Untraceable
Originaltitel: Untraceable
Herstellungsland: USA
Erscheinungsjahr: 2008
Regie: Gregory Hoblit
Darsteller: Diane Lane, Billy Burke, Colin Hanks, Joseph Cross, Mary Beth Hurt, ...
Trailer:
http://www.imdb.com/title/tt0880578/trailers
freeman onlinert:
Auf der Website www.killwithme.com geht ein offenkundig gestörter Mensch einem seltsamen Hobby nach. Er verbringt Menschen in ausweglose Situationen (z.B. fesselt er sie in einem Wassertank) und arrangiert um sie herum ein todbringendes Szenario (indem er beispielsweise einen Einfluss für Schwefelsäure in den Wassertank einbringt). Doch nicht der Betreiber der Seite tötet die Menschen, nein, es ist der Voyeurismus der Besucher der Website! Denn je mehr Zuschauer sich in die perversen Tötungsszenarien auf www.killwithme.com einloggen, um so mehr wird der Tot (beispielsweise über die zunehmende Menge der einströmenden Säure) beschleunigt. Die FBI Agentin Jennifer Marsh, die auf Internetkriminalität spezialisiert ist, versucht mit ihrem Team der einsetzenden Mordserie ein schnelles Ende zu setzen.
Wenn ich Regisseur wäre, ich würde um zwei Genres einen riesigen Bogen machen: Komödien und Thriller. Komödien, weil es keine allgemeingültigen Regeln und Erfolgsaussichten für Humor gibt und Thriller, weil ich dieses Genre – von einigen Perlen abgesehen – für komplett belanglos halte. Kaum einen Thriller kann ich mir beispielsweise zweimal ansehen, ohne mich beim wiederholten Konsum grausam zu langweilen. Warum das so ist, kann ich nicht einmal sagen, aber selbst Thrillermeisterwerke wie Sieben verlieren bei mir rapide an Faszination, wenn ich sie nur ein zweites Mal sehe. Eine rühmliche Ausnahme erschuf Regisseur Gregory Hoblit einst mit Zwielicht, der mich dank formidabler Darstellungsleistungen von Richard Gere und Edward Norton immer und immer wieder zu fesseln vermag. Ebenjener Regisseur schuf nun auch hier besprochenen Untraceable.
Und schafft es nicht, an die Qualitäten von Zwielicht anzuknüpfen. Dabei ist die Grundprämisse sehr faszinierend. Ein Mann, der sich den vermeintlich anonymen Voyeurismus des Netzes zu Eigen macht und quasi Millionen von Zuschauern zu Mittätern umfunktioniert, ohne sich dabei selbst die Finger schmutzig machen zu müssen. Denn selber tötet er eigentlich nicht, er entführt seine Opfer „nur“. In genau dieser Grundprämisse liegt dann auch ein gewisses Quäntchen Gesellschaftskritik hinsichtlich der allgemeinen Verrohung und Abstumpfung des „Onlinemenschen“ und der Menschheit im Allgemeinen. Leider bleibt es bei diesem Ansatz, da Hoblit einen seltsamen Fehler begeht. Dieser hängt komplett mit der Zeichnung des „Killers“ zusammen. Hier lanciert Hoblit einfach zu viele Klischees. Da der Killer ein Internetbösewicht ist, MUSS er freilich ein unglaublich junger Milchbubi sein, was ihn komplett unbedrohlich erscheinen lässt und dem Film eher schadet denn nützt. Des Weiteren wird er mit einem zu simpel erscheinenden Vendettamotiv ausgestattet. Und wenn der „Killer“ dem Zuschauer als hochintelligent vorgestellt wird, er aber anscheinend nicht merkt, dass er sich genau der Mittel bedient, die er selber anprangert, ohne dass sich bei seinem Publikum irgendein Lerneffekt andeuten würde, ist dies auch eher kontraproduktiv für die Glaubwürdigkeit des Filmes.
Abgesehen von diesen offenkundigen Problemen fehlt es Untraceable auch noch gehörig an Spannung, was vor allem damit zusammenhängt, dass einem die Opfer recht egal sind, da sie vom Film nicht weiter in der Handlung verortet werden und weitgehend wie beliebig ausgewählt wirken. Erst gegen Ende werden die Opfer richtig in die Handlung eingebunden, allerdings ist es da bereits zu spät. Außerdem hätte Hoblit darüber nachdenken sollen, seine simplen, aber unglaublich perfiden Tötungsmechanismen etwas mehr auszunutzen. Natürlich wollte er dies nicht wegen seinem hehren „Abstumpfung ist Böse“ Motiven, ABER dass einen die kurzen Impressionen vom Sterben seiner Opfer mehr mitnehmen, als sein ganzer Film, zeigt, dass hier einiges an Potential verborgen lag. Denn im Gegensatz zu den immer monströser und beliebiger werdenden Tötungsmaschinen im SAWFranchise zieht man hier einige Male Luft durch die Vorderzähne, wenn sich Haut vom Körper löst oder Brandblasen zum natürlichen Airbag eines Opfers werden. Kurzum: Untraceable hat durchaus seine Momente, leider nicht dicht gedrängt genug, um den Film durchgehend zu tragen bzw. mit Adrenalin zu versorgen.
Dementsprechend sind dann in den vielen ruhigen Momenten die Darsteller gefordert und diese machen ihre Sache mehr als ordentlich. Allen voran Diane Lane, die das große Glück hat, auf eine vergleichsweise ordentlich unterfütterte Figur zurückgreifen zu können, die dem Zuschauer sofort ans Herz wächst und von Grund auf funktioniert. Auch Gregory Hoblit macht als Regisseur einen ordentlichen Job und stemmt einige recht düstere Bilder, ohne in die hektischen Stakkatoschnittorgien aktueller Torturepornfilmchen abzurutschen. Er ist immer Herr der Lage und inszeniert mit sicherer Hand. Dagegen gerät der Score von Untraceable doch arg belanglos und versteht es nicht, die Suspensemomente auch nur ansatzweise zu verstärken.
Was bleibt ist ein im Ansatz sehr interessanter Streifen, der allerdings nicht über seine gesamte Laufzeit zu fesseln versteht und sich in seiner simplen Zeichnung der Zusammenhänge auch ein wenig verrennt. Alles ist zu klischeehaft, um wirklich fesseln zu können. Das eigentliche Thema der Gefahren aus dem Internet wirkt zu oberflächlich und beliebig angegangen. Der Bösewicht ist einfach viel zu harmlos, glatt und langweilig. Seine eigentliche Motivation abgeschmackt und beliebig. Auch der Showdown enttäuscht und hinterlässt einen unausgegorenen Eindruck. Und wer noch nie von Begriffen wie IP Adresse und Co. gehört hat, dürfte sich bei einigen Dialogblöcken doch ziemlich alleingelassen fühlen, ohne auch nur ansatzweise zu erahnen, worüber da gerade geredet wird. Doch nicht alles an Untraceable ist „schlecht“. Die Todesmaschinerien des Filmes sind perfide und wirkungsvoll, tropfen also nicht einfach nur am Zuschauer ab. Des Weiteren bietet der Film Diane Lane eine Bühne für eine hervorragende Darstellerleistung, die sie auch vollkommen ausnutzt. Auch sonst hat Gregory Hoblit seine Darsteller hervorragend im Griff und leistet selbst ebenfalls sehr gute Arbeit, seinen Film nicht komplett in der Masse absaufen zu lassen. Dennoch reicht es nur zu:
In diesem Sinne:
freeman
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StS ist Untraceable:
2006 wurden „wir“, die Internet-User bzw das weltweite Kollektiv der Internet-Nutzer, vom „Time Magazine“ zu den „Menschen des Jahres“ gewählt – begründet damit, dass der außerordentliche Erfolg des World Wide Webs schließlich auf „unseren“ Beiträgen basiert und „wir“ mit genau diesen sowohl das Gesicht des Internets prägen als auch im Grunde das Informationszeitalter beherrschen. Auf dem Cover der inzwischen legendären Ausgabe war damals ein Computer zu sehen, dessen Bildschirm eine reflektierende Fläche aufwies, wodurch sich jeder Betrachter auf diesem Wege selbst aufs Titelblatt bringen und somit die betreffende Auszeichnung verleihen konnte. Eines der beiden amerikanischen Postermotive der 2008er Veröffentlichung „Untraceable“ ist genau nach diesem Vorbild gestaltet worden – eine clevere wie treffende Wahl, denn der Thriller befasst sich mit einigen der in mannigfachen Bereichen des globalen Datennetzes klaffenden Abgründe, auf die scharenweise User bekanntermaßen aus vielerlei Gründen zurückgreifen, zum Beispiel aus Neugier oder zur Befriedigung eigener Gelüste, u.a. angespornt vom leichten sowie (vermeintlich) anonymen Zugang zum besagten Material. Entsprechend möchte der Film seinen aus individuellen Vertretern unserer Gesellschaft bestehenden Zuschauern eine Art Spiegel vorhalten – und das, was wir im Zuge dessen (im speziellen Kontext verortet) zu sehen erhalten, soll uns dann letzten Endes auf einer bestimmten Ebene zum Nachdenken anregen. Es ist allerdings (mal wieder) fraglich, ob eine Genre-Produktion dieser Ausrichtung und Konzeption wirklich eine sinnvolle bzw einträgliche Plattform für jene an sich löbliche Intention darstellt…
Alles beginnt mit einem in einer dieser Haftfallen für Ratten hilflos am Boden festklebenden Kätzchen: Schlimm genug, dass jemand das Tier bewusst in diese Lage gebracht hat, in welcher es nun langsam verhungert – derjenige überträgt das perverse „Schauspiel“ zu allem Überfluss auch noch in seiner Gänze im Internet, und zwar auf einer Website mit der aussagekräftigen Adresse „killwithme.com“. Ein zugetragener Hinweis lässt die FBI-Agenten Jennifer Marsh (Diane Lane) und Griffin Dowd (Colin Hanks), welche gemeinsam die Speerspitze der „Portland Cyber Crimes Unit“ des Bureaus bilden, auf den grausamen Live-Stream aufmerksam werden. Über die entsetzliche Natur des Gebotenen ist man sich zwar einig, aber ihr Abteilungsleiter (Peter Lewis) möchte der Tötung eines Vierbeiners keine weiteren Ressourcen widmen, die an anderer Stelle für „wichtigere Dinge“ dringender benötigt werden. Frustriert beugt man sich der Entscheidung und wendet sich Aufgaben wie dem Überführen eines „Identity-Thiefs“ in der virtuellen Welt zu – bis die Seite kurz darauf erneut online geht, dieses Mal mit einem in einer ausgeklügelten Folterapparatur eingespannten Mann als leidtragender Protagonist der Echtzeit-Übermittlung. Spätestens jetzt wird zudem die Vorgehensweise des Initiators deutlich: Je mehr Leute sich die Website ansehen, desto stärkere Schmerzen werden der zu sehenden Person zugefügt und umso rascher findet diese letztlich den Tod…
Ein Wettlauf gegen die Zeit setzt ein, der allerdings geradezu chancenlos verloren wird, da der Täter eine Sperrung seiner Internetpräsenz sowie Lokalisierung seines Sende- bzw Aufenthaltsorts per Hilfe unzähliger Mirror-Sites, falscher IP-Adressen und ausländischer Server erfolgreich zu verhindern vermag – er ist demzufolge nicht nur offensichtlich ziemlich gestört, sondern ebenso ein verflucht pfiffiges Kerlchen, weshalb dem FBI vorerst in dieser Hinsicht die Hände gebunden sind. Leider ist „killwithme.com“ schon bald in aller Munde – und so loggen sich, trotz vorhandener Kenntnis der Auswirkungen, stets Millionen von Menschen jeweils dann ein, wenn der Killer der Welt ein neues, jedes Mal in einer unterschiedlichen Falle fixiertes (im Prinzip ja rein potentielles) Opfer via Webcam präsentiert, welches jedoch genau dadurch nun zunehmend vorzeitiger sein immerzu bestialisch gestaltetes Ende findet. Um zu beweisen, dass es sich bei der ganzen Sache nicht bloß um eine Inszenierung handelt, entledigt sich der Mörder den Leichen an relativ öffentlichen, sich allesamt in Portland befindlichen Orten. Es ist also kein Zufall, dass Marsh und Dowd gleich am Anfang dieser Ereigniskette informiert wurden – und so liegt es fortan an ihnen, zusätzlich unterstützt vom zuständigen Detective (Billy Burke), das forcierte „Katz&Maus“-Spiel mit den Behörden zu unterbinden sowie ihren inzwischen zu einem Serienkiller avancierten Widersacher schnellstmöglich zur Strecke zu bringen…
„Untraceable“ ist einer dieser Filme, welche neben ihrem eigentlichen Daseinszweck, nämlich der Unterhaltung des Publikums zu dienen, simultan die Vermittlung einer (mehr oder minder) anziehenden wie intelligenten Botschaft anstreben. In diesem Fall werden Fragen und Ansätze aufgegriffen, die sich mit verschiedenen Ausprägungen der modernen Technik sowie (in erster Linie) der von Gräueltaten, Unglücken und Tragödien (anderer) ausgehenden Faszination auf die Menschen beschäftigen. Horror-Streifen erfreuen sich großer Beliebtheit, reißerische Medienberichte mit spektakulären Bildern erzielen die höchsten Quoten – und bei einem Unfall auf der Autobahn schaut man selbst als „ganz normale Person“ unweigerlich hin, auch ohne dass das automatisch impliziert, irgendwie ein „kranker Bastard“ zu sein. Es liegt uns anscheinend im Blut. Das Internet dient seinen Nutzern als leicht zugängliche Quelle solchen Materials – von Illustrationen sexueller Abarten bis hin zu Anleitungen für den Bombenbau in der heimischen Küche lässt sich dort alles einigermaßen mühelos finden. Schockierende Aufnahmen, die man wegen ihrer graphischen Natur nicht einmal im Fernsehen zu Gesicht bekommt, sind online gewiss nicht allzu schwer aufzutreiben (siehe die Enthauptung von Geiseln im Irak). Beim Sichten dieser kann das heimische Umfeld die emotionale Distanz zum Gesehenen verstärken – Voyeurismus vermengt sich mit Neugier sowie dem ergreifenden Reiz, welche der Tod schon ewig ausgeübt hat (vgl. die Teilnahme an öffentlichen Hinrichtungen im Mittelalter). Würde man eine Exekution live im TV übertragen – würden die Massen wohl einschalten? Aber sicher doch. Genau dieses Verhalten wird vorliegend aufgegriffen und veranschaulicht: Nach der Bekanntgabe auf einer Pressekonferenz, dass es „da draußen“ eine solche Folter-Website gibt, verbreitet sich die Nachricht wie ein Lauffeuer, was automatisch dazu führt, das sich die Zahl der Hits schlagartig vervielfacht – unabhängig der auf der Veranstaltung im nächsten Atemzug kommunizierten Information, dass ein solches Vorgehen den Tod des Mannes unabwendbar beschleunigen würde. Klar handelt es sich hierbei um ein fiktives Szenario, das dem Zuschauer aufgezeigt wird – allerdings dürfte im Prinzip (traurigerweise) kaum ein Zweifel daran bestehen, dass das Verhalten der Leute in einer vergleichbaren realen Situation nicht anders geartet wäre.
Das Drehbuch aus der Feder von Robert Fyvolent, Mark R.Brinker und Allison Burnett strebte es (im Einklang mit Regisseur Gregory Hoblit´s Umsetzung) offenkundlich an, das narrative Konstrukt eines klassischen Suspense-Thrillers mit den Mechanismen des seit einigen Jahren aktuellen „Torture Porn“-Trends zu kombinieren – ein Bestreben, das gut zu der den Zeitgeist widerspiegeln wollenden Thematik passt, im Endeffekt bloß eine besonders feinfühlige Herangehensweise erfordert, um keinen heuchlerischen Eindruck zu erwecken. Die Story wird von der Abscheulichkeit der gebotenen Gewalt genährt, um so ihren kritischen Standpunkt herauszustellen und den Konsumenten im nächsten Schritt die eigenen individuellen Reaktionen quasi vor Augen zu führen, was gegebenenfalls (bei einigen) in einem direkten Vorwurf resultieren kann. Etliche Projekte sind an einem solchen Spagat bereits ziemlich übel gescheitert, wie kürzlich erst „the Condemned“ (2007) – und auch „Untraceable“ gelingt dieser schwierige Akt nicht unbedingt optimal. Die sadistischen Tötungskonstruktionen des Killers kommen zwar nicht so grotesk-kreativ wie in der „Saw“-Franchise daher und werden eher „nüchtern“ ins Bild gerückt, also ohne Stakkato-Schnittfolgen und vordergründige Kameramätzchen, sind allerdings dennoch mindestens genauso fies und ungemütlich anzusehen: Je mehr Nutzer die Internetseite aufrufen, desto stärker wird etwa das Verbluten eines Opfers beschleunigt – andere entführte und dann zur Schau gestellte Personen werden hunderten Hitzelampen ausgesetzt oder in Säurebäder platziert, was keine schönen Anblicke hervorruft, die ihrerseits aber zum Teil zu sehr von den eigentlichen Qualen der Betroffenen ablenken. Was den Machern hingegen grandios gelungen ist, das sind die absolut authentisch anmutenden Kommentare der User im gelegentlich eingeblendeten „Message Forum“-Bereich von „killwithme.com“, welche in ihrer primitiven wie direkten Art Angst machen, denn sie lassen auf die Ansichten und Mentalitäten vieler schließen, die daheim vor ihren PCs sitzen und genau solches Gedankengut in sich tragen.
Obgleich es den Skriptschreibern beileibe nicht geglückt ist, wirklich interessante und/oder reichhaltige Charaktere zu erschaffen, gelingt es den inspiriert gecasteten Schauspielern dennoch, diese zumindest mit einem brauchbaren Maß an Leben zu füllen. Diane Lane („Unfaithful“/„Hollywoodland“) entpuppt sich als hervorragende Wahl für die Hauptrolle, denn sie liefert nicht nur eine kraftvolle Performance ab, sondern verleiht dem insgesamt nicht allzu stabilen Gesamtkonstrukt mit ihrer Präsenz wenigstens einen umfassend soliden zentralen Stützpfeiler. Marsh ist eine ambitionierte, verwitwete Ermittlerin, die ihre tagtägliche Arbeit sehr ernst nimmt – und das unabhängig der belastenden Auswirkungen auf sie und ihre noch verbliebene Familie. Angesichts der wechselhaften wie ausgedehnten Dienstzeiten sieht sie Töchterchen Annie (Perla Haney-Jardine: „Dark Water“) kaum noch in einem befriedigenden Maße – jene hat inzwischen fast sogar ein besseres Verhältnis zu ihrer sich um sie kümmernden Großmutter (Mary Beth Hurt: „the Dead Girl“) aufgebaut, was Jennifer natürlich bewusst ist und entsprechend nahe geht. Die betreffenden Szenen wirken ehrlich und werden zum Glück auch nicht überreizt. Lane agiert stark, stellt Marsh als eine erfahrene Persönlichkeit dar, die auf sich selbst aufzupassen vermag – darüber hinaus rückte man sie sehr „natürlich“ ins Bild, so dass sie klar als eine von der harten Realität geprägte Frau in ihren 40ern zu erkennen ist. Billy Burke („Ladder 49”/„Along came a Spider”) ist als ein Cop zu sehen, der ihren verstorbenen Mann noch von der Polizeischule her kannte – „selbstverständlich“ deutet sich im Verlauf eine gängige Entwicklung auf zwischenmenschlicher Ebene an, die hier allerdings nie konkret über eine platonische Beschaffenheit hinausläuft. Burke ruft keinerlei Grund zur Klage hervor, was genauso auf Colin Hanks (Tom´s Sohn, u.a. bekannt aus „11:14” oder „King Kong”) zutrifft, der einen sympathischen Eindruck als verhältnismäßig junger Agent und Computerspezialist hinterlässt, welcher (trotz der Dinge, mit denen er im Rahmen seiner Arbeit konfrontiert wird) so viel Vertrauen in das Internet setzt, um dort in Singlebörsen Frauen kennenzulernen, was ihm im Alltag irgendwie nicht gelingen mag. Joseph Cross („Running with Scissors“/„Flags of our Fathers“), seines Zeichens Jahrgang 1986, gefiel mir akzeptabel als von persönlichen Motiven angetriebener Killer, unabhängig der unvorteilhaften Gegebenheit, dass sein Part schlichtweg nicht markant genug gestaltet wurde – diese Information markiert übrigens keinen „echten“ Spoiler, denn seine Identität wird bewusst recht früh innerhalb der Entfaltung der Geschehnisse preisgegeben.
Angesichts seiner reizvollen Prämisse und der cleveren Annäherungsweise an diese, gelingt es dem Werk relativ schnell und kompetent, die Aufmerksamkeit des Publikums zu sichern. „Untraceable“ beginnt genau so, wie man es sich von einem Thriller dieser Ausrichtung erhofft – ein wohlig kaltes, unangenehmes, düster-bedrohliches Grundgefühl aufweisend. Die Identität des Verantwortlichen wird schon kurz nach dem ersten Drittel gelüftet – eine Gegebenheit, welche weder in positiver noch negativer Hinsicht einen Beitrag zum Spannungsgehalt leistet, da alles ohnehin nicht auf eine „whodunit“-Ausrichtung hinauslief. Wie auf Kommando treten nun aber bislang passabel übertünchte Probleme immer deutlicher in den Vordergrund – in erster Linie Klischees. Der diabolische Initiator hält sich vornehmlich in den typischen „Genre-Räumlichkeiten“ auf (unzureichend beleuchtete Keller etc) und weist ebenso ein auf einem gewissen Level (fast) nachvollziehbares Motiv für sein makaberes (pseudo-demokratisches) Online-Spielchen auf, welches ihm im Gegenzug jedoch beinahe jegliche Faszination raubt. Spätestens ab dem Erreichen der Halbzeitmarke verflüchtigt sich außerdem zu allem Überfluss die aufgebaute Credibility zugunsten eines völlig formelhaft wie mäßig gestalteten Ablaufs, der sporadisch sogar ans Absurde grenzt, da sich (bis dato) intelligente Erwachsene auf einmal wie dumme Teens in einem drittklassigen B-Movie-Horror-Flick verhalten. Ein veranschaulichendes Beispiel gefällig? Dem Psychopathen ist es gerade gelungen, per Hacken des „On Star“-Systems Jennifer´s Wagen mitten in einer regnerischen Nacht auf einer schwach frequentierten Brücke völlig lahmzulegen. Sie, eine ausgebildete, bewaffnete FBI-Agentin, steigt aus, entfernt sich einige Meter, um die Umgebung zu erkunden und ihre Kollegen per Anruf über die Lage zu informieren, bevor die Fahrzeugelektronik plötzlich erneut zu Leben erwacht. Was tut sie nun also? Sie setzt sich, ohne der Rückbank auch nur eines Blickes zu würdigen, wieder hinein. Hmmm, was geschieht wohl als nächstes? Abgesehen davon verärgert das Drehbuch mit einer Vielzahl „Vorwegnahmen“, die man zum Augenverdrehen offensichtlich platzierte: Eingangs erhalten eine Dienstwaffe und ein Vertikutierer einige sehr prägnante Sekunden Aufmerksamkeit, sind also garantiert wichtig für die folgenden Akte – und wenn beim Betrachten einer Folter-Übertragung ein Staatsdiener zu seinen Kollegen meint, es sei schade, dass es sich bei demjenigen um keinen Pfadfinder mit Morse-Kenntnissen handele, denn ansonsten hätte er ihnen ja seine Position per Augenzwinkern durchgeben können, kann man sich (wie von einem Holzhammer getroffen) zweifelsohne denken, wohin das wahrscheinlich führt. Ferner ist es zwar nett, dass dem Zuschauer vieles erläutert wird – allerdings hätte man das getrost etwas subtiler vermitteln können: Als Marsh und Dowd den „Identity-Thief“ überführen, spricht sie all ihre am Computer getätigten Schritte laut aus, obgleich nur sie und ihr Expertenkollege anwesend sind – und an anderer Stelle erklärt selbst der Killer einem seiner Leidtragenden die grundlegende Punchline: „If nobody was watching you right now, you´d be unharmed…“
Regisseur Gregory Hoblit („Fallen“/„Fracture“), dessen Vater übrigens dem FBI angehörte, bereitete sich (u.a.) mit ausführlichen Recherchen dienlich auf den Dreh vor. Die gebotenen Ermittlungsmethoden muten tatsächlich durchweg glaubhaft und realistisch an – unabhängig der Tatsache, dass ich es mir gewünscht hätte, mehr von den Auswirkungen der Arbeit auf die Psychen und Privatleben der Beteiligten zu erfahren, was bestenfalls am Rande abgehandelt wird. Hoblit´s Inszenierung ist solide und straff, weist sogar einen grandios arrangierten Selbstmord auf – nur ist es ihm auch dieses Mal nicht geglückt, einen Film vorzulegen, der an die Qualität seines vortrefflichen Kino-Debüts „Primal Fear“ (1996) heranreicht. Stattdessen fühlte ich mich manchmal im Ansatz an eine hochwertige Episode einer TV-Serie á la „Criminal Minds“ erinnert – was gar nicht mal so extrem weit hergeholt erscheint, wenn man bedenkt, dass bereits Chris Carter´s „Millennium“ im Rahmen der Folge „the Mikado“ (Season 2.13) eine ähnliche Thematik aufgriff sowie Holbit´s Karriere damals hinter der Kamera bei Shows wie „Hill Street Blues“ oder „NYPD Blue“ ins Rollen kam. Vorliegend war es ihm nicht möglich, die Schwachstellen des Skripts inszenatorisch auszugleichen oder zumindest weit genug ins Abseits zu drängen, so dass sie einem nicht mehr wie ins Gewicht fallende Ärgernisse vorkommen. Handwerklich gibt es kaum etwas auszusetzen: Die Make-up-Effekte sind schön unappetitlich, der Score geht in Ordnung und Cinematographer Anastas Michos („the Forgotten“) verlieh der Stadt Portland einen unbehaglichen optischen Eindruck. Was „Untraceable“ die volle Entfaltung seines Potentials verweigert, sind (wie erwähnt) in erster Linie die inhaltlichen Schwachstellen, welche die Produktion gewissermaßen in der unvorteilhaften Mitte zweier Genre-Ausprägungen hängen lassen: Der Streifen ist nicht listig, originell, spannend oder anspruchsvoll genug, um in der von Referenzen wie „se7en“ oder „the Silence of the Lambs“ geprägten 1.Liga mitzuspielen – aber genauso wenig kantig, vordergründig oder mutig genug, um im aufgewühlten „Torture Porn“-Fahrwasser zu bestehen. Beide potentiellen Einstufungen, inklusive der damit verbundenen Zielgruppen, werden mehr oder minder knapp verfehlt. Was unterm Strich bleibt, ist ein gut besetzter, mäßig spannender Thriller, der zu einigen intelligenten wie ungemütlichen (moralischen) Fragen und Denkanstößen anregt, aufgrund seiner in den entscheidenden Bereichen enttäuschenden Vorlage bzw Konzeption allerdings letzten Endes nicht übers Mittelmaß hinauskommt…
Untraceable
Der hat ja in der deutschen Journalie auch recht dsurchschnittlich abgeschnitten und kommt ja die Tage ins deutsche Kino ... mal sehen, ob ich mich zu einem Besuch durchringen kann ... allerdings denke ich, dass der Film im Großen und Ganzen zu belanglos ist, für einen Kinobesuch ... naja, man weiß ja nie. Die Kritik ist super, leider lässt sich mich ebenfalls unentschlossen zurück ... man sollte die Mittelnote abschaffen ;-)
In diesem Sinne:
freeman
In diesem Sinne:
freeman
freeman hat geschrieben:man sollte die Mittelnote abschaffen
Ich rege nochmal das Daumensystem an:
Schöne Kritik, einnehmender Opener mit starkem Bezug zum (Online-)Leser, macht schon mal recht wuschig auf den Film. Ich muss aber zugeben, die 5/10 hat mich dann leicht gewundert, als ich durchgescrollt hatte, das las sich alles etwas besser. Wie fast immer bei dir ist das halt so ein Gelegenheitsfilm, für den man sich nicht unbedingt bemüht, den man aber gerne mal mitnimmt im TV oder so, wenn man die Gelegenheit hat.
Danke fürs Feedback.
Hmmm - eigentlich hab ich recht viele gravierende Minuspunkte angeführt. Hatte kurz sogar überlegt, auf die 4/10 runter zu gehen - hatte ich damals, glaube ich, im Ofdb-Forum nach dem Kinobesuch gar spontan getan. Ich denke auch, dass der auf der großen Leinwand nicht unbedingt sein muss...
Hmmm - eigentlich hab ich recht viele gravierende Minuspunkte angeführt. Hatte kurz sogar überlegt, auf die 4/10 runter zu gehen - hatte ich damals, glaube ich, im Ofdb-Forum nach dem Kinobesuch gar spontan getan. Ich denke auch, dass der auf der großen Leinwand nicht unbedingt sein muss...
Hab den vor ein paar Monaten aus der Theke geliehen, finde ihn persönlich etwas besser als der allgemeine Tenor. Fängt besser an als er endet, denn zum Schluss nerven mal wieder übelste Klischees... ich weiß nicht in wie vielen Filmen irgendein Willie sagt "Nä, kann ich dir jetzt nicht am Telefon erzählen, triff mich da und da" und dann auf dem Weg verhackstückt wird, so auch hier. Dafür inszeniert Gregory Hoblit gewohnt gut und die Prämisse reflektiert das aktuelle Folterkino sogar wirklich, was den Film von "Hostel", diversen "Saw"-Sequels und anderen Langweilern abhebt. Denn die Grundfrage, ob eine solche Seite Leute ziehen würde, beschäftigt definitiv, die eingeblendeten Userkommentare sind gar nicht so weit von manchen Schwachsinn entfernt, der im web2.0 verbreitet wird. Die Mördersuche ist OK, der Hintergrund brauchbar konstruiert, nur im Finale hapert es dann arg.
Jimmy Dix: "Du glaubst wohl nicht an die Liebe?" - Joe Hallenbeck: "Doch ich glaube an die Liebe. Ich glaube auch an Krebs." [Last Boy Scout]
Perry Van Shrike: "Look up 'idiot' in the dictionary. You know what you'll find?" - Harry Lockhart: "A picture of me?" - Perry Van Shrike: "No! The definition of the word idiot, cause that is what you fucking are!" [Kiss Kiss, Bang Bang]
Perry Van Shrike: "Look up 'idiot' in the dictionary. You know what you'll find?" - Harry Lockhart: "A picture of me?" - Perry Van Shrike: "No! The definition of the word idiot, cause that is what you fucking are!" [Kiss Kiss, Bang Bang]
ziemlich lahmer Thriller, trotz der großartigen Diane Lane, aber hoblit gelingt es - wieder mal - nicht, wirkliche Spannung zu erzeugen, hinzu kommt, dass der Thriller auch noch vollkommen ohne Action auszukommen versucht...
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