") oder James Gunn ("Guardians of the Galaxy") waren hinter den Kulissen am Bord, um das Unmögliche zu bewältigen: Die vielen unterschiedlichen Tonalitäten der Einzelabenteuer zu vereinen. Selbst Nicht-Fans müssen da den Hut ziehen: Marvel gelingt es grandios, schlüssig den gesamten Film-Kosmos in Einklang zu bringen, ohne ihr Publikum zu verlieren. Das liegt auch daran, dass der Fixpunkt der die Einzelelemente zusammenbringt, hervorragend funktioniert: Seit "Thor" 2011 hat Marvel über die Filme verteilt die Infinity-Steine etabliert: 6 extraterristische Artefakte, die zusammengeführt ihrem Träger unendliche Macht verleihen. Und dieser Träger bekommt endlich seinen großen Auftritt: Josh Brolin gibt sich als Weltraumschurke Thanos die Ehre und erfüllt sämtliche Erwartungshaltungen. Die bedrohliche Aura, die ihn umgibt, die brutalen Konsequenzen, die seine Auftritte mit sich ziehen, sorgen für einen mächtigen Kloß im Hals. "Infinity War" meint seinen Titel durchaus ernst: Um die Helden darf erstmals gebangt werden. Die Avengers bluten, versagen und sterben.
Zum ersten Mal fühlt es sich bei Marvel wirklich so an, dass für die Charaktere etwas auf dem Spiel steht. Durften in den früheren Crossovern nur Nebenfiguren ableben und enttäuschte gerade der ebenfalls von den Russos inszenierte "The First Avenger: Civil War" durch halbgare Konflikte, traut sich Marvel hier echte Konsequenzen für das Filmuniversum, die in ein hartes und überraschendes Ende kulminieren. Doch auch wer wenig mit dem Cinematic Universe vertraut ist, kann hier seinen Spaß haben: Die Schauspielriege alleine ist sagenhaft (zu den Dauergästen Robert Downey Jr., Chris Hemsworth, Scarlett Johansson, Gwyneth Paltrow, Benedict Cumberbatch, Chris Evans, Tom Holland, Tom Hiddleston, Don Cheadle, Chris Pratt gesellt sich noch u.a. Peter Dinklage dazu) und auch ganz ohne alle Verbindungen zu verstehen kommt das epische Gefühl beim Zuschauer an, hier Teil von etwas ganz großem zu sein. Erfreulich ist, dass der Film trotz aller Fülle an Plot den Humor nicht zu kurz kommen lässt und es viel zu lachen gibt. Über das Handwerk, das ist dem Filmfan klar, muss beim "Infinity War" nicht mehr gesprochen werden. Die Effekte sind brillant und State-of-the-Art, das Sounddesign absolute Spitze und Alan Silvestri schmettert einen Score los, der kongenial alle Helden auch musikalisch zusammenführt. Clever vom Plot, den Film auf vier Storybögen aufzuteilen, und somit die riesige Heldentruppe zu splitten. So besteht genug Übersichtlichkeit, um in der Masse an Action und Dialogen nicht unterzugehen.
Natürlich kann so ein Crossover nicht unter normalen filmischen Gesichtspunkten bewertet werden. Insgesamt erliegt der 156 Minuten lange Film verständlicherweise dem deutlichen Problem, zu viel Bombast und Action zu präsentieren, sodass er in der letzten Stunde regelrecht erschlagend wirkt. Charaktertiefe gibt es kaum, die emotionale Bindung zu den Figuren haben schließlich die Vorgänger-Filme erzeugt. Einzig Schurke Thanos wird tiefer charakterisiert, darf aber nicht allzu viel Raum bekommen, da sonst Platz für die restlichen Figuren fehlen würden. Dass einige der Helden dabei deutlich zu kurz kommen und viele überraschende Wendung bei dem irren Tempo im luftleeren Raum verpufft, ist ermüdend, aber Teil des Konzepts. Wie bei einem Comicbuch von Nerds für Nerds scheinen Kevin Feige und seine Crew ein Best-Of der letzten 10 Jahre abliefern und sich auch ein wenig selbst zu feiern wollen. Es sei ihnen gegönnt. Das "Marvel Cinematic Universe" ist ein einmaliges filmisches Gesamtkonzept, welches das seriale Erzählen moderner TV-Unterhaltung auf die große Leinwand übertragen hat und "Marvel Studios" ist zu einer Marke geworden, die unabhängig von Star-Besetzungen oder bekannten Vorlagen die Leute ins Kino zieht. Diese Selbstverständlichkeit für großes Film-Entertainment kam nie eindeutiger zum Vorschein wie im "Infinity War", der ohne auch nur ansatzweise die astronomischen Erwartungen erfüllen zu können, unbeirrt sein emotionales Ziel erreicht und seine Fans über die vielen vorhandenen Schwächen problemlos hinweg navigiert. Chapeau!
Fazit: Ein großer Schurke, eine Fülle an Action, eine Flut an tollen Schauspielern und genau so viel Humor wie Dramatik: Was will der Kinogänger mehr? Große Kunst ist "Infinity War" weislich nicht, dafür ist er zu gefällig, generisch und eindimensional. Dennoch gefällt der Film als der absolute Superlativ an Aufwand und Größe innerhalb seines Genres und verdankt seine wirkenden Höhepunkte einer unfassbaren Vorarbeit von 18 Filmen und über 10 Regisseuren. Ein solches Finale darf dann auch ruhig im Endteil eskalieren, schließlich ist dieses Werk ohnehin mehr ein Teil eines größeren Universums als ein eigener Film. Schade nur, dass die Russos den Schlussstrich trotz einiger Konsequenzen noch nicht durchziehen, sondern die Auflösung aller übrigen Konflikte auf den vierten "Avengers"-Film vertagen, der 2019 erscheinen soll. Fraglich, ob das epische "Abschluss"-Gefühl sich in der Form ein zweites Mal einstellen lässt. Für Marvel dürfte derweil aber das größte Kompliment sein, dass es beim "Infinity War" längst selbstverständlich ist, bis zum Ende des Abspanns sitzen zu bleiben.
Kleider machen Monster
Der Hauptmann
An filmischer Aufarbeitung des Nationalsozialismus mangelt es dem deutschen Kino nicht, doch in diese Sparte will "Der Hauptmann" nicht so recht passen. Mit jenem filmischen Kleinod nimmt sich Regisseur Robert Schwentke eines in den Lichtspielhäusern bislang kaum besprochenen Sujets an und wählt als Protagonisten den Deserteur Willi Herold, der 1945 durch Zufall in Besitz einer Hauptmann-Uniform gelangte. Was folgt ist eine Köpenickiade der besonderen Art, die sich mehr als cineastischer Essay und ästhetische Grenzerfahrung denn als filmischer Geschichtsunterricht verstanden wissen will. In Schwarz-Weiß erzählt Schwentke, wie Herold die Autorität, die ihm die Hauptmann-Uniform verlieh, ausnutzte, um versprengte deutsche Soldaten an sich zu binden und ein unerbittliches Killerkommando zu formen, welches in den zwei Wochen vor Kriegsende entsetzliche Gräueltaten beging.
Obwohl das Narrativ von "Der Hauptmann" zeitlich chronologisch verläuft, verweigert sich Schwentke von Anfang an einer klassischen Erzähldramaturgie. Wer Herold ist, was ihn zum Deserteur machte und was im Folgenden seine Motivation sein wird, bleibt im Dunkeln. Schwenkte ist nicht an spezifischen Menschen interessiert, sondern an der menschlichen Natur selbst, für die seine Figuren als Platzhalter dienen. Gleich zu Beginn, wenn Herold in seiner frischen Uniform zum ersten Mal einem anderen Soldaten begegnet und dieser sich ihm schlagartig blind unterordnet, gelingt ihm eine brillant einfache Analogie zum Faschismus, in dessen Herzen sein psychologisch präzises Werk mit jeder Minute tiefer vordringt. Die Odyssee in die Untiefen faschistischer Mechanismen gerät ihm gerade deshalb so eindrucksvoll, weil sie seitens der Regie nahezu völlig unkommentiert bleiben. "Der Hauptmann" lässt als künstlerisches Werk keine eigene Betrachtung seiner filminternen Geschehnisse erkennen, im Gegenteil: Eine zynische, kritische oder überhaupt subjektive Perspektive bleibt außenvor. Die famose Kameraarbeit von Florian Ballhaus verliert sich in totaler Nüchternheit. Nicht selten verwendet er die Gott-Perspektive, bei der die Kamera von weit oben auf das Geschehen blickt. Auch die Entscheidung, in Schwarz-Weiß zu filmen sorgt für zusätzliche Abstrahierung des Geschehens. Jede Handlung im Film wirkt stilisiert, überhöht, bringt aber dadurch die Hässlichkeit der Aktionen umso deutlicher zum Vorschein.
Dieser Kontrast zwischen betonter Objektivität und extrem künstlerischer Umsetzung sorgt für einen bemerkenswert verstörenden Sog, der seine Eskalationsstufen in klare Bilder verpackt. Spätestens als die "Leibgarde Herold" im Strafgefangenenlager Aschendorfermoor einfallen, wird die Sichtung des Films zur unaushaltbaren Tortur. Mit Stilmitteln der Groteske nähert sich Schwentke den Brutalitäten seines 21-jährigen Protagonisten, der auch vor Massenerschießungen nicht zurückschreckt, um seine Gnadenlosigkeit zu untermauern. Dabei verwirklicht er einen Tötungsrausch, der morbide und explizit visualisiert wird. Gefangene werden von Sturmgewehren durchsiebt und in Stücke gerissen. In eindrucksvollen Totalen, die sich blitzschnell mit sensiblen Nahaufnahmen abwechseln, brilliert Max Hubacher in der enorm schwierigen Titelrolle, die ihn eine Palette an Zwischentönen zugesteht. Zunächst porträtiert er Herold als einen notgedrungenen Schauspieler, der in Folge immer mehr mit seiner Rolle verschmilzt. Seine furchtbare Entwicklung offenbart einen tiefen Blick in das pervertierte Gesellschaftssystem kurz vor Kriegsende. Seine verabscheuungswürdigen Taten rechtfertigt er vollkommen absurd mit einem fiktiven Sonderbefehl des Führers, der allerdings nie wirklich hinterfragt wird. An Hubachers Seite gefallen besonders Frederick Lau als ungestümer Soldat sowie Milan Peschel in der Rolle des zerrissenen Gefolgsmanns Freytag, der sich im Gefangenenlager dennoch irgendwann die Hände schmutzig machen wird. Identifikationspersonen bietet Schwentke keine und verzichtet so auf Klischees, sondern stellt seine inszenatorische Intensität über die Zuschauerbefriedigung.
Die Tatsache, dass der Film auf historischen Tatsachen beruht, macht "Der Hauptmann" nur umso unbequemer und lässt ihn später beinahe zur Qual reifen. Filmisch gesehen ist das hochgradig exquisit, weil es nie dem Irrtum erliegt, eine vergangene Geschichte altmodisch erzählen zu müssen. "Der Hauptmann" ist ein moderner Film aus dem Jahre 2017 und nutzt moderne Mittel ohne Berührungsängste, um zu veranschaulichen, welche Irrwege der menschliche Überlebensinstinkt zu gehen bereit ist. Einem klaren Genre ist dieser beinahe filmtheoretische Ansatz nicht zuzuordnen, es mischen sich plakative Exploitationsszenerien mit künstlerisch surrealen Metaphern. Sadismus und Menschenverachtung ließen sich anders auch nicht verpacken, zumal Schwentke wissentlich auf dem schmalen Grad zwischen Abstoßung und Faszination wandelt und die Grenze des Erträglichen bereits malträtiert. Auf intelligente Weise referiert er so auch sozial-philosophisch über die Gegenwart: Die psychopathische Indoktrinierung eines Menschen durch Macht darf als zeitlose Parabel verstanden werden, das Wirken der Männer im Vernichtungskrieg verdeutlicht, wozu die menschliche Natur im Stande ist, wenn sie durch keine äußeren Zwänge mehr gebunden ist. Herold und seine Bande töten, weil sie es können, weil keiner sie aufzuhalten gedenkt. Dazu passt auch die betont anachronistische Musikuntermalung von Martin Todsharow, der meisterhaft mechanische Industrial-Klänge nutzt, um die fortwährende Abstumpfung des humanistischen Selbst ästhetisch nach außen zu kehren.
Fazit: "Der Hauptmann" ist eine anstrengende, teils unerträgliche Erfahrung nach historischen Fakten, welche als Melange aus stilisiertem Historienfilm, künstlerischer Reflexion und bissigem Gegenwartskommentar funktioniert und meisterhaft den Zuschauer aufzurütteln weiß. So wird der Blick auf ein vielen unbekanntes Kapitel der deutschen Kriegsvergangenheit gerichtet, welche heute wissenschaftlich angenehm entlastend oft als "Endphaseverbrechen" tituliert werden. Willi Herold, auch "Der Henker vom Emsland" genannt, dient dabei selbst nur als Aufmacher für einen erweiterten Themenkatalog über ein Land in Agonie, der allein durch cineastische Mittel seine Ausschraffierung erhält. Selten ist Kino so schmerzlich - und gerade deshalb so unbedingt sehenswert.
An filmischer Aufarbeitung des Nationalsozialismus mangelt es dem deutschen Kino nicht, doch in diese Sparte will "Der Hauptmann" nicht so recht passen. Mit jenem filmischen Kleinod nimmt sich Regisseur Robert Schwentke eines in den Lichtspielhäusern bislang kaum besprochenen Sujets an und wählt als Protagonisten den Deserteur Willi Herold, der 1945 durch Zufall in Besitz einer Hauptmann-Uniform gelangte. Was folgt ist eine Köpenickiade der besonderen Art, die sich mehr als cineastischer Essay und ästhetische Grenzerfahrung denn als filmischer Geschichtsunterricht verstanden wissen will. In Schwarz-Weiß erzählt Schwentke, wie Herold die Autorität, die ihm die Hauptmann-Uniform verlieh, ausnutzte, um versprengte deutsche Soldaten an sich zu binden und ein unerbittliches Killerkommando zu formen, welches in den zwei Wochen vor Kriegsende entsetzliche Gräueltaten beging.
Obwohl das Narrativ von "Der Hauptmann" zeitlich chronologisch verläuft, verweigert sich Schwentke von Anfang an einer klassischen Erzähldramaturgie. Wer Herold ist, was ihn zum Deserteur machte und was im Folgenden seine Motivation sein wird, bleibt im Dunkeln. Schwenkte ist nicht an spezifischen Menschen interessiert, sondern an der menschlichen Natur selbst, für die seine Figuren als Platzhalter dienen. Gleich zu Beginn, wenn Herold in seiner frischen Uniform zum ersten Mal einem anderen Soldaten begegnet und dieser sich ihm schlagartig blind unterordnet, gelingt ihm eine brillant einfache Analogie zum Faschismus, in dessen Herzen sein psychologisch präzises Werk mit jeder Minute tiefer vordringt. Die Odyssee in die Untiefen faschistischer Mechanismen gerät ihm gerade deshalb so eindrucksvoll, weil sie seitens der Regie nahezu völlig unkommentiert bleiben. "Der Hauptmann" lässt als künstlerisches Werk keine eigene Betrachtung seiner filminternen Geschehnisse erkennen, im Gegenteil: Eine zynische, kritische oder überhaupt subjektive Perspektive bleibt außenvor. Die famose Kameraarbeit von Florian Ballhaus verliert sich in totaler Nüchternheit. Nicht selten verwendet er die Gott-Perspektive, bei der die Kamera von weit oben auf das Geschehen blickt. Auch die Entscheidung, in Schwarz-Weiß zu filmen sorgt für zusätzliche Abstrahierung des Geschehens. Jede Handlung im Film wirkt stilisiert, überhöht, bringt aber dadurch die Hässlichkeit der Aktionen umso deutlicher zum Vorschein.
Dieser Kontrast zwischen betonter Objektivität und extrem künstlerischer Umsetzung sorgt für einen bemerkenswert verstörenden Sog, der seine Eskalationsstufen in klare Bilder verpackt. Spätestens als die "Leibgarde Herold" im Strafgefangenenlager Aschendorfermoor einfallen, wird die Sichtung des Films zur unaushaltbaren Tortur. Mit Stilmitteln der Groteske nähert sich Schwentke den Brutalitäten seines 21-jährigen Protagonisten, der auch vor Massenerschießungen nicht zurückschreckt, um seine Gnadenlosigkeit zu untermauern. Dabei verwirklicht er einen Tötungsrausch, der morbide und explizit visualisiert wird. Gefangene werden von Sturmgewehren durchsiebt und in Stücke gerissen. In eindrucksvollen Totalen, die sich blitzschnell mit sensiblen Nahaufnahmen abwechseln, brilliert Max Hubacher in der enorm schwierigen Titelrolle, die ihn eine Palette an Zwischentönen zugesteht. Zunächst porträtiert er Herold als einen notgedrungenen Schauspieler, der in Folge immer mehr mit seiner Rolle verschmilzt. Seine furchtbare Entwicklung offenbart einen tiefen Blick in das pervertierte Gesellschaftssystem kurz vor Kriegsende. Seine verabscheuungswürdigen Taten rechtfertigt er vollkommen absurd mit einem fiktiven Sonderbefehl des Führers, der allerdings nie wirklich hinterfragt wird. An Hubachers Seite gefallen besonders Frederick Lau als ungestümer Soldat sowie Milan Peschel in der Rolle des zerrissenen Gefolgsmanns Freytag, der sich im Gefangenenlager dennoch irgendwann die Hände schmutzig machen wird. Identifikationspersonen bietet Schwentke keine und verzichtet so auf Klischees, sondern stellt seine inszenatorische Intensität über die Zuschauerbefriedigung.
Die Tatsache, dass der Film auf historischen Tatsachen beruht, macht "Der Hauptmann" nur umso unbequemer und lässt ihn später beinahe zur Qual reifen. Filmisch gesehen ist das hochgradig exquisit, weil es nie dem Irrtum erliegt, eine vergangene Geschichte altmodisch erzählen zu müssen. "Der Hauptmann" ist ein moderner Film aus dem Jahre 2017 und nutzt moderne Mittel ohne Berührungsängste, um zu veranschaulichen, welche Irrwege der menschliche Überlebensinstinkt zu gehen bereit ist. Einem klaren Genre ist dieser beinahe filmtheoretische Ansatz nicht zuzuordnen, es mischen sich plakative Exploitationsszenerien mit künstlerisch surrealen Metaphern. Sadismus und Menschenverachtung ließen sich anders auch nicht verpacken, zumal Schwentke wissentlich auf dem schmalen Grad zwischen Abstoßung und Faszination wandelt und die Grenze des Erträglichen bereits malträtiert. Auf intelligente Weise referiert er so auch sozial-philosophisch über die Gegenwart: Die psychopathische Indoktrinierung eines Menschen durch Macht darf als zeitlose Parabel verstanden werden, das Wirken der Männer im Vernichtungskrieg verdeutlicht, wozu die menschliche Natur im Stande ist, wenn sie durch keine äußeren Zwänge mehr gebunden ist. Herold und seine Bande töten, weil sie es können, weil keiner sie aufzuhalten gedenkt. Dazu passt auch die betont anachronistische Musikuntermalung von Martin Todsharow, der meisterhaft mechanische Industrial-Klänge nutzt, um die fortwährende Abstumpfung des humanistischen Selbst ästhetisch nach außen zu kehren.
Fazit: "Der Hauptmann" ist eine anstrengende, teils unerträgliche Erfahrung nach historischen Fakten, welche als Melange aus stilisiertem Historienfilm, künstlerischer Reflexion und bissigem Gegenwartskommentar funktioniert und meisterhaft den Zuschauer aufzurütteln weiß. So wird der Blick auf ein vielen unbekanntes Kapitel der deutschen Kriegsvergangenheit gerichtet, welche heute wissenschaftlich angenehm entlastend oft als "Endphaseverbrechen" tituliert werden. Willi Herold, auch "Der Henker vom Emsland" genannt, dient dabei selbst nur als Aufmacher für einen erweiterten Themenkatalog über ein Land in Agonie, der allein durch cineastische Mittel seine Ausschraffierung erhält. Selten ist Kino so schmerzlich - und gerade deshalb so unbedingt sehenswert.
The Sound of Silence
A Quiet Place
In seiner rohen Essenz ist das Kino als Kunstform ein ausschließlich visuelles Medium. Als der narrative Film in seinen Anfängen war, unterschied ihn gerade das vom etablierteren Theater. Während dort der Blick des Publikums starr nach vorne auf eine unbewegliche Bühne gerichtet ist, in der Darsteller und Kulisse operieren, ist beim Film das Auge des Zuschauers lenkbar. Die Montagetechnik erlaubt es dem Regisseur, den Fokus ganz eigenmächtig zu bestimmen. So können komplexe Emotionen ganz ohne Ton über das reine Filmhandwerk erzeugt werden. "A Quiet Place" von John Krasinski kann mit diesem Gedanken im Hinterkopf glatt als Rückkehr zu den Ursprüngen des Mediums gesehen werden. Der Thriller bemächtigt sich eines gar avantgardistischen Tons: Die meiste Zeit herrscht Stille. Popcorn- und Nacho-Konsumenten müssen hier leider draußen bleiben.
Das Konzept ist denkbar einfach und funktioniert ohne große Erklärungen: In einer dystopischen Welt haben blinde außerirdische Wesen weite Teile der menschlichen Zivilisation ausgelöscht. Die übrigen Überlebenden müssen nur auf eine Sache achten, um nicht ebenfalls blitzschnell von den überdimensionalen Wesen eliminiert zu werden: Sie dürfen kein Geräusch machen. Die Biester können einen Menschen zwar nicht wittern, reagieren aber allergisch auf jede Form von Ton. Mit dieser Prämisse setzt Krasinski ein Zeichen im allgegenwärtigen akustischen Overkill des modernen Blockbuster-Kinos aus dem Jahre 2018 und erzeugt maximale filmische Immersion durch Reduktion der technischen Mittel. Mit der rein auf die Bildarbeit konzentrierten Komposition knüpft er reizvoll an die Urinstinkte der menschlichen Natur an: Wäre es die normale Reaktion im Augenblick der Gefahr, schlagartig die Flucht zu ergreifen, müssen die Protagonisten hier ihre Reflexe unterdrücken und erstarrt verharren, in der stillen Hoffnung, die Monster mögen einfach an ihnen vorbeiziehen. Das Sounddesign des Films ist schlicht meisterhaft: Jedes noch so kleine Geräusch geht durch Mark und Bein, und einer der größten Schockeffekte ist daher ein Moment, als von einer ruhigen Wanderung zu einem reißenden Bach geschnitten wird. Die Atmosphäre dieser aural leblosen Welt ist ungebrochen und absolut präzise konstruiert. Krasinskis Regie spielt so auch mit dem Zuschauer, der sich selbst dazu ermahnen muss, das Spiel um die Stille mitzuspielen, da jedes Nebengeräusch den Effekt beschädigen würde. Fantastisch, wie leicht man noch im 21. Jahrhundert ohne großen Aufwand das Kinopublikum in das eigene Film-Konzept einbinden kann.
Weshalb "A Quiet Place" wirklich sehenswert gerät, ist darin begründet, dass Krasinski sein Konzept nicht verwässert, sondern auch inhaltlich durchzieht. Ohne erklärende Elemente wie einen Voice-over-Kommentare oder Rückblenden in die Zeit vor der Alien-Invasion gerät sein World Building nur über die Kamera. In vielen bemerkenswerten Details zeichnet er eine stimmige geräuschlose Umgebung, die einen selbst darüber reflektieren lässt, wie vielen Geräuschen man im Alltag ausgesetzt ist, ohne sie bewusst wahrzunehmen. Faszinierend fällt das deshalb aus, weil ein Plot als solcher nicht existiert und sich die Erzählung als unglamourös und nicht global entpuppt. Im Mittelpunkt steht lediglich das alltägliche Überleben einer typischen US-amerikanischen Familie, die mit Mann, Frau, Tochter und Sohn auf einer Farm ihr trostloses Dasein fristen, wobei Krasinski und Gattin Emily Blunt gleich selbst die Hauptrollen bekleiden. Eine kluge Entscheidung, denn besonders Blunt ist grandios darin, all ihre Emotionen und charakterlichen Nuancen nur über die Mimik und den spärlichen Einsatz von (untertitelter) Zeichenspache auszudrücken. Besondere Brisanz kriegt diese Familienkonstellation einerseits durch die Schwangerschaft von Blunts Figur wie durch die Tatsache, dass die Tochter des Paares gehörlos ist (gespielt von der tatsächlich gehörlosen Millicent Simmonds). Doch bis auf wenige dramaturgische Zuspitzungen bleibt "A Quiet Place" erfreulich unprätentiös und versteht sich ganz als verheißungsvoller 90-minütiger Survival-Trip.
Die große Freude, die hier ein Kinobesuch mit sich bringt, ist das Gemeinschaftsempfinden beim gemeinsamen Schweigen, welches dazu zwingt, auf jedes akustische und visuelle Detail genau zu achten. Zum Glück ist das durchaus lohnend, da so einige tolle Ideen beobachtet werden können wie Monopoly-Spielfiguren aus Watte oder essbare Teller, die nicht zerbrechen können und außerdem nicht abgewaschen werden müssen. Natürlich geraten einige Spannungsmomente im letzten Drittel, die eine (in diesem Szenario undenkbare) Klimax suggerieren, etwas plakativer, doch auf Horrorfilm-Effekte wie Jumpscares verzichtet die Regie, da solche das Ambiente nur ad absurdum führen würden. Wenn es zum Knall kommt, dann folgen darauf stets unmittelbare und sehr bittere Konsequenzen. Einzig der Soundtrack von Marco Beltrami darf als extradiegetisches Mittel auch dann tönen, wenn Stille vorherrschend ist und weiß dennoch auch gerade damit gekonnt für Verunsicherung zu sorgen. Im Rahmen der nachdenklichen Ruhe gelingt so eine erfreuliche Annäherung an menschliche Triebe. Besonders deutlich wird das in einem der wenigen Dialoge, als Blunt und Krasinski sich in einem unterirdischen Raum verstecken. Blunt betont, dass die beiden egal was passiert ihre Kinder beschützen müssten. Was wären sie für Eltern, wenn sie das nicht könnten? Die Welt um sie herum mag untergegangen sein, doch in Extremsituationen rückt der Mensch gerade deswegen eng zusammen. Eine angenehm existenzialistische Note, die auch nach dem Ende noch nachhallt.
Fazit: Mit "A Quite Place" findet John Krasinski den idealen Mittelweg zwischen Genre-Thrill und Experimentalfilm und erreicht eine spannende cineastische Auseinandersetzung mit der Urgewalt des Kinos. Die innovative Idee funktioniert erfreulicherweise ganz ohne breite Erklärungen, ohne sich nur für diese eine Filmerzählung konstruiert anzufühlen. Man ist sich sicher, dass es Erklärungen für die Offenheiten des Filmuniversums gibt, sie können nur dank der tödlichen Kreaturen nicht ausgesprochen werden. Ein gemeinsamer Kinobesuch kann hier angesichts des gemeinsamen Ausgesetztseins rasch zur eigenwilligen Erfahrung werden. Es bleibt, sich mehr solcher kreativen Ideen für das Kino zu wünschen - und abzuwarten, ob "A Quiet Place" der üblichen Hollywood-Logik folgend zum Franchise aufgebaut und sein Konzept als Saga ausgeschlachtet und verwässert wird. Potenzieller Sequel-Titel: "A Not So Quiet Place Anymore".
In seiner rohen Essenz ist das Kino als Kunstform ein ausschließlich visuelles Medium. Als der narrative Film in seinen Anfängen war, unterschied ihn gerade das vom etablierteren Theater. Während dort der Blick des Publikums starr nach vorne auf eine unbewegliche Bühne gerichtet ist, in der Darsteller und Kulisse operieren, ist beim Film das Auge des Zuschauers lenkbar. Die Montagetechnik erlaubt es dem Regisseur, den Fokus ganz eigenmächtig zu bestimmen. So können komplexe Emotionen ganz ohne Ton über das reine Filmhandwerk erzeugt werden. "A Quiet Place" von John Krasinski kann mit diesem Gedanken im Hinterkopf glatt als Rückkehr zu den Ursprüngen des Mediums gesehen werden. Der Thriller bemächtigt sich eines gar avantgardistischen Tons: Die meiste Zeit herrscht Stille. Popcorn- und Nacho-Konsumenten müssen hier leider draußen bleiben.
Das Konzept ist denkbar einfach und funktioniert ohne große Erklärungen: In einer dystopischen Welt haben blinde außerirdische Wesen weite Teile der menschlichen Zivilisation ausgelöscht. Die übrigen Überlebenden müssen nur auf eine Sache achten, um nicht ebenfalls blitzschnell von den überdimensionalen Wesen eliminiert zu werden: Sie dürfen kein Geräusch machen. Die Biester können einen Menschen zwar nicht wittern, reagieren aber allergisch auf jede Form von Ton. Mit dieser Prämisse setzt Krasinski ein Zeichen im allgegenwärtigen akustischen Overkill des modernen Blockbuster-Kinos aus dem Jahre 2018 und erzeugt maximale filmische Immersion durch Reduktion der technischen Mittel. Mit der rein auf die Bildarbeit konzentrierten Komposition knüpft er reizvoll an die Urinstinkte der menschlichen Natur an: Wäre es die normale Reaktion im Augenblick der Gefahr, schlagartig die Flucht zu ergreifen, müssen die Protagonisten hier ihre Reflexe unterdrücken und erstarrt verharren, in der stillen Hoffnung, die Monster mögen einfach an ihnen vorbeiziehen. Das Sounddesign des Films ist schlicht meisterhaft: Jedes noch so kleine Geräusch geht durch Mark und Bein, und einer der größten Schockeffekte ist daher ein Moment, als von einer ruhigen Wanderung zu einem reißenden Bach geschnitten wird. Die Atmosphäre dieser aural leblosen Welt ist ungebrochen und absolut präzise konstruiert. Krasinskis Regie spielt so auch mit dem Zuschauer, der sich selbst dazu ermahnen muss, das Spiel um die Stille mitzuspielen, da jedes Nebengeräusch den Effekt beschädigen würde. Fantastisch, wie leicht man noch im 21. Jahrhundert ohne großen Aufwand das Kinopublikum in das eigene Film-Konzept einbinden kann.
Weshalb "A Quiet Place" wirklich sehenswert gerät, ist darin begründet, dass Krasinski sein Konzept nicht verwässert, sondern auch inhaltlich durchzieht. Ohne erklärende Elemente wie einen Voice-over-Kommentare oder Rückblenden in die Zeit vor der Alien-Invasion gerät sein World Building nur über die Kamera. In vielen bemerkenswerten Details zeichnet er eine stimmige geräuschlose Umgebung, die einen selbst darüber reflektieren lässt, wie vielen Geräuschen man im Alltag ausgesetzt ist, ohne sie bewusst wahrzunehmen. Faszinierend fällt das deshalb aus, weil ein Plot als solcher nicht existiert und sich die Erzählung als unglamourös und nicht global entpuppt. Im Mittelpunkt steht lediglich das alltägliche Überleben einer typischen US-amerikanischen Familie, die mit Mann, Frau, Tochter und Sohn auf einer Farm ihr trostloses Dasein fristen, wobei Krasinski und Gattin Emily Blunt gleich selbst die Hauptrollen bekleiden. Eine kluge Entscheidung, denn besonders Blunt ist grandios darin, all ihre Emotionen und charakterlichen Nuancen nur über die Mimik und den spärlichen Einsatz von (untertitelter) Zeichenspache auszudrücken. Besondere Brisanz kriegt diese Familienkonstellation einerseits durch die Schwangerschaft von Blunts Figur wie durch die Tatsache, dass die Tochter des Paares gehörlos ist (gespielt von der tatsächlich gehörlosen Millicent Simmonds). Doch bis auf wenige dramaturgische Zuspitzungen bleibt "A Quiet Place" erfreulich unprätentiös und versteht sich ganz als verheißungsvoller 90-minütiger Survival-Trip.
Die große Freude, die hier ein Kinobesuch mit sich bringt, ist das Gemeinschaftsempfinden beim gemeinsamen Schweigen, welches dazu zwingt, auf jedes akustische und visuelle Detail genau zu achten. Zum Glück ist das durchaus lohnend, da so einige tolle Ideen beobachtet werden können wie Monopoly-Spielfiguren aus Watte oder essbare Teller, die nicht zerbrechen können und außerdem nicht abgewaschen werden müssen. Natürlich geraten einige Spannungsmomente im letzten Drittel, die eine (in diesem Szenario undenkbare) Klimax suggerieren, etwas plakativer, doch auf Horrorfilm-Effekte wie Jumpscares verzichtet die Regie, da solche das Ambiente nur ad absurdum führen würden. Wenn es zum Knall kommt, dann folgen darauf stets unmittelbare und sehr bittere Konsequenzen. Einzig der Soundtrack von Marco Beltrami darf als extradiegetisches Mittel auch dann tönen, wenn Stille vorherrschend ist und weiß dennoch auch gerade damit gekonnt für Verunsicherung zu sorgen. Im Rahmen der nachdenklichen Ruhe gelingt so eine erfreuliche Annäherung an menschliche Triebe. Besonders deutlich wird das in einem der wenigen Dialoge, als Blunt und Krasinski sich in einem unterirdischen Raum verstecken. Blunt betont, dass die beiden egal was passiert ihre Kinder beschützen müssten. Was wären sie für Eltern, wenn sie das nicht könnten? Die Welt um sie herum mag untergegangen sein, doch in Extremsituationen rückt der Mensch gerade deswegen eng zusammen. Eine angenehm existenzialistische Note, die auch nach dem Ende noch nachhallt.
Fazit: Mit "A Quite Place" findet John Krasinski den idealen Mittelweg zwischen Genre-Thrill und Experimentalfilm und erreicht eine spannende cineastische Auseinandersetzung mit der Urgewalt des Kinos. Die innovative Idee funktioniert erfreulicherweise ganz ohne breite Erklärungen, ohne sich nur für diese eine Filmerzählung konstruiert anzufühlen. Man ist sich sicher, dass es Erklärungen für die Offenheiten des Filmuniversums gibt, sie können nur dank der tödlichen Kreaturen nicht ausgesprochen werden. Ein gemeinsamer Kinobesuch kann hier angesichts des gemeinsamen Ausgesetztseins rasch zur eigenwilligen Erfahrung werden. Es bleibt, sich mehr solcher kreativen Ideen für das Kino zu wünschen - und abzuwarten, ob "A Quiet Place" der üblichen Hollywood-Logik folgend zum Franchise aufgebaut und sein Konzept als Saga ausgeschlachtet und verwässert wird. Potenzieller Sequel-Titel: "A Not So Quiet Place Anymore".
Re: The Sound of Silence
Hatte dem auch 8/10 gegeben.
Jo ;)Wallnuss hat geschrieben:Es bleibt, sich mehr solcher kreativen Ideen für das Kino zu wünschen - und abzuwarten, ob "A Quiet Place" der üblichen Hollywood-Logik folgend zum Franchise aufgebaut und sein Konzept als Saga ausgeschlachtet und verwässert wird. Potenzieller Sequel-Titel: "A Not So Quiet Place Anymore".
'A Quiet Place' Sequel Moving Ahead at Paramount
Paramount is moving ahead with a sequel to A Quiet Place, the hit horror film that has earned more than $213 million at the worldwide box office to date, including $134.8 million in North America.
(...)
A Quiet Place was a much-needed success for Paramount, which has endured a tough run at the box office for more than a year. It is the first film that went into production after Gianopulos — who formerly ran Fox — arrived at the studio.
(...)
"If you told me five years ago that an almost silent film starring the very funny guy Jim from The Office would have been a hit at Paramount, I would have said, 'Well, I should go work at Paramount,'" Gianopulos told the crowd.
(...)
A Quiet Place cost $17 million to make, meaning it will be hugely profitable. The film has defied box-office expectations, even overtaking the big-budget Dwayne Johnson pic Rampage last weekend to come in No. 1 in its third weekend (it opened at No. 1, while coming in No. 2 behind Rampage in its second outing). Platinum Dunes' Andrew Form and Brad Fuller produced.
(HollywoodReporter.com)
Angeschnauzt: Da wird der Hund auf der Insel verrückt!
Isle of Dogs
Zumindest einen Vorwurf kann man dem neuen Film von Wes Anderson, der in Stop-Motion-Animationen eine knuffige Abenteuergeschichte aus der Tierwelt erzählt, machen: Katzen könnten sich ganz schön beleidigt fühlen, so stereotyp und bösartig wie sie hier dargestellt werden. Nicht umsonst hat Anderson seinen Film "Isle of Dogs" genannt, was phonetisch wie "I love Dogs" klingt. Der beste Freund des Menschen steht hier im Mittelpunkt, doch eigentlich will "Isle of Dogs" auch etwas über seine Herrchen erzählen. Man könnte ihn beinahe als politischen Kinderfilm einstufen, sehr wohl aber als Fabel, in der der Regisseur mit seiner Vorliebe für Symmetrie der Intoleranz den Krieg erklärt. Ein kleiner Schritt für einen Filmmacher, aber ein großer Schritt für die Vierbeiner?
Bevor man etwas über die Geschichte des Films erzählt, muss man direkt eine wichtige Empfehlung ausschrieben: Wer komplexe Stop-Motion-Animationen liebt und ein Faible für detailreich gestaltete Filmwelten hat, ist bei "Isle of Dogs" genau richtig. Das dystopische Japan, die unterschiedlichen Hunderassen, die fantastischen Kostüme der Menschen oder die grandiosen Landschaften, die durch Tsunamis und andere Naturkatastrophen gezeichnet sind: Derart präzises, fantasiehaftes World Building hat in diesem Metier so noch keiner betrieben. Anderson gelingt nicht weniger als ein logistisches Meisterwerk voller Ehrfurcht, aber auch selbstironischer Annäherung an die japanische Kultur und seine filmischen Vorbilder. Insbesondere Akira Kurosawa zitiert nicht nur die Kamera, sondern auch das rhythmische Getrommel von Filmkomponist Alexandre Desplat am laufenden Band, doch auch weniger bekannte Künstler, wie etwa Farbholzschnitt-Meister Utagawa Hiroshige dienten überdeutlich zur Inspiration. All diese Mittel stellt Anderson streng in den Dienst seiner Geschichte, die er bekanntlich am liebsten in symmetrischen Bildeinstellungen erzählt, in denen die Kamera seitlich durch die Szenerie gleitet und die Plastizität der Animationen so fast wieder zweidimensional erscheint. Die Handlung selbst könnte man fast als Archestoff des Abenteuerkinos bezeichnen: Der kleine Junge Atari stürzt mit seiner Propellermaschine auf "Trash Island", der Insel der Hunde, ab, um dort seinen verschollenen Hund zu suchen. Bei seiner Odyssee über die Insel, auf die sämtliche Hunde Japans wegen der Überpopulation der Vierbeiner verbannt wurden, helfen ihm vor allem fünf tierische Gefährten - angeführt vom menschenfeindlichen Streuner Chief, der mit "I don't sit - I bite" sich selbst am besten beschreiben kann.
Was nun folgt, ist im besten Sinne kindliches Entdecker-Kino. Obwohl Atari aufgrund seiner japanischen Sprache (im Gegenteil zum (für den Zuschauer) übersetzten Bellen der Hunde) wie ein Fremdkörper in der Heldenbande wirkt, ist es eine Freude, die Gruppe miteinander interagieren zu sehen, zumal Anderson den Hunden das Mittel der Selbstreflexion gibt und sie höchst amüsant ihre eigene Existenz überdenken lässt. So wissen die größtenteils ehemaligen Schoßhunde schon, dass sie eigentlich zu einem Herrchen gehören. Doch auf ihre Herrchen ist auf dem durch Anti-Hunde-Propaganda verseuchten Festland kein Verlass mehr. Sie sind Under-Dogs, die Ungewollten. Es fällt nicht schwer, das politische Potenzial und die Bannbreite dieser Allegorie zu entziffern. Fast schon überdeutlich artikuliert "Isle of Dogs" sein Anliegen. Wenn etwa Machtinhaber Kobayashi wie die Stop-Motion-Adaption eines japanischen Donald Trumps inszeniert wird oder Aufnahmen vom Schicksal der Hunde auf "Trash Island" in ihrer Ästhetik an Fernsehberichte über das Schicksal von Flüchtlingen auf Lampedusa erinnern, verleiht das der unterhaltsamen Show einen sehr ernsten Unterton. Nicht zuletzt dank toller Voice Actor kann Anderson sich darauf verlassen, dass diese moralischen Aspekte auch emotional beim Zuschauer ankommen. Edward Norton, Scarlett Johansson, Bill Murray oder Jeff Goldblum machen einen tollen Job, wobei insbesondere Bryan Cranston in der Hauptrolle Chief dermaßen intensiv den rebellischen Hundeanführer mit Leben füllt, dass alleine seinetwegen eine Sichtung der englischen Tonspur zu empfehlen wäre. All diese Sprecherleistungen, die zwischen zynisch, patzig und sentimental angelegt sind, unterstreichen den verschrobenen Tonfall, der alleine für einen gelungenen Kinobesuch ausreicht.
Nur manchmal schlägt der Regisseur über die Stränge, überschätzt den Gehalt seiner Erzählung und scheint im letzten Drittel nicht alle Aspekte der gesellschaftskritischen Metaphern durchdacht zu haben. Wenn schließlich eine US-amerikanische Austauschschülerin den katzenliebenden Kobayashi-Clan und sein totalitäres Regime zu Fall bringt, und den Japanern Toleranz und Demokratie vermittelt, verpufft die aufgebaute Donald-Trump-Kritik vor lauter Inkonsequenz mit fadem Beigeschmack. Bei einer langen Szene in einer Art Konzentrationslager für Hunde, bei welchem auch visuell mehrmals explizit auf das Lager von Auschwitz angespielt wird, vergreift sich "Isle of Dogs" dann völlig in Ton und Geschmack. Leider versagt es Anderson auch zum Ende hin, die zauberhaften Eigenschaften eines Kinderfilms zu bewahren und vergisst "unterwegs" gar einige zentral eingeführte Charaktere, weil er allzu sehr auf eine klar verständliche Botschaft setzen will. Übrig bleibt der Eindruck von Staunen, darüber, wie dieser Film und seine Welt wohl ausgesehen hätte, wenn sie Realität wären. Und Staunen darüber, dass "Isle of Dogs" trotz seiner dramaturgischen und strukturellen Probleme inszenatorisch wie aus einem Guss wirkt und mit Leichtigkeit eine Vielzahl an visuellen Spielereien (u.a. Split-Screen-Verfahren und Subjektive Kamerafahrten) glaubhaft durch die eskapistische, extrem stilisierte Animationswelt bugsiert.
Fazit: Hasst Wes Anderson Katzen? An dieser Stelle kann nur gemutmaßt werden. Sicher ist hingegen: Wes Anderson liebt Hunde. Vielleicht muss "Isle of Dogs" daher auch unter einem ganz anderen Licht gesehen werden. Ob man nun die japanische Kultur für würdevoll oder klischeehaft gezeichnet hält, ob man die politische Seite der Handlung als geglückt oder prätentiös hält, ob man die Sprecherleistungen authentisch oder übertrieben findet oder ob man die Abenteuergeschichte als angenehm kindlich oder unangemessen naiv erachtet: Eine so detailreiche Liebeserklärung an des Menschen liebstes Haustier lief lange nicht mehr in den Kinos. Atari lernt, was Franz von Assisi einst so treffend formulierte: "Der Hund ist dir im Sturme treu, der Mensch nicht mal im Winde."
Zumindest einen Vorwurf kann man dem neuen Film von Wes Anderson, der in Stop-Motion-Animationen eine knuffige Abenteuergeschichte aus der Tierwelt erzählt, machen: Katzen könnten sich ganz schön beleidigt fühlen, so stereotyp und bösartig wie sie hier dargestellt werden. Nicht umsonst hat Anderson seinen Film "Isle of Dogs" genannt, was phonetisch wie "I love Dogs" klingt. Der beste Freund des Menschen steht hier im Mittelpunkt, doch eigentlich will "Isle of Dogs" auch etwas über seine Herrchen erzählen. Man könnte ihn beinahe als politischen Kinderfilm einstufen, sehr wohl aber als Fabel, in der der Regisseur mit seiner Vorliebe für Symmetrie der Intoleranz den Krieg erklärt. Ein kleiner Schritt für einen Filmmacher, aber ein großer Schritt für die Vierbeiner?
Bevor man etwas über die Geschichte des Films erzählt, muss man direkt eine wichtige Empfehlung ausschrieben: Wer komplexe Stop-Motion-Animationen liebt und ein Faible für detailreich gestaltete Filmwelten hat, ist bei "Isle of Dogs" genau richtig. Das dystopische Japan, die unterschiedlichen Hunderassen, die fantastischen Kostüme der Menschen oder die grandiosen Landschaften, die durch Tsunamis und andere Naturkatastrophen gezeichnet sind: Derart präzises, fantasiehaftes World Building hat in diesem Metier so noch keiner betrieben. Anderson gelingt nicht weniger als ein logistisches Meisterwerk voller Ehrfurcht, aber auch selbstironischer Annäherung an die japanische Kultur und seine filmischen Vorbilder. Insbesondere Akira Kurosawa zitiert nicht nur die Kamera, sondern auch das rhythmische Getrommel von Filmkomponist Alexandre Desplat am laufenden Band, doch auch weniger bekannte Künstler, wie etwa Farbholzschnitt-Meister Utagawa Hiroshige dienten überdeutlich zur Inspiration. All diese Mittel stellt Anderson streng in den Dienst seiner Geschichte, die er bekanntlich am liebsten in symmetrischen Bildeinstellungen erzählt, in denen die Kamera seitlich durch die Szenerie gleitet und die Plastizität der Animationen so fast wieder zweidimensional erscheint. Die Handlung selbst könnte man fast als Archestoff des Abenteuerkinos bezeichnen: Der kleine Junge Atari stürzt mit seiner Propellermaschine auf "Trash Island", der Insel der Hunde, ab, um dort seinen verschollenen Hund zu suchen. Bei seiner Odyssee über die Insel, auf die sämtliche Hunde Japans wegen der Überpopulation der Vierbeiner verbannt wurden, helfen ihm vor allem fünf tierische Gefährten - angeführt vom menschenfeindlichen Streuner Chief, der mit "I don't sit - I bite" sich selbst am besten beschreiben kann.
Was nun folgt, ist im besten Sinne kindliches Entdecker-Kino. Obwohl Atari aufgrund seiner japanischen Sprache (im Gegenteil zum (für den Zuschauer) übersetzten Bellen der Hunde) wie ein Fremdkörper in der Heldenbande wirkt, ist es eine Freude, die Gruppe miteinander interagieren zu sehen, zumal Anderson den Hunden das Mittel der Selbstreflexion gibt und sie höchst amüsant ihre eigene Existenz überdenken lässt. So wissen die größtenteils ehemaligen Schoßhunde schon, dass sie eigentlich zu einem Herrchen gehören. Doch auf ihre Herrchen ist auf dem durch Anti-Hunde-Propaganda verseuchten Festland kein Verlass mehr. Sie sind Under-Dogs, die Ungewollten. Es fällt nicht schwer, das politische Potenzial und die Bannbreite dieser Allegorie zu entziffern. Fast schon überdeutlich artikuliert "Isle of Dogs" sein Anliegen. Wenn etwa Machtinhaber Kobayashi wie die Stop-Motion-Adaption eines japanischen Donald Trumps inszeniert wird oder Aufnahmen vom Schicksal der Hunde auf "Trash Island" in ihrer Ästhetik an Fernsehberichte über das Schicksal von Flüchtlingen auf Lampedusa erinnern, verleiht das der unterhaltsamen Show einen sehr ernsten Unterton. Nicht zuletzt dank toller Voice Actor kann Anderson sich darauf verlassen, dass diese moralischen Aspekte auch emotional beim Zuschauer ankommen. Edward Norton, Scarlett Johansson, Bill Murray oder Jeff Goldblum machen einen tollen Job, wobei insbesondere Bryan Cranston in der Hauptrolle Chief dermaßen intensiv den rebellischen Hundeanführer mit Leben füllt, dass alleine seinetwegen eine Sichtung der englischen Tonspur zu empfehlen wäre. All diese Sprecherleistungen, die zwischen zynisch, patzig und sentimental angelegt sind, unterstreichen den verschrobenen Tonfall, der alleine für einen gelungenen Kinobesuch ausreicht.
Nur manchmal schlägt der Regisseur über die Stränge, überschätzt den Gehalt seiner Erzählung und scheint im letzten Drittel nicht alle Aspekte der gesellschaftskritischen Metaphern durchdacht zu haben. Wenn schließlich eine US-amerikanische Austauschschülerin den katzenliebenden Kobayashi-Clan und sein totalitäres Regime zu Fall bringt, und den Japanern Toleranz und Demokratie vermittelt, verpufft die aufgebaute Donald-Trump-Kritik vor lauter Inkonsequenz mit fadem Beigeschmack. Bei einer langen Szene in einer Art Konzentrationslager für Hunde, bei welchem auch visuell mehrmals explizit auf das Lager von Auschwitz angespielt wird, vergreift sich "Isle of Dogs" dann völlig in Ton und Geschmack. Leider versagt es Anderson auch zum Ende hin, die zauberhaften Eigenschaften eines Kinderfilms zu bewahren und vergisst "unterwegs" gar einige zentral eingeführte Charaktere, weil er allzu sehr auf eine klar verständliche Botschaft setzen will. Übrig bleibt der Eindruck von Staunen, darüber, wie dieser Film und seine Welt wohl ausgesehen hätte, wenn sie Realität wären. Und Staunen darüber, dass "Isle of Dogs" trotz seiner dramaturgischen und strukturellen Probleme inszenatorisch wie aus einem Guss wirkt und mit Leichtigkeit eine Vielzahl an visuellen Spielereien (u.a. Split-Screen-Verfahren und Subjektive Kamerafahrten) glaubhaft durch die eskapistische, extrem stilisierte Animationswelt bugsiert.
Fazit: Hasst Wes Anderson Katzen? An dieser Stelle kann nur gemutmaßt werden. Sicher ist hingegen: Wes Anderson liebt Hunde. Vielleicht muss "Isle of Dogs" daher auch unter einem ganz anderen Licht gesehen werden. Ob man nun die japanische Kultur für würdevoll oder klischeehaft gezeichnet hält, ob man die politische Seite der Handlung als geglückt oder prätentiös hält, ob man die Sprecherleistungen authentisch oder übertrieben findet oder ob man die Abenteuergeschichte als angenehm kindlich oder unangemessen naiv erachtet: Eine so detailreiche Liebeserklärung an des Menschen liebstes Haustier lief lange nicht mehr in den Kinos. Atari lernt, was Franz von Assisi einst so treffend formulierte: "Der Hund ist dir im Sturme treu, der Mensch nicht mal im Winde."
Wenn ich einmal schlank wär... Wi di wi di bum
I Feel Pretty
Manche Geschichten sind offenbar nie auserzählt. So etwa auch die alte Mär vom Aschenputtel. Da zieht das verhasste Stieftöchterlein nachts das Feenstaub-Kleid über, hockelt mal schnell in den Ballsaal und angelt sich den süßen Prinzen. Klar: Es ist nicht das Kleid, dass auch dem Aschenputtel einen besseren Menschen macht. Es ist ihr neu gewonnenes Selbstwertgefühl. Diese Erkenntnis überliefert das Regie-Duo Abby Kohn und Marc Silverstein nun mit "I Feel Pretty" ins 21. Jahrhundert - und folgen dabei einem modernen feministischen Trend: Body Positivity. Das Mantra: Jeder Mensch ist schön. Jeder Körper ist ein Bikini-Körper. Doch für Renee, gespielt von US-Komikerin Amy Schumer, ist diese Sichtweise verheerend, denn sie erlangt ihre neue Souveränität nicht durch Auto-Suggestion, sondern durch einen Schlag auf den Kopf...
Dieser eine Schlag reicht aus und schon sieht sich die junge Frau mit anderen Augen. War sie eben noch ein Mauerblümchen über dem Idealgewicht, glaubt sie nun, mit perfekten Modelmaßen durchs Leben zu gehen und hält sich wie selbstverständlich für eine atemberaubende Schönheit, der die Männer natürlich nur zu Füßen liegen können. Doof nur, dass der Rest der Welt weiterhin die unveränderte Renee vor sich sieht. Und so wandelt das komödiantische Korsett der Erzählung in Märchensprache gesprochen irgendwo zwischen Aschenputtel und dem hässlichen Entlein - und ist gerade deshalb so ärgerlich. Denn eigentlich wäre es wirklich wichtig und wünschenswert, dass Hollywood sich auch filmisch mit dem Diktat der Oberflächlichkeit auseinandersetzt, unter dem viele Frauen heute leiden. Immerhin ist die Traumfabrik an genau diesem Phänomen nicht so ganz unschuldig, haben doch gerade die in US-Filmen geprägten Schönheitsideale den Selfie-Zeitgeist moderner Generationen maßgeblich geprägt. Und zwischenzeitlich könnte man sogar vermuchen, dass Silverstein & Kohl sich darüber im Klaren sind, dass sie gar mehr im Sinn haben, als die üblichen flachen Witze und amüsantes Geplänkel. Wenn Renee ihre Freundinnen etwa belehrt, dass es im Online Dating nur auf das Foto und nicht auf die Profilbeschreibung ankomme, könnte dies mit gutem Willen als Sozialkritik interpretiert werden. Doch mit zunehmender Laufzeit nehmen dererlei Töne immer mehr ab, auch, weil der Plot maßgeblich um den narzistischen Ego-Trip der Hauptfigur konstruiert ist, der Renee leider nur wenig sympathische Töne zugesteht.
Amy Schumer mag sich voll und ganz vor der Kamera verausgaben, ihre Eskapaden geraten im Laufe der etwas anderen Verwechslungsgeschichte leider selten sonderlich witzig, dafür umso mehr gehörig heuchlerisch. Zu oft resultiert der Humor daraus, dass Renee Reaktionen ihrer Umwelt für sich beansprucht, die angesichts ihrer körperlichen Maße unberechtig erscheinen. Sollte die Moral doch sein, dass es egal ist, wie das Umfeld einen sieht, sagt "I Feel Pretty" genau das Gegenteil dessen, was er eigentlich verkünden wollte. Nicht, dass wahre Schönheit von Innen kommt, sondern Schönheit durch eine äußere Betrachtung beschlossen wird. In den viel zu langen 110 Minuten beißen sich daher immer wieder übler Motivationskitsch mit noch üblerem "Bodyshaming". Die Regie lacht nicht mit, sondern über Renee. So ist es fast zynisch, wenn Kohn & Silverstein später durch eine unterforderte Michelle Williams mit piepsiger Heidi-Klum-Gedächtnisstimme veranschaulichen wollen, dass auch die "wirklich schönen" Frauen Probleme mit sich haben können. Da hilft es nur wenig, dass die Message sich für eine Komödie erschreckend ernst nimmt: "I Feel Pretty" ist ein Ratgeber mit Denkfehler, der stetig das kritisiert, was er für billige Lacher und Fäkalhumor kurz darauf selbst ebenfalls betreibt. Schumer selbst ist gar das einzige Element des Films, dass gelegentlich für etwas Klasse aufblitzen lässt. Im Gegensatz zum Film als künstlerisches Gesamtwerk nimmt man ihr die engagierte Grundhaltung voll und ganz ab.
Jener Elan ist es, der "I Feel Pretty" fehlt und den Schumer mitbringt. In ihren Bühnenprogrammen echauffierte sie sich einst darüber, dass Frauen mit ausgiebigem Sexualleben umgehend als "Schlampen" bezeichnet werden würden. Hier gibt sie die Schönheitskönigin per unbemerkter Selbst-Imagination mit Verve und Charisma. Auch ihre Chemie mit ihrem Love Interest Rory Scovel funktioniert besser als es verdient wäre - und überhaupt gefällt, dass mit Scovel auch ein körperlich durchschnittlicher Typ Mann besetzt wurde und auf dieses Aschenputtel eben nicht der unwiderstehliche Märchenprinz wartet. In den gemeinsamen Szenen der beiden blitzt auf, wie die Komödie wohl ausgesehen hätte, wenn ihr Herz am rechten Fleck gewesen wäre. Dort lassen sich nämlich Ansätze erkennen, unaufgeregt das alltägliche Liebesleben der US-Mittelschicht abbilden zu wollen. Momente, in denen auch der Score von Michael Andrews angenehm dezent bleibt, ohne sich aufzuspielen. Leider sind dies nur Momentaufnahmen, deren Understatement durch Verzicht auf humoritische Überspitzung nicht ewig während darf, da sie allesamt gleichströmig auf Renees zweites Hirntrauma und ihr schlussendliches "Gnothi seauton" zusteuern müssen. Es bleibt schwer zu glauben, dass bei dem abschließenden Schlussplädoyer für Selbstakzeptanz noch irgendwer aktiv genug dabei sein sollte, um den im Kern lobenswerten Inhalten mehr als ein gleichgültiges Nicken zu widmen.
Fazit: Mehrfach betrachtet Renee sich selbst im Spiegel, so als wolle sie fragen: "Spieglein, Spieglein, an der Wand: Wer ist die Schönste im ganzen Land?" Der hintergründigste Witz von "I Feel Pretty" ist, dass es nicht der Spiegel ist, der Renee ihr wahres Äußeres zeigt, sondern sie in sich selbst blicken muss. Bis dahin ist es jedoch ein weiter Weg, der daran krankt, dass Renees egomanischer Selbstfindungstrip auf Kosten der Gefühle ihrer Freundinnen kaum empathischen Zugang zu ihr ermöglicht und sich die Regie eher darin gefällt, ihre "unverdiente" Zuneigung zu Gunsten von Lachern zu opfern - etwa, wenn die Ärmste sich bei einem Bikini-Wettbewerb neben schlanken Beach-Girls zur Schau stellt. Offenbar ist eben doch nicht jeder Körper ein Bikini-Körper. Schade, denn so gerät dieser überhebliche Film zur peinlichen Farce voll des Fremdschämens, der mit Amy Schumer und Michelle Williams gehörig Darsteller-Potenzial verschwendet und dem als Statement nur die bahnbrechende Neuigkeit vergönnt ist, dass Frauen über Kleidergröße 34 auch liebenswert sind. Um sich schön zu fühlen, brauchen sie aber natürlich erst einen Schlag auf den Kopf...
Manche Geschichten sind offenbar nie auserzählt. So etwa auch die alte Mär vom Aschenputtel. Da zieht das verhasste Stieftöchterlein nachts das Feenstaub-Kleid über, hockelt mal schnell in den Ballsaal und angelt sich den süßen Prinzen. Klar: Es ist nicht das Kleid, dass auch dem Aschenputtel einen besseren Menschen macht. Es ist ihr neu gewonnenes Selbstwertgefühl. Diese Erkenntnis überliefert das Regie-Duo Abby Kohn und Marc Silverstein nun mit "I Feel Pretty" ins 21. Jahrhundert - und folgen dabei einem modernen feministischen Trend: Body Positivity. Das Mantra: Jeder Mensch ist schön. Jeder Körper ist ein Bikini-Körper. Doch für Renee, gespielt von US-Komikerin Amy Schumer, ist diese Sichtweise verheerend, denn sie erlangt ihre neue Souveränität nicht durch Auto-Suggestion, sondern durch einen Schlag auf den Kopf...
Dieser eine Schlag reicht aus und schon sieht sich die junge Frau mit anderen Augen. War sie eben noch ein Mauerblümchen über dem Idealgewicht, glaubt sie nun, mit perfekten Modelmaßen durchs Leben zu gehen und hält sich wie selbstverständlich für eine atemberaubende Schönheit, der die Männer natürlich nur zu Füßen liegen können. Doof nur, dass der Rest der Welt weiterhin die unveränderte Renee vor sich sieht. Und so wandelt das komödiantische Korsett der Erzählung in Märchensprache gesprochen irgendwo zwischen Aschenputtel und dem hässlichen Entlein - und ist gerade deshalb so ärgerlich. Denn eigentlich wäre es wirklich wichtig und wünschenswert, dass Hollywood sich auch filmisch mit dem Diktat der Oberflächlichkeit auseinandersetzt, unter dem viele Frauen heute leiden. Immerhin ist die Traumfabrik an genau diesem Phänomen nicht so ganz unschuldig, haben doch gerade die in US-Filmen geprägten Schönheitsideale den Selfie-Zeitgeist moderner Generationen maßgeblich geprägt. Und zwischenzeitlich könnte man sogar vermuchen, dass Silverstein & Kohl sich darüber im Klaren sind, dass sie gar mehr im Sinn haben, als die üblichen flachen Witze und amüsantes Geplänkel. Wenn Renee ihre Freundinnen etwa belehrt, dass es im Online Dating nur auf das Foto und nicht auf die Profilbeschreibung ankomme, könnte dies mit gutem Willen als Sozialkritik interpretiert werden. Doch mit zunehmender Laufzeit nehmen dererlei Töne immer mehr ab, auch, weil der Plot maßgeblich um den narzistischen Ego-Trip der Hauptfigur konstruiert ist, der Renee leider nur wenig sympathische Töne zugesteht.
Amy Schumer mag sich voll und ganz vor der Kamera verausgaben, ihre Eskapaden geraten im Laufe der etwas anderen Verwechslungsgeschichte leider selten sonderlich witzig, dafür umso mehr gehörig heuchlerisch. Zu oft resultiert der Humor daraus, dass Renee Reaktionen ihrer Umwelt für sich beansprucht, die angesichts ihrer körperlichen Maße unberechtig erscheinen. Sollte die Moral doch sein, dass es egal ist, wie das Umfeld einen sieht, sagt "I Feel Pretty" genau das Gegenteil dessen, was er eigentlich verkünden wollte. Nicht, dass wahre Schönheit von Innen kommt, sondern Schönheit durch eine äußere Betrachtung beschlossen wird. In den viel zu langen 110 Minuten beißen sich daher immer wieder übler Motivationskitsch mit noch üblerem "Bodyshaming". Die Regie lacht nicht mit, sondern über Renee. So ist es fast zynisch, wenn Kohn & Silverstein später durch eine unterforderte Michelle Williams mit piepsiger Heidi-Klum-Gedächtnisstimme veranschaulichen wollen, dass auch die "wirklich schönen" Frauen Probleme mit sich haben können. Da hilft es nur wenig, dass die Message sich für eine Komödie erschreckend ernst nimmt: "I Feel Pretty" ist ein Ratgeber mit Denkfehler, der stetig das kritisiert, was er für billige Lacher und Fäkalhumor kurz darauf selbst ebenfalls betreibt. Schumer selbst ist gar das einzige Element des Films, dass gelegentlich für etwas Klasse aufblitzen lässt. Im Gegensatz zum Film als künstlerisches Gesamtwerk nimmt man ihr die engagierte Grundhaltung voll und ganz ab.
Jener Elan ist es, der "I Feel Pretty" fehlt und den Schumer mitbringt. In ihren Bühnenprogrammen echauffierte sie sich einst darüber, dass Frauen mit ausgiebigem Sexualleben umgehend als "Schlampen" bezeichnet werden würden. Hier gibt sie die Schönheitskönigin per unbemerkter Selbst-Imagination mit Verve und Charisma. Auch ihre Chemie mit ihrem Love Interest Rory Scovel funktioniert besser als es verdient wäre - und überhaupt gefällt, dass mit Scovel auch ein körperlich durchschnittlicher Typ Mann besetzt wurde und auf dieses Aschenputtel eben nicht der unwiderstehliche Märchenprinz wartet. In den gemeinsamen Szenen der beiden blitzt auf, wie die Komödie wohl ausgesehen hätte, wenn ihr Herz am rechten Fleck gewesen wäre. Dort lassen sich nämlich Ansätze erkennen, unaufgeregt das alltägliche Liebesleben der US-Mittelschicht abbilden zu wollen. Momente, in denen auch der Score von Michael Andrews angenehm dezent bleibt, ohne sich aufzuspielen. Leider sind dies nur Momentaufnahmen, deren Understatement durch Verzicht auf humoritische Überspitzung nicht ewig während darf, da sie allesamt gleichströmig auf Renees zweites Hirntrauma und ihr schlussendliches "Gnothi seauton" zusteuern müssen. Es bleibt schwer zu glauben, dass bei dem abschließenden Schlussplädoyer für Selbstakzeptanz noch irgendwer aktiv genug dabei sein sollte, um den im Kern lobenswerten Inhalten mehr als ein gleichgültiges Nicken zu widmen.
Fazit: Mehrfach betrachtet Renee sich selbst im Spiegel, so als wolle sie fragen: "Spieglein, Spieglein, an der Wand: Wer ist die Schönste im ganzen Land?" Der hintergründigste Witz von "I Feel Pretty" ist, dass es nicht der Spiegel ist, der Renee ihr wahres Äußeres zeigt, sondern sie in sich selbst blicken muss. Bis dahin ist es jedoch ein weiter Weg, der daran krankt, dass Renees egomanischer Selbstfindungstrip auf Kosten der Gefühle ihrer Freundinnen kaum empathischen Zugang zu ihr ermöglicht und sich die Regie eher darin gefällt, ihre "unverdiente" Zuneigung zu Gunsten von Lachern zu opfern - etwa, wenn die Ärmste sich bei einem Bikini-Wettbewerb neben schlanken Beach-Girls zur Schau stellt. Offenbar ist eben doch nicht jeder Körper ein Bikini-Körper. Schade, denn so gerät dieser überhebliche Film zur peinlichen Farce voll des Fremdschämens, der mit Amy Schumer und Michelle Williams gehörig Darsteller-Potenzial verschwendet und dem als Statement nur die bahnbrechende Neuigkeit vergönnt ist, dass Frauen über Kleidergröße 34 auch liebenswert sind. Um sich schön zu fühlen, brauchen sie aber natürlich erst einen Schlag auf den Kopf...
Han im Glück: Die Entzauberung einer Leinwandlegende
Solo: A Star Wars Story
Als wir Han Solo im allerersten "Star Wars" von 1977 zum ersten Mal treffen, wird der Weltraum-Cowboy gerade vom grünhäutigen Kopfgeldjäger Greedo in der Cantina auf dem Wüstenplaneten Tattooine festgenagelt. Eloquent versucht er sich aus der Situation zu quatschen. Da fällt plötzlich ein Schuss: Greedo kippt leblos auf den Tisch, Solo steht auf und geht kaltschnäuzig davon. Eine Ikone war geboren! Han Solo ist Harrison Ford und für nicht wenige sind er und Wookie-Kumpel Chewbacca das eigentliche Herz des "Star Wars"-Universums. Vorfreude kam daher erstmal verhalten auf, als Disney ankündigte, im Zuge der neuen "Star Wars"-Offensive ein Prequel über den kauzigen Space-Eastwood zu produzieren. Als dann auch noch während der Dreharbeiten das eigentliche Regie-Duo gefeuert wurde und Gerüchte aufkamen, Hauptdarsteller Alden Ehrenreich habe noch am Set Schauspielunterricht nehmen müssen, schien Hans berühmtester Spruch den Fans aus der Seele zu sprechen: "I have a bad feeling about this."
Sein größtes Problem teilt "Solo: A Star Wars Story" mit der Star-Wars-Prequeltrilogie von George Lucas. Spätestens, als der zehnjährige Lausbub Anakin Skywalker von seiner Mom mit "Anni" gerufen wurden, war für viele Zuschauer der Schritt zur Entmystifizierung seines späteren Alter Egos Darth Vader getan. Und auch "Solo" scheint einen Haufen Fragen zu beantworten, die sich nicht nur vorab niemand gestellt hat, sondern die die mysteriöse Aura der Solo-Figur enorm beschädigen: Wieso heißt Han mit Nachnamen eigentlich Solo? Wie haben er und Chewbacca sich kennen gelernt? Wann kam er in den Besitz seines legendären Millennium Falken? Und warum kann der Falke in Gefahrensituationen eine richtige Diva sein? Hierin offenbart sich das große Problem des wenig überzeugenden Films: Die Vorgeschichte der Han-Figur wird wie eine Strichliste abgearbeitet, ohne eine für sich stehend starke Geschichte zu erzählen. Einzelne Sätze aus den originalen "Star Wars"-Filmen werden so zu riesigen Actiongefechten aufgeblasen. Erwähnte Solo im 77er Original, dass er den Kessel-Flug in unter 12 Parsec geflogen sei, muss dieser hier als bildgewaltiges Action-Setpiece seine epische Entsprechung finden. Mitreißend oder befriedigend ist das wenig, auch weil "Solo" zu wenig Arbeit in seine Charaktere investiert. Die Freundschaft zwischen Han und Chewbacca wird in Windeseile beschlossen und sämtliche Nebencharaktere müssen sich beständig dem Prequel-Charakter unterordnen. Die angedeutete Affäre zwischen Han und seiner Herzdame Qi'ra ist im Hinblick auf sein zukünftiges Anbandeln mit einer bestimmten Weltraumprinzessin ohnehin zum Scheitern verurteilt.
All das ist deshalb schade, weil Ron Howard, der auf dem Regiestuhl nach dem Rausschmiss des unerfahrenen Comedy-Duos Phil Lord und Chris Miller kurzfristig Platz nahm und weite Teile des Films unter Zeitdruck neudrehen musste, durchaus fähig ist, eine eigene Bildsprache für "seinen" Film zu finden und gemeinsam mit Kameramann Bradford Young den visuell bodenständigsten Film der Space Opera zu Tage bringt, was besonders in Actionszenen für unerwartete Plastizität sorgt. Klarer Höhepunkt des Films ist daher eine frühe Heist-Movie-artige Sequenz, in der Han und Kumpanen einen Hochgeschwindigkeitszug zu überfallen versuchen und in der "Star Wars" kurz zu seinen Sci-Fi-Western-Ursprüngen zurückfindet. Doch im weiteren Verlauf mangelt es schmerzlich an echten Identifikationsfiguren. Die Auftritte von Paul Bettany oder Thandie Newton wirken, als hätte man beiden spontan Rollen geschrieben, damit sie sich Kindheitsträume erfüllen können. Emilia Clarke bleibt als Qi'ra unverschämt blass und konturlos, Woody Harrelson spielt auf Sparflamme. Am schlimmsten ist jedoch wie vorab befürchtet die Besetzung von Alden Ehrenreich in der Titelrolle. Ohne jedes Charisma und mimisch extrem eingeschränkt ist er für keine Sekunde als Antiheld glaubwürdig - der Vergleich mit Harrison Ford verbietet sich da sowieso. Einzig Donald Glover als junge Version von Hans Rivalen Lando ist ein Lichtblick, weiß er doch mit all dem zu glänzen, was Ehrenreich abgeht: Autorität, Charme und Raffinesse.
Es mutet ironisch an, dass der Solo-Film über den größten Trotzkopf der Galaxis der bislang biederste Beitrag zum Franchise geworden ist. Neu und aufregend ist an "Solo" eigentlich nichts - und genau das war scheinbar beabsichtigt. Das triumphale "Rückkehr"-Gefühl der Neubelebung der Reihe von 2015 ist längst verflogen und während es dem Spin-Off-Ableger "Rogue One" trotz aller Schwächen wenigstens gelang, mit seiner martialischen Kriegshandlung neue Wege im Sternenkrieg zu gehen, ist "Solo" routinierte Actionunterhaltung, aber auch überdeutlich hörbar am blutleeren Score von John Powell schrecklich uninspiriert. Howards Film wird nie den Verdacht los, ein Lückenfüller für eine Lücke zu sein, die eigentlich gar nicht da war. Im unangenehmen Sinne zeigt "Solo" das Problem der pausenlosen Dauerbefeuerung des Franchise durch Disney auf, bei dem jedes Jahr ein neuer "Star Wars"-Film erscheinen muss. Alles ist laut, aber völlig egal und schnell vergessen. "Solo" ist ein nur kurzfristiges Intermezzo, der "Star Wars" um das Erhabene beraubt und die Wagnisse des nur 6 Monate vorher in den Kinos gestarteten "Star Wars: Die letzten Jedi" vermissen lässt. Extrem ärgerlich gerät so der Schluss, als ein ominöser Cameo einer berühmten "Star Wars"-Figur klar macht, dass "Solo" seine Konflikte nicht zufriedenstellend beendet, sondern lieber auf mögliche Fortsetzungen verschiebt. Im Franchise-Kontext bleibt "Solo" so nicht mehr als ein Witz - leider einer ohne Pointe.
Fazit: Wer einfach nur seine jährliche Dosis Sternenkrieg braucht, den wird es nicht stören, wenn Ron Howard mit "Solo: A Star Wars Story" zwar kompetente Unterhaltung liefert, dem Film-Mythos aber nichts wesentliches hinzufügt. Der Rest wird sich fragen, ob es diesen Film gebraucht hat, der nicht nur die Figur Solo entmystifiziert, sondern auch ihre Charakterentwicklung der Originaltrilogie vorweg nimmt. Das erinnert an George Lucas "Special Edition" genannte Überarbeitungen von 1997. Per CGI korrigierte er seine Meilensteine - und fügte unter anderem ein, dass nun in der Cantina auf Tattooine Greedo zuerst schoss, bevor Han ihn in Notwehr tötet. Fans waren über diese Änderung so erboßt, dass sie unter dem Schlachtruf "Han shot first" versuchten, eine Rückänderung zum Original zu erzwingen. Dieser Fraktion muss leider gesagt werden: Der Han Solo von Alden Ehrenreich ist definitiv der, der zurückschießt - und nicht als erster.
Als wir Han Solo im allerersten "Star Wars" von 1977 zum ersten Mal treffen, wird der Weltraum-Cowboy gerade vom grünhäutigen Kopfgeldjäger Greedo in der Cantina auf dem Wüstenplaneten Tattooine festgenagelt. Eloquent versucht er sich aus der Situation zu quatschen. Da fällt plötzlich ein Schuss: Greedo kippt leblos auf den Tisch, Solo steht auf und geht kaltschnäuzig davon. Eine Ikone war geboren! Han Solo ist Harrison Ford und für nicht wenige sind er und Wookie-Kumpel Chewbacca das eigentliche Herz des "Star Wars"-Universums. Vorfreude kam daher erstmal verhalten auf, als Disney ankündigte, im Zuge der neuen "Star Wars"-Offensive ein Prequel über den kauzigen Space-Eastwood zu produzieren. Als dann auch noch während der Dreharbeiten das eigentliche Regie-Duo gefeuert wurde und Gerüchte aufkamen, Hauptdarsteller Alden Ehrenreich habe noch am Set Schauspielunterricht nehmen müssen, schien Hans berühmtester Spruch den Fans aus der Seele zu sprechen: "I have a bad feeling about this."
Sein größtes Problem teilt "Solo: A Star Wars Story" mit der Star-Wars-Prequeltrilogie von George Lucas. Spätestens, als der zehnjährige Lausbub Anakin Skywalker von seiner Mom mit "Anni" gerufen wurden, war für viele Zuschauer der Schritt zur Entmystifizierung seines späteren Alter Egos Darth Vader getan. Und auch "Solo" scheint einen Haufen Fragen zu beantworten, die sich nicht nur vorab niemand gestellt hat, sondern die die mysteriöse Aura der Solo-Figur enorm beschädigen: Wieso heißt Han mit Nachnamen eigentlich Solo? Wie haben er und Chewbacca sich kennen gelernt? Wann kam er in den Besitz seines legendären Millennium Falken? Und warum kann der Falke in Gefahrensituationen eine richtige Diva sein? Hierin offenbart sich das große Problem des wenig überzeugenden Films: Die Vorgeschichte der Han-Figur wird wie eine Strichliste abgearbeitet, ohne eine für sich stehend starke Geschichte zu erzählen. Einzelne Sätze aus den originalen "Star Wars"-Filmen werden so zu riesigen Actiongefechten aufgeblasen. Erwähnte Solo im 77er Original, dass er den Kessel-Flug in unter 12 Parsec geflogen sei, muss dieser hier als bildgewaltiges Action-Setpiece seine epische Entsprechung finden. Mitreißend oder befriedigend ist das wenig, auch weil "Solo" zu wenig Arbeit in seine Charaktere investiert. Die Freundschaft zwischen Han und Chewbacca wird in Windeseile beschlossen und sämtliche Nebencharaktere müssen sich beständig dem Prequel-Charakter unterordnen. Die angedeutete Affäre zwischen Han und seiner Herzdame Qi'ra ist im Hinblick auf sein zukünftiges Anbandeln mit einer bestimmten Weltraumprinzessin ohnehin zum Scheitern verurteilt.
All das ist deshalb schade, weil Ron Howard, der auf dem Regiestuhl nach dem Rausschmiss des unerfahrenen Comedy-Duos Phil Lord und Chris Miller kurzfristig Platz nahm und weite Teile des Films unter Zeitdruck neudrehen musste, durchaus fähig ist, eine eigene Bildsprache für "seinen" Film zu finden und gemeinsam mit Kameramann Bradford Young den visuell bodenständigsten Film der Space Opera zu Tage bringt, was besonders in Actionszenen für unerwartete Plastizität sorgt. Klarer Höhepunkt des Films ist daher eine frühe Heist-Movie-artige Sequenz, in der Han und Kumpanen einen Hochgeschwindigkeitszug zu überfallen versuchen und in der "Star Wars" kurz zu seinen Sci-Fi-Western-Ursprüngen zurückfindet. Doch im weiteren Verlauf mangelt es schmerzlich an echten Identifikationsfiguren. Die Auftritte von Paul Bettany oder Thandie Newton wirken, als hätte man beiden spontan Rollen geschrieben, damit sie sich Kindheitsträume erfüllen können. Emilia Clarke bleibt als Qi'ra unverschämt blass und konturlos, Woody Harrelson spielt auf Sparflamme. Am schlimmsten ist jedoch wie vorab befürchtet die Besetzung von Alden Ehrenreich in der Titelrolle. Ohne jedes Charisma und mimisch extrem eingeschränkt ist er für keine Sekunde als Antiheld glaubwürdig - der Vergleich mit Harrison Ford verbietet sich da sowieso. Einzig Donald Glover als junge Version von Hans Rivalen Lando ist ein Lichtblick, weiß er doch mit all dem zu glänzen, was Ehrenreich abgeht: Autorität, Charme und Raffinesse.
Es mutet ironisch an, dass der Solo-Film über den größten Trotzkopf der Galaxis der bislang biederste Beitrag zum Franchise geworden ist. Neu und aufregend ist an "Solo" eigentlich nichts - und genau das war scheinbar beabsichtigt. Das triumphale "Rückkehr"-Gefühl der Neubelebung der Reihe von 2015 ist längst verflogen und während es dem Spin-Off-Ableger "Rogue One" trotz aller Schwächen wenigstens gelang, mit seiner martialischen Kriegshandlung neue Wege im Sternenkrieg zu gehen, ist "Solo" routinierte Actionunterhaltung, aber auch überdeutlich hörbar am blutleeren Score von John Powell schrecklich uninspiriert. Howards Film wird nie den Verdacht los, ein Lückenfüller für eine Lücke zu sein, die eigentlich gar nicht da war. Im unangenehmen Sinne zeigt "Solo" das Problem der pausenlosen Dauerbefeuerung des Franchise durch Disney auf, bei dem jedes Jahr ein neuer "Star Wars"-Film erscheinen muss. Alles ist laut, aber völlig egal und schnell vergessen. "Solo" ist ein nur kurzfristiges Intermezzo, der "Star Wars" um das Erhabene beraubt und die Wagnisse des nur 6 Monate vorher in den Kinos gestarteten "Star Wars: Die letzten Jedi" vermissen lässt. Extrem ärgerlich gerät so der Schluss, als ein ominöser Cameo einer berühmten "Star Wars"-Figur klar macht, dass "Solo" seine Konflikte nicht zufriedenstellend beendet, sondern lieber auf mögliche Fortsetzungen verschiebt. Im Franchise-Kontext bleibt "Solo" so nicht mehr als ein Witz - leider einer ohne Pointe.
Fazit: Wer einfach nur seine jährliche Dosis Sternenkrieg braucht, den wird es nicht stören, wenn Ron Howard mit "Solo: A Star Wars Story" zwar kompetente Unterhaltung liefert, dem Film-Mythos aber nichts wesentliches hinzufügt. Der Rest wird sich fragen, ob es diesen Film gebraucht hat, der nicht nur die Figur Solo entmystifiziert, sondern auch ihre Charakterentwicklung der Originaltrilogie vorweg nimmt. Das erinnert an George Lucas "Special Edition" genannte Überarbeitungen von 1997. Per CGI korrigierte er seine Meilensteine - und fügte unter anderem ein, dass nun in der Cantina auf Tattooine Greedo zuerst schoss, bevor Han ihn in Notwehr tötet. Fans waren über diese Änderung so erboßt, dass sie unter dem Schlachtruf "Han shot first" versuchten, eine Rückänderung zum Original zu erzwingen. Dieser Fraktion muss leider gesagt werden: Der Han Solo von Alden Ehrenreich ist definitiv der, der zurückschießt - und nicht als erster.
Seit Star Wars I-III ist doch klar, dass man Star Wars IV-VI nicht mehr wiederholen kann. Die Magie werden die nie wieder einfangen können. Meine Erwartungen sind seitdem ähnlich wie die an Marvelfilme: Leichtes Popcorn-Kino und tendenziell eher von durchschnittlicher Qualität, wobei ab und zu mal ein Glückstreffer möglich sein könnte.
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