
Originaltitel: Southland Tales
Herstellungsland: USA / Frankreich / Deutschland
Erscheinungsjahr: 2006
Regie: Richard Kelly
Darsteller: Dwayne Johnson, Seann William Scott, Sarah Michelle Gellar, Justin Timberlake, Holmes Osborne, Wallace Shawn, Miranda Richardson, Nora Dunn, Cheri Oteri, John Larroquette, Mandy Moore, Bai Ling, Jon Lovitz, Christopher Lambert, Kevin Smith, Zelda Rubinstein, Janeane Garofalo, Eli Roth, …
Trailer:
http://www.imdb.com/title/tt0405336/trailers
Nachdem Regisseur Richard Kelly 2001 mit seinem zum Philosophieren und Diskutieren anregenden Indie-Kult-Hit „Donnie Darko“ debütierte und sich auf diesem Wege den in der von Hollywood´s Einfallslosigkeit geprägten heutigen Zeit mit großer Hoffnung verbundenen Ruf eines „neuen cineastischen Wunderkinds“ erwarb, präsentierte er der erwartungsvoll gespannten Öffentlichkeit am 21. Mai 2006 auf dem „alt-ehrwürdigen“ Filmfestival in Cannes erstmals sein zweites Abend-füllendes Werk – den in vielerlei Hinsicht gewagten Genre-Mix „Southland Tales“. Leider entwickelte sich die Vorführung schon bald zu einem inzwischen legendären Desaster von nahezu „the Brown Bunny“-artigen Ausmaßen: Am Ende jener drei äußerst schwierig zu kategorisierenden Stunden hagelte es seitens der weitestgehend überforderten Zuschauer Pfiffe, Buhrufe und mehrheitlich vernichtende Kritiken – bis zu einhundert Personen sollen den Saal gar vorzeitig verlassen haben. Urplötzlich war die Produktion verschrien und Kelly in Zugzwang, so dass er sein Opus infolge dessen fast 18 Monate lang abermals überarbeitete: „Sony“ gewährte ihm etwas über eine zusätzliche Million Dollar für neue und verbesserte visuelle Effekte, er selbst drehte einige Szenen nach, fügte erläuternde Voiceover-Kommentare hinzu und fertigte eine neue, um rund 20 (auf nun „nur noch“ 144) Minuten erleichtere alternative Schnittfassung an, welche schließlich im November 2007 einen limitierten US-Kino-Release erhielt und an der amerikanischen Box-Office geradezu wie ein Bleigewicht versank – im Grunde keinerlei Überraschung, denn eigenwillige Projekte haben es generell nie leicht, ein breiteres Publikum zu finden, selbst ohne zusätzlich solch eine ausgefallene Beschaffenheit und brandmarkende Reputation aufzuweisen…
This is the Story of the Journey down the Road not taken…
Nach „9/11“ verwarf Kelly weite Teile seines ursprünglich angedachten Konzepts zugunsten einer anderen, sich brisant-aktuellen Thematiken á la Krieg, Politik, Religion, Überwachungstechniken sowie die Rolle der Medien annehmenden Ausrichtung und bettete diese zusätzlich in eine komplex entworfene Vision ein, die weit über den eigentlichen Film hinausreicht. Einen zentralen Schlüssel für den Zugang zu der Materie liefern drei die Vorgeschichte aufzeigende, zuvor erschienene und vielerlei Hintergründe preisgebende Comics bzw Graphic Novels („Two Roads Diverge“/„Fingerprints“/„the Mechanicals), welche sich gemeinsam mit der ansprechend gestalteten offiziellen Website zu einem reichhaltigen, hervorragend zum Inhalt passenden „multimedialen Erlebnis“ verbinden – auf das sich in seiner Gänze allerdings vermutlich die wenigsten Betrachter einzulassen bereit sind. Entsprechend untergliedert sich das hier vorliegende Werk in die Kapitel IV, V und VI – jeweils benannt nach einem alternativen Musikstück: „Temptation Waits“ von Garbage, Moby´s „Memory Gospel“ sowie „Wave of Mutilation“ der Pixies…
We saw the Shadows of the Morning Light, the Shadows of the Evening Sun – till the Shadows and the Light were one…
Eröffnet wird mit einer am 04. Juli 2005 angesiedelten, dank ihrer authentisch anmutenden Inszenierungsweise (zumindest im Ansatz) Gänsehaut erzeugenden Pre-Credits-Sequenz, welche aus den Aufnahmen einer auf einem Kindergeburtstag in Texas herumgereichten Videokamera besteht, welche zufällig die Detonation einer von Terroristen über die mexikanische Grenze ins Land geschmuggelten Atombombe ganz in der Nähe festhält. In den folgenden (bis zur Gegenwart der Handlung verstrichenen) drei Jahren ist der dritte Weltkrieg ausgebrochen, was die Staatsführung, Wirtschaft und Volksmeinung gleichermaßen beeinflusst und verändert hat: Zwangsrekrutierte amerikanische Soldaten kämpfen fernab der Heimat an gleich mehreren Fronten (u.a. Irak, Iran, Afghanistan, Syrien und Korea), die Regierung hat die Kontrolle über das Internet übernommen und überwacht seine Bürger nun mit Adlersaugen und High-Tech-Instrumenten, die globale Erderwärmung ist verstärkt vorangeschritten und Kapitalismus-feindliche militante Untergrund-Organisationen, wie die (von ihrer Spitze her) in Santa Monica ansässigen „Neo-Marxisten“, gewinnen aus den Reihen der Bevölkerung immer mehr Anhänger und Sympathien. Darüber hinaus bildet Kalifornien das Zünglein an der Waage bei der laufenden US-Präsidentschaftswahl, bei der die Förderung alternativer Energiequellen (um die Abhängigkeit von aus den Krisenregionen stammenden Öllieferungen zu beenden) ein zentrales Thema darstellt. Letzteres Problem scheint jedoch unmittelbar vor seiner Lösung zu stehen: Dem deutschen Baron von Westphalen (Wallace Shawn) ist es nämlich gelungen, eine Technik zu entwickeln, mit der sich aus der Kraft des Ozeans eine schier unerschöpfliche, „Fluid Karma“ genannte Energieform gewinnen lässt…
Don´t look so scared, Mr.Santaros – the Future is just like you imagined…
Das ist also die Ausgangssituation, in der sich die nun aufgezeigten Ereignisse entfalten: Kürzlich ist der erfolgreiche Action-Schauspieler Boxer Santaros (Dwayne Johnson), Ehemann von Madeline Frost Santaros (Mandy Moore), der Tochter des Vizepräsidentschaftskandidaten der Republikaner (Holmes Osborne als Senator Bobby Frost), im Nirgendwo der Wüste nach einem 3-tägigen Verschwinden erwacht, ohne sich an bestimmte Dinge mehr erinnern zu können. Gemeinsam mit der ambitionierten Krysta Now (Sarah Michelle Gellar), ihres Zeichens Pornodarstellerin, Sängerin, Talk-Show-Moderatorin und Medien-Darling, hat er seither ein Drehbuch mit dem Titel „the Power“ verfasst, in welchem es um den sich nähernden Weltuntergang geht – und so begleitet er den rassistischen Cop Taverner (Seann William Scott) bei dessen Dienst auf den Straßen der unter der Oberfläche lebhaft brodelnden Stadt, zwecks Vorbereitung auf seinen Part. Was er aber nicht weiß, ist dass jener in Wahrheit Taverner´s (ebenfalls von Scott gespielter) Zwilling ist – ein Fallujah-Veteran, der für die Neo-Marxisten tätig ist und im Sinne deren Sache die Identität seines Ebenbilds angenommen hat, da jene Gruppierung Senator Frost mit kompromittierenden Aufnahmen von Boxer erpressen sowie zum Zurücknehmen einer die Freiheiten der Menschen einschränkenden Verordnung („Proposition 69“) zwingen will. Als Baron von Westphalen auf das Skript aufmerksam wird, welches merklich prophetische Züge trägt, gerät dessen Autor vollends ins Visier diverser Interessensgruppen – die meisten jagen ihn, nur wenige wollen ihm in irgendeiner Weise (tatsächlich) helfen. Stetig kommen immer überlagerndere Schichten unterschiedlichster Agenda, Verstrickungen und Motive (inklusive weiterer Fragen und Verwirrungen) ans Tageslicht: Zum Beispiel gibt es offenbar einen Riss im Raum/Zeit-Kontinuum, „Fluid Karma“ stellt sich zudem als eine halluzinogene Droge heraus, mit der illegal an verwundeten Soldaten (unter ihnen Justin Timberlake als von Narben gezeichneter Pilot Abilene) experimentiert wurde – und außerdem kündigt sich (voraussichtlich) sowohl das Erscheinen einer Messias-Gestalt als auch gar das Ende der Welt an…
This is the Way the World ends: Not with a Whimper – but with a Bang…
Dieser mehrfach im Verlauf wiederholte Satz, übrigens eine Umkehr der Schlusszeilen des 1925er T.S.Eliot Gedichts „the Hollow Man“, sagt bereits sehr viel über die Beschaffenheit dieser ungewöhnlichen Produktion aus – und zwar inhaltlich wie stilistisch, denn einerseits wird die richtungsweisende „Doomsday“-Thematik klar veranschaulicht, auf der anderen markiert die Verwendung und Einbindung des Zitats eine erste (früh erkennbare) Spitze des gewaltigen Massivs an Theorien, Gedankenkonstrukten und Inspirationen, welche Kelly in seiner extrem schwer zu klassifizierenden Geschichte vereinte, von der meine gelieferte Inhaltsangabe bestenfalls die Schale ankratzt. „Southland Tales“ ist eine wüste, nichtsdestotrotz beseelte Kombination (u.a.) aus Gesellschaftskritik, schwarzer Komödie, Satire, Drama sowie Polit- und Paranoia-Thriller – angereichert mit Soap-, Musical-, Sci-Fi- und Fantasy-Elementen. Mehr oder minder offensichtliche Verbeugungen und Anspielungen an so verschiedene Vorbilder wie Andy Warhol, Alex Cox, David Lynch, Robert Frost, Thomas Pychnon, Philip K.Dick, Kurt Vonnegut, George Orwell, Stanley Kubrick oder Kathryn Bigelow´s „Strange Days“ (etc. pp) sind in fast jeder Szene auszumachen, die Dichte dieser Verknüpfungen ist beeindruckend – zumal noch unzählige weitere aus so unterschiedlichen Bereichen wie den neuen Medien, der Bibel, heutigen Pop-Kultur oder aktuellen Weltlage hinzukommen. Mit einer intensiven Analyse und Interpretation ließe sich eine Diplomarbeit gewiss bündig ausfüllen. So bemerkenswert sich das alles auch lesen bzw anhören mag, muss ich allerdings ebenso denjenigen durchaus Recht geben, welche (nicht nur in Anbetracht der Zuschauerreaktionen und Kritikerstimmen teils schon im Vorfeld) zu der Auffassung gelangt sind, dass es Kelly wohl nicht unbedingt gelungen ist, seine kreativen Ideen und multiplen Handlungsstränge optimal miteinander zu verweben – ansonsten hätten wir es hier nämlich mit einem bahnbrechenden Meisterwerk zutun, das untrüglich auch als solches anerkannt worden wäre. Vieles mutet tatsächlich verhältnismäßig überfrachtet, bruchstückhaft oder zu lose verschnürt an, bloß weist das Gebotene dennoch einen derart stattlichen Qualitätsgrad und Unterhaltungswert auf, dass man beileibe nicht von einem „Desaster“ sprechen kann – bestenfalls von einem gewissen Scheitern auf allerhöchstem Niveau…
I´m a Pimp – and Pimps don´t commit Suicide…
„Southland Tales“ wartet mit einem imposanten, bestens aufgelegten sowie aus diversen Kult-Stars bestehenden Darsteller-Ensemble auf, das dank der im Prinzip kollektiven Hingabe und Spielfreude eine Menge zur reizvollen Wirkung des extravaganten Gesamteindrucks beiträgt. Der erstmals ohne seinem prägnanten Nameszusatz „the Rock“ in den Credits gelistete Dwayne Johnson („Doom“/„Gridiron Gang“) überzeugt mit Talent und Charisma in der klar an Arnold Schwarzenegger angelehnten Hauptrolle: Boxer Santaros ist ein erfolgreicher Hollywood-Actionstar, der in eine mächtige politische Familie eingeheiratet hat und selbst entsprechende Ambitionen hegt – außerdem heißt seine Figur in „the Power“ Jericho Kane (vgl. mal „End of Days“). Ihm zur Seite steht sein „the Rundown“-Partner Seann William Scott („American Pie“/„Stark Raving Mad“), der in manchen Einstellungen seine Fähigkeiten im dramatischen Fach überraschend gut zur Schau stellt. Geradezu fantastisch gefiel mir Sarah Michelle Gellar („Scooby-Doo“/„the Grudge“), welche so etwas wie eine Mischung aus Paris Hilton und Jenna Jameson verkörpert: Sie sieht blendend aus, ihr komödiantisches Timing stimmt – und es macht Laune, sie beim Trinken ihres eigenen Energy-Drinks, Diskutieren in einer Blondinen-Talkshow-Runde, Reden über ihre Beteiligung an „Cockgobblers 2“ oder Singen des Songs „Teen Horniness in not a Crime!“ zu erleben. Die restlichen Parts der Besetzung, von denen auffällig viele früher zum „Saturday Night Live“-Stammteam gehörten, sind deutlich weniger reichhaltig ausgefallen – aber es ist einfach klasse, so viele bekannte Gesichter allerorts zu erblicken: Beispielsweise sind Nora Dunn („Three Kings“) und Cheri Oteri („Scary Movie“) als zwei Neo-Marxisten zu sehen, Jon Lovitz („City Slickers“) mimt einen eiskalten Killer, die wunderbare Mandy Moore („American Dreamz“) Boxer´s Ehefrau, Holmes Osborne („D-War“) den Senator, John Larroquette („Blind Date“) einen Freund der Familie, Christopher Lambert („Highlander”) einen aus einem Ice-Cream-Van heraus operierenden Waffenhändler, Bai Ling („the Crow“) ein sexy Anhängsel sowie Kevin Smith („Dogma“) einen Terror-Chef mit Rauschebart und ohne Beine. Neben „Poltergeist“-Medium Zelda Rubinstein´s Auftritt und einem Cameo von Horror-Guru Eli Roth („Hostel“) möchte ich unbedingt noch den herrlich überzogenen Wallace Shawn („Clueless“) als Baron von Westphalen und Miranda Richardson („Spider“) als wachsame Leiterin der „Big Brother is watching you“-Überwachungszentrale lobend herausstellen. Eine starke Zusammenstellung…
History repeats itself – first as Tragedy, second as Farce…
Während „Donnie Darko“ ganz bewusst zu Zeiten Ronald Reagans spielt(e), wurde „Southland Tales“ ebenso nicht ohne Grund sowohl in der wahrscheinlich oberflächlichsten Stadt des Landes (Los Angeles) als auch der gegenwärtig (nach „9/11“) noch vorherrschenden George Walker Bush Ära angesiedelt. Gezielt griff Kelly diverse in den Medien sowie Köpfen der Leute präsente Themen auf und verarbeitete diese zu einer cleveren Satire, welche, trotz so manch einer skurrilen, absurden oder humorvoll auf die Spitze getriebenen Ausprägung, niemals platt anmutet. Jene feine Linie wird zum Glück nicht überschritten – stattdessen bietet sich dem mitdenkenden Betrachter eine wunderbar zynische, mit bissiger Ironie verdichtete Posse, die einen auf intelligente Weise in ihren Bann zieht. Kapitalismus und Konsumwahn werden aufs Korn genommen, Staatsmänner opfern für wirtschaftliche Macht gar eigene Körperteile – und Werbeprodukte benötigen nicht einmal mehr menschliche Testimonials, denn die moderne Technik vermarktet, verkauft und reproduziert sich quasi von selbst. Ein kurzer Clip, der den Sex zweier Fahrzeuge (!) zeigt, veranschaulicht das perfekt – genauso wie ein vom „Hustler“-Magazin gesponserter Kampfpanzer die Tatsache, dass kommerzielle Interessen selbst vorm Krieg nicht halt machen, wenn es etwas zu gewinnen gibt. Terroristen haben erfolgreich Schrecken und Paranoia gesät, Nachrichtensendungen schüren im Zuge ihrer reißerischen Berichterstattung („American Hiroshima!“) diese Ängste zusätzlich – und so schränkt die Regierung die Freiheiten der Bürger ein und dringt in deren Privatsphären vor, selbstverständlich rein „zu ihrem eigenen Wohle“. In Phasen der Verunsicherung und Furcht greifen die Menschen seit jeher gern auf ihren Glauben zurück, der sie schützen und von der harten Realität ablenken soll: Opium fürs Volk. All diese genannten Fäden, Ansätze und Denkanstöße laufen bei einer Figur zusammen: Pilot Abilene (Multi-Talent Timberlake), der Erzähler dieser Geschichte – seines Zeichens verwundeter, entstellter, zu Testzwecken missbrauchter und dadurch abhängig gewordener Irak-Veteran, der nun am Strand die Off-Shore-Einrichtung des Barons mit einem großkalibrigen Gewehr bewacht. Sein mit Zitaten (u.a. aus dem Buch der Offenbarung) angereichertes, gefühlskaltes Voiceover zeigt uns den Weg auf – ohne seine Worte wären wir, die Zuschauer, beinahe verloren. Ferner sorgt er für den (in meinen Augen) brillantesten Moment des Streifens – als er, im Drogenrausch versunken, förmlich aus dem Nichts heraus den „the Killers“-Song „All these Things that I´ve done“ (in Vollplayback) zum Besten gibt und dabei eine ausgezeichnet choreographierte surreale Sequenz durchläuft, welche symbolische Dinge wie eine Spielothek, Blut, Erkennungsmarken, Budweiser-Bier, Marilyn-Monroe-Krankenschwestern sowie unzählige US-Flaggen beinhaltet. Genial – besonders die letzten (eindringlich-vielsagenden) Sekunden dieser (am Stück) rund 2,5 Minuten…
Scientists are saying the Future is going to be far more futuristic than they originally predicted…
In handwerklicher bzw technischer Hinsicht gibt es eigentlich so gut wie nichts an dem vorliegenden Endergebnis zu beanstanden. Sicher, einige (wenige) Effekte besitzen keine Referenzqualität – bloß fallen diese nie irgendwie Unmut erzeugend ins Gewicht. Cinematographer Steven B.Poster (Madonna´s „Like a Prayer“-Video) rückte die von Alexander Hammond´s („Flightplan”) dem Auge nahezu permanent schmeichelnden Ausstattung geprägten Geschehnisse ungemein ansprechend in rechte Licht, Sam Bauer´s („Dark Ride“) Editing-Arbeit ist angepasst stimmig – ebenso wie die inspirierte Musik-Untermalung, welche sowohl Moby´s anregenden Score als auch eine sehr originelle Song-Auswahl umfasst. Das gesamte, sich hauptsächlich in des Barons „Megazeppelin“ entfaltende Finale (zum Beispiel) ist ein stilistisch unterkühltes Fest für die Sinne – ein optischer wie akustischer Leckerbissen, dominiert von einer Rebekah Del Rio Coverversion der amerikanischen Nationalhymne (unvergessen: ihre Gesangseinlage in „Mulholland Dr.”). Den Showdown an sich sehe ich als „okay“ an – nur wäre es meiner Meinung nach besser gewesen, wenn man sich für den Schluss mehr Zeit genommen und ihn zudem noch etwas zuspitzend intensiver gestaltet hätte (vgl. „Strange Days“). Wie man persönlich die Sache mit dem schwebenden Eiscreme-Wagen sieht, bleibt jedem selbst überlassen – für mich ist sie ein weiterer Punkt auf der ewig langen Liste an schrägen und geistreichen Einfällen, die einen so starken Reiz ausüben, weil sie wohlig miteinander harmonieren sowie von einem Grad an Kreativität zeugen, den man in dieser Ausprägung heute kaum mehr gewohnt ist. Es ist schier unmöglich, all diese Phänomene (wie ein verzögertes Spiegelbild), Gags, Gadgets (Waffen, mit denen man um die Ecke zielen und schließen kann), versteckte Hinweise und Details (spezifische Textzeilen der Nachrichteneinblendungen, Boxer´s religiöse Tattoos, ein lateinisches Caligula-Zitat an der Seite eines Streifenwagens etc) zu entdecken und entsprechend zu würdigen – ein wiederholtes Sichten bietet sich da auf jeden Fall an, sofern man dazu bereit ist. Der Plot ist ohnehin viel zu komplex dafür, dass man ihn in einer Lauflänge dieser Größenordnung sinnvoll hätte aufarbeiten können – weshalb manchmal ein leicht episodenhafter Eindruck entsteht, der einigen mit Sicherheit missfallen dürfte. Viele werden vor der Flut an Protagonisten, Handlungssträngen und Informationen schlichtweg kapitulieren und die Schuld dafür weit von sich weisen. Ich selbst würde gern mal die Langfassung zu Gesicht bekommen – nicht nur um Janeane Garofalo („Cop Land“) öfters im Verlauf zu sehen, sondern um Zeuge der vollständigen Vision ihres Schöpfers zu werden…
If „Donnie Darko“ was Kelly´s „Eraserhead“ – then maybe „Southland Tales“ is his „Dune“…
Dieser Satz eines US-Kritikers trifft den Kern der Angelegenheit meines Erachtens sehr gut – jeder Leser kann seine eigenen Schlüsse daraus ziehen (ich selbst mag Lynch´s Version des Frank Herbert Stoffes, welche damals an den Kinokassen ebenfalls übel floppte). Viele im Erstlingswerk des Regisseurs angegangene Elemente griff Kelly im Zuge seines zweiten Spielfilms erneut auf: Eingebettet in einem vollkommen unterschiedlichen Kontext, wird einem der Zugang zur Materie dieses Mal jedoch von dem weitaus größeren (inhaltlichen wie konzeptionellen) Umfang sowie dem Fehlen einer prägnanten Identifikationskomponente (Vorstadt, High School, Familie) erschwert – aktive Aufmerksamkeit ist also gefragt, passives Konsumieren nicht. Antworten muss man sich erarbeiten, man erhält sie nicht auf einem Silbertablett präsentiert – aber die Mühe lohnt sich, keine Frage. Alles in allem ist „Southland Tales“ eine einzigartige, vielschichtige, unvorhersehbare, unglaublich ambitionierte und in keinem Moment langweilige Produktion, die sich von der überwältigenden Masse der faden wie konventionellen cineastischen Kost da draußen äußerst positiv abhebt – aufgrund ihrer überfrachtet anmutenden Beschaffenheit zwar beileibe nicht perfekt, unabhängig dessen allerdings auf hohem Qualitätsniveau inszeniert sowie überaus unterhaltsam…

P.S.: Have a nice Apocalypse!












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LivingDead relativiert:
Weltuntergangsszenarien sind stets ein bevorzugtes Thema im Geschichtenerzählen. Sei es ein Asteroid mit der Größe des Mount Everest, eine alles dahinraffende Gottesgeißel, außerirdische Invasoren oder der dritte alles vernichtende Weltkrieg inklusive Holocaust. So ziemlich alles wurde bisher in der gängigen Literatur oder im Kino verbraten, sodass inzwischen eine gewisse Eintönigkeit im Genre Einzug erhielt. Vorwiegend im Science Fiction-Metier lassen sich entsprechende Storylines immer wieder entdecken: Schwarze Löcher und Zeitreisen, die die Zerstörung des Universums zur Folge haben, und so weiter und so fort.
Doch genau an diesem Punkt kam im Jahre 2001 der äußerst erfolgreiche Independent-Streifen „Donnie Darko“ ins Spiel, welcher das Debüt des US-amerikanischen Regisseurs Richard Kelly darstellte. Die recht kryptische Geschichte um einen Jungen, der durch die Zeit reist, um das Ende der Welt zu verhindern, traf den Nerv der Zuschauer, sodass der Film schnell zum Kult avancierte und in diversen Internetforen über die genauen Hintergründe der komplexen Geschichte diskutiert wurde. Die Kombination Teeniefilm/Science-Fiction/Drama hat es in dieser Form bisher noch nicht gegeben. Selbst Parallelen zu einem David Lynch ließen sich damals ableiten (doch erreichte Kelly niemals dessen Qualitäten).
Das Besondere an „Donnie Darko“ war - retrospektiv betrachtet - Kellys Experiment durch die Darstellung eines Weltuntergangs das Bild einer verdorbenen Generation zu beleuchten, in der die Jugend durch falsche Dogmen ihrer Individualität beraubt wird. Das Ende der Reagan-Ära ist gleichzeitig das Ende der Autonomie einer jungen Generation, die die Diskrepanz ihrer Pädagogen widerfährt, welche das Weltbild in ein absurdes Gut-Schlecht-Schema zu zwängen versuchen.
Schwächen zeigte der Film immer wieder dann, wenn es um das paradoxe Zeitreisen-Thema ging, welches – außer seiner Funktion als Metapher – nicht gerade sinnig war und viele Fragen schlichtweg unbeantwortet ließ. Doch auch die publizierte Interpretation Kellys höchstpersönlich brachte nicht wirklich Licht ins Dunkle. Insgesamt funktionierte „Donnie Darko“ als Außenseiter-Drama besser als Science Fiction-Film.
Vor kurzem erschien nun endlich Kellys zweite abendfüllende Regiearbeit in den deutschen Gefilden. Das viel gescholtene, im Kino gnadenlos gefloppte, überlange Werk namens „Southland Tales“, welches mit Darstellern wie Dwayne Johnson, Sarah Michelle Gellar, Justin Timberlake oder Christopher Lambert aufwarten kann, lässt kaum glauben, dass es nicht in die deutschen Lichtspielhäuser geschafft hat. Nach Sichten desselbigen kommt dann die Erklärung dafür.
„Southland Tales“ ist nicht einfach. Ganz und gar nicht. Kellys Zukunftsvision ist ein von Anfang bis Ende mit Ideen, Wendungen, Charakteren, Skurrilitäten und Storylines zugekleistertes Magnum Opus. Denn nichts anderes will der Film sein, außer groß und schwer. Und nach dem Abspann sitzt der Film tatsächlich schwer im Magen, so viel ist sicher. Vorausgesetzt natürlich man schaltet nicht nach 20 Minuten entnervt ab… Manch einer mag dem Film vorwerfen, er sei überfrachtet. Natürlich ist er überfrachtet. Es geht hier nicht weniger als um das Ende der Welt; wenn das nicht überfrachtet ist?
Aber selbst auf narrativer Ebene bewegt sich Kelly stets am Rande des Erträglichen: Es gibt, wie erwähnt, Musicaleinlagen, Actionszenen, ruhige, intensive Momente und drastische, als auch satirisch-überspitzte Augenblicke. Insgesamt aber kann man „Southland Tales“ als Medien- und Gesellschaftssatire wahrnehmen. So sind viele Charaktere realen Vorbildern nachempfunden („The Rock“ persifliert sein Action-Image; Sarah Michelle Gellar als Paris Hilton-Verschnitt) und die politischen Hintergründe eine überspitzte Weiterführung des aktuellen Geschehens. Eine klare Linie gibt es aber nicht. Und trotz der hohen Laufzeit wirkt vieles abgehackt, unlogisch und im Kontext unstimmig. Manches ergibt gar kaum einen Sinn. Nun könnte sich Kelly vielleicht auf dem Umstand ausruhen, dass sich Fans um ihre eigenen Interpretationen bemühen werden; doch um sich so einfach aus der Affäre ziehen zu können, bräuchte es schon einen kräftigen Hauch an Genialität. Doch leider zeigt „Southland Tales“ im Gegensatz zu einem „Donnie Darko“ nicht gerade viel davon. Viel zu verquast wirkt das Ganze. Und im Gegensatz zu einem Lynch bewerkstelligt es Kelly eben nicht Konsequenz zu bewahren. Das mag vielleicht daran liegen, dass er den Film nach katastrophalen Vorführungen vor dem Studio und in Cannes mehrmals umschnitt und einige Szenen nachdrehte; doch was zählt, ist das Endresultat. Und das zeigt sich nur in wenigen Momenten zufrieden stellend.
Manches erinnert direkt an Kellys Debüt, ganze Szenenanordnungen werden kopiert und insgesamt besitzt „Southland Tales“ nur äußerst wenig Wiedererkennungspotenzial. Es fehlt schlicht und ergreifend an denkwürdigen Momenten, wie sie ein „Darko“ en masse besaß. Kelly zitiert und kopiert, ohne wirklich etwas Eigenständiges abzuliefern.
Natürlich macht die Musicaleinlage Spaß, ist die Bildspache wieder einmal hervorragend gelungen, spielt The Rock eine seiner besten Rollen, Sarah Michelle Gellar war selten hübscher anzusehen und allgemein hin ist die Musikuntermalung von Moby als äußerst gelungen einzustufen. Doch all das nützt dem Film nicht viel, denn ein weiteres Mal eine ganze Generation (diesmal die trostlose Zukunft) kurz vor der Apokalypse zu sehen, bei der ein (bzw. zwei) Erlöser die einzige Hoffnung zur Rettung der Welt darstellt, zeugt nicht gerade von Weiterentwicklung.
Richard Kelly ist ein guter Regisseur, doch für ein großes Werk mit Langzeitwirkung reicht das noch lange nicht. Ich glaube zumindest nicht, dass man in zehn Jahren noch von „Southland Tales“ sprechen wird.
