
Originaltitel: Man on Fire
Herstellungsland: Großbritannien, Mexiko, USA
Erscheinungsjahr: 2004
Regie: Tony Scott
Darsteller: Denzel Washington, Dakota Fanning, Marc Anthony, Radha Mitchell, Christopher Walken, Giancarlo Giannini, Mickey Rourke u.a.
Man on fire oder wie der dämliche deutsche Titel verkündet: Mann unter Feuer *am Kopf kratz* war heute auserkoren mich zu unterhalten. Und meine Fresse, was wurde auf den Film bisher eingedroschen. Sprüche wie: „Reaktionäres Machwerk“ und „sicher einer der neuen Lieblingsfilme von Bush“ waren dabei noch die nettesten Reaktionen.
Aber ich bin ja nicht hier, um die Meinungen anderer wiederzukäuen, also habe ich mir das Remake des Filmes Man on Fire, der im Jahre 1987 von Elie Chouraqui gedreht wurde, einmal genau angesehen. Ironischerweise wollte Tony Scott, der Regisseur des Remakes, schon bei dem Original die Regie führen, aber man hielt ihn angeblich für zu unerfahren. Wer den Spruch liest und sich dann mal über Chouraquis Oeuvre vor Man on Fire informiert, wird sich hier, nach dem katastrophalen deutschen Titel des Remakes, zum zweiten mal am Kopf kratzen. ;)
Zu dem eher schwachen Original mit Scott Glenn, dass ich vor Jahren einmal im TV gesehen habe und das mir nur wegen seiner konsequent düsteren Atmosphäre halbwegs zusagen konnte, hat sich storytechnisch nicht all zu viel verändert: Der wesentlichste - sofort augenscheinliche Unterschied - ist der Wechsel der Location aus Europa, nach Mexico City, wo Entführungen und Lösegelderpressungen zu einem Big Business geworden sind.
In dieser unsicheren Zeit entschließt sich die Familie Ramos einen Bodyguard für ihre kleine Tochter Pita zu engagieren, damit diese ungefährdet zur Schule und wieder zurück gelangt. Man engagiert Creasy, einen Alkoholiker und gebrochenen Mann, der mit seiner Vergangenheit hadert, von der man aber leider nichts erfährt (einer der wenigen Schwachpunkte des Filmes). Pita gelingt es recht schnell den mürrischen Panzer des verbitterten Mannes zu knacken und beide finden zueinander, werden Freunde.
Der beste Freund Creasys wird später behaupten, Pita habe Creasy gezeigt, dass es gut sei, weiterzuleben und er hat recht. Beide verschmelzen zu einer Einheit, sind für einander da und brauchen sich gegenseitig: Creasy wird so wieder zu einem denkenden, fühlenden Menschen, empfindet Freude und sogar Stolz für seinen Schützling. Pita erhält in Creasy eine Art Ersatzfamilie, weil ihre Eltern eigentlich nie Zeit für sie haben.
In diese Idylle platzt dann bald die Realität von Mexiko City mit all ihrer Brutalität. Creasy wird zusammengeschossen und Pita entführt. Die Lösegeldübergabe endet in einem Desaster und Pita wird getötet.
Nun kennt der halbtote Creasy kein Halten mehr und findet Unterstützung bei einer Reporterin, die ihm wichtige Tips zuspielen wird und ihm bei seinem erbarmungslosen Rachefeldzug unterstützt, denn:
Creasy: „Vergebung ist eine Sache zwischen denen und Gott, mein Job ist es, das Treffen zu arrangieren.“
Auf diesem Wege gibt es auch einige handfeste Überraschungen, die hier aber nicht verraten werden sollen.
Denzel Washington trägt den Film mühelos und kann bei der Entwicklung seines Charakters Creasy aus dem Vollen schöpfen: Vom alkoholisierten Wrack, zum auftauenden Eisblock, über den glücklichen, mit beiden Beinen im Leben stehenden Mensch, hin zum kaltblütigen Racheengel. Er überzeugt auf ganzer Linie. Von der kleinen Dakota Fanning, die die Pita spielt, wird er aber fast an die Wand gedrückt. Mein Gott kann die Kleine spielen, was sie ja schon in Ich bin Sam oder Taken von Steven Spielberg bewiesen hat, aber das hier war schon fast aus einer anderen Welt. Klasse. Christopher Walken beweist einmal mehr, warum er zu Hollywoods besten und einprägsamsten Nebendarstellern und Charakterköpfen gehört. Rachel Ticotin als Reporterin, Giancarlo Giannini (bekannt aus Hannibal) als Chef der AIF und Radha Mitchell als Mutter runden den eindrucksvollen Cast mit ihren Leistungen ab.
Am meisten kann aber Regisseur Tony Scott beeindrucken. Er verpasst dem Film teils unglaubliche Adrenalinstöße alleine durch seine optischen Spielereien. Schon die in den Eingangsminuten innerhalb von 5 Minuten komplett durchgespielte Entführung - von der Entführung eines jungen Mannes, über die Verhandlungen, hin zu Lösegeldübergabe und Geiselfreilassung - entfacht einen Bildersturm, der sich auf der Netzhaut einbrennt. Bei dem Aufeinandertreffen von Creasy und Pita fährt Scott dieses Stilmittelbombardement etwas zurück, um es dann wieder unvermittelt auf den Zuschauer einprasseln zu lassen: verkürzte Verschlusszeiten, rasend schnelle Zooms und Kameraschwenks, wackelige Handkamera und Einstellungen, die von ihrer Länge her einem Lidschlag gleichkommen, verdeutlichen Creasys Suff, die Panik bei der Entführung der kleinen Pita und den Rausch bei der Suche nach Vergeltung. Einfach unglaublich und vor allem zieht es den Zuschauer hinein in das Geschehen, fordert seine ganze Aufmerksamkeit und erschafft eine unglaubliche Sogwirkung.
Unterstützung erhält Scott nicht nur durch seine tollen Schauspieler, sondern auch durch Brian Helgeland, der ein spannendes Drehbuch lieferte und seinen Charakteren Zeit gibt, sich zu entwickeln, so dass diese dem Zuschauer wirklich ans Herz wachsen. Und dann ist da noch Harry Gregson Williams, der Schöpfer des Soundtracks, der einfach als grandios bezeichnet werden muss. Williams ließ landestypische Musikelemente einfließen, vereinte diese mit unglaublich gut passenden Samples meiner Lieblingsband Nine Inch Nails und lässt auch die absolut unverwechselbare Stimme von Lisa Gerrard ertönen, die einzelne Szenen zu einem akustischen Hochgenuss werden lässt. Hier stimmt einfach alles.
Schließen möchte ich mit den teils sehr negativen Kritiken und den Vorwurf, der Film sei reaktionär oder eine glorifizierende Rachephantasie. Ich denke der Film ist weit davon entfernt reaktionär zu sein. Dazu ist er in den ersten 80 Minuten, die aus der Annäherung zwischen Creasy und Pinta bestehen, viel zu feinfühlig. Hier hat der Film seine besten Momente, ist witzig und wird durch die „Beziehung“ zwischen Bodyguard und Schutzbefohlenem sehr emotional aufgeladen. Es folgt die Entführung und plötzlich stößt der Film den Zuschauer, den er gerade so gut in das Geschehen involvieren konnte, weg. Zu abschreckend, zu brutal geht Creasy vor, foltert und tötet ohne jegliches Erbarmen, führt seinen Opfern gar Bomben ins Rektum ein!!! Alles wirkt plötzlich richtig kalt und man hat nicht eine Minute das Gefühl, man schaut hier bei etwas zu, das richtig ist oder irgendwie glorifiziert werden sollte. In dieser Phase beginnt Creasy für den Zuschauer plötzlich richtig fremd zu wirken und er hat so gar nichts heldenhaftes an sich.
Vollkommen obsolet wird der Vorwurf des Reaktionären oder des Gewaltverherrlichenden spätestens bei dem hochemotionalen, tieftraurigen Ende an dem eine Erkenntnis bleibt: Was kann ein Einzelner gegen derartige Zustände wie sie in Mexico City vorherrschen oder gegen ein korruptes System tun? NICHTS!
Klingt das nach Gewaltverherrlichung oder stupider Rachephantasie? Ich denke nicht.
Was bleibt ist ein Film, der aufwühlt, mitreißt und den Zuschauer in ein Wechselbad der Gefühle stürzt.:
:5of5:
Die deutsche DVD von Paramount ist zwar uncut, lässt aber in der normalen, wie in der Special Edition die ultrastylishen Untertitel missen!
In diesem Sinne:
freeMAN ON FIRE