Next Door – Manche Türen sollten nie geöffnet werden
Originaltitel: Naboer
Produktionsjahr: 2005
Herstellungsland: Dänemark/Norwegen/Schweden
Regie: Pal Sletaune
Darsteller: Kristoffer Joner, Cecile A. Mosli, Julia Schacht, Anna Bache-Wiig, Michael Nyqvist ua.
Der Film beginnt mit einer eigentlich banalen Szene. Man kennt das ja, Horrorfilme fangen meistens harmlos an. John (Kristoffer Joner), ein Angestellter mit einem typischen Büro-Job, hat grade eine Beziehung beendet, besser gesagt, seine Ex hat Schluß gemacht. Sie kommt bei John vorbei, um ein paar Sachen abzuholen. Dabei werden noch ein paar Worte gewechselt, das wars. Dann beginnt der Vorspann zu laufen und der Film fängt langsam mit seiner Haupthandlung an. Das, was vor dem Vorspann passiert, hat allerdings schon eine gewisse Bedeutung für den weiteren Film. Doch Geduld.
John kommt mal wieder von der Arbeit. In seiner Etage angekommen, spricht ihn seine Nachbarin Anne (Cecile Mosli) an, ob er mal kurz rüberkommen könnte und ein schweres Möbelstück umstellen könnte. John lässt sich nicht lumpen und sagt natürlich „ja“. Er will ja nicht schlecht dastehen und was ist schon dabei, einer Nachbarin einen kleinen Gefallen zu tun. Als John in die Wohnung kommt, merkt er, dass Anne nicht allein ist. Eine zweite Frau ist dort, Kim (Julia Schacht).
Nach getaner Arbeit bekommt John etwas zu trinken und Anne bittet ihn, ihnen etwas Gesellschaft zu leisten. John denkt sich nichts weiter dabei. Die beiden Frauen, von denen Anne zunächst die gesprächigere und weniger geheimnisvollere ist, fangen jedoch an Fragen zu stellen, die John zunächst verwundern, dann schon verstören und ihm fast schon peinlich sind. Die Fragen bringen ihn dazu, über sich selbst nachzudenken, was ihm anscheinend nicht gefällt. Auch der Zuschauer dürfte bereits an dieser Stelle merken, dass hier etwas nicht stimmt.
John kann sich aus seiner misslichen Lage befreien und verabschiedet sich.
Kurze Zeit später jedoch bittet Anne John erneut um einen Gefallen. Der lehnt zunächst ab, erklärt sich aber dann doch bereit. Anne muß mal kurz in die Apotheke, Medizin für Kim besorgen. Kim kann jedoch nicht alleine bleiben, da sie in ihrer Vergangenheit Schreckliches erlebt hat. Nun ist John mit Kim allein. Doch Kim ist nicht zu finden. John sucht sie und er kommt von einem Zimmer ins nächste, von einem dunklen Gang in den nächsten. Als Zuschauer wundert man sich immer mehr, was dies für eine verschachtelte, labyrinthartige Wohnung ist, noch ein Zimmer, noch ein Gang, jeder Raum sieht anders aus. Kim treibt mit John ein bizarres Versteckspiel. Als sie sich endlich gefunden haben (in einem sehr spartanisch möblierten Raum), sitzen sie sich gegenüber und Kim erzählt eine Geschichte von drei Männern, die sie verführt und durchgenommen haben. Sie beginnt John zu verführen.
Etwa bei Minute 30 des Films kommt es zu jener Szene, die in Norwegen zu einer Freigabe für „Nur für Erwachsene“ geführt hat und sicher auch hierzulande die Freigabe „kJ“ erzwungen hat. Es entwickelt sich eine sehr heftige und explizite Sex-Szene, mit Gewalt vermischt, die ich ehrlich gesagt so nicht erwartet habe und mich Wochen später immer noch beschäftigte.
Vom Standpunkt des Analytikers oder neutralen Beobachters kann man sagen, dass von Beginn des Films an kontinuierlich die Spannung aufgebaut wird und sich in jener oben beschriebenen Szene entlädt.
Dann eine kurze Ruhepause, es folgen die ersten Szenen überhaupt, die nicht im Wohnhaus von John und seinen abgründigen Nachbarinnen spielen.
In der zweiten Hälfte des Films (etwa die erste Hälfte ist jetzt vorbei) gibt es zwar nicht mehr so explizite Szenen, doch ist diese zweite Hälfte für mein Empfinden nicht minder verstörend. In einer Rückblende mit Johns Verflossener etwa kommen einige Details zur Sprache, die vermuten lassen, dass John durch Gewalt sexuell stimuliert wird. Außerdem ist verwunderlich (nicht nur für John, auch für den Zuschauer), dass der neue Lover von John’s Ex, der diese immer zu John hinfährt, auf einmal in der Wohnung von Johns mysteriösen Nachbarinnen auftaucht.
Mehr möchte ich zur Handlung nicht schreiben, es soll ja noch etwas an Spannung und Überraschung übrig bleiben für die, die den Film noch sehen wollen. Mir hat der Film jedenfalls außerodentlich gut gefallen. Nicht nur inhaltlich, worauf ich ja bereits eingegangen bin, sondern auch stilistisch und handwerklich, was ich weiter unten noch näher beschreiben möchte.
Vielleicht ahnt ihr es schon, der Film ist ein astreiner Mindfuck. Man weiß eigentlich bis zum Ende nie genau, woran man ist. Was ist hier beabsichtigt? Was geschieht gewollt und was nicht. Welche Bedeutung haben bestimmte Ereignisse im Film? Haben sie überhaupt eine tiefere Bedeutung? Ich hab schon mehrfach gelesen, dass der Film vorhersehbar sei. Manche ahnten schon nach 10 Minuten, andere etwa nach der Hälfte, was die Auflösung des Ganzen sei. Für mich kann ich das so nicht bestätigen. Erst jetzt, nach der zweiten Sichtung, meine die Auflösung im Groben verstanden zu haben. Dennoch bleiben einige Teile der Handlung für mich immer noch mit einem Fragezeichen versehen. Der Film ist also eigentlich wie geschaffen dafür, mehrmals angesehen zu werden.
Einige Worte zum Stilistischen und Handwerklichen:
Von der Grundstimmung ist der Film recht ruhig angelegt. Diese Ruhe wird immer mal wieder durchbrochen von dramatischen Zuspitzungen und dramatischen Ausbrüchen, wie etwa in Form der oben beschriebenen Sex-Szene. Nicht immer sind diese Zuspitzungen mit Handlungen oder Gewalt verbunden. Oft verstören schon einzelne Sätze, Fragen oder Dialoge. Die Dialoge sind super ausgearbeitet und tragen sicher einen nicht geringen Teil zu Wirkung des Films bei, wobei man auch sagen muß, dass hier weniger mal wieder eindeutig mehr ist. In dem Film wird beileibe nicht sonderlich viel geredet.
Damit korrespondieren ein größtenteils ruhiger Schnitt und eine überwiegend ruhige Kameraführung, die dem Zuschauer die Möglichkeit geben, sich ganz auf den Film einzulassen und zu konzentrieren. Teilweise, aber nicht ständig, bietet der Film atemberaubende Bilder, so etwa in einer Szene, die Johns Wohnung zeigt, die recht dunkel gehalten ist und John mit einem weiß leuchtenden Hemd in der Mitte. Er wirkt hier wie eine Lichtquelle. Überhaupt sind Johns Wohnung und die Wohnung der beiden Nachbarinnen recht dunkel gehalten und man hat sich offensichtlich große Mühe bei der Einrichtung gegeben. Die trägt für mein Empfinden auch noch mal zu der rätselhaft-abgründigen Stimmung des Films bei.
Ich komme nun langsam zum Schluß. Wer bei dem Film alles erklärt haben möchte oder sich ständig fragt „Warum ist das so“, „Was soll das denn jetzt“, wird sicher nicht glücklich damit. Der Film wäre nicht psychisch anstrengend, würde er alles erklären. Sicher ist man am besten damit bedient, eine gewisse Naivität mitzubringen, wenn man den Film anschauen möchte und von ihm gefesselt werden möchte.
Nicht wundern, dass der Film nach etwa 72 Minuten vorbei ist. Das war alles. Auch das hat mir gefallen. Nicht, weil ich was gegen lange Filme habe, nein, man hat das Gefühl, daß die Laufzeit für den Film absolut ausreichend ist, eine längere Laufzeit ist nicht notwendig.
Fazit: Ein „kleiner Lynch“ aus Skandinavien.
Ich habe die deutsche DVD der Kölner Firma Legend und finde sie sehr gut. Bild-und Tonqualität sind ausgezeichnet, uncut isse auch, die Extras sind nicht sehr extensiv, aber absolut ausreichend und recht interessant. Originatlton und deutsche Untertitel sind ebenfalls vorhanden. Die DVD steckt, wie öfters bei Legend, in einem dünnen Schuber.
Next Door - Manche Türen sollten nie geöffnet werden
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Finde irgendwie, daß Filme mit so kurzen Laufzeiten nochmal eine besondere Erfahrung sind, ebenso, wie natürlich Filme, die 3 oder 4 Stunden dauern. Hatte letztes Jahr auch mal so eine Phase, wo ich richtig heiß auf Kurzfilme, aber richtige Kurzfilme, war. Dauer so zwischen einer Minute und 30 Minuten. Ist auch ne interessante Erfahrung. Hat aber nicht solange angehalten, die Phase, weil ich dann doch irgendwie nicht gesättigt war von solchen "Quickies".
Plane aber für nächsten Monat im Actionbereich eine Kurzfilmreihe zu reviewen. Laßt euch mal überraschen. 8-)
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