Wie der Soldat das Grammofon repariert
von Saša Stanišić
Wie war es damals in der Heimat? Anders, verwirrend, wunderschön. So scheint sich Hauptfigur Aleksandar an die Herkunft von sich und seiner Familie zu erinnern. Die Gedanken an das ehemalige Bosnien werden mit Querverweisen zum Leben in Deutschland versehen, überborden vor allem aber dann, wenn sich die Verwandten an der Erzählung beteiligen und Anekdoten wie Eigenheiten zum Besten geben.
Das Debüt von Saša Stanišić ist ein sprunghaftes Buch, ein Roman voller kleiner Episoden und blühenden Abschnitten. "Wie der Soldat das Grammofon repariert" bietet in seiner Form eine lebendig wirkende Rückschau in ein Leben aus anderer Zeit, liess zugleich aber etwas an Gesamtheit vermissen. Trotzdem, sprachlich mehr als überzeugend.
Der dunkle Wald
von Liu Cixin
Mit dem zweiten Teil der "Die drei Sonnen"-Trilogie springt Liu Cixin einige Jahre nach vorne und präsentiert eine Weiterführung der Geschichte mit neuen Figuren und weiteren Problem. Die Trisolaris-Flotte befindet sich im Anflug, die Bedrohung wird realistischer. Obwohl noch mehrere Jahrhunderte bis zum Aufeinandertreffen zwischen Menschheit und Ausserirdischer vergehen werden, befindet sich die Erde in einem tumultartigen Zustand. Politisch, Wirtschaft und Wissenschaft werden geprüft, verändert, gefordert.
"Der dunkle Wald" bietet intelligente SF-Unterhaltung, welche mit logischen Schlussfolgerungen, tiefreichenden Problemen und durchdachten Lösungen fesselt. Vieles an diesem Roman wirkt realistisch, niemals verkommt das Buch zu einer hohlen Erzählung, immer fiebert man mit. So bleibt am Ende dieses Bandes alles anders als zuvor, so will man sofort weiterlesen.
Schrecklich amüsant - aber in Zukunft ohne mich
von David Foster Wallace
Seit dem (mehr oder minder grossen) Vergnügen von "Unendlicher Spass", ist mir David Foster Wallace ans Herz gewachsen - er war ein grosser Denker, ein fantastischer Autor. Die Sonderausgabe zum weltbekannten Essay "Schrecklich amüsant - aber in Zukunft ohne mich" konnte mich sogar noch stärker überzeugen, wohl auch, da hier nicht wochenlange Arbeit nötig war. Mit hübschem Einband, herrlich subtilen Zeichnungen und einer schönen Schriftsetzung ist diese Edition der Büchergilde Gutenberg für jeden Fan ein Muss.
Der Bericht über eine längere Kreuzfahrt, welche Wallace aus schriftstellerischen Gründen wirklich unternahm, zieht der Pauschalreiseindustrie auf beste Weise den Teppich unter den Füssen weg. Entlarvt den Stumpfsinn unserer Gesellschaft und bietet einen pointierten Blick auf Tourismus, Luxus und Egozentrik. Ergänzt durch die humoristischen und bösen Fussnoten, verzaubert Wallace mit jedem Satz.
Frankissstein: A Love Story
von Jeanette Winterson
Als der Roman "Frankenstein" damals veröffentlicht wurde, liess er die Leserschaft nicht nur vor Grusel erschaudern, sondern zeigte eine neue Perspektive auf den menschlichen Körper, das Leben, das Dasein. Ein Mann brachte eine neue Person auf die Welt, die Geschlechterfrage wurde auf den Kopf gestellt.
Jeanette Winterson nimmt diese Voraussetzung für "Frankissstein" und spinnt die Gedanken in der heutigen Zeit weiter. Was bedeutet Sexualität, Geschlecht und Körperform im 21. Jahrhundert? Was unterscheidet uns von Robotern, Maschinen? Ein Roman, der wichtige Fragen und spannende Aussagen in tollen Situationen darlegt, ohne moralisch zu sein oder plakativ zu werden. Trotz dem Handlungsstrang im Sexgewerbe, trotz teilweise klischiert agierenden Personen.
Diverse Zeitebenen und Möglichkeiten verbinden sich so zu einer weitreichenden Betrachtung von unserer Wahrnehmung als Spezies - und die Autorin versucht gar in die mögliche Zukunft zu blicken.
