
Originaltitel: She xing diao shou
Herstellungsland: Hongkong
Erscheinungsjahr: 1978
Regie: Yuen Woo Ping
Darsteller: Jackie Chan, Simon Yuen Siu Tin, Roy Horan, Hwang Jang Lee, Peter Chan Lung, Dean Shek, Tino Wong Cheung, Fung Hak On, Tyrone Hsu Hsia, Charlie Chan Yiu Lam, Yuen Yat Choh, Fung Ging Man, Chiang Kam, Chu Chi Ling, Choi Fai
So hat also alles begonnen - so schreibt man Geschichte. Niemand wird im Voraus geahnt haben, welchen Schmetterlingseffekt “Die Schlange im Schatten des Adlers” für die komödiantische Unterkategorie des Kung Fu-Genres haben würde. Und welchen Antrieb er erst recht für das bis dato von Lo Wei verheizte Naturtalent Jackie Chan geben sollte. Dafür ist all das, was hier am Anfang steht, zu unschuldig. Klassiker werden meist unbewusst zu solchen - will man sie im Nachhinein reproduzieren, steht meist ein Scheitern bevor. So entstehen Erfolgswellen eines Genres, so flauen sie wieder ab.
Das Regiedebüt von Yuen Woo Ping, der inzwischen durch seine choreografische Arbeit in westlichen Martial Arts-Produktionen (“Kill Bill”, “Matrix”) auch hierzulande bekannt geworden ist, entstand in der Anfangsperiode der Konjunktur eines Genres, das sein Hauptdarsteller zu großen Teilen mitbegründet hat. Jackie Chan würde mit dem vorliegenden Werk seinen ersten richtigen Erfolg feiern, und es würden ihm mit einem Mal viele neue Wege offenstehen, endlich aus dem großen Schatten Bruce Lees herauszutreten. Die Ironie an der Sache war die: Eigentlich hätte es gar nicht so kommen sollen. Lo Weis Verleih seines Stars an Seasonal erfolgte nur wegen vorübergehenden Geldmangels. Wie sehr Erfolg und Misserfolg auch an der Produktion hängen, dafür ist dieser Verleih der beste Beweis. Ein wenig mehr Freiraum, und schon wird Filmgeschichte geschrieben.
Dabei erscheint das Ergebnis nicht nur als ein Produkt Chans, der erstmals seine Visionen umsetzen konnte, sondern auch als ein Ergebnis von Yuen Woo Ping, denn gemäß seiner Berufung ist der Film vor allem eines, nämlich ein prall gefülltes, dabei niemals überladenes Behältnis mit massig kreativer Kampf- und Stuntarbeit. Im verlässlichen Takt erfolgt eine Choreografie nach der anderen, und keine gleicht ihrem Vorgänger. Leider geht der Regisseur die Sache zu Anfang nur allzu traditionell an: Der Vorspann zeigt den Hauptdarsteller, wie er für einem roten Hintergrund allerlei Sprünge, Kicks und Moves absolviert, um sogleich auf die allseits geliebte und gehasste Wiesenlandschaft überzuleiten, wo die Ausgangsbasis in einem Zweikampf zwischen dem Bösen (Hwang Jang Lee) und dem Guten (Simon Yuen) zu klären. Soweit kann nichts von sich behaupten, irgendwie neu oder innovativ zu sein. Das überträgt sich leider auch auf den Plot, der primitiv wie eh und je ist: junger Putzer aus einer Kung Fu-Schule (Chan) nimmt alten Mann (Schnapsdrossel Yuen) bei sich auf, der gerade von einem “alten Freund” (Lee) vermöbelt wurde. Zum Dank lehrt der alte Mann den Jungen seine berüchtigte Schlangentechnik, mit welcher der Bengel seinen Meister in der Kampfschule (Dean Shek) zur Weißglut treibt. Und irgendwie bahnt sich in dem ganzen Mischmasch dann ein Treffen der “alten Freunde” an...


So abgedroschen sich all dies auch anhören mag, es ist die Art und Weise, die fasziniert: Filmaufbau, Schauplätze, Charaktere, Humor. Woo Ping schafft es, den Zuschauer nicht eine Sekunde auch nur an Langeweile denken zu lassen, weil er sich zu keinem Zeitpunkt Leerlauf erlaubt. Das liegt auch daran, dass es trotz der altbekannten Story keine Szenen gibt, die irgendwie im weiteren Sinne unnötig wären für die Handlungskontinuität. Vieles wird später wieder aufgegriffen, etwa in Rückblenden, oder es wird auf sonstigem Weg nochmals für den Storyverlauf wichtig. So bleibt man immer direkt am Geschehen dran, so platt es auch sein mag.
Des weiteren erlebt die spezifische Art, den traditionellen Kung Fu-Film satirisch zu veralbern, hier erstmals ihre Vollendung. Klischees des Genres werden treffsicher erkannt und zu Kalauern verarbeitet, die zwar nicht jedem gefallen müssen, aber doch ohne Zweifel ein Indiz für die treffsichere Parodie sind, die hier vonstatten geht. Ausbilder sind keine unfehlbaren Meister der Materie mehr, Sinn und Zweck des Erlernens von Kung Fu wird hinterfragt und die wichtigen Söhne von wichtigen Staatsoberhäuptern sind pummlige Mamasöhnchen, die auch gerne kämpfen möchten, weil es so cool aussieht. So wird gewissermaßen auch die simple Handlung rechtfertigt, denn wie will man diese parodieren, wenn man sie nicht selbst zum Gerüst seines Films macht?
Frei Haus mitgeliefert wird dabei selbstverständlich ein neues Bündel an Charakterprofilen. Erfahrene Schauspieler bekommen die Gelegenheit, die eigenen Wurzeln auf die Schippe zu nehmen, und neue Darsteller fanden die Gelegenheit vor, sich als Gesicht einer neuen Art von Kung Fu-Film zur Verfügung zu stellen. Ganze Legenden ihres Fachs werden eingeführt, wenn man bedenkt, wie oft alleine Dean Shek und Simon Yuen ihre Rollen in späteren Filmen variiert haben. Nebenbei wohnen Exoten der Angelegenheit bei, so etwa ein nicht-asiatischer, angeblicher Bote des Christentums, der sich dann kurz darauf als fies getarnter Bad Guy-Handlanger herausstellt. Umso verrückter wird die ganze Sache, wenn diese Kuriositäten auf Figuren treffen, die bewusst traditionell gehalten und mit ernstem Gemüt gesegnet sind, was auch die Rolle Hwang Jang Lees betrifft, dessen Bösewicht deswegen so schön auf den Arm genommen werden kann, weil er so typisch, so normal dargestellt wird.
Über allen steht jedoch die Ausstrahlung des Jackie Chan. Man merkt ihm an, wie er erstmals in seiner Karriere befreit atmen konnte, so sehr ist er hier Fisch im Teich und springender Punkt im Areal. Von Schauspielerei zu reden wäre die falsche Richtung. Was Jackie hier macht, ist nicht schauspielern. Es ist ein filmisches Konzept, das er hier vorträgt. Und dieses Konzept besteht zu gleichen Teilen aus unvergleichlicher Martial-Arts-Akrobatik und unverkennbarem Schelmencharme, was ungefähr so gut in den Film passt wie ein Deckel auf seinen Topf: beides scheint füreinander gemacht.


Das Drehbuch hält dann für diesen Zweck tatsächlich doch noch einen raffinierten Kniff bereit, der auch im Titel zur Geltung kommt, nämlich das Spiel mit den Kampfstilen. Man kennt das: Der erste hat den Super-Tierstil X, mit dem er sich für unschlagbar hält, doch dann kommt der zweite mit Mega-Tierstil Y an, der alles andere zu übertreffen scheint - aber der erste hat ja noch das ultrageheime Ass im Ärmel, erlernt von einem verschollen geglaubten Meister, mit dem Tierstil Y mühelos gekontert werden kann. Hier treten im Wesentlichen Schlangenstil, Adlerstil und später als Geheimwaffe dann Tigerstil gegeneinander an. Die Parodie liegt nun im folgenden Sachverhalt: der von Jackie gespielte junge Kerl lässt sich zum Tigerstil inspirieren, als er seine Katze im Kampf mit einer Kobra beobachtet, woraufhin er seinen erlernten Schlangenstil um denjenigen des Tigers erweitert - eine tödliche Kombination, gegen die, man denkt es sich bereits, Hwang Jang Lee nichts ausrichten kann. Im Abschlussdialog erklärt Jackie seinem Mentor dann, wie er auf den Tigerstil gekommen ist, nämlich durch jenen Kampf seiner Katze mit einer Schlange. Der Alte fragt: “Wieso nennst du ihn dann Tigerstil?”, woraufhin Jackie antwortet: “Na, so heißt meine Katze doch.” Diese Verniedlichung des tödlichen Stils ist das parodistische Fundament des Films und der Höhepunkt des Ulks, der zuvor mit seltsamen Katzenschreien während des Endkampfes vorangetrieben wurde, wann immer Jackie seine Krallen zum Angriff wetzte.
Selbstverständlich wird trotz der Veralberung gewisser Traditionen nicht auf vollwertige Kampfkost verzichtet. Dabei kommt Jackies zweites Talent zur Geltung, verleiht er sämtlichen im Film zur Schau getragenen Stilen doch geschickt Profil und überzeugt mit seinem Wandel vom ahnungslosen Putzer zum unbesiegbaren Kampfmeister. Simon Yuen, mit dem Chan noch im gleichen Jahr in “Sie nannten ihn Knochenbrecher” seine Starambitionen festigte, überzeugt auch auf voller Linie, scheint er doch zumindest das meiste selbst erledigt zu haben und glänzt speziell in der Teetassensequenz mit viel Geschick, das aber auch auf die Choreografien positiv zurückfällt.
Alles in allem erweist sich “Die Schlange im Schatten des Adlers” als seinem bekannteren und erfolgreicheren Folgewerk “Sie nannten ihn Knochenbrecher” mindestens ebenbürtig. Mir hat er gar noch etwas besser gefallen, erscheint mir das Geschehen doch noch etwas lebhafter und kreativer als bei der Ausbildung zum “Drunken Master”. Mit schön inszenierten Kämpfen und geschickt konstruierter Unterhaltung läutet Woo Pings Debüt eine neue Ära ein - nicht nur für Jackie Chan, sondern für das ganze Genre.
Auf DVD erschien kürzlich aus dem Hause Splendid eine etwas längere Fassung des Films, als sie bisher in Deutschland erhältlich war; komplett ist sie aber immer noch nicht, und so geht das Warten auf eine ungekürzte Fassung hierzulande weiter.















