X-Men - Zukunft ist Vergangenheit
Der Pfad des Vorgängers wird konsequent weitergeführt, auch wenn Bryan "X1" Singer seinen Spezi Matthew Vaughn auf dem Regiestuhl wieder abgelöst hat; die erzählerische Kontinuität bleibt ohne jeden Bruch bewahrt, indes die X-Men nun von Dekade zu Dekade springen und im Rückblick irgendwann auf eine stolze Zeitgeschichte zurückblicken können (die 80er sind ja nun schon für den nächsten Film reserviert). Die 70er passen eben auch gerade ideal in den Zeitgeist, der in Vintage und Retro-Futuristik ja regelrecht vernarrt ist, und mit dem auch nach sechseinhalb Wolverine-Einsätzen immer noch stark aufspielenden Hugh Jackman als Tourguide macht der Ausflug in die Nixon-Ära eine Menge Spaß. Eine Zeit des Erwachens und der Bewegung wird von Singer portraitiert und der gesellschaftliche Wandel streckenweise kongenial mit der Mutantenproblematik verknüpft, was gleichermaßen als Phantastik-Kino wie als Minderheitenallegorie funktioniert. Auch ist der Fokus angenehm weit entfernt von Mutanten-Action, die eher dosiert vonstatten geht (wenn aber, dann richtig; die an das Videospiel "Portal" erinnernde Fähigkeit der neuen Mutantin Blink spielt raffiniert mit Dimensionen und der von Evan Peters dargestellte Quicksilver hat den tricktechnisch spektakulärsten und zugleich witzigsten Auftritt), wovon die Charaktere enorm profitieren - was schon eine Meisterleistung ist, bedenkt man die enorme Anzahl an Charakteren, von denen einige selbst durch kurze Chameos bleibenden Eindruck hinterlassen.
Die gewählte Erzählstruktur hingegen hat mich nicht überzeugt: Zu oft muss man hierbei an das verhaspelte Generationentreffen bei "Star Trek" denken, und gerade der zur Passivität verdammte Präsenz- bzw. Futur-Erzählstrang hat den Charme eines umrahmenden Lagerfeuerabends, was um so fataler ist, wenn man bedenkt, dass draußen die todbringenden Sentinels an die Tür klopfen. Der beabsichtigte Countdown-Effekt mag sich trotz der effektiven Eingangsszene, die die Sentinels im brutalen und schonungslosen Einsatz zeigt, nicht so richtig einstellen. Insbesondere Ellen Page's Charakter leidet unter dieser Konstellation; sie wird im nächsten Film hoffentlich mehr beitragen können. Dies ist eher wieder der Film von Jennifer Lawrence, deren Mystique mehr noch als im Vorgänger als Schlüsselelement gestaltet wird.
Singer jedenfalls ist wieder ganz in seinem Element, jongliert mit der gewaltigen Masse an Mutanten so gut wie irgend möglich und bewältigt den nicht eben so einfachen Anknüpfpunkt an den komplex geschriebenen Vorgänger sehr gut. Das wären lockere 8 Punkte, wäre der Handlungsbogen um die alten X-Men nicht so statisch und ließe der Film nicht - wie schon sein Vorgänger - das Ikonische vermissen, das dem Regisseur mit seinen ersten beiden Teilen gelungen war.
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