
Autor: Paul Jenkins
Zeichner: Ashley Wood
Buchdesign: Brent Ashe
Lettering: Michael Beck
Seiten: 64





“Wenn Sie seit 20 Jahren keinen Comic mehr gelesen haben, lesen Sie diesen und Sie werden ihre Meinung darüber, was Comics sein können, ändern.”
So ließ Todd McFarlane, bekannt für seine fast revolutionäre Neuinterpretation von “Spider-Man” und schließlich für seine dämonische Eigenkreation “Spawn”, über die bis dato ambitionierteste Auskopplung der regulären “Spawn”-Serie verlauten. Mit Contest-Gewinner Ashley Wood als Zeichner und Paul Jenkins als Autoren glaubte McFarlane das optimale Team gefunden zu haben, Spawn von der Ikonenhaftigkeit seines (Anti-)Superheldendaseins zu befreien und ihn auf seine eigentlichen Wurzeln zu reduzieren, nämlich auf die Zerrissenheit seines Wesens. Zu diesem Zweck sollte Spawn mehr denn je als Schattenwesen in Erscheinung treten, als schemenhafter Dämon, der faktisch nicht mehr als eine Nebenrolle in der kompletten Story innehat, tatsächlich aber den gesamten Handlungsverlauf lenkt als Bote zwischen Tod und Leben, als personifiziertes Schuldsymbol.
Zweifellos wäre diesem Ansatz etwas zu entziehen gewesen. Ashley Woods Arbeiten sind generell prädestiniert dafür, ein Wesen zu präsentieren, das sich mehr als Schatten denn als Materie versteht. Hat sich die Fehlbarkeit, Selbstschuld und innere Zerrissenheit im regulären Storyverlauf der (damals) monatlich erscheinenden Serie unmissverständlich angekündigt, ist in der reinen Intention der Sache, in der Vision von “Blood & Shadows” ohne Zweifel eine Weiterentwicklung der Figur zu erkennen, was besonders deutlich wird, wenn man McFarlanes visionäre Einleitung zum Comic liest. Es ist der Wunsch da, diesem Wesen einen gigantischen psychologischen Unterbau zu verleihen, der Spawn größer und bedeutender gemacht hätte als jede andere Comicfigur jemals zuvor - und das, wenngleich die primäre Inspirationsquelle in einem anderen Comic zu finden ist, nämlich der Batman-Story “Arkham Asylum”. Batman als düstere Gestalt der Dunkelheit, als psychologisch ausgereifter Charakter, der offenbar die Figur Spawn ganz entscheidend geprägt hat.
Obwohl “Blood & Shadows” auf den ersten Blick aussieht wie ein zeitloses Meisterwerk, entpuppt sich dahinter doch leider ein Berg von ungenutztem Potenzial, denn, so unfassbar es auch sein mag: Die Vision, die intendiert wurde, vermochte weder von Ashley Woods Bildern noch von Paul Jenkins’ Geschichte erfasst zu werden. Das Bemühen der Macher löste sich in Wohlgefallen auf, als an einer Gabelung der falsche Weg eingeschlagen wurde und man sich von dort an kontinuierlich in die falsche Richtung begab.
Der Titel des Comics deutet an, dass Farbsymbolik einen besonders einnehmenden Platz für sich beansprucht. Rot und Schwarz sind die Farben, die den Look der Geschichte bestimmen, wechseln sich im stetigen Flackern ab, um ein diffuses Licht auf die Geschichte zu werfen. Am Ende erfährt der Farbkontrast aus Rot und Schwarz eine Gleichsetzung mit Leben und Tod. Nimmt man den Tod, dessen Farbe Schwarz ja schließlich in Wirklichkeit gar keine Farbe ist, aus der Gleichung, so bleibt das Leben als eine rote Masse zurück. Rot ist die Farbe für Liebe, aber auch für Hass, Wut, Gefahr, Not und Emotionalität im Allgemeinen. Rot ist zuletzt die Farbe der Sünde, und das ist es, als was das Leben in dieser Story charakterisiert wird, nämlich als ein einziger Sündenpfuhl, indem nichts wirklich normal ist. Jeder hat seine Leiche begraben. Darum geht es; kommt das Schwarz ins Spiel, so wird das Rot negiert, ausgelöscht, bis hin zur Bedeutungslosigkeit, grau... das Wort, mit dem die Geschichte endet.
Im Mittelpunkt steht eine Polizistin, die mit ihrer Lebensgefährtin in ein neues Haus zieht, das einstmals eine Irrenanstalt war und davor gar ein indianischer Friedhof. Ein grauenvoller Mordfall beschäftigt sie und entfremdet sie von ihrer Partnerin, während ihr bei der Recherche allerlei skurrile Figuren begegnen: Die alte Greta, deren Mann im Zweiten Weltkrieg Vollstrecker in Auschwitz war und der nach dem Krieg von sich behauptete, ein jüdischer Flüchtling aus dem Lager zu sein; Mr. Sutter, ein Lehrer, der seine Schüler beim Duschen nach dem Sportunterricht beobachtet; Raphael, der mit zwei Morden fertig werden muss etc.
Nichts Neues also von Paul Jenkins, denn die Motive, die er aufwirft, sind alles andere als innovativ und können kaum noch überraschen. Natürlich entwickelt sich die Graphic Novel (im eigentlichen Sinne kann man “Blood & Shadows” nämlich nicht mehr als “Comic” bezeichnen) hierdurch zur Art Noir, nicht unfern von Frank Millers Sin City - nur machen die Motive bei Jenkins nur wenig Sinn. Die Einleitung mit Rabe und Bären ist nur schwerlich adaptierbar, obwohl beide Tiere als Hüter der Nacht aus den Spawn-Comics bekannt sind und durchaus ihre eigene Symbolik entfalten; dennoch scheinen sie hier etwas unglücklich aufgehoben oder zumindest passen sie sich nur mit Anstrengungen ins Gefüge ein. Der Plot mit übergreifenden Zeitebenen (wobei Rückblenden im Silberdesign auftauchen, das bereits erste Indizien auf den silberfarbenen Nachfolger “Blood & Salvation” preisgibt) vermag es nicht, den Leser zu überraschen, noch tut es die schizophrene Auflösung des Plots. Konzeptionell gefiel in dieser Sache die “Spawn - The Undead”-Reihe besser, da dort Einzelschicksale isoliert vom Rest der Welt beobachtet wurden und Spawn als Geist der Erlösung deutlich besser zur Geltung kam.
Denn Spawn selbst erscheint nun als Schattengestalt, die immer wieder von großen Augen erhascht wird, während Passanten der normalen Welt ihn, der da im Schatten schwebt, überhaupt nicht registrieren. Die Rolle, die er am Ende übernimmt, macht nicht so recht Sinn, nimmt man Bezug auf die reguläre Serie; denn wo er dort selbst ein von Zweifeln geplagtes, fehlerhaftes Wesen war, ist er hier die unbeirrbare Judikative und Exekutive zugleich, eine feste Kraft im Universum. Zwar mag man dies als die beabsichtigte Weiterentwicklung interpretieren können, doch der Übergang ist holprig und mit logischen Schwächen versehen.
Während die Fokussierung wichtiger Elemente und Verwischung unwichtiger Fragmente der Umgebung Ashley Woods Strich gut von der Hand geht, so versprühen die Dialoge in den Sprechblasen doch zu viel von der markanten Ironie der regulären Reihe, die in diesem metaphorischen Szenario leider nicht allzu gut aufgehoben ist. Wenngleich die Anmerkungen aus dem Off angemessen symbolträchtig ausfallen, so wirken einige Bemerkungen aus den Mündern der Figuren wie Cartoons, während die fast fotorealistischen Konturen und durch Halos verfremdeten menschlichen Körper dazu einen unpassenden Kontrast darstellen. Inwiefern das eine Sache der deutschen Übersetzung (Frank Neubauer) ist, kann ich in Unkenntnis des Originals nicht beurteilen.
Freilich bleibt das Werk nicht ohne treffsichere Metaphern, durchdachte Symbolik oder gelungene Storyelemente, und rein optisch ist “Blood & Shadows” für jeden ein Genuss, der sich auch nur fragmentarisch mit Kunst auseinandersetzt. Nur leider finden Form und Intention nicht immer so zueinander, wie man sich das in der vielversprechenden Idee gedacht hat. An Tiefe gewinnt die Figur Spawn dennoch - man hätte sich nur gewünscht, die ganze Sache hätte sich ein wenig in eine andere, bessere Richtung entwickelt - eine solche Richtung war jedenfalls vorhanden.

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