
Originaltitel: Shi di chu ma
Herstellungsland: Hongkong
Erscheinungsjahr: 1980
Regie: Jackie Chan
Darsteller: Jackie Chan, Wai Pak, Yuen Biao, Lily Li Li-Li, Sek Kin, Ing Sik Whang, Fung Hak On, Li Hai Sheng, Tien Feng, Feng Feng, Fan Mei Sheng, Bruce Tong Yim Chaan u.a.
“Meister aller Klassen” ist Jackie Chans zweite Regiearbeit - gerne wird sie jedoch als sein Regiedebüt angesehen, denn es ist der Auftakt einer Zusammenarbeit, die erstens Jackies endgültigen Durchbruch bedeuten sollte, zweitens seinen nachhaltigen Erfolg und drittens eine langjährige Partnerschaft - die Periode der Kooperation mit dem Produktionsstudio Golden Harvest nahm hier ihren Anfang.
Bis hierhin war Jackie bei Lo Wei Productions unter Vetrag, einem Studio, das Jackie in den Siebzigern auserkoren hatte, die rechtwürdige Nachfolge von Bruce Lee anzutreten. Für den zum Star aufgebauten Jungschauspieler brachte diese Verbindung über einen längeren Zeitraum natürlich keine Möglichkeiten zur Entfaltung mit sich; Jackie wurde in eine Nische gedrängt, die Bruce Lee hinterlassen hatte.
Der Wechsel zu Golden Harvest vollzog sich dementsprechend schwierig; zur Erfüllung des Vertrags mit dem alten Studio fehlte noch die Realisierung eines Films, und Lo Wei wandte letztendlich gar Mafiamethoden an, indem die Triaden aktiviert wurden - die dunklen Machenschaften blieben glücklicherweise nicht ungesühnt, so dass Jackie schließlich doch zu Golden Harvest übergehen konnte und mit der Regie, dem Drehbuch und der Hauptrolle zur Premiere “Meister aller Klassen” erste Taten auf neuem Terrain folgen ließ.
Da nach Beendigung des Projekts bereits die USA riefen - und dass der erste Ausflug nach Übersee nur in Enttäuschung endete, soll hier nicht weiter interessieren - bildet “Meister aller Klassen” schließlich einen Übergangspunkt, der auch als erstes Sprungbrett für eine international ausweitbare Karriere verstanden werden kann. Unter Golden Harvest genoss Jackie also alle Freiheiten, die er benötigte, um seine Qualitäten - die spitzbübische, lockere Art, der eigensinnige Charme und die damit konglomerierende Körperakrobatik - voll zur Geltung zu bringen. Und das sieht man dem ersten Film an. Er bietet ein erfrischendes, nie neues, aber stets neu erscheinendes Spiel mit den Zutaten des gebräuchlichen Martial Arts-Films und sticht durch seine Ungezwungenheit hervor.
Dem nicht entsprechen kann leider die zugrunde gelegte Geschichte, die wohl in der Euphorie der Martial Arts untergegangen ist. Dabei hört sie sich auf dem Papier gar nicht so schlecht an. Jackie spielt Dragon, eine Rolle, die er zwei Jahre später wieder in “Dragon Lord” aufnehmen sollte. Er ist einer der zwei besten Schüler einer Kung Fu-Schule, die in Verruf geraten ist. Der Grund für die Schande: Der zweite Schüler, Tiger (Wei Pei), ist in eine Verbrecherbande geraten und hat die Schule verlassen. Dragon hat es sich nun zur Aufgabe gemacht, Tiger zurückzubringen. Auf dem Weg kommt es jedoch zu einer Verwechslung, so dass fortan Dragon für Tiger gehalten wird und von dem Polizeichef Sang Kwan (Shih Kien) und seinem Sohn (Yuen Biao) verfolgt wird. Alle Beteiligten befinden sich plötzlich in einem Strudel, bei dem Recht von Unrecht zu unterscheiden eine schwierige Sache wird...
Aus diesem Plot lassen sich viele Hoffnungen ziehen, die leider zu selten erfüllt werden. Weder wird die Buddy-Thematik konsequent angegangen (Tiger-Darsteller Wei Pei tritt nur sporadisch auf), noch die Verwechslungssituation ausgereizt. Jegliche Situationen, die entstehen, sind nichts als Vorwände, endlich die Fetzen fliegen zu lassen. Auch für Schauspielerei und Comedy bedeutet dies weitgehende Beschäftigungslosigkeit.
Wo man kurzzeitig so etwas wie Dramaturgie verspürt, das ist die Szene, in welcher der Kung Fu-Schulenbesitzer und Meister seinen Wutanfall bekommt und die Schüler anschreit, als Jackie dann vortritt und seinen rechtfertigenden Monolog hält - das hat beinahe etwas von einer Gerichtsverhandlung und schneidet zumindest bruchstückhaft kulturelle Elemente an. Davon abgesehen gibt es jedoch keine vergleichbaren Momente mehr im kompletten Film.
Um diesen leider verstümmelten Filmaspekt der Filmhandlung und aller daraus resultierenden Elemente (sprich: alles, was nicht die Action betrifft) abzuschließen, sei noch die zugegeben zwischenzeitlich hervorragende Chemie zwischen Jackie und dem Polizisten sowie seinem Sohn hervorgehoben, die in einem alles in allem etwa halbstündigen Exkurs voll zur Geltung kommt. Mit Yuen Biao hat Jackie Chan natürlich einen langjährigen Wegbegleiter zur Seite, aber beinahe noch mehr greift der Hauptdarsteller mit dessen Filmvater Shih Kien ineinander. Die Unterhaltungen vor dem Haus des Polizeikommissars, am Rande des Treibsands sowie später im Haus (und im Treibsand) funktionieren einfach optimal und sind kaum aus dem Film wegzudenken, da sie das Gerüst aufrecht erhalten - ohne Shih Kien und Yuen Biao wäre “Meister aller Klassen” nichts als eine einzige Aneinanderreihung von Martial Arts-Szenen.
Auf diese muss ich nun auch schon zu sprechen kommen, da ansonsten bereits alles gesagt wurde, was zu sagen ist. Bereits die erste Sequenz gibt ziemlich genau wieder, was der Film ist - eine unglaublich erfrischend wirkende Recycling-Maschinerie bereits bekannter Schemata. Da hätten wir nämlich zu Beginn eine von diesen als Duell aufgezogene “Wir verstecken uns unter Pappmaché und tun so, als wären wir ein Löwe”- Sache - jeweils im Zweierpack treten zwei von den Viechern, wie man sie speziell aus Paraden und Festaktivitäten kennt, gegeneinander an, hüpfen über Wassereimer, fischen dort Gemüse heraus, springen dann auf einen Balken, stellen sich gegenüber und versuchen dabei die ganze Zeit, sich unter dem Kostüm wie ein Tier zu bewegen. Ausgelutscht? Ja, das Motiv ist es sicherlich, nicht jedoch, was Jackie und seine drei Mitstreiter daraus machen. Es ist schier unglaublich, welche Körperbeherrschung die Darsteller hier an den Tag legen und welche verblüffenden Bilder sie damit kreieren, während sie dem dargestellten Tier eine absurde Metamorphose verleihen - vom Löwen zur Katze zur Schlange zur Raupe zum Pferd.
Ähnliche Prädikate sind den übrigen Martial Arts-Szenen zu attestieren, die den Zuschauer allesamt staunend dasitzen lassen, während Bänke, Messer, Speere und Kleidung dazu verwendet werden, sich gegenüber dem Gegner einen Vorteil zu erhaschen. Jackie Chan lebt hier seine perfektionistische Ader vor und hinter der Kamera aus wie ein Besessener; die neu gewonnene Freiheit, was seine Inszenierung betrifft, ist ihm deutlich anzumerken, was sich auch darin niederschreibt, dass alleine eine Szene gleich 329 Takes brauchte, bis sie endlich so im Kasten war, wie Jackie sie haben wollte.
Der nahezu 20 Minuten andauernde Endkampf ist diesbezüglich der letzte und stärkste Beweis des “Retorten”-Stils des Films. Einfallslos präsentiert sich die gewählte Szenerie -wieder mal tritt unser Held gegen den unbezwingbar erscheinenden Gegner (wie üblich älter und erfahrener als der junge Held) auf einer Wiese über den Wäldern an, auf einem offenen Feld, das den Himmel zeigt. Hundertfach gezeigt, und auch diesmal wollte man einfach nicht darauf verzichten. Wo sich dieses Finale von seinen unzähligen Vorgängern jedoch abgrenzt, das ist das Wie der Inszenierung. Chan inszeniert den Gegenspieler zunächst so, dass er unbezwingbar erscheint; jeder Versuch, die Arme gegen ihn zu benutzen, endet darin, dass diese Arme in die Zange genommen und gequetscht werden. Lange, fast zu lange, spannt uns Jackie auf die Folter, bis er sich selbst erstmals überlegen zeigt. Dafür bedarf es natürlich wieder eines Katalysators, wie es beim legendären “Drunken Master II” der Alkohol war - und tatsächlich, nachdem der “Schiedsrichter” (ein kleiner Kauz mit zerbrochener Brille, der Jackie unentwegt die Daumen drückt) dem fast Besiegten Öl einflößt, wird dieser zum Tier. Die Wucht, mit der dieser Kampf zu Ende geht, ist bemerkenswert. Wie ein mit Drogen vollgepumpter Stier rennt Jackie immer wieder auf seinen Opponenten zu und zwingt ihn schließlich unbeirrbar in die Knie. Deswegen vielleicht auch die 16er-Freigabe, denn der Endkampf ist an Gnadenlosigkeit kaum zu überbieten. Im erwähnten “Drunken Master II” stellte sich im Endkampf in der Fabrik ein ähnliches Gefühl ein, nachdem der Hauptdarsteller den industriellen Alkohol zu sich genommen hatte.
Wer also Martial Arts in graziler Perfektion sehen will, die sich zum Ende hin ins Unermessliche steigern und, was die Aggression betrifft, nicht ohne sind, für den ist “Meister aller Klassen” die richtige Wahl. Leider misslingen fast alle Elemente, die über die Fights hinausgehen. Nur das Zusammenspiel der Darsteller Jackie Chan, Shih Kien und Yuen Biao ist darüber hinaus bemerkenswert.

Auf DVD ist der Film als fünfter Teil der "Jackie Chan Collection" von Splendid ungeschnitten zu bekommen - wahlweise im limitierten Metallschuber.