Sweeney Todd - Der teuflische Barbier aus der Fleet Street
Originaltitel: Sweeney Todd - The Demon Barber of Fleet Street
Herstellungsland: USA
Produktionsjahr: 2007
Regie: Tim Burton
Darsteller: Johnny Depp, Helena Bonham Carter, Alan Rickman, Timothy Spall, Sacha Baron Cohen, Jayne Wisener, Jamie Campbell Bower
Gerade einmal drei Jahre ist es her, dass Johnny Depp in der Roald-Dahl-Verfilmung „Charlie und die Schokoladenfabrik“ für Stammregisseur Tim Burton vor der Kamera stand, mit dem er in den 90ern bereits für Werke wie das blutige Schauermärchen „Sleepy Hollow“ oder seinen Durchbruch „Edward mit den Scherenhänden“ zusammengearbeitet hatte, da ist das eingespielte Team Ende 2007 schon wieder für ein gemeinsames Projekt vereint: Diesmal nimmt sich Fantasyguru Burton einer Neuauflage der seit den 20er-Jahren bereits sagenhafte 7mal verfilmten Geschichte um den kehlenschlitzenden Barbier Sweeney Todd an – als Musical. Knapp drei Viertel der Dialoge des morbiden Treibens werden in gesungener Form vorgetragen und nicht nur Hauptdarsteller Johnny Depp, gerade zurück aus dem Universum der Piraten der Karibik, sondern auch der hochkarätige Rest des Casts übernimmt seine Gesangsparts selbst. Trotz der amtlichen musikalischen Leistungen, die die Mitwirkenden bringen, liegt hierin der Knackpunkt bei „Sweeney Todd“ – wer sich mit den unerwartet zahlreichen Musicaleinlagen nicht anfreunden kann, wird auch am famos gemachten Rest des neuen Burton-Streichs nur halb soviel Gefallen finden können.
Wir befinden uns im London des 19. Jahrhunderts: Der angesehene Barbier Benjamin Barker (Johnny Depp) ist ein rechtschaffener Mann und glücklicher Familienvater, der das Pech hat, dass es der einflussreiche Richter Turpin (Alan Rickman auf Urlaub von seinem „Harry Potter“-Engagement) auf seine Frau abgesehen hat, ihn mithilfe eines getürkten Prozesses nach Australien abschiebt und seine kleine Tochter Johanna als Mündel bei sich aufnimmt. Fünfzehn Jahre später kommt er auf die Idee, sie auch noch heiraten zu wollen – doch ein alter Bekannter macht ihm einen Strich durch die Rechnung. Benjamin Barker kommt als extravanger Gothic-Barbier Sweeney Todd zurück in die Stadt, richtet sich im Haus der Bäckerin Mrs. Lovett (Helena Bonham Carter) ein Geschäft ein und bemüht sich, den Richter unters Messer zu bekommen. Sweeney Todds Klinge gleitet nämlich lieber durch Kehlen als über Rasierschaum…
Gleich als Einstieg fährt Burton, nach den gemäßigten Fantasymärchen „Big Fish“ und „Charlie und die Schokoladenfabrik“ zurück auf dem Terrain der Düsternis, ein atmosphärisch bombastisches Intro auf, das mit Strömen von Blut, surrealen Ansichten Londons und einem mächtigen orchestralen Score auf das vorbereitet, was da kommt – und rein optisch ist „Sweeney Todd“ ein Glanzstück geworden: Kaum eine Szene spielt bei Tag, anfangs ist das Rot des Blutes der einzige Schimmer Farbe in einer depressiven Schwarz-Weiß-Welt , die ihren extrem surrealen Touch niemals ablegt und in einigen todchicen Fastmotion-Kamerafahrten beeindruckend in Szene gesetzt wird – die pure Absurdität einiger Szenen sowie der astronomische Blutzoll komplettieren die morbide Stimmung perfekt zu einer Atmosphäre wohligen Grauens, die nichtsdestotrotz immer wieder durch humoristische Einlagen durchbrochen wird. Unter anderem sorgt ein Auftritt von „Borat“- und „Ali G“-Star Sacha Baron Cohen in seiner ersten ernsthafteren Rolle für Komik, doch weder er noch die wie gewohnt souveränen Alan Rickman und Helena Bonham Carter können Johnny Depp als Star der Manege auch nur eine Sekunde die Schau stehlen. Zwar darf er sich nicht ganz so austoben wie in seiner Paraderolle des Jack Sparrow, liefert aber einmal mehr eine schlicht brillante Leistung ab, die von Darstellungen unterschwelligen Hasses bis zu Mordopfer nach sich ziehenden Wutausbrüchen reicht.
Wenn Mr. Todd schließlich seinem blutigen Werk nachgeht, treibt Tim Burton nicht nur lustvolle Gewalteruptionen, sondern auch Atmosphäre auf die Spitze, der die perfekte Synthese durchgestylter Bilder, mächtigen Scores und skuriller Einfälle wie Sweeneys Leichenabtransport-System gleichermaßen zugute kommen. Für zartbesaitete Gemüter sind die Spezialrasuren des Protagonisten allerdings nichts, denn hier werden fast mehr Kehlen detailliert aufgeschlitzt als in „Sleepy Hollow“ Köpfe rollen – doch stets surreal übersteigert. Wäre Burtons Film ohne Sangeseinlagen somit ein gewohntes, gelungenes Gruselmärchen geworden, erweist sich der Musicalcharakter als überaus gewöhnungsbedürftig – zwar dienen einige Songs gekonnt als humoristische Wortgefechte oder spannende Kunst-Einlagen, können, vor allem wenn man nicht mit der richtigen Erwartungserhaltung bezüglich der Quanität ihres Auftretens an den Streifen herangeht, teilweise aber auch nerven – das und ein sich in der Mitte ein wenig ziehender Subplot um eine Romanze zwischen Sweeneys Tochter mit einem jungen Seemann sind dafür verantwortlich, dass „Sweeney Todd“ nicht rundum gelungen ist. Nichtsdestotrotz und auch aufgrund des angenehm abprubten Nicht-Happy-Ends ist er aber auf jeden Fall sehenswert.
Fazit: Nach dem so strangen wie mittelmäßigen „Charlie und die Schokoladenfabrik“ kehrt das eingespielte Team Tim Burton / Johnny Depp mit „Sweeney Todd“ wieder beinahe zu „Sleepy Hollow“-Klasse zurück und präsentiert ein stylishes Grusical, das vor allem durch optische Brillanz, düstere Atmosphäre, kreativ-absurde Morde und das gewohnt geniale Spiel Johnny Depps überzeugen kann, doch auch mit einigen Storylängen und dem nicht immer optimalen Musical-Konzept zu kämpfen hat. Alles in allem ist der Film aber auf jeden Fall einen Blick wert.
"Sweeney Todd" läuft seit 21. Februar 2008 in den deutschen Kinos.
Sweeney Todd - Der teuflische Barbier aus der Fleet Street
- LivingDead
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Ja, sehr treffende Kritik, besten Dank. Kann deinen Worten eigentlich nur uneingeschränkt zustimmen, gebe letztlich aber noch einen Punkt drauf, da ich wirklich dachte, dass mich die Musical-Machart nerven würde. Das Gegenteil war aber der Fall, zumal die Musik wirklich hervorragend komponiert und von den Hauptarstellern überraschend solide ausgeführt wurde und zusammen mit den Burton-typischen Bildern ein so ungewöhnliches wie faszinierendes Erlebnis darstellt. Sehr cooler Film.
Mit freundlichem Gruß
LivingDead
LivingDead
Mir war es teilweise dann doch zu viel des Guten mit dem Gesang, obwohl mir die Kompositionen einigermaßen gefielen und ich mich ja allgemein etwas mit Musical-Aspekten arrangiert habe.
Insgesamt ist zu sagen, dass mir der neue Burton vielleicht nicht mehr ganz soooo zusagt wie der alte... es ist schon ein wenig Routine da und überraschende / magische Momente werden nicht mehr analog zum Herzschlag in die Adern gepumpt, sondern eher sporadisch. "Sweeney Todd" hat derer vor allem am Ende einige zu bieten, vorher sieht's lange Zeit aber eher düster aus - nicht nur in Bezug auf die schaurigen Sets. Burton hat weit größere Filme gemacht, aber die Meisterschaft in seinem metier sieht man ihm schon noch an, da kann ihm noch keiner das Wasser reichen.
Insgesamt ist zu sagen, dass mir der neue Burton vielleicht nicht mehr ganz soooo zusagt wie der alte... es ist schon ein wenig Routine da und überraschende / magische Momente werden nicht mehr analog zum Herzschlag in die Adern gepumpt, sondern eher sporadisch. "Sweeney Todd" hat derer vor allem am Ende einige zu bieten, vorher sieht's lange Zeit aber eher düster aus - nicht nur in Bezug auf die schaurigen Sets. Burton hat weit größere Filme gemacht, aber die Meisterschaft in seinem metier sieht man ihm schon noch an, da kann ihm noch keiner das Wasser reichen.
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