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Originaltitel: Frontière(s)
Herstellungsland: Frankreich/Schweiz
Erscheinungsjahr: 2007
Regie: Xavier Gens
Produktion: Luc Besson
Darsteller: Karina Testa, Aurélien Wiik, Patrick Ligardes, David Saracino, Maud Forget, Samuel Le Bihan, Estelle Lefébure, Yannick Dahan, Chems Dahmani u.a.
Die Banlieues in der nahen Zukunft. Aufgrund der bevorstehenden Wahlen für das Amt des französischen Präsidenten, bei dem die Bevölkerung zwischen einem konservativen und einem ultrarechten Kandidaten wählen kann, kommt es in den Vororten von Paris zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. Das daraus resultierende Chaos nutzt eine Bande von Kleinganoven für einen Überfall. Dieser endet im mittleren Chaos. Eines der Bandenmitglieder segnet das Zeitliche, der Rest trennt sich und will sich zum Aufteilen der Beute in Holland treffen. Beide Parteien kommen zeitlich nacheinander irgendwo im französischen Nirgendwo an einer seltsamen Spelunke vorbei, in der sich die Damen des Hauses als sexgeile Gebärmaschinen und die Hausherren als faschistische Zurückgebliebene entpuppen. Das große Sterben kann beginnen ...
Und mein lieber Schwede, das tut es. Frontier(s) ist endlich mal wieder Terrorkino, das sich den Begriff nicht selbst auf das DVD Cover malen muss, um damit werbewirksam zu posen. Nein, vielmehr IST Frontier(s) einfach Terror in seiner pursten und verstörenden Form. Dabei entpuppt sich Frontier(s) als Film, bei dem man unmittelbar nach dem Filmgenuss glaubt, man habe gerade ein riesiges Schlachtfest gesehen, in Wirklichkeit hält man sich aber mit den Brutalitäten mehr als zurück. Dementsprechend ist es nicht die Brutalität des Streifens, die den Film so lange nachhallen lässt, nein, es ist die zum Schneiden dicke, sich immer mehr verdichtende Atmosphäre.
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Im Grunde genommen ein echtes Kunststück, ist Frontier(s) doch letztendlich nicht viel mehr als der x-te Abklatsch des Texas Chainsaw Massacre, das Regisseur Xavier Gans (Hitman) auch oft genug zitiert. Und so treffen eben auch hier Teenager auf eine vollkommen degenerierte Familie, die den Überlebenswillen der jungen Menschen aufs Härteste prüft und dabei alles andere als zimperlich mit dem unverhofften Besuch umgeht. Dass Frontier(s) kein eins zu eins Abklatsch geworden ist, verhindern diverse, teils sehr schräge Ideen, die das Drehbuch aufzubieten hat. Die wichtigsten Änderungen im Vergleich zum großen Vorbild dürften zwei sein. Zum einen beschränkt man sich in Frontier(s) nämlich nicht auf einen extrem eingegrenzten Wirkbereich, sondern man findet eine Vielzahl an eindrücklichen Schauplätzen, die vom Schweinestall zum unterirdischen Stollensystem bis hin zu mehreren Haupthäusern reichen und somit viel Abwechslung ins Metzelgeschehen bringen. Obendrein ist der Antrieb der Hinterwäldler sehr abseitig geraten. Eine neue Überrasse will der Altnaziopi begründen. Eine mit reinem Blut. Und wenn es nicht ganz so rein ist, wen stört es? Hauptsache Übermenschen. Dieser Aspekt ist dann sicherlich der, der am Meisten darüber entscheidet, was man von Frontier(s) hält. Denn vielen mag dieser Antriebt schlicht und ergreifend zu geschmacklos erscheinen, wird er doch im Original obendrein mit einigen saudämlichen deutschen Sprachfetzen untermauert, bei dem sich in unseren Breiten gerne mal Behörden ins Hemdchen pullern.
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Für mein Dafürhalten wird dieses Motiv aber von Gens mit einer solchen Ernsthaftigkeit transportiert, dass es im Grunde keinen Widerspruch duldet! Und dieser Umstand trägt zu der unglaublich verstörenden Atmosphäre ein ordentliches Scherflein bei. Da in deutschen Landen gerade wieder eine neue Übervorsicht grassiert, die faschistische Symbole aus PC Spielen streichen lässt und auch Comics eine Nachbearbeitung von allzu leichtfertig verwendeten Runensymbolen nahe legt (selbst in Mangas, wo das Hakenkreuz nun mal eine vollkommen andere Bedeutung hat!), war schon recht früh abzusehen, dass Frontier(s) in seiner Originalform niemals nach Deutschland kommen würde. Doch die Nazithematik dürfte nicht der einzige Grund für die deutschen Stümmelfassungen sein. Schließlich kommt zu der „heiklen“ Thematik irgendwann auch noch eine Selbstjustiztendenz, die Gens mit Schmackes auskostet und auf der Leinwand in einem 30Minütigen Showdown voll von erinnerungswürdigen Einzelszenen explodieren lässt.
Hier gelingen Gens unglaubliche Bild-Ton-Musikcollagen, die fast vollkommen auf Dialoge verzichten und einfach nur über eine unglaublich fette Optik transportiert werden. Dabei schafft Gens gleichzeitig spielend etwas, an dem sich zuletzt Hostel, Saw 4 und Co. kräftig verhoben haben: Er bringt den Hochglanz ins Terrorgenre zurück. Etwas das Marcus Nispel bei seinem Texas Chainsaw Massacre Remake so trefflich gelang, was aber irgendwann aus unerfindlichen Gründen nicht mehr funktionierte, so dass man auf grobkörnigeres Filmmaterial umstieg, um die Filme rauer wirken zu lassen. Gens fährt nun die komplette Hochglanzschiene, pumpt extrem viel Style in seine Bilder, fährt alle denkbaren Stilmittel auf und entfesselt die Kamera auf höchstem Niveau. Dabei bebildert er Örtlichkeiten und Handlungen, die so krass, rau, verschmutzt und verkommen anmuten, dass man hier einen der edelst bebilderten, dreckigsten Nachtmahren aller Zeiten geliefert bekommt, der zwischen durch Schweinescheiße robbende Protagonisten und verstörend idyllischer Puppenzimmeridylle hin und herpendelt und einen vollkommen eigenen Reiz auszuüben versteht, um gleichzeitig förmlich vor Energie und Adrenalin zu vibrieren. Grandios. Obendrein hat Gens seinen Streifen auch inhaltlich im Griff, gönnt sich keine echten Pausen, drückt durchgehend aufs Tempo und lanciert einen mehr als eindrücklichen Spannungsbogen.
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Dabei sind dem zugrundeliegenden Drehbuch die Protagonisten zwar wirklich vollkommen egal (es gibt nicht einmal Anflüge einer Figurenexposition!), ABER die hervorragend aufspielenden Darsteller machen es leicht, mit ihnen mitzufiebern, oder sie von Herzen zu hassen. Besonders hervorheben muss man dabei die entrückt schöne Karina Testa als einzige Frau der zum Leiden verurteilten Gangsterbande. Sie spielt vor allem im Showdown so grandios intensiv auf, dass sich ihr Schock und ihre Panik mühelos auf den Zuschauer übertragen, der dank ihrer vor Angst zitternden und dann wieder beherzt zuschlagenden Darstellung eine zwischen Besorgtheit und enormer Bewunderung schwankende Sympathie für sie aufbaut. Auf Seiten der Neonazis muss man unumwunden Samuel le Bihan hervorheben. Er gibt hier eine Art französisches Leatherface, der in Form seiner fleischigen Urwüchsigkeit keinerlei Widerspruch duldet und alles niederwalzt, was ihm in die Quere kommt. Einen größeren Gegensatz zwischen Bihans sonstigen, fast immer sehr positiv besetzten Rollen und dieser hier ist meines Erachtens bei keinem Film auszumachen. Und er überzeugt als psychopathisches Arschloch auf ganzer Linie! Der Rest des Castes überzeugt ebenfalls vollauf und macht sogar aus teils schwer klischeereichen Rollen das Beste.
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Was bleibt ist mehr als nur eine Duftmarke im Genre. Findet man sich mit den schwach gezeichneten Figuren ab und besorgt einem auch das Motiv der Hinterwäldler und die Darbietung desselben keine Kopfschmerzen, bekommt man hier Terrorkino vom Allerfeinsten mit teils starken darstellerischen Performances, einem intensiven Score und Bildern / Szenenfolgen, die man lange nach dem Film nicht abschütteln kann. Dabei ist Frontier(s) mehr als die häufig angesprochene Gewaltbombe. Natürlich explodieren hier Köpfe, fliegen Menschen auf Kreissägen, werden Arterien durchbissen und Finger abgeschossen, ABER Frontier(s) spielt diese Gewalt niemals zu breit aus, sondern nutzt diese zugegebenermaßen ab und an recht harschen Momente zur Verstärkung der seltsam bedrückenden, ausweglos scheinenden Atmosphäre. Und damit reiht sich Frontier(s) ganz weit oben in der aktuellen Terrorkinowelle ein und dürfte sich da auf lange Zeit häuslich einrichten können ...
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Die deutschen Veröffentlichungen von Sunfilm werden leider alle cut sein. Dabei soll es eine schwer verstümmelte FSK 18 Version und eine weniger verstümmelte Spio/JK Fassung geben. Zumindest gönnte man den kastrierten Filmversionen aber in der Doppel DVD Variante eine ordentliche Latte an netten Extras wie einem Making Of, einem Audiokommentar, Deleted Scenes und vielem mehr. Für die uncut Originalfassung muss man sich in Richtung Großbritannien umschauen, wo die DVD von Optimum Home den Streifen in französischer Originalfassung mit englischen Untertiteln bietet und in hervorragender Bild- und Tonqualität daherkommt.
In diesem Sinne:
freeman