
Originaltitel: Apocalypto
Produktionsjahr: 2006
Herstellungsland: USA
Regie: Mel Gibson
Darsteller: Rudy Youngblood, Dalia Hernandez, Jonathan Brewer, Morris Birdyellowhead, Raoul Trujillo u.a.
Die Maya sind ein indigenes Volk bzw. eine Gruppe indigener Völker in Mittelamerika, die in ihrer Blütezeit eine mächtige Hochkultur darstellten. In diesem Zusammenhang spricht man häufiger von einer sogenannten Maya-Kultur, einer Ansammlung von Gemeinsamkeiten zwischen verschiedenen Maya-Völkern mit einander mehr oder weniger eng verwandten Maya-Sprachen. Berühmt sind die Maya für ihre Mathematik, ihren hoch entwickelten Hieroglyphenkalender, ihre auf Bildsymbolen basierende Maya-Schrift und den großflächigen Anbau von Mais. Die Bearbeitung von Stein, Holz oder Textilien war wie die Malerei hoch entwickelt. Die Maya Städte waren gekennzeichnet durch bis zu 65 m hohe Stufenpyramiden, Paläste, Observatorien und Ballspielplätze.
Sie schauen zudem auf eine sehr bewegte Vergangenheit zurück: Um 2600 v. Chr. beginnt die Besiedlung und Entwicklung der Landwirtschaft in den Hoch- und Tiefebenen Mittelamerikas. Von hier aus begannen sie sich allmählich in Richtung Norden (in Richtung Golf von Mexiko) auszubreiten. 900 v. Chr. setzt die durchgehende Besiedlung des Mayagebietes ein und zwischen den sich allmählich entwickelnden Maya Städten wird in den darauffolgenden 500 Jahren ein reger Handel etabliert. Diese Entwicklung mündet in ein starkes Bevölkerungswachstum und die Errichtung großer Pyramidenstädte und Mayazentren, die von Königen beherrscht werden. 200 n. Chr. befindet sich das Mayavolk in der Hochphase seiner wissenschaftlichen und kulturellen Entwicklung. Es entstehen mehrere Stadtstaaten (beispielsweise die Stadt Tikal, die mit 500 000 Einwohnern die größte Stadt der Maya darstellt), die jeweils eigene Herrscher und Verwalter hatten. In der Phase zwischen 600 und 900 n. Chr. erreichte die Hochkultur der Maya mit der Ausbreitung über die gesamte Yucatán-Halbinsel ihre Blütezeit, die allerdings nicht lange vorhalten sollte, da sich die Stadtstaaten allmählich aufzulösen begannen. Die Gründe hierfür erklärt die Forschung über zwei Ansätze: Das ökologische Erklärungsmodell sieht als Ursache für den Niedergang der Mayakultur das sich allmählich immer mehr verschlechternde Verhältnis von Maya und Natur. Denn dank der ansteigenden Bevölkerungszahl musste der Ackerbau natürlich intensiviert werden, wodurch die Fruchtbarkeit der Böden sprunghaft sank und damit die Erträge zusammenschrumpften. Man musste demzufolge neue Ackerbauflächen suchen und daher die wichtigsten Ballungsgebiete hinter sich lassen. Im nicht-ökologischen Erklärungsmodell spielen Faktoren wie Invasionen fremder Völker (Tolteken), Katastrophen, Epidemien und Klimaveränderungen die entscheidende Rolle beim Niedergang der Maya. Um 1511 tauchten die ersten Spanier in den Mayagebieten auf. Sie versuchten die Maya endgültig zu unterwerfen, was sich über mehr als ein Jahrhundert hinwegziehen sollte. Zwar versuchten die Nachkommen der Maya ab 1847 in dem sogenannten Kastenkrieg die Autorität des mexikanischen Staates abzuschütteln, konnten sich aber nur bis 1901 der Fremdbestimmung erwehren und wurden erneut von der mexikanischen Armee unterworfen. Die Maya existieren noch heute und leben auf der Yucatán-Halbinsel sowie in Belize, Guatemala und Honduras. Noch heute leben die meisten Maya vom Maisanbau. Wie in früheren Zeiten versucht man sich seine jeweilige Identität zu bewahren. So haben die verschiedenen Maya-Gemeinden jeweils ihre eigenen religiösen und weltlichen Oberhäupter und man erklärt sich durch besondere Elemente der jeweiligen traditionellen Kleidung einer bestimmten Maya Gruppe zugehörig.

Mel Gibsons "Apocalypto" entführt uns nun in die Zeit, in der die Mayakultur bereits im Begriff war, sich vollständig aufzulösen und wählt einen stimmigen Mix aus den oben genannten Untergangsszenarien der Forschung. Gibson erzählt von Jaguarpranke, einem Indio, der mit seinem Stamm in Harmonie mit der Umwelt ein friedliches und im Grunde zufriedenes Leben führt. Die Männer gehen auf die Jagd, die Frauen umhegen die Kinder und sorgen für den Zusammenhalt der Gemeinschaft. Diese Idylle wird eines Tages durch Fremde jäh zerstört. Wer den teils blindwütig tobenden Fremden nicht gleich zum Opfer fällt, wird von ihnen gefesselt und zum Abtransport bereit gemacht. Dieser Transport stellt sich als entbehrungs- und verlustreiche Reise ins Herz der Finsternis heraus, die so manchen von Jaguarprankes Freunden das Leben kostet. Am Ende der Reise werden seine Freunde entweder verkauft oder sie sollen einem blutrünstigen Gott der Maya geopfert werden. Doch Jaguarpranke muss aus dieser Hölle entkommen, sitzt doch seine hochschwangere Frau mit seinem ersten Sohn in einem ehemaligen Brunnenloch fest und harrt ihrer Rettung ...
"Apocalypto", der neueste Regiestreich des streitbaren Australiers Mel Gibson, beginnt sinngemäß mit folgendem Zitat: "Eine große Zivilisation kann erst von außen erobert werden, wenn sie sich von innen bereits selbst zerstört hat." Dieses macht Mel Gibsons Anliegen offenkundig: Der Niedergang einer Zivilisation soll gezeigt werden und hier eben die der oben beschriebenen Maya. Dabei lässt es Gibson zunächst recht ruhig angehen. Wir sind Zeuge einer erfolgreichen Tapirjagd, erleben mit, wie höhnisch Jaguarprankes Stammesmitglieder abgeurteilt werden, wenn sie keine Kinder zeugen können und sind eben Zeuge eines Stückes purer Idylle. Diese wird durch die in das Dorf einfallenden Maya erbarmungslos zerstört und Gibson gibt hier schon eine kleine Vorahnung dessen, was uns im weiteren Verlauf erwarten wird. Gerüttelte Gewalttätigkeiten brechen sich Bahn und die blitzschnelle und genaue Art der Auswahl "geeigneter Opfergaben" ist erschreckend und hochgradig beklemmend. Hier lanciert Mel Gibson dann auch eines der wichtigsten spannungsfördernden Elemente für den weiteren Verlauf des Filmes: Jaguarpranke versteckt seine kleine Familie in einem ausgetrockneten Brunnenloch, aus dem sie am Ende der "Säuberung" des Dorfes aus eigener Kraft niemals wieder herauskommen können.
Es folgt die Wanderung der Gefangenen in Richtung Hochkultur der Maya. Hier bekommt man Szenen geboten, die involvierender kaum sein könnten. Jaguarprankes Hauptgegner wird ins Extrem dämonisiert, Menschen finden einen grausamen Tod und die die Gefangenen verfolgenden - für die Maya nutzlosen - Kinder aus Jaguarprankes Dorf bleiben an einem für sie unüberwindbaren Fluss zurück und werden ihrem Schicksal überlassen. Spätestens jetzt hat Gibson sein Publikum und kann sich vor allem auf eines verlassen: Sein Pulver ist noch lange nicht verschossen.
Denn nun kommen wir in einer der Hauptstädte der Mayakultur an und "Apocalypto" wird von Sekunde zu Sekunde faszinierender. Denn Gibson wirft in diesen Szenen mehr Fragen auf, als er beantwortet. Genau wie Jaguarpranke fragen wir uns, was die Maya da eigentlich machen? Wofür brauchen sie Unmengen von Kalk? Wofür brauchen sie riesige Tempel? Warum leiden die einen Hunger und die anderen leben in Dekadenz vor sich hin? Und genau wie Jaguarpranke bekommt auch der Zuschauer mehr und mehr Probleme, das Gesehene zu verarbeiten und wird von einer Flut an Bildern förmlich erschlagen. Die Bezüge zu dem eingangs erwähnten Zitat werden hier dann am deutlichsten herausgearbeitet. Denn eines ist schon nach dem Einstieg in die Episode um die Mayastadt absolut klar: Diese Zivilisation ist nicht überlebensfähig: Hunger, Krankheiten und Unterdrückung halten die "Hochkultur" eisern umschlungen, Dekadenz und Überfluss einiger Weniger wuchern wie Geschwüre unter der ohnehin kaputten Oberfläche und religiöser Wahn wird gezielt als Machtinstrument genutzt und gesteuert. Doch "Apocalypto" steht hier immer noch am Anfang und erst jetzt zieht Gibson das Tempo an. Wir werden Zeuge barbarischer religiöser Riten und einer recht perversen Art des "Tontaubenschießens" mit echten Menschen. Und wenn Jaguarpranke nach seiner geglückten Flucht inmitten eines Massengrabes eine erste Pause einlegt, taumelt der Zuschauer mit ihm durch dieses Bild unvorstellbaren Grauens und inmitten all des Chaos wird uns, wie auch Jaguarpranke klar, dass zur Rettung seines Lebens und das seiner Familie eine Katharsis seiner Häscher notwendig ist ... eine sehr blutige ...

Und schon befinden wir uns im letzten Viertel des Filmes, das Gibson brillant als eine Art Rambohommage anlegt. Jaguarpranke ist wieder in "seinem" Revier und weiß sich hier gegen die Brutalität seiner Jäger zu behaupten. Er wird eins mit der Natur, nutzt Erfahrungen aus der Jagd mit seinen Freunden und mäht sich allmählich durch seine Gegner, die so eine ziemlich endgültige Läuterung durchmachen und in Form von zwei Mayas am Ende auch ihrem wirklichen Untergang in die Augen sehen dürfen ...
All das ist Involvement Kino pur. Gibson spielt auf der gesamten Gefühlsklaviatur und zieht den Zuschauer mit jeder Sekunde mehr in sein Werk hinein. Dass er dabei keine wirklich komplexe Geschichte erzählt und auch seine Charaktere arg unterentwickelt bleiben, geht in der Flut kongenialer Bilder vollkommen unter. Dieser Film packt, reißt mit und hat einen Spannungsbogen zu bieten, der im Mittelteil schier Kapriolen zu schlagen scheint. Dabei kann sich Mel Gibson vor allem auf Dean Semlers Bilder verlassen. Zwar wirken die Digitalkamerabilder zunächst ein wenig arg gewöhnungsbedürftig, doch an den recht eigenen Look der dadurch entstehenden Bilder gewöhnt man sich schnell. Absolute Highlights bilden die Kamerafahrten durch den Dschungel, die mit einem Tempo vonstatten gehen, dass dem Zuschauer der Atem stockt. Insbesondere die Szenenfolge um Jaguarpranke, einen ihn verfolgenden Jaguar und einen parallel dazu heranjagenden Maya ist Actionkino vom Allerfeinsten und optisch, dank einer unglaublich agilen Kamera, absolut einzigartig in der Filmgeschichte. Auch abseits der Action findet Semler ein gutes und stimmiges optisches Konzept. So ist er zu Beginn - also im Dschungel - mit seiner Kamera nah dran an den Charakteren und schafft eine fast schon intime Atmosphäre. In der Episode um die Mayastadt geht er auf Distanz, liefert sehr viele Totalen und nimmt bewusst - stellvertretend für den Zuschauer - Abstand von dem gezeigten (genial ausgestatteten) Sündenpfuhl. Das "Rambo"ende gerät ihm dann wieder deutlich intimer und näher, zeigt er hier doch ein Individuum, das um sein Leben kämpft. Einziger Misston in diesem brillanten Bilderbogen ist die musikalische Untermalung. James Horner liefert hier allenfalls durchschnittliche Kost, die viele Möglichkeiten blindlings verschenkt. Zum Beispiel hätte er die "Säuberung" von Jaguarprankes Dorf mühelos zu einem echten Gänsehautmoment machen können, doch er bleibt unauffällig. Definitiv ein Fehler! Selbst in der Mayastadt hält sich Horner zurück, als wolle er nur die Bilder wirken lassen. Nur warum wurde er dann engagiert? Zumindest fängt er sich im Showdown ein wenig, insgesamt ist seine Leistung aber wirklich der einzig nennenswerte Tiefpunkt in Apocalypto.
Darstellerisch zeigt sich Gibsons Film mit seinem No Name Cast mehr als solide. In Erinnerung bleibt vor allem der Jaguarpranke Darsteller Rudy Youngblood, der ungeheuer kraftvoll aufspielt und einen großen Anteil am Involvement des Zuschauers hat, denn seine Figur erscheint uns sofort sympathisch und vor allem seine Normalheit ist es, die einen mit ihm mitfiebern lässt. Er ist kein Überheld, der 10 Gegner auf einmal niederknüppelt. Ungläubig wird er Zeug von Vorgängen, die er nicht versteht, voller Angst entflieht er seinen Häschern, vollkommen hilflos schaut er zu, wie Verwandte gemeuchelt werden und Ohnmacht umschreibt seinen Geisteszustand während der entbehrungsreichen Reise gen Mayastadt am Besten. Und selbst im Rambofinale wird er niemals zu Rambo. Er taumelt, er stolpert, er wankt, er ächzt, er stöhnt und er blutet ... genau wie du und ich es wohl würden. All das transportiert der Darsteller absolut hervorragend.

Der andere ganz wichtige Mann hinter Apocalypto ist freilich der in letzter Zeit eher negativ aufgefallene Mel Gibson, der hier nach "Mann ohne Gesicht", "Braveheart" und "Die Passion Christi" erneut zeigt, dass er gerne Themen beackert, die in erster Linie eher ungewöhnlich erscheinen. Der Film, den man wohl noch am ehesten mit dem Namen und dem Image Mel Gibson verbinden würde, ist sicherlich der Streifen über den heldenhafte William Wallace. Wenn Mel sich aber in "Mann ohne Gesicht" selbst entstellt oder in "Passion Christi" mal eben ziemlich viel religiöses Getöse in einen Film packt, den er anfüllt mit aramäischen Sprachfetzen, die er dankenswerterweise (was ja gar nicht vorgesehen war) untertitelte, mutet das eigentlich fast schon wie finanzieller Selbstmord an. Nicht viel anders nun "Apocalypto". Eine tote Zivilisation wird wuchtig bebildert. Das ist schon ein interessanter Stoff, nur muss man das in der Maya Originalsprache machen, die obendrein nicht sonderlich schön anzuhören ist? Ist das nun ein erhöhtes Streben nach Authentizität oder doch nur ein Manierismus? Ich kann es ehrlich gesagt nicht sagen. Dennoch sollte man sich von diesem Fakt nicht abschrecken lassen, denn in "Apocalypto" wird nicht viel gesprochen, bzw. die Bilder übernehmen diesen Part. Der Film würde zudem wahrlich auch ohne Untertitel funktionieren, da in den Gesprächen nichts transportiert wird, was sich aus den Bildern nicht erschließen würde. Wäre ich Gibson gewesen, hätte ich EINE einzige Stelle untertitelt und wäre ansonsten den formvollendeteren Bruch mit Mainstreamkinokonventionen gegangen. Aber vielleicht sah Gibson in ganz anderen Elementen ja genügend Brüche hinsichtlich der Konventionen, denn insbesondere bei dem Abfeiern der Gewalteinlangen kennt Mel Gibson erneut keine Zurückhaltung, was so manchen verschrecken dürfte. Hier werden Menschen aufgespießt, Köpfe abgeschlagen, Herzen herausgerissen und wird im Akkord geschlitzt, gehauen und gestochen. Allerdings steht im Gegensatz zur "Passion Christi" die Gewalt diesmal nicht im Vordergrund, sondern fügt sich bei aller Härte und naturalistischer Darstellungsweise hervorragend in den Film ein und intensiviert die gesehenen Elemente gar trefflich.
Dass "Apocalypto" trotzdem vor allem für feingeistigere Kritiker aus diesen, unseren Breiten genügend Reibungsfläche bietet, kann man an einer Hand abzählen. So wird sich der deutsche Feuilleton - vor allem nach dem Splatterirr- und -unsinn in der "Passion Christi" - an der Gewaltdarstellung hochziehen und "Apocalypto" einen Appell an die niedersten Instinkte vorwerfen. Man wird monieren, dass die Parallelen zwischen "Apocalypto" und Mel Gibsons großen Erfolgen wie "Mad Max" offensichtlich sind (Mann wird entwurzelt, seiner Familie beraubt und "rächt" sich) und dass sich seine Hauptfiguren gerne mit recht reaktionär anmutenden Lösungsansätzen (Gewalt als einziger Ausweg) zufrieden geben. Aufgrund seiner angeblichen, im Suff getätigten antisemitischen Äußerungen wird man zudem auf Gedeih und Verderb versuchen in die Massengrabbilder von "Apocalypto" etwas hineinzudeuteln und man wird vermutlich die Kritiker belächeln, die in dem Film über den Untergang der Maya eine Allegorie auf heutige Zeiten sehen wollen. Doch all das sollte den "normalen" Kinogänger nicht von einem Kinobesuch abhalten, denn in erster Linie ist "Apocalypto" ein grandios bebildertes, rohes, stimmig ausgestattetes und mit archaischer Wucht aufgeladenes Monster von einem Film, das mitreißt, bewegt und noch lange nachhallt.

In diesem Sinne:
freeman