Mit „Was wäre, wenn“-Rhetorik aus der Suspense-Schule versucht uns Vera Farmiga in der Trailer-Schlüsselszene noch einmal für einen Liam Neeson im Affekt-Modus zu begeistern, aber irgendwie mag man nicht mehr so gerne mit ihm in ein Transportmittel steigen. Sein Modell eines Actionhelden hat sich einfach überlebt. Man weiß, wie er tickt und was er unternehmen wird, um seinen anfangs noch unsichtbaren Feind langsam einzukreisen, zu identifizieren und auszuschalten. Ob das Ganze nun in einer exotischen Stadt, in einem Flugzeug oder in einem Zug passiert, ändert zunächst einmal nichts an der Methodik; erst recht nicht, wenn schon wieder Jaume Collet-Serra auf dem Regiestuhl sitzt.
Der hat nämlich 2016 mit dem beachtlichen „The Shallows“ erstmals seit 2009 („The Orphan“) wieder einen Film ohne seinen Lieblings-Hauptdarsteller gedreht. „The Commuter“ wirft also beide Parteien wieder zurück in alte Muster, denn der Zugthriller ist nichts anderes als ein Unterhaltungsprodukt von der Stange, eines, das bloß mehr vom gleichen bedeutet.
Aber vielleicht sollte man auch nicht zu streng sein, denn handwerklich überzeugt das Puzzlespiel im Zugabteil mit einer raffinierten Kameraführung, die den Ablenkungsmanövern bei der Vorführung eines Zaubertricks ähnelt. Verdächtige werden von der Linse dezent aufs Korn genommen, Personen und Gegenstände langfristig beobachtet. Abweichungen von Routinen werden registriert und überprüft, Fahrgäste genau unter die Lupe genommen. Etwas Akrobatik im, neben und unter dem fahrenden Filmset sorgt für die auflockernden Action-Highlights. Hitchcocks „Eine Dame verschwindet“ und „Der Fremde im Zug“ sind als Einflüsse unmittelbar präsent. Das Versager-Profil, das Neeson in der Einführung noch verpasst wird, hält sich aufgrund seiner smarten Entscheidungen in der Extremsituation nicht lange – wir haben es mal wieder mit einem waschechten Helden zu tun, der aber zuerst unpopuläre Entscheidungen treffen muss, um den Tag zu retten.
Als man sich im Endabschnitt so manche „Entgleisung“ erlaubt, wird der primitive Guilty-Pleasure-Kern endgültig offengelegt. Überraschend kommt das nicht. Zurück bleibt eine gewisse Leere; so unterhaltsam „The Commuter“ geraten ist (unterhaltsamer auch als der fast identisch ablaufende „Non-Stop“), man hätte ihn im Grunde auch auslassen können und wüsste trotzdem alles über die Paarung Collet-Serra/Neeson, was es zu wissen gibt.
